Das Vorliegen einer Erwerbsminderung oder von Berufsunfähigkeit hat nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Arbeitsrechts nicht automatisch Auswirkungen auf den Bestand oder Vollzug eines Arbeitsverhältnisses. Allerdings kann sowohl in Tarifverträgen als auch in Arbeitsverträgen eine dahingehende Regelung getroffen werden. Nach der Rechtsprechung des BAG beschränken Regelungen, die unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, diesen in seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit. Denn Art. 12 Abs. 1 GG schützt den Einzelnen nicht nur darin, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf zu ergreifen, sondern auch seinen Willen, diese Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht schützt allerdings nur gegen staatliche Maßnahmen, die diese Freiheit beschränken. Einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen gewährt das Grundrecht dagegen nicht. Das gilt auch hinsichtlich der Tarifnormen.
3.4.1 Auflösende Bedingung im Tarifvertrag
Zahlreiche Tarifverträge sehen vor, dass die unbefristete Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung zur automatischen Beendigung führt. Das BAG legt entsprechende Regelungen unter Hinweis auf ihren Sinn und Zweck einschränkend aus. Diese dienen einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustands besteht. Andererseits wollen sie dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen und für den ein zumutbarer leistungsgerechter Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht.
Ein Bedürfnis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht danach nicht, wenn der Arbeitnehmer einen leistungsgerechten Arbeitsplatz innehat und er nach dem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen seinen arbeitsvertraglichen Pflichten in vollem Umfang noch genügen kann. Das Interesse des Arbeitgebers, sich von einem Arbeitnehmer allein deswegen zu trennen, weil dieser einen Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Anspruch nimmt, ist nicht schützenswert. Verlangt der Arbeitnehmer trotz des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung vom Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung, hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob das vom Rentenversicherungsträger festgestellte Leistungsvermögen für eine vertragsgemäße Beschäftigung, ggf. auf einem anderen freien Arbeitsplatz, ausreicht. Soweit ein Tarifvertrag die schriftliche Geltendmachung der Weiterbeschäftigung durch den Arbeitnehmer verlangt, ist Folgendes zu beachten: Nach der Rechtsprechung des BAG ist das Formerfordernis des § 126 Abs. 1 BGB (= eigenhändige Unterschrift) trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf das Weiterbeschäftigungsverlangen finden §§ 126 ff. BGB daher lediglich entsprechend Anwendung. Diese entsprechende Anwendung ist nach dem verfolgten Zweck nur für die Textform nach § 126b BGB geboten, d. h. Textform ist ausreichend.
Lässt sich eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht feststellen, ist ein sachlicher Auflösungsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Ausspruch einer Kündigung gegeben, weil der Arbeitgeber den leistungsgeminderten Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann. Eine Tarifvorschrift, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall der unbefristeten vollen oder teilweisen Erwerbsminderung als sachlich gerechtfertigt ansieht, verlangt zu ihrer Wirksamkeit allerdings, dass das Arbeitsverhältnis nur bei einem voraussichtlich dauerhaften Rentenbezug enden soll. Eine Rentenbewilligung, die zu keiner rentenrechtlichen Absicherung auf unbestimmte Dauer führt, ist als Auflösungstatbestand ungeeignet.
Mit dieser einschränkenden Auslegung haben die Tarifparteien nach Auffassung des BAG einen Sachgrund geregelt, der den von Verfassungs wegen gebotenen Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Bedingungskontrolle genügt.
Soweit in Tarifverträgen für das Bordpersonal von Fluggesellschaften vorgesehen ist, dass das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn durch die fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt wird, dass der Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist dies eine auflösende Bedingung. Entsprechende Tarifregelungen sind nach der Rechtsprechung des BAG unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs sowie ihres Zwecks regelmäßig gesetzeskonform dahin einschränkend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis nicht endet, wenn für den flugdienstuntauglichen Arbeitn...