Dr. Manuel Schütt, Dr. Adrian Löser
Zusammenfassung
Die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses findet nicht etwa noch im "rechtsfreien Raum" statt, sondern lässt bereits beiderseitig Rechte und Pflichten entstehen. Auch wenn es nicht zu einem Vertragsabschluss kommt, besteht bereits von der Vertragsanbahnung an und weiter aufgrund aufgenommener Vertragsverhandlungen zwischen den Beteiligten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit beiderseitigen Rechten und Pflichten und damit bei Pflichtverletzungen eine mögliche Haftung sowohl des Arbeitgebers als auch des Bewerbers.
Bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses ist insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten. Es greift in fast alle Bereiche der Personalarbeit ein und stellt hohe Anforderungen an Arbeitgeber. Bei einem Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 1 AGG verpflichtet, den hierdurch entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Der Arbeitgeber ist bei Verletzung eines jeden Diskriminierungsmerkmals aus § 1 AGG zudem gemäß § 15 Abs. 2 AGG verschuldensunabhängig zum Ersatz des immateriellen Schadens verpflichtet.
1 Diskriminierung/Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren
1.1 Geschlechtsbezogene Benachteiligungen
Im Bewerbungsverfahren ist das AGG zu beachten. Eine Benachteiligung eines Bewerbers durch den Arbeitgeber aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist nach § 7 Abs. 3 AGG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten. Von den vorbezeichneten Diskriminierungsgründen spielt das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts in der Praxis eine entscheidende Rolle. Bezogen auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses bedeutet das geschlechtsbezogene Benachteiligungsverbot, dass ein Bewerber nicht abgelehnt werden darf, weil er eine Frau oder ein Mann ist oder keiner dieser beiden geschlechtlichen Identitäten (3. Geschlecht) zuzuordnen ist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in seinem Beschluss vom 10.10.2017 festgehalten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, schützt. Diese Personengruppe muss somit ebenfalls vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts geschützt werden. Mit Wirkung zum 22.12.2018 trat das Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben in Kraft. Damit wurde der Beschluss des BVerfG vom 10.10.2017 umgesetzt. Menschen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können, haben seither gemäß § 22 Abs. 3 PStG die Möglichkeit, die durch das BVerfG geforderte Bezeichnung "divers" in das Geburtenregister eintragen zu lassen. Vor diesem Hintergrund muss auch diese Personengruppe in Stellenanzeigen angesprochen werden, um eine Diskriminierung im Sinne des AGG und damit einhergehende Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche von Bewerbern zu vermeiden. Geschlechtsneutral ist demnach eine Ausschreibung, wenn die Geschlechterbezeichnung in weiblicher, männlicher und diverser Form verwendet wird (m/w/divers bzw. m/w/d) oder ein geschlechtsneutraler Oberbegriff verwendet wird (z. B. "Hausmeistertätigkeit"). Es sollte dabei zumindest bei der Bezeichnung der Stelle in der Ausschreibung durch den Zusatz (m/w/d) klargestellt werden, dass damit sämtliche Geschlechter angesprochen sind. Im weiteren Fließtext einer Ausschreibung kann dann auch das Gendersternchen verwendet werden, z. B. für Bewerber*innen.
"Mitursache" ist für Benachteiligung ausreichend
Zur Annahme einer Benachteiligung ist nicht erforderlich, dass das Geschlecht alleinige Ursache für die Ablehnung war. Es reicht aus, wenn die Ablehnung neben anderen Gründen auch wegen des Geschlechts des Bewerbers vorgenommen wurde. Auch ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber das Benachteiligungsverbot schuldhaft missachtet hat.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts des Bewerbers ist nach der sehr unbestimmten Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn das Geschlecht "wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist". Allein ein sachlicher Grund oder reine Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigen danach keine geschlechtsbezogene Differenzierung.
Der EuGH hat insofern klargestellt, dass sich der Begriff wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung nicht auf subjektive Erwägungen wie den Willen des Arbeitgebers, besonderen Kundenwünschen zu entsprechen, erstrecken kann.
Vermeintliche Kundenwünsche bzw. -erwartungen können demnach eine unterschiedliche Behandlung grundsätzlich nicht rechtfertigen. Handelt es sich jedoch um Tätigkeiten, die mit Kontakt zur Intimsphäre der Kunden – wie etwa im Pflegebereich – einhergehen, dürfte dies anders zu bewert...