Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung des sog. Drittaufwands bei Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Allein aufgrund der Tatsache, daß der Steuerpflichtige gemeinsam mit seinem Ehepartner ein Arbeitszimmer in der dem Ehepartner gehörenden Wohnung nutzt, sind ihm die anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers entsprechend seiner Nutzung zur Vornahme von AfA nicht zuzurechnen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 7, 9 Abs. 1, § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
A.
Rechtsfragen, Sachverhalt, Stellungnahme der Beteiligten
I. Vorgelegte Rechtsfragen
Der VI. Senat hat durch Beschluß vom 25. November 1996 VI R 23/95 dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Ist bei Ehegatten für die Befugnis zur Vornahme von Absetzung für Abnutzung (AfA) davon auszugehen, daß die auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungs-/ Herstellungskosten als von dem Nichteigentümer-Ehegatten insoweit getragen bzw. mitgetragen gelten, als er das Arbeitszimmer für seine beruflichen Zwecke unentgeltlich nutzt bzw. mitbenutzt?
2. Falls die Rechtsfrage zu 1. verneint wird:
Kann der das häusliche Arbeitszimmer unentgeltlich (mit)nutzende Nichteigentümer-Ehegatte den dem Eigentümer-Ehegatten für die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers durch den Nichteigentümer-Ehegatten erwachsenden Aufwand für AfA als sog. Drittaufwand absetzen?
II. Sachverhalt
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die ein Einfamilienhaus bewohnen, das der Klägerin gehört. Ein Raum des Hauses wird von beiden Klägern, die als Lehrer tätig sind, für berufliche Zwecke genutzt. Die Fläche des Arbeitszimmers umfaßt 12,6 v.H. der Wohnfläche des Hauses.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre 1986 und 1987 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallende AfA nur zur Hälfte als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit an. Die andere Hälfte ließ das FA weder bei der Klägerin noch beim Kläger zum Abzug als Werbungskosten zu.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallende AfA sei in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
III. Begründung der Vorlage, Stellungnahme der Beteiligten
Zur Begründung des Vorlagebeschlusses wird auf BFHE 181, 383, BStBl II 1997, 219 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich zu der Vorlage nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
B.
Entscheidung des Großen Senats über die Verfahrensfragen
Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Sache dadurch nicht zu erwarten ist. Keiner der Beteiligten hat mündliche Verhandlung beantragt.
Die Vorlage des VI. Senats, die sich auf § 11 Abs. 4 FGO stützt, ist zulässig. Die vorgelegten Rechtsfragen sind entscheidungserheblich.
C.
Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegten Rechtsfragen
I. Erste Rechtsfrage
1. Die Frage stimmt im wesentlichen mit der zweiten Frage der Vorlagen GrS 1/97 und GrS 2/97 überein. Sie ist zu verneinen.
Allein aufgrund der Tatsache, daß ein Steuerpflichtiger im Hause seines Ehegatten einen Raum für seine beruflichen Zwecke nutzt, folgt nicht, daß er dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als eigene Aufwendungen (AfA) unabhängig davon geltend machen kann, ob er tatsächlich derartige Aufwendungen trägt. Das gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige den Raum nicht alleine, sondern zusammen mit seinem Ehegatten (Eigen- tümer) nutzt. Auf die Ausführungen in den Beschlüssen vom heutigen Tage zu den Vorlagen GrS 1/97, zu C. II. 1. und GrS 2/97, zu C. IV., wird verwiesen.
2. Die Befugnis zur AfA auf die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers steht im Vorlagefall --wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat-- der Klägerin und Eigentümerin zu. Diese Befugnis hätte sie zweifellos, wenn sie den Raum alleine beruflich genutzt hätte. Das gilt im Interesse einer praktikablen Lösung auch dann, wenn der Raum zwar insgesamt beruflich genutzt wird, jedoch nicht ausschließlich vom Steuerpflichtigen. Dabei ist einmal zu berücksichtigen, daß die Klägerin selbst das ganze Zimmer (eine räumliche Aufteilung ist nicht festgestellt) beruflich nutzt. Mit Recht weist der vorlegende Senat darauf hin, daß der Steuerpflichtige im Rahmen des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Wohnung auch dann tatsächlich in vollem Umfang zu eigenen Wohnzwecken nutzt, wenn er sie gemeinsam mit einer anderen Person nutzt (BFH-Urteil vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Ob man diesen Gedanken auch für die Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Nutzung (Überlassung des Raumes an den Ehemann aufgrund der §§ 1353 Abs. 1, 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) eines Raumes übertragen kann, mag aus systematischen Gründen nicht unbedenklich sein. Der Große Senat hält dies aber bei zusammenveranlagten Eheleuten (§ 26b EStG) dann für gerechtfertigt, wenn auch der Ehepartner den Raum nur für berufliche Zwecke nutzt.
Beteiligt sich der Nichteigentümer-Ehegatte an den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Hauses im beruflichen Interesse, ist der Sachverhalt dem des Beschlusses vom heutigen Tage in der Sache GrS 1/97 vergleichbar.
c) Der Große Senat beantwortet die erste Rechtsfrage wie folgt:
Allein aufgrund der Tatsache, daß der Steuerpflichtige gemeinsam mit seinem Ehepartner ein Arbeitszimmer in der dem Ehepartner gehörenden Wohnung nutzt, sind ihm die anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Arbeitszimmers entsprechend seiner Nutzung zur Vornahme von AfA nicht zuzurechnen.
II. Zweite Rechtsfrage
Unter Hinweis auf die Ausführungen zu C. I. 2. erübrigt sich eine Beantwortung der 2. Rechtsfrage.
Fundstellen
Haufe-Index 55001 |
BFH/NV 2000, 138 |
BStBl II 1999, 787 |
BFHE 189, 172 |
BFHE 2000, 172 |
BB 1999, 2124 |
BB 1999, 2174 |
DB 1999, 2093 |
DStRE 1999, 777 |
DStZ 1999, 912 |
HFR 1999, 981 |
StE 1999, 622 |