hier: Umlagepflicht von Gemeinderatsfraktionen in Baden-Württemberg als Arbeitgeber
Nach § 1 Abs. 1 AAG erstatten die Krankenkassen den Arbeitgebern, die in der Regel nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigen, grundsätzlich 80 v. H. des bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit fortgezahlten Arbeitsentgelts sowie die darauf entfallenden Beitragsanteile des Arbeitgebers (U1-Verfahren). Die Mittel zur Durchführung des U1-Verfahrens werden von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern durch eine Umlage aufgebracht (§ 7 AAG). Vom U1-Verfahren ausgenommen sind nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG u. a. der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen, die hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge tarifgebunden sind.
Den im Deutschen Bundestag oder in den Landtagen vertretenen Fraktionen sind aufgrund von Bundes- bzw. Landesgesetzen diesbezüglich eigene Rechte zuerkannt worden; für diese Fraktionen gilt die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG mit der Folge, dass keine Umlagepflicht nach § 1 Abs. 1 AAG besteht. Fraglich ist, ob auch Gemeinderatsfraktionen innerhalb des Landes Baden-Württemberg von der Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG erfasst sind.
Die Gemeindeordnung (GemO) für Baden-Württemberg in der Fassung vom 24.07.2000 enthält keine Regelung zu Gemeinderatsfraktionen (vgl. §§ 23 ff. GemO). Gemeinderatsfraktionen sind als Untergliederung des Organs Gemeindevertretung so genannte Organteile. Das kommunale Verfassungsrecht Baden-Württembergs weist den Fraktionen keine selbständigen, rechtserheblichen Teilfunktionen innerhalb des gemeindlichen Handelns zu. Aufgabe der Fraktionen ist es, bei der Willens- und Entscheidungsfindung mitzuwirken. Zu diesem Zweck billigt die Kommunalverfassung ihnen besondere Informations-, Initiativ- und Gestaltungsrechte zu, nicht jedoch nach außen wirkende Entscheidungsbefugnisse. Als Organteile der Vertretungskörperschaften besitzen Gemeinderatsfraktionen keine Rechtsfähigkeit. Gemeinderatsfraktionen sind keine "Gemeinden" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG.
Die Gemeinderatsfraktion ist in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber (z. B. für eine angestellte Bürokraft) grundsätzlich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) nach § 705 BGB anzusehen. Für die in dieser Rechtsform organisierten Arbeitgeber sieht das AAG keine Ausnahmebestimmungen vor. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 1 AAG sind in diesen Fällen allenfalls dann gegeben, wenn eine Tarifgebundenheit der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge besteht. Eine solche Tarifbindung liegt regelmäßig nicht vor. Sie wird auch nicht durch eine einzelvertragliche Bezugnahme auf entsprechende Tarifverträge begründet. Selbst wenn in den Arbeitsverträgen zwischen der Gemeinderatsfraktion und deren Arbeitnehmern eine Anlehnung an die für die Gemeinde geltenden Tarifverträge geregelt ist, besteht gleichwohl keine Tarifgebundenheit.
Die Besprechungsteilnehmer sind daher der Auffassung, dass für die Gemeinderatsfraktionen in Baden-Württemberg die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 11 AAG nicht vorliegen. Sie nehmen daher als Arbeitgeber – neben der hier nicht in Frage stehenden Verpflichtung zur Teilnahme am U2-Verfahren – auch am U1-Verfahren teil.