Entscheidungsstichwort (Thema)
Abteilungsübergreifende Betriebsveranstaltung - Bewirtung eigener Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber - Dienstreise oder Einsatzwechseltätigkeit: Kein Verpflegungsmehraufwand bei regelmäßiger Arbeitsstätte anderer Arbeitnehmer - Lohnsteuernachforderung bei Abweichung zwischen Verwaltungsanweisung und Rechtsprechung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Betriebsveranstaltung im herkömmlichen Sinne kann auch dann vorliegen, wenn eine gemeinsame Veranstaltung nur für einzelne Abteilungen eines Unternehmens, die eng zusammenarbeiten, durchgeführt wird. Voraussetzung ist, daß die abteilungsübergreifende Veranstaltung allen Arbeitnehmern der teilnehmenden Abteilungen offensteht (vertikale Beteiligung).
2. Die Bewirtung eigener Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber außerhalb von herkömmlichen Betriebsveranstaltungen führt in der Regel zu einem Zufluß von Arbeitslohn. Bei einem außergewöhnlichen Arbeitseinsatz kann ausnahmsweise der Belohnungscharakter verneint werden, wenn die unentgeltliche Überlassung des Essens der Beschleunigung des Arbeitsablaufs dient und dies für den Arbeitgeber von erheblicher Wichtigkeit ist. Weitere Voraussetzung ist, daß das Essen einfach und nicht aufwendig ist.
3. Ein ca. zehnmal jährlich stattfindendes Arbeitsessen in einer Gaststätte am Sitz des Unternehmens führt bei den teilnehmenden Arbeitnehmern (leitenden Angestellten) zu einem Zufluß von Arbeitslohn. Dieser Arbeitslohn kann gemäß § 3 Nr.16 EStG steuerbefreit sein.
Orientierungssatz
1. Zuwendungen des Arbeitgebers anläßlich von Betriebsveranstaltungen können nur dann im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen und mithin nicht zu einem Zufluß von Arbeitslohn führen, wenn der Höchstbetrag von 150 DM je teilnehmenden Arbeitnehmer nicht überschritten wird und die Veranstaltungen nicht öfter als zweimal im Jahr durchgeführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.1992 VI R 85/90).
2. Macht der Arbeitgeber geltend, die Bewirtung eigener Arbeitnehmer außerhalb von herkömmlichen Betriebsveranstaltungen habe in seinem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gelegen und die Aufwendungen stellen mithin keinen Arbeitslohn dar, beruft er sich auf einen Ausnahmesachverhalt. Er hat deshalb für jede einzelne Bewirtung und nicht pauschal für alle Bewirtungen substantiiert die Tatsachen vorzutragen, die die Annahme dieses Sachverhalts rechtfertigen.
3. Ein Arbeitnehmer, der im Rahmen einer eintägigen Dienstreise oder Einsatzwechseltätigkeit an einem Ort arbeitet, der für die übrigen dort tätigen Arbeitnehmer deren regelmäßige und dauerhafte Arbeitsstätte ist, und der dort den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen ist wie diese, kann i.d.R. keinen Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten beanspruchen (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1994 VI R 65/92).
4. Im Rahmen der Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch Pauschalierungsbescheid ist es ermessensfehlerhaft, Lohnsteuerbeträge nachzuerheben, wenn der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug entsprechend den geltenden Lohnsteuer-Richtlinien durchgeführt hat, diese aber nicht mit neuerer Rechtsprechung übereinstimmen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 Nr. 2; AO 1977 §§ 5, 176 Abs. 2
Tatbestand
A. Nach einer den Zeitraum Juni 1981 bis Oktober 1984 betreffenden Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) waren zwischen den Beteiligten folgende Punkte umstritten:
1. Die Unternehmensleitung der Klägerin veranstaltete etwa zehnmal im Jahr an ihrem Sitz in A ein Mittagessen für ihre leitenden Angestellten aus den Werken in A, B, C. und D. Es nahmen etwa 25 Personen --Prokuristen, Direktoren und ein persönlich haftender Gesellschafter-- teil. Die Arbeitsessen fanden in Gaststätten in A statt, und zwar in der Zeit von 13.00 Uhr bis 14.30 Uhr. Das Essen wurde von der Geschäftsleitung ohne Auswahlmöglichkeit für die einzelnen Teilnehmer bestimmt. Im Durchschnitt entstanden pro Teilnehmer etwa 30 DM Kosten, die die Klägerin trug.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah darin Arbeitslohn.
