hier: Beginn der Verjährung

Nach § 26 Abs. 2 SGB IV werden zu Unrecht entrichtete Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen erstattet. Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind (§ 27 Abs. 2 SGB IV). Wird für weiter zurückliegende Zeiträume die Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen beantragt, wird in der Regel die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 13.09.2006 - B 12 AL 1/05 R - (USK 2006-48) entschieden, dass Gegenstand der Verjährung stets ein Anspruch im Sinne von § 194 Abs. 1 BGB sei. Ein derartiges Recht müsse - so das Bundessozialgericht - zumindest entstanden sein. Daher könne ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge jedenfalls dann nicht entstehen, solange durch einen Verwaltungsakt die Versicherungspflicht für den begehrten Erstattungszeitraum festgestellt ist und der Verwaltungsakt somit den Rechtsgrund für die Entrichtung von Beiträgen darstellt. Erst mit Aufhebung des Verwaltungsaktes können demnach die Voraussetzungen der Beitragsentrichtung entfallen bzw. könne umgekehrt ein Anspruch auf Beitragserstattung auf der Grundlage von § 26 Abs. 2 SGB IV entstehen und mithin geltend gemacht werden.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Erstattung von Beiträgen in den Fällen, in denen die Versicherungspflicht durch einen Verwaltungsakt festgestellt wurde, zunächst dieser feststellende Verwaltungsakt aufgehoben werden muss; erst dann entsteht der Erstattungsanspruch und beginnt mithin die Verjährung des Erstattungsanspruchs. Mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes wird der gesamte Anspruch auf Beitragserstattung fällig. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass Beiträge für einen Zeitraum zu erstatten sind, dessen Beginn weit in der Vergangenheit liegt.

Die Besprechungsteilnehmer folgen dieser Rechtsprechung. Fraglich ist jedoch, ob sich ein solcher Erstattungsanspruch auch auf Zeiträume erstreckt, die von dem die Beitragszahlung begründenden Verwaltungsakt zwar erfasst sind, jedoch vor dem Zeitpunkt seines Erlasses liegen.

Grundsätzlich wirkt ein Verwaltungsakt in der Regel erst von seiner Bekanntgabe an. Eine Rückwirkung von Verwaltungsakten ist zwar rechtmäßig, wenn sich ein feststellender Verwaltungsakt inhaltlich auf die Vergangenheit bezieht und insoweit ein berechtigtes Feststellungsinteresse besteht respektive unterstellt werden kann. Hinsichtlich der Prüfung, ob Beiträge zu erstatten sind, weil sie zu Unrecht entrichtet wurden, kann dies jedoch nicht ohne Berücksichtigung des Rechtsgrundes der Beitragszahlung erfolgen.

Dies bedeutet nach den das Urteil des Bundessozialgerichts im Kern tragenden Gründen: Ist die Versicherungspflicht durch Verwaltungsakt festgestellt, auf dessen Grundlage die Beitragszahlung basiert, setzt die Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen demnach zunächst die Aufhebung des Verwaltungsaktes voraus. Erst von diesem Zeitpunkt an kann ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge entstehen. In der Konsequenz entfällt der Rechtsgrund für die entrichteten Beiträge erst mit Aufhebung des die Versicherungspflicht begründenden Verwaltungsaktes.

In den Fällen, in denen sich ein Verwaltungsakt im Zusammenhang mit einer versicherungsrechtlichen Entscheidung auf Zeiträume bezieht, für die Erstattungsansprüche auf zu Unrecht entrichtete Beiträge zum Zeitpunkt seines Erlasses entsprechend § 25 SGB IV bereits verjährt sind, kann dieser Verwaltungsakt mithin nicht als formelle Rechtsgrundlage für die Beitragszahlung qualifiziert werden. Eine Erstattung dieser Beiträge ist insoweit ausgeschlossen.

Soweit sich ein Verwaltungsakt im Zusammenhang mit einer versicherungsrechtlichen Entscheidung auf Zeiträume bezieht, für die Erstattungsansprüche auf zu Unrecht entrichtete Beiträge zum Zeitpunkt seines Erlasses entsprechend § 25 SGB IV noch nicht verjährt sind, ergibt sich hingegen eine andere Betrachtung. Zwar hat sich das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 13.09.2006 nicht explizit mit dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beitragsentrichtung respektive dem insoweit zu berücksichtigenden Verjährungsbeginn auseinandergesetzt. Ganz offensichtlich geht das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung jedoch davon aus, dass in diesen Sachverhaltskonstellationen der Verwaltungsakt die formelle Rechtsgrundlage für die Beitragszahlung auch in den zurückliegenden Zeiträumen vor Erlass des Verwaltungsaktes darstellt. In der Konsequenz entsteht der Erstattungsanspruch und mithin die Verjährung des Erstattungsanspruchs auch hinsichtlich der Zeiträume vor Erlass des Verwaltungsaktes erst mit seiner Aufhebung.

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