Dr. Madelaine Isabelle Baade
Für den Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils (= abgrenzbare Teileinheit eines Betriebs) ist nach der Rechtsprechung die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit das entscheidende Kriterium. Es muss sich um den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit handeln, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbstständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören nach dem sog. Sieben-Punkte-Katalog
- die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,
- der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter,
- der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs,
- die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber,
- der etwaige Übergang der Kundschaft sowie
- der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und
- die Dauer der eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit.
Gesamtbewertung vornehmen
Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte einer vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Es ist also eine Gesamtbetrachtung aller Kriterien erforderlich, die für oder gegen einen Betriebsübergang sprechen. Darauf, ob es sich dabei um ein "Unternehmen", einen "Betrieb" oder einen "Unternehmens-" oder "Betriebsteil" handelt, kommt es nicht an.
Die wirtschaftliche Einheit muss vor dem Übergang über eine ausreichende funktionelle Autonomie verfügen, wobei sich der Begriff Autonomie auf die Befugnisse bezieht, die der Leitung der betreffenden Gruppe von Arbeitnehmern eingeräumt sind, um die Arbeit der Gruppe frei und unabhängig zu organisieren und insbesondere Weisungen zu erteilen und Aufgaben auf die zu dieser Gruppe gehörenden untergeordneten Arbeitnehmern zu verteilen, ohne dass andere Organisationsstrukturen des Arbeitgebers dabei dazwischen geschaltet sind.
Der Übergang einer Einheit setzt aber nicht voraus, dass diese ihre organisatorische Selbstständigkeit beim Betriebserwerber vollständig bewahrt. Es ist ausreichend, dass der Erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Die Ähnlichkeit der von dem neuen Arbeitgeber erbrachten Leistungen genügt jedoch alleine nicht.
Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in den betreffenden Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu.
Betriebsmittelprägung berücksichtigen
In betriebsmittelarmen Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der wirtschaftlichen Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Umgekehrt kann in solchen Betrieben, wenn nur wenig Personal übernommen wird, die reine Fortführung der Tätigkeit gegen einen Betriebsübergang sprechen (sog. Funktionsnachfolge). Etwas anderes kann wiederum dann gelten, wenn zu den wenigen übernommenen Arbeitnehmern sogenannte Know-how-Träger gehören.
In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen, wenn maßgebliche Betriebsmittel übergehen. Sächliche Betriebsmittel sind dann für den Betrieb identitätsprägend, wenn bei wertender Betrachtung ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die Verrichtung der Tätigkeit oder auf dem freien Markt nicht erhältlich sind oder ihr Gebrauch vom Arbeitgeber zwingend vorgeschrieben ist.
Unsicherheit bei Mischeinheiten
Im Urteil vom 25.8.2016 hat das BAG für die Anerkennung eines Betriebsübergangs bei Mischbetrieben als neues Element das kumulative Vorliegen der einzelnen identitätsbestimmenden Faktoren verlangt. Bei einem Betrieb mit "Mischcharakter" kommt sowohl den sächlichen als auch den personellen Ressourcen ein gleichwertiger Rang zu, sodass bereits das Fehlen der Übernahme nur eines dieser beiden Elemente zur Nichtan...