Durch das Pflegezeitgesetz, das zum 1.7.2008 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber einen weiteren Tatbestand des besonderen Kündigungsschutzes geschaffen: § 5 Abs. 1 PflegeZG sieht vor, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis von der Ankündigung höchstens jedoch 12 Wochen vor dem verlangten Beginn bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder einer Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nicht kündigen darf. In besonderen Fällen kann die Kündigung nach § 5 Abs. 2 PflegeZG ausnahmsweise (vorab) durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde für zulässig erklärt werden.
Das Kündigungsverbot nach § 5 PflegeZG ist absolut; es gilt für alle Kündigungen, die der Arbeitgeber ausspricht. Hierunter fallen ordentliche und außerordentliche Beendigungskündigungen sowie Änderungskündigungen, sei es aus betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Gründen.
Die Voraussetzungen für das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes nach § 5 PflegeZG sind:
- Kündigungsgeschützt ist nur ein Beschäftigungsverhältnis – dazu zählen aber durch die Begriffsdefinition des § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG auch die Anstellungsverhältnisse der arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Damit hat der Gesetzgeber den stärksten denkbaren Kündigungsschutz in Abweichung zu allen anderen Gesetzen auch auf Selbstständige ausgedehnt, sofern die wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Nicht geschützt sind sonstige selbstständige Tätigkeiten wie freie Dienstverträge.
Der Beschäftigte muss objektiv einen Anspruch
- entweder nach § 2 PflegeZG auf kurzzeitige Arbeitsfreistellung zur Akutpflege eines nahen Angehörigen oder
- einen Anspruch auf Pflegezeit nach § 3 PflegeZG haben.
Der Beschäftigte muss die kurzzeitige Arbeitsverhinderung bzw. die Pflegezeit wirksam "angekündigt" haben. Unter Ankündigung ist die rechtsverbindliche Inanspruchnahme zu verstehen, die den Arbeitnehmer dann auch bindet. Erforderlich ist insbesondere bei der Pflegezeit die Mitteilung des Zeitraums, für den Pflegezeit beansprucht wird. Die Ankündigung muss schriftlich, d. h. gemäß § 126 BGB eigenhändig im Original unterschrieben, erfolgen. Andernfalls ist die Ankündigung unbeachtlich und löst nicht den Kündigungsschutz aus. Pflegezeit kann nur einmal in Anspruch genommen werden, auch wenn der Zeitraum von 6 Monaten nicht ausgeschöpft worden ist.
Sonderregelungen aus Anlass der Corona-Pandemie
Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber temporär in § 4a PflegeZG Sonderregelungen eingeführt, die für den Arbeitnehmer Erleichterungen bei der erneuten Inanspruchnahme einer Pflegezeit beinhalten.
Ob darüber hinaus auch schon bei der Inanspruchnahme der Pflegezeit die Bescheinigung des Medizinischen Dienstes oder der Pflegekasse vorzulegen ist, um den Anspruch auf Freistellung geltend zu machen, ist nicht eindeutig. Die Gesetzesbegründung und auch Regelung der Anspruchsvoraussetzungen in § 3 Abs. 1 PflegeZG sprechen dafür, dass die Vorlage der Bescheinigung nicht erforderlich ist, damit es sich um einen wirksamen Antrag handelt, sondern die Bescheinigung auch noch nachgereicht werden kann.
Eine zeitliche Begrenzung des Kündigungsschutzes zwischen Antragstellung und tatsächlicher Inanspruchnahme der Pflegezeit war ursprünglich im Gesetz nicht vorgesehen. Der Kündigungsschutz besteht aber ab der wirksamen Ankündigung der Pflegezeit. Das kann dazu führen, dass ein Beschäftigter weit vor dem Antritt der Pflegezeit diese bereits ankündigt, mit der Folge, dass er sich auf diese Weise vor Kündigungen schützen kann. Das gilt auch für Kündigungen von Beschäftigungsverhältnissen, die nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegen.
Bei Arbeitgebern, die weniger als 16 (Pflegezeit) bzw. 25 (Familienpflegezeit) Arbeitnehmer beschäftigen, sodass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die Vereinbarung einer (Familien-)Pflegezeit hat, besteht der besondere Kündigungsschutz nach § 5 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG im Fall einer (freiwilligen) Vereinbarung ab dem Zeitpunkt der Freistellung.
Pflegezeit zur Abwendung einer Kündigung
Der Arbeitnehmer erfährt anlässlich der Betriebsratsanhörung, dass beabsichtigt ist, ihm betriebsbedingt zu kündigen. Er entsinnt sich seiner pflegebedürftigen Großmutter und erklärt gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich, dass er in 18 Monaten Pflegezeit von genau 6 Monate in Anspruch nehmen werde, um die Großmutter daheim zu pflegen. Gleichzeitig erklärt er, dass er während der Pflegezeit Teilzeit im Umfang von 35 Stunden pro Woche leisten werde.
Dieses Problem hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Pflegezeit zum 1.1.2015 gelöst: Seither besteht der Kündigungsschutz ab der Ankündigung der Pflegezeit oder vergleichbarer Freistellungen, jedoch längstens 12 Wochen vor Beginn der geplanten Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz.
Der Kündigungsschutz fällt weg, wenn die Voraussetzungen für die Pflegezeit entfallen, etwa durch Ablauf der Dauer der Pflegezeit oder bei vorzeitig...