Leitsatz (amtlich)
Die Reisekosten eines auswärtigen Bevollmächtigten sind auch im finanzgerichtlichen Verfahren unter sinngemäßer Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
Normenkette
FGO §§ 139, 155; ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführer wohnen in Bad Godesberg. In dem Rechtsstreit wegen der Einkommensteuer für die Jahre 1959 bis 1962, den sie gegen das FA führten, entschied das FG durch rechtskräftiges Urteil VII 79-82/64 vom 3. März 1967 u. a. , daß der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Die Beschwerdeführerin zu 2. betreibt in Bad Godesberg einen Einzelhandel. Wegen der Umsatzsteuer für die Jahre 1959 bis 1962 führte sie ebenfalls einen Rechtsstreit gegen das FA vor dem FG. Dieses entschied durch rechtskräftiges Urteil VII 58-61/64 U vom 3. März 1967 u. a. , daß der Beklagte auch die Kosten dieses Verfahrens zu tragen habe. Die Beschwerdeführer waren in beiden Verfahren zunächst durch den Steuerbevollmächtigten L in Hannover und nach dessen Tod im Jahre 1965 durch den Steuerbevollmächtigten B vertreten worden. Der Steuerbevollmächtigte B hatte die Praxis des Steuerbevollmächtigten L übernommen. Auf Anordnung des FG hatten in der Einkommensteuersache und in der Umsatzsteuersache vier Erörterungstermine und eine mündliche Verhandlung stattgefunden, und zwar drei Erörterungstermine im Gebäude des FA in Bonn und ein Erörterungstermin sowie die mündliche Verhandlung im Gebäude des FG in Köln. Zu den Terminen war jeweils der Steuerbevollmächtigte B erschienen. Mit Schreiben vom 4. April 1967 beantragten die Beschwerdeführer, die zu erstattenden Kosten für beide Verfahren festzusetzen. Dabei verlangten sie insbesondere die Erstattung der Kosten, die durch die Reisen des Bevollmächtigten zu den fünf Terminen vor dem FG und zu einer Besprechung mit den Beschwerdeführern in Bad Godesberg entstanden waren. Dafür verlangten sie insgesamt die Erstattung von 2 127,40 DM, und zwar 1 584 DM Fahrtkosten, 450 DM Tagegeld für neun Tage und 93,40 DM Übernachtungskosten. Bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten erkannte der Urkundsbeamte des FG den Beschwerdeführern durch Beschluß VII 79-82/64 E vom 8. Juni 1967 an Fahrtkosten 72 DM zu. In den Gründen führte der Urkundsbeamte aus, daß die durch die Beauftragung des Bevollmächtigten aus Hannover entstandenen Reisekosten in der genannten Höhe nicht anerkannt würden. Es seien jedoch die Kosten zu erstatten, die einem am Wohnort der Beschwerdeführer beauftragten Bevollmächtigten durch die Wahrnehmung der an Gerichtsstelle stattgefundenen Termine entstanden wären. Für die Fahrten des Bevollmächtigten zu den beiden Terminen in Köln seien insgesamt 72 DM zu erstatten. Auch in dem Beschluß VII 58-61/64 U vom 8. Juni 1967 lehnte der Urkundsbeamte die Erstattung der genannten Kosten für die Reisen des Bevollmächtigten von Hannover nach Bonn und Köln ab.
Auf die Erinnerung gegen die Beschlüsse des Urkundsbeamten, mit der die Beschwerdeführer darum baten, die Reisekosten in vollem Umfang zu erstatten und je zur Hälfte auf die Einkommensteuersache und die Umsatzsteuersache aufzuteilen, hob das FG die Kostenfestsetzungsbeschlüsse durch Beschlüsse VI 74 und 75/67 EK vom 16. Oktober 1967 auf und verwies die Sachen zur anderweitigen Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen an den Urkundsbeamten des FG zurück. In den Gründen der Entscheidungen führte das FG aus, die Beschwerdeführer hätten sich mit der Erinnerung ausschließlich dagegen gewandt, daß der Urkundsbeamte die Reisekosten des Bevollmächtigten nicht als erstattungsfähig anerkannt habe. Der Urkundsbeamte habe die Erstattung dieser Kosten zu Recht abgelehnt. Im finanzgerichtlichen Verfahren sei § 91 Abs. 2 ZPO gemäß § 155 FGO sinngemäß anzuwenden. Den Beschwerdeführern seien allerdings die Reisekosten zu erstatten, die dann entstanden wären, wenn die Beschwerdeführer einen an ihrem Wohnort ansässigen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Termine beauftragt hätten. Dabei seien außer den Kosten für die Fahrten nach Köln auch die Kosten für die Fahrten nach Bonn zu berücksichtigen. Der Urkundsbeamte habe nicht geprüft, in welchem Umfang Kosten für die Fahrten nach Bonn zu berücksichtigen seien. Das FG habe es deshalb für zweckmäßig gehalten, die Sachen unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse an den Urkundsbeamten zurückzuverweisen, damit dieser insoweit weitere Feststellungen treffe, die zu erstattenden Aufwendungen ggf. anderweitig festsetze und dabei entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführer die erstattungsfähigen Reisekosten je zur Hälfte auf die Einkommensteuersache und die Umsatzsteuersache aufteile.
