Der Betriebsrat trifft seine Entscheidungen grundsätzlich als Kollegialorgan durch Beschlüsse auf einer ordnungsgemäßen Sitzung des Betriebsrats, nicht etwa auf monatlichen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder auf sonstigen Zusammenkünften des Betriebsrats oder im Wege des Umlaufverfahrens.

Beschlussfassung in Zeiten der Corona-Krise

Da seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie das Zusammentreffen mehrerer Menschen nicht ohne gesundheitliches Risiko und teilweise auch rechtlich problematisch ist, hatte der Gesetzgeber, nachdem zunächst in einer Ministererklärung das elektronische Verfahren für rechtlich wirksam erklärt wurde, den § 129 BetrVG[1] geschaffen. Die Regelung war zunächst bis zum 31.12.2020 befristet, ist aber bis zum 30.6.2021 verlängert worden. Eine weitere Verlängerung erfolgte nicht. Gleichwohl ist die Vorschrift auch jetzt noch bedeutsam, u. a. für die Beurteilung von Betriebsratsbeschlüssen, die bis zum 30.6.2021 gefasst wurden. Gerade angesichts der o. g. Rechtsprechung des BAG zur fehlenden Anscheinsvollmacht des Betriebsratsvorsitzenden kann es auch nach vielen Jahren noch von Bedeutung sein, ob seinerzeit ein wirksamer Betriebsratsbeschluss gefasst wurde.[2]

Dauerregelung in § 30 Abs. 2 BetrVG

Mit Wirkung vom 14.6.2021 hat der Gesetzgeber geregelt, dass die Sitzungen des Betriebsrats zwar grundsätzlich als Präsenzsitzung stattfinden (§ 30 Abs. 1 Satz 4 BetrVG), aber gem. § 30 Abs. 2 BetrVG kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung auch mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn

  • die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
  • nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
  • sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Wichtig ist, dass eine Aufzeichnung der Sitzung unzulässig ist. Daher kommt dem Protokoll nach wie vor eine entscheidende Bedeutung zu.

Folgendes muss sichergestellt werden:

  1. Die Formalien müssen eingehalten werden; es müssen alle Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig und unter Mitteilung der Tagesordnung geladen werden.
  2. Es muss sichergestellt werden, dass tatsächlich alle BR-Mitglieder die technische Möglichkeit haben, an der elektronisch vermittelten Konferenz teilzunehmen.
  3. Es muss sichergestellt werden, dass keine Außenstehenden an der elektronisch vermittelten BR-Sitzung teilnehmen bzw. deren Verlauf verfolgen können.
  4. Das Abstimmungsergebnis muss in einer Weise dokumentiert werden, die später beweisbar nachvollzogen werden kann.

In welcher Art und Weise diese BR-Sitzung stattfindet, richtet sich nach den technischen Möglichkeiten. Eine Videokonferenz ist optimal, aber technisch wird häufig nur eine Telefonkonferenz möglich sein. Der Betriebsrat muss sich aber nicht auf eine Telefonkonferenz verweisen lassen.[3] Die Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.[4]

 
Wichtig

Beschlussfassung im Umlauf bleibt unzulässig!

Das Umlaufverfahren bleibt grundsätzlich unzulässig! Nur wenn eine elektronisch vermittelte BR-Sitzung unter keinen Umständen möglich ist und eine dringende Angelegenheit zu beschließen ist, könnte die Rechtsprechung eine Ausnahme machen. Das Ergebnis eines solchen Beschlussverfahrens ist aber nicht prognostizierbar.

§ 129 BetrVG eröffnete bis zum 30.6.2021 nur die Möglichkeit einer virtuellen Betriebsratssitzung, zwang den Betriebsrat jedoch nicht dazu. Vielmehr bestand nach wie vor die Möglichkeit einer Präsenzsitzung.

Dies wird vom LAG Berlin-Brandenburg ebenfalls als vorzugswürdig angesehen.[5] In der Entscheidung wird auch betont, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO keine Grundlage bietet, die Teilnahme an einer Präsenzsitzung des Gesamtbetriebsrats zu untersagen, da Weisungen zum Arbeitsverhalten nicht die Sitzungsteilnahme betreffen.[6] Hingegen hat das Arbeitsgericht Iserlohn einen Antrag des Betriebsrats auf einstweilige Verfügung auf Zahlung eines Kostenvorschusses für eine Präsenz-Betriebsversammlung abgewiesen.[7]

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber zur Ermöglichung der Teilnahme seiner Mitglieder an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz die Überlassung von je einem Tablet oder Notebook je Betriebsratsmitglied verlangen, sofern die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG vorliegen. Es stellt keine unzulässige Begünstigung der Betriebsratsmitglieder dar, wenn sie frei nach eigener Einschätzung entscheiden dürfen, an einzelnen Tagen zu Hause zu bleiben (um an einer Videokonferenz des Betriebsrats teilzunehmen) und nicht in die Filiale kommen müssen. Vielmehr machen sie lediglich von der in § 30 Abs. 2 BetrVG gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz Gebrauch.[8] Das LAG Hessen hat den Arbeitgeber auch verpflichtet, dem Betriebsrat 2 Internetzugänge zur Verfügung zu stellen[9]. Der Anspruch des Betriebsrats kann in...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge