Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbescheide ,,aufgrund einer Betriebsprüfung (Außenprüfung)"
Leitsatz (NV)
Steuerbescheide sind i. S. des § 146 a Abs. 3 AO und § 173 Abs. 2 AO 1977 auch dann aufgrund einer Betriebsprüfung/Außenprüfung ergangen, wenn diese lediglich die in einer Selbstanzeige gemachten Angaben des Stpfl. bestätigt hat.
Normenkette
AO § 146a Abs. 3; AO 1977 § 173 Abs. 2, § 175
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2 erwarben 1972 gemeinsam ein unbebautes Grundstück. Auf diesem Grundstück errichteten sie ein Mehrfamilienhaus mit 12 Eigentumswohnungen, die sie noch in 1973 unter Einschaltung eines Maklers an 12 verschiedene Erwerber veräußerten und Ende 1973 bezugsfertig übergaben.
Die Erlöse aus den Veräußerungen der Eigentumswohnungen legten die Klägerinnen gemeinsam bei verschiedenen Geldinstituten in Form von Festgeld an. Hieraus erzielten sie in den Streitjahren 1973 bis 1975 erhebliche Zinseinnahmen.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1973 bis 1975 gaben die Klägerinnen weder die Gewinne aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen noch die gemeinsamen Zinseinnahmen an. Sie gaben auch keine Erklärungen zur Feststellung gemeinsamer Einkünfte ab. Die Einkommensteuererklärungen für 1973 haben die Klägerinnen jeweils zusammen mit ihren Ehemännern in 1975 beim zuständigen Finanzamt (FA) eingereicht.
Mit Schreiben vom 18. Juni 1980, ergänzt durch ein weiteres Schreiben vom 19. November 1980, erstatteten die Klägerinnen ,,Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung". Sie erklärten darin u. a. für 1973 einen Gewinn aus Spekulationsgeschäften in Höhe von 442 600 DM aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen und für 1974 bis 1978 erhebliche Einkünfte aus Kapitalvermögen aus den Festgeldanlagen. Daraufhin ordnete das damals zuständige FA eine Betriebsprüfung zur Feststellung der Einkünfte und der Gewerbesteuer für die Zeiträume 1972 und 1973 an. Die Prüfung begann am 19. November 1980; der Prüfungsbericht ist vom 17. August 1981. Eine Erweiterung der Prüfungsanordnung auf die Zeiträume 1974 und 1975 wurde auf die Beschwerde der Klägerinnen hin ersatzlos aufgehoben.
Im Anschluß an die Betriebsprüfung erließ das FA
a) am 8. März 1982 einen Gewerbesteuermeßbescheid für 1973,
b) am 28. Dezember 1981 einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1973 und
c) ebenfalls am 28. Dezember 1981 einen Bescheid über die einheitliche Feststellung von Einkünften aus Kapitalvermögen für 1974 und 1975. Hiergegen legten die Klägerinnen Einspruch ein.
In der Einspruchsentscheidung vom 11. August 1982 stellte das FA für 1973 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb der Grundstücksgemeinschaft unter Einbeziehung ihrer Zinseinnahmen in Höhe von 404 204 DM und für 1974 und 1975 gemeinsame Einkünfte der Klägerinnen aus Kapitalvermögen in Höhe von 29 100 DM bzw. 16 494 DM fest.
Das FA erließ außerdem am 2. Dezember 1981 gegen die Klägerin zu 1 und ihren Ehemann nach § 175 AO 1977 und § 173 Abs. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1973 bis 1975, in denen der Gewinnanteil der Klägerin zu 1 aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen und der Anteil der Klägerin zu 1 aus den gemeinschaftlichen Zinseinnahmen erfaßt sind. Der maschinell gefertigte Bescheid enthält unter den Erläuterungen u. a. den Satz, ,,die bei Ihnen durchgeführte Betriebsprüfung führte nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen". Der Bescheid war mit einer Zahlungsaufforderung verbunden.