Das FG ließ gegen die Beschlüsse die Beschwerde zu mit der Begründung, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Beschwerdeführer dagegen, daß die Reisekosten ihres Bevollmächtigten, die durch die Wahrnehmung der Termine in Bonn und Köln sowie durch die Besprechung mit den Beschwerdeführern entstanden sind, vom FG nicht als erstattungsfähig anerkannt worden sind. Zur Begründung führen sie im wesentlichen aus, bei diesen Kosten handele es sich ausschließlich um notwendige Aufwendungen der Rechtsverteidigung. Der Bevollmächtigte sei im Rahmen eines Gesamtauftrages tätig geworden. Es sei nicht sinnvoll gewesen, dem Bevollmächtigten die laufenden Buchführungs-, Bilanz- und Beratungsarbeiten zu übertragen und einen anderen Bevollmächtigten mit der Vertretung vor Gericht zu beauftragen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Verfahren VII B 197 und 198/67 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden sind nicht begründet.
Das FG hat zu Recht davon abgesehen, dem Begehren der Beschwerdeführer zu entsprechen. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß über das Begehren auf Erstattung der Reisekosten des Bevollmächtigten unter sinngemäßer Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO zu entscheiden ist. Der BFH hat bereits in dem Urteil VII 224/57 U vom 22. Februar 1961 (BFH 72, 537, BStBl III 1961, 195) dargelegt, daß auch im Steuerprozeß die Reisekosten eines auswärtigen Bevollmächtigten nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Dieser Entscheidung liegt zwar § 316 AO a. F. zugrunde. § 139 FGO gibt aber keinen Anlaß, von diesem Ergebnis abzuweichen. Bedenken ergeben sich nicht etwa daraus, daß die Regelung über die Erstattung von Reisekosten in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO von der Zulassung von Rechtsanwälten für das Prozeßgericht ausgeht und die FGO eine solche Zulassung nicht kennt. Die Regelung in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfaßt gerade jene Fälle, in denen ein Anwaltszwang nicht besteht und in denen es demgemäß auf die Zulassung nicht ankommt (vgl. Klempt-Meyer, Rechtsmittelverfahren und Rechtsmittelkosten in Steuerstreitsachen, 2. Aufl., S. 203). Der sinngemäßen Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO steht auch nicht der Wortlaut des § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO entgegen, nach dem gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen "stets" zu erstatten sind. Durch diese Vorschrift sollte zwar erreicht werden, daß die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten, dem gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen zustehen, im Rahmen der Entscheidung über die Erstattung dieser Kosten nicht geprüft wird. Dieser Grundsatz vermag jedoch nicht die Erstattung solcher Aufwendungen zu rechtfertigen, die eindeutig hätten vermieden werden können, ohne daß die Wahrung der Rechte des Erstattungsberechtigten im Rahmen einer ordentlichen Prozeßführung dadurch beeinträchtigt worden wäre (vgl. Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., vor § 91 II 3, § 91 VII).
Die Reisekosten eines auswärtigen Bevollmächtigten sind demgemäß nur zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V, 1.-5. Aufl., § 139 FGO Anm. 12; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 139 Tz. 36). Die Notwendigkeit kann unbeschadet der Freiheit in der Auswahl der Bevollmächtigten nur anerkannt werden, wenn besondere sachliche Gründe vorhanden waren, den auswärtigen Bevollmächtigten zuzuziehen (vgl. Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 91 IX 2c). Ein solcher Grund hätte etwa dann vorgelegen, wenn am Wohnort der Beschwerdeführer oder in dessen Nähe ein für die Erledigung der Steuerangelegenheiten der Beschwerdeführer geeigneter Bevollmächtigter oder Beistand nicht zu erlangen gewesen wäre. Da aber nicht ersichtlich ist, daß es aus sachlichen Gründen notwendig war, den Steuerbevollmächtigten B mit der Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten der Beschwerdeführer zu beauftragen, kann die Notwendigkeit der Zuziehung in den Rechtsstreitigkeiten auch nicht damit begründet werden, daß der Steuerbevollmächtigte die Steuerangelegenheiten für die Beschwerdeführer im Rahmen eines Gesamtauftrages erledigt habe.
Fundstellen
Haufe-Index 68271 |
BStBl II 1969, 398 |
BFHE 1969, 314 |