Leitsatz (amtlich)
Druckvorlagen, die der Herstellung von Zeitschriften dienen, sind weder unter dem Gesichtspunkt der Herstellungskosten noch als immaterielle Wirtschaftsgüter in die Vermögensaufstellung aufzunehmen (im Anschluß an BFH-Entscheidung vom 18. Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809).
Normenkette
BewG 1965 § 95
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Zeitschriftenverlag. Streitig ist, ob die sogenannten Druckvorlagen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1958 als Besitzposten angesetzt werden können.
Die Klägerin gab im Jahr … mehrere wöchentlich und halbmonatlich erscheinende Zeitschriften heraus. Außerdem erschien halbjährlich ein … -heft. Zu diesem Zweck erwarb die Klägerin von freien Mitarbeitern Manuskripte, Fotos usw. Diese wurden von den Redakteuren gesichtet, geordnet, abgeändert und zu Druckvorlagen zusammengestellt. Die Druckvorlagen wurden an Druckereien zum Druck der Zeitschriften im Lohnverfahren gegeben. Die Klägerin hatte bisher nur das Papier, die sonstigen Rohmaterialien und die Manuskripte bei der Einheitsbewertung berücksichtigt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ist der Auffassung, daß dabei auch die Redaktionskosten anzusetzen seien. Er sieht in ihnen Herstellungskosten und in den Druckvorlagen selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise insoweit statt, als sich die Verfahrensbeteiligten auf einen geringeren Betrag an Redaktionskosten geeinigt hatten. Im übrigen wies es die Klage durch gemeinsames, sowohl die Körperschaftsteuer als auch die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens betreffendes Urteil ab.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie hat zu den ertragsteuerlichen Problemen der Körperschaftsteuer ein Gutachten vorgelegt.
In der Körperschaftsteuersache hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) durch Urteil vom 18. Juni 1975 I R 24/73 (BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809) entschieden. Er hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Er hat in den Druckvorlagen weder "unfertige" Zeitschriften noch selbständige Wirtschaftsgüter gesehen.
Im Revisionsverfahren der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens beantragt die Klägerin, unter Änderung der Vorentscheidung und des Einheitswertbescheids den Einheitswert für ihren Betrieb auf … DM festzustellen. Das FA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Das FA hält das Urteil des I. Senats I R 24/73 für unrichtig. Es beanstandet, daß der I. Senat den Druckvorlagen die Eigenschaft als selbständige Wirtschaftsgüter abgesprochen hat.
Der dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene Bundesminister der Finanzen (BdF) lehnt das Urteil des I. Senats ebenfalls ab. Er sieht in den Druckvorlagen bereits einen Teil des späteren Endprodukts Zeitschrift. Wegen der vom FA und vom BdF im einzelnen vorgetragenen Gesichtspunkte wird auf die Ausführungen von Bordewin in Der Betriebs-Berater 1975 S. 1472 (BB 1975, 1472), Söffing in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1976 S. 155 (DStZ A 1976, 155) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der Senat sieht im Anschluß an das BFH-Urteil vom 21. Januar 1971 IV R 51/69 (BFHE 101, 224, BStBl II 1971, 304), das die Klischeekosten eines Verlages betraf, in der Klägerin den eigentlichen Hersteller der von ihr verlegten Zeitschriften. Er sieht außerdem in den hier noch streitigen Redaktionskosten Herstellungskosten der später hergestellten Zeitschriften. Er ist jedoch in Übereinstimmung mit dem I. Senat der Auffassung, daß die Druckvorlagen weder als unfertige Zeitschriften noch als selbständige materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens angesetzt werden können.
2.
