Der demografische Wandel und die sich daraus ergebenden Konsequenzen rücken seit einigen Jahren schon in das Blickfeld der Wirtschaft. Seitdem reagiert der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz zumindest in den größeren Unternehmen mit einer Hinwendung zu einer alters- und alternsgerechten Präventionskultur, die das Alter der Beschäftigten nicht mehr, wie es früher der Fall war, vorrangig als Handicap begreift. In der Industrie legte man vor diesem Hintergrund den Fokus zunächst auf die Anpassung von Produktionsprozessen in Bezug auf die Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestaltung. Doch mittlerweile gehen u. a. Autohersteller das lange vernachlässigte Problemfeld der Arbeitsumgebungsfaktoren in ihren Produktions- und Montagehallen entschlossen an.
4.1 Alter: zulässige unterschiedliche Behandlung
Altersbezogene Benachteiligung ist laut AGG unter gewissen Umständen erlaubt. Sie muss allerdings objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein. Dazu gehören Chancen für die Jugend, gesetzliche Wartezeiten z. B. bei Beförderungen, Festlegung von Mindest- und Höchstaltersgrenzen, Vorruhestandsregelungen, altersbedingte Sozialauswahl, Kündigungsschutz für bestimmte Altersgruppen sowie Sozialplangestaltung mit Altersbegrenzung. Das AGG sieht besondere Regelungen für junge und ältere Beschäftigte hervor. Diese beiden Gruppen sollen entweder bevorzugt oder benachteiligt werden können, wenn
- besondere Bedingungen vorliegen – so z. B. die Absprache der Sozialpartner bei Sozialplänen – oder
- eine Bevorzugung oder Benachteiligung sinnvoll erscheinen – so z. B. die Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit durch bevorzugte Einstellung von jungen Bewerbern.
Ob in einem Unternehmen eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters erfolgen darf, hängt aber nicht vom Willen des Arbeitgebers ab. Die Ungleichbehandlung ist nur erlaubt, wenn durch sie auf angemessene Weise ein rechtmäßiges Ziel erreicht wird. Dieses Ziel müssen die Tarifvertragsparteien aufgrund von einwandfreien Tatsachen sicherstellen. Leider gilt dies natürlich nur in tarifgebundenen Unternehmen bzw. bei tarifgebundenen Arbeitgebern. In nicht tarifgebundenen Unternehmen kann eine tatsächlich unrechtmäßige Behandlung/ein nicht rechtmäßiges Ziel (wenn eine Einigung mit dem Arbeitgeber ansonsten nicht zu erzielen ist) im äußersten Fall nur durch eine gerichtliche Klage des Beschäftigten auf Grundlage des AGG verhindert werden – u. a. aber auch, um aufgrund dessen einen Rechtsanspruch auf Schadensersatz durchzusetzen. Allerdings hat der oder die Beschäftigte vor diesem letzten Ausweg zunächst ein Beschwerderecht sowie ein Leistungsverweigerungsrecht.
4.2 Alternsgerechte Prävention
In der Vergangenheit wurden ältere Beschäftigte (in Deutschland gelten i. Allg. Personen ab dem 55. Lebensjahr amtlich als "ältere Beschäftigte") vorrangig nur hinsichtlich ihrer Defizite bewertet. In den letzten Jahren wurde aber deutlich, dass sich individuelle Fähigkeiten je nach Person unterschiedlich entwickeln lassen, auch bei älteren Beschäftigten (s. Work-Ability-Index-Studien).
Anliegen von betrieblicher Präventionsarbeit sollte es sein, dass für den Erhalt der Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeitenden schon frühzeitig gesorgt wird, damit mit dem Alter keine oder nur geringfügige gesundheitliche Probleme entstehen. "Alternsgerechte" Arbeitsgestatung hat das Ziel, die Arbeitsfähigkeit und Gesundheit von Beschäftigten während ihrer gesamten beruflichen Karriere zu erhalten und zu fördern. Sie unterscheidet sich stark von der "altersgerechten" Arbeit, die lediglich darauf abzielt, die Arbeitsanforderungen dem veränderten Leistungsvermögen älterer Beschäftigten anzupassen.
Eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung fördert die Arbeitsfähigkeit und setzt Rahmenbedingungen für eine gesunde, motivierte und leistungsfähige Erwerbstätigkeit. Sie berücksichtigt sowohl die differenzielle (zunehmende Unterschiede in den individuellen Leistungsprofilen der Beschäftigten) als auch die dynamische Perspektive (Veränderungen der Beschäftigten und ihrer Leistungsprofile im Zeitverlauf). Mit anderen Worten: Während bei der altersgerechten Arbeitsgestaltung den betroffenen Arbeitnehmern ab einem bestimmten Alter vorgegeben wird, welche Arbeit sie wie zu verrichten haben, überlässt es die alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung den Beschäftigten so früh wie möglich in ihrer beruflichen Karriere weitgehend selbst (natürlich abhängig von den Ressourcen, die das Unternehmen hierfür zur Verfügung stellen kann), wie sie Arbeitsplatz und Arbeitsprozesse vor dem Hintergrund ihres persönlichen Leistungsvermögens strukturieren. So können diese (in Abstimmung mit Kollegen) ihren Handlungsspielraum zu einem Großteil selbst bestimmen und Prioritäten setzen, beispielsweise bei der Selektion der Arbeitsaufgaben, Auswahl der Arbeitsmittel, Häufigkeit von Pausen oder Wahrnehmung von Fortbildungsmaßnahmen.
Studien der vergangenen Jahre haben ergeben, dass trotz steigendem Problembewusstsein weiterhin ein Umsetzungsdefizit besteht, das in kleinen und mittleren Unternehme...