2. Auf Kosten der Klägerin wurden auch andere Arbeitnehmer bewirtet. Die Bewirtungen bestanden in der Regel in einem Essen, das außerhalb des Werkes eingenommen wurde. Sie fanden im allgemeinen außerhalb der Dienstzeit statt. Der durchschnittliche Wert der Bewirtung betrug 40 DM pro Teilnehmer. Es waren ausschließlich leitende Angestellte oder deren Beauftragte berechtigt, Mitarbeiter der Klägerin auf deren Kosten zu bewirten.
Das FA sah in der Kostenübernahme die Zahlung von Arbeitslohn.
3. Im Unternehmen der Klägerin findet einmal jährlich eine Betriebsveranstaltung für jede einzelne Abteilung statt, wegen der Größe des Unternehmens aber keine Gesamtbetriebsveranstaltung. Daneben fanden gemeinsame Veranstaltungen für solche Abteilungen statt, die unmittelbar miteinander zusammenarbeiten. Die Klägerin übernahm die Kosten in Höhe von durchschnittlich 23 DM je Mitarbeiter für eine Mahlzeit. Das FA sah darin Arbeitslohn.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen den Pauschalierungsbescheid statt. Es nahm an, bei allen Veranstaltungen habe die Kostenübernahme für die Mahlzeiten im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin gelegen.
Das FA rügt mit seiner Revision die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 19 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Wertung, die Zuwendung der Essen habe im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin gelegen und deshalb bei ihren Arbeitnehmern nicht zu einem Zufluß von Arbeitslohn (§ 19 Abs.1 Nr.1 EStG) geführt.
I. Zuwendungen des Arbeitgebers anläßlich von Betriebsveranstaltungen können nur dann im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen und mithin nicht zu einem Zufluß von Arbeitslohn führen, wenn der Höchstbetrag von 150 DM je teilnehmenden Arbeitnehmer nicht überschritten wird und die Veranstaltungen nicht öfter als zweimal im Jahr durchgeführt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655).
Im Streitfall hat das FG festgestellt, die Zuwendungen an die Arbeitnehmer bei den abteilungsübergreifenden Veranstaltungen hätten den Betrag von 150 DM nicht überschritten und der einzelne Arbeitnehmer habe auch nicht an mehr als zwei Veranstaltungen pro Jahr teilgenommen.
Der Annahme des FG, es habe sich um Betriebsveranstaltungen im herkömmlichen Sinne gehandelt, steht auch nicht entgegen, daß die Veranstaltungen für einzelne Abteilungen gemeinsam durchgeführt worden sind. Denn der Arbeitgeber kann ein überwiegendes Eigeninteresse an abteilungsübergreifenden geselligen Veranstaltungen gerade dann haben, wenn bestimmte Abteilungen besonders eng zusammenarbeiten müssen. Entscheidend für die Annahme einer herkömmlichen Betriebsveranstaltung ist in einem derartigen Fall, daß die Veranstaltung allen Arbeitnehmern der jeweils einbezogenen Abteilungen offensteht (vertikale Beteiligung) und sich damit die Begrenzung des Teilnehmerkreises nicht als eine Bevorzugung bestimmter Arbeitnehmergruppen innerhalb der Abteilungen darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, 531, zu Nr.2 der Entscheidungsgründe; vgl. auch Abschn.72 Abs.2 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 1993).