Der. I. Senat hat im Hinblick auf das Gliederungsschema des Aktiengesetzes -- AktG -- (vgl. § 151 Abs. 1 III A Nr. 2 AktG 1965) entschieden, ob bereits von einem unfertigen Erzeugnis gesprochen werden könne, richte sich allein danach, was ein Unternehmen als Endprodukt letztlich herstelle. Wesentlich sei ob sich dieses Endprodukt am Bilanzstichtag bereits in seiner Entstehung befinde dergestalt, daß das bisher Hergestellte bereits teilweise mit dem Fertigprodukt identisch sei und sich ihm gegenüber lediglich als ein "Weniger" darstelle. Druckvorlagen seien mit dem von der Klägerin hergestellten Endprodukt Zeitschriften auch nicht teilweise identisch. Als Anleitung für die Herstellung des Endprodukts kennzeichneten sie vielmehr ein Stadium vor Beginn der Fertigstellung des Endprodukts. Druckvorlagen seien deshalb gegenüber den Zeitschriften nicht ein "Weniger", sondern ein "aliud". Der I. Senat hat damit entschieden, daß Herstellungskosten nicht schlechthin zu aktivieren sind, sondern daß ein Ansatz in der Bilanz erst dann in Betracht kommt, wenn der durch die Herstellungskosten verkörperte Wert sich als ein Wirtschaftsgut darstellt. Der erkennende Senat hält diese Auffassung für zutreffend. Den entscheidenden Gesichtspunkt für die Richtigkeit dieser Auffassung sieht er darin, daß im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nur Wirtschaftsgüter zu bilanzieren sind, und daß auch die Bewertungsvorschrift des § 6 EStG das Vorliegen von Wirtschaftsgütern voraussetzt (ebenso Barske in DStZ A 1976, 316).
Für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gilt nichts anderes. Auch hier kommen für den Ansatz in der Vermögensaufstellung nur Wirtschaftsgüter in Betracht (vgl. §§ 95 Abs. 2, 97, 98 a, 109 BewG 1965). Das bedeutet auch hier, daß der Ansatz lediglich von Kosten, ohne daß diese bereits zu einem Wirtschaftsgut geführt hätten, nicht möglich ist.
Diese Grundsätze haben allerdings durch das Urteil des IV. Senats vom 11. März 1976 IV R 176/72 (BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614) eine Modifizierung insofern erfahren, als bei der Errichtung von Gebäuden die Herstellung des Gebäudes nicht erst mit den eigentlichen Bauarbeiten, sondern bereits mit der Planung beginnt. Der IV. Senat sieht in seiner Entscheidung keine Abweichung von dem Urteil des 1. Senats. Nach seiner Auffassung rechtfertigen es vielmehr die der Errichtung eines Gebäudes vorangehenden mehr oder weniger umfangreichen Planungen und die damit verbundenen meist erheblichen Kosten, diese Kosten nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung bereits vor dem Beginn der eigentlichen Bauarbeiten als Herstellungskosten des Gebäudes zu aktivieren. Ein solcher oder vergleichbarer Fall steht jedoch hier nicht zur Entscheidung.
3.
Die Druckvorlagen können auch nicht als selbständige Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens angesetzt werden. In Betracht käme nur ein Ansatz als immaterielles Wirtschaftsgut; denn im Vordergrund steht nicht das Papier, sondern ihr geistigschöpferischer Inhalt. Der I. Senat hat in seinem Urteil I R 24/73 bereits ihre Eigenschaft als Wirtschaftsgut verneint, weil sie im Falle einer Veräußerung des Verlags keine greifbaren Werte seien und bei der Bemessung des Kaufpreises als Einzelheit nicht ins Gewicht fielen. Der Senat kann diese Frage offenlassen. Er ist jedenfalls der Auffassung, daß die Voraussetzungen, unter denen immaterielle Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Besitzposten angesetzt werden können, hier nicht vorliegen. Die Druckvorlagen stellen weder nach der Verkehrsauffassung eine geldwerte Realität dar noch sind sie von der Klägerin entgeltlich erworben worden. Ihr Ansatz rechtfertigt sich aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß die Klägerin in Form der sogenannten Redaktionskosten Aufwendungen auf die Druckvorlagen gemacht hat. Der Senat hat in dem auch vom FA zitierten Urteil vom 6. März 1970 III R 20/66 (BFHE 99, 50, BStBl II 1970, 489), das Belieferungsrecht von Lesezirkeln betreffend, entschieden, daß laufende Betriebsausgaben nicht geeignet seien, den Ansatz eines selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsgutes zu begründen. Für einen derartigen Ansatz seien vielmehr eindeutige und klar abgrenzbare Aufwendungen erforderlich, die sich erkennbar von den laufenden Aufwendungen abheben müssen. Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, können aber die Redaktionskosten nicht als immaterielle Wirtschaftsgüter angesetzt werden. Denn es handelt sich bei ihnen um regelmäßig wiederkehrende, auch in der Höhe in etwa gleichbleibende Aufwendungen, die sich gegenüber den sonstigen laufenden Aufwendungen nicht deutlich erkennbar unterscheiden.
Fundstellen
BStBl II 1979, 235 |
BFHE 1979, 478 |
AfP 1979, 267 |