Im Streitfall hat das FG keine ausdrücklichen Feststellungen über die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin getroffen, die abteilungsübergreifenden Veranstaltungen hätten allen Arbeitnehmern der einbezogenen Abteilungen offengestanden. Es wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
II. Soweit ein Arbeitgeber seine eigenen Arbeitnehmer außerhalb von herkömmlichen Betriebsveranstaltungen bewirtet, liegt darin in der Regel die Zuwendung von Arbeitslohn; ausnahmsweise kann nach der Rechtsprechung des Senats dann etwas anderes gelten, wenn Speisen und Getränke anläßlich und während eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes aus durch den Arbeitsablauf bedingten Gründen unentgeltlich überlassen werden (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 55, 56/92, BFHE 174, 425, BStBl II 1994, 771; vgl. auch Abschn.73 Abs.2 Satz 2 LStR ab 1990).
Außergewöhnliche Arbeitseinsätze in diesem Sinne liegen nicht bereits dann vor, wenn sich eigene Arbeitnehmer des Arbeitgebers zu einer beruflichen Besprechung außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder während der Mittagszeit in einem Restaurant oder einer Gaststätte verabreden oder von dem Arbeitgeber zu einem derartigen Essen eingeladen werden. Hinzukommen muß, daß es sich beispielsweise um einen innerhalb einer kurzen Zeit zu erledigenden oder einen unerwarteten Arbeitsanfall handelt, so daß die Überlassung der Mahlzeit der im Interesse des Arbeitgebers liegenden Beschleunigung des Arbeitsablaufs dient. Außerdem kann einer Bewirtung ausschließlich eigener Arbeitnehmer außerhalb von herkömmlichen Betriebsveranstaltungen ein Belohnungscharakter nur dann abgesprochen und damit ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers lediglich dann angenommen werden, wenn das überlassene Essen einfach und nicht aufwendig ist.
1. Soweit leitende Angestellte der Klägerin berechtigt waren, auf Kosten der Klägerin andere Arbeitnehmer der Klägerin zu bewirten, lassen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht erkennen, daß diese Bewirtungen im Rahmen von außergewöhnlichen Arbeitseinsätzen im vorgenannten Sinne erfolgt sind.
Macht der Arbeitgeber geltend, die Bewirtung eigener Arbeitnehmer habe in seinem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gelegen und die Aufwendungen stellten mithin keinen Arbeitslohn dar, so beruft er sich auf einen Ausnahmesachverhalt. Er hat deshalb für jede einzelne Bewirtung und nicht pauschal für alle Bewirtungen substantiiert die Tatsachen vorzutragen, die den Schluß auf einen außergewöhnlichen Arbeitseinsatz der beschriebenen Art rechtfertigen.
Der Klägerin wird im zweiten Rechtsgang Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen insoweit zu substantiieren und ggf. für die Richtigkeit ihres Sachvortrags Beweis anzutreten.
2. Die vorgenannten Voraussetzungen für die Annahme eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes mit der Folge, daß die Überlassung einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber ausnahmsweise nicht als Arbeitslohn zu werten ist, liegen entgegen der Auffassung des FG auch dann nicht vor, wenn --wie im Streitfall-- Besprechungen der Geschäftsführung mit einer gewissen Regelmäßigkeit (ca. zehnmal im Jahr) stattfinden und planmäßig in die Mittagszeit gelegt werden. Die organisatorische Vereinfachung, die für den Arbeitgeber darin liegt, daß für alle Teilnehmer der Besprechung ein einheitliches Essen vorbestellt wird, überwiegt bei dieser Fallgestaltung den eigenen Vorteil der Arbeitnehmer an der Erlangung dieses Essens nicht. Die Überlassung der Mahlzeiten im Rahmen regelmäßig stattfindender Besprechungen der Geschäftsleitung hat belohnenden Charakter und daher bei den Arbeitnehmern, die an den Mahlzeiten teilgenommen haben, zu einem Zufluß von Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG geführt.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang aber aufzuklären haben, bei welchen Arbeitnehmern dieser Arbeitslohn gemäß § 3 Nr.16 EStG steuerfrei zugewendet werden konnte.
a) Die Gewährung der Mahlzeiten war insoweit nach § 3 Nr.16 EStG steuerfrei, als einzelne Arbeitnehmer von auswärtigen Niederlassungen angereist waren und sich daher auf einer Dienstreise oder einem Dienstgang befunden haben.
b) Soweit die am Sitz der Klägerin beschäftigten leitenden Angestellten sich deshalb auf einem Dienstgang befunden haben, weil die Besprechungen in Gaststätten in der Nähe des Sitzes der Klägerin stattgefunden haben, wird eine Steuerfreiheit des überlassenen Essens wegen eines Dienstganges nicht ohne weiteres angenommen werden können.
aa) Sollten die Besprechungen deshalb außerhalb der eigenen Räumlichkeiten der Klägerin in Gaststätten stattgefunden haben, weil in der Betriebsstätte der Klägerin keine geeigneten Besprechungsräume zur Verfügung gestanden haben, so läge ein steuerlich anzuerkennender Dienstgang vor.
bb) Sollten die Besprechungen hingegen in einer Gaststätte durchgeführt worden sein, weil den Teilnehmern das Mittagessen zugewendet werden sollte, so hätten die Veranstaltungen insoweit für die ortsansässigen Arbeitnehmer belohnenden Charakter und es wären keine steuerlich anzuerkennenden Dienstgänge gegeben. In einem derartigen Fall läge keine Steuerbefreiung des überlassenen Essens nach § 3 Nr.16 EStG vor.
c) Waren am Betriebssitz der Klägerin geeignete Räumlichkeiten für die Durchführung der Besprechungen vorhanden, so wäre grundsätzlich zwar auch für die von auswärts angereisten Arbeitnehmer die unentgeltliche Überlassung der Essen steuerlich so zu beurteilen, als wenn die Besprechungen nicht in einer Gaststätte, sondern in der Betriebsstätte der Klägerin durchgeführt worden wären. In diesem Fall hätten nach der neueren Rechtsprechung des Senats weder die ortsansässigen noch die von auswärts angereisten Arbeitnehmer Mehraufwendungen wegen eines Mittagessens als Werbungskosten gemäß § 9 Abs.1 EStG geltend machen können. Denn nach dem Senatsurteil vom 18. Februar 1994 VI R 65/92 (BFHE 174, 69, BStBl II 1994, 532) kann ein Arbeitnehmer, der im Rahmen einer eintägigen Dienstreise oder Einsatzwechseltätigkeit an einem Ort arbeitet, der für die übrigen dort tätigen Arbeitnehmer deren regelmäßige und dauerhafte Arbeitsstätte ist, und der dort den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen ist wie diese, in der Regel keinen Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten beanspruchen.
Diese neue Rechtsprechung kann aber der durch den angefochtenen Pauschalierungsbescheid in Anspruch genommenen Klägerin nicht entgegengehalten werden. Denn die Klägerin konnte in den Streitjahren 1981 bis 1984 bei der Zuwendung des Lohns in Form von Mahlzeiten aufgrund der geltenden Regelungen von einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr.16 EStG ausgehen, soweit sich ihre Arbeitnehmer auf einer Dienstreise oder einem solchen Dienstgang befunden haben, der nicht ausschließlich wegen der Einnahme des Essens erforderlich war. Die Klägerin konnte auf die Rechtmäßigkeit der in den Lohnsteuer-Richtlinien getroffenen Regelungen vertrauen. Die Inanspruchnahme der Klägerin wäre insoweit ermessensfehlerhaft (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1985 VI R 130/82, BFHE 144, 569, BStBl II 1986, 98; vom 24. Januar 1992 VI R 177/88, BFHE 167, 359, BStBl II 1992, 696; vom 23. Oktober 1992 VI R 65/91, BFHE 169, 299, BStBl II 1993, 844, 846).
Fundstellen
Haufe-Index 64976 |
BFH/NV 1995, 2 |
BStBl II 1995, 59 |
BFHE 175, 271 |
BFHE 1995, 271 |
BB 1994, 2269 |
BB 1994, 2403 |
BB 1994, 2403-2404 (LT) |
DB 1994, 2478-2479 (LT) |
DStR 1994, 1732-1734 (KT) |
HFR 1995, 28-29 (LT) |
StE 1994, 681 (K) |