Die Klage der beiden Klägerinnen gegen die Feststellungsbescheide 1973 bis 1975 und gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1973 war erfolglos.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin zu 1 Revision eingelegt mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sowie die Feststellungsbescheide 1973 bis 1975 und den Gewerbesteuermeßbescheid für 1973 ,,wegen Verjährung der Steueransprüche 1973 bis 1975" ersatzlos aufzuheben. Die Klägerin zu 1 rügt insbesondere Verletzung des § 146 a Abs. 3 AO.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Gewinnfeststellung 1973 und Gewerbesteuermeßbetrag 1973:
Zu Recht hat das FG entschieden, daß das FA im Streitfall durch die Vorschriften über die Verjährung von Steueransprüchen nicht gehindert war, die angefochtenen Bescheide zu erlassen.
Zwar ist eine gesonderte Gewinnfeststellung nicht mehr durchzuführen, wenn sich die Feststellung bei keinem der Beteiligten auswirken kann, weil die auf der Feststellung beruhenden Einkommensteueransprüche bereits verjährt sind. Ebenso muß eine Festsetzung eines Gewerbesteuermeßbetrags unterbleiben, wenn die Gewerbesteuer bereits verjährt ist. Im Streitfall waren aber weder die Einkommensteueransprüche gegen die Klägerinnen noch der Gewerbesteueranspruch gegen die Grundstücksgemeinschaft verjährt.
a) Die Einkommensteueransprüche 1973 waren mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1973, also mit Ablauf des 31. Dezember 1973 entstanden (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 c StAnpG). Ebenso war der Gewerbesteueranspruch 1973 mit Ablauf des Kalenderjahres 1973 entstanden (§ 3 Abs. 5 Nr. 3 b StAnpG). Für diese demnach vor dem 31. Dezember 1976 entstandenen Steueransprüche gelten gemäß Art. 97 § 10 Abs. 1 EGAO 1977 weiterhin die Vorschriften der AO über die Verjährung.
b) Die Verjährungsfrist für die vor dem 31. Dezember 1976 entstandenen Einkommen- und Gewerbesteueransprüche beträgt fünf Jahre, bei hinterzogenen Beträgen 10 Jahre (§ 144 AO). Die Klägerinnen haben Selbstanzeige ,,wegen Steuerhinterziehung" erstattet. Gleichwohl muß der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils in Übereinstimmung mit dem FG und zugunsten der Klägerinnen davon ausgehen, daß nicht die zehnjährige Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern, sondern die Fünfjahresfrist maßgeblich ist.
c) Beide Klägerinnen haben ihre Einkommensteuererklärungen für 1973 im Laufe des Jahres 1975 abgegeben; die fünfjährige Verjährungsfrist für die Einkommensteueransprüche begann daher mit Ablauf des Kalenderjahres 1975 (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 AO). Eine Gewerbesteuererklärung für die Grundstücksgemeinschaft haben die Klägerinnen nicht abgegeben; die fünfjährige Verjährungsfrist für die Gewerbesteuer begann daher mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Steueranspruchs folgte (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 AO), also mit Ablauf des Kalenderjahres 1976. Danach wäre die fünfjährige Verjährungsfrist für die Einkommensteuer am 31. Dezember 1980 und für die Gewerbesteuer am 31. Dezember 1981 abgelaufen. Beide Verjährungsfristen waren jedoch bei Erlaß des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids 1973 und des Gewerbesteuermeßbescheids 1973 noch nicht zu Ende, weil ihr Ablauf gehemmt war.
d) Wird nämlich vor Ablauf der Verjährungsfrist mit einer Betriebsprüfung (Außenprüfung) begonnen, so verjähren die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder dem Steuerpflichtigen die Mitteilung zugegangen ist, daß eine Festsetzung unterbleibt (§ 146 a Abs. 3 AO).
Die Voraussetzungen einer Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift sind im Streitfalle erfüllt.
Das FA hat auf der rechtlichen Grundlage des § 193 Abs. 1 AO 1977 eine Betriebsprüfung (Außenprüfung) bei der gewerblich tätigen Grundstücksgemeinschaft angeordnet. Gegenstand der Prüfung sollte der Gewinn und die Gewerbesteuer für den Prüfungszeitraum 1972 bis 1973 sein. Diese Betriebsprüfung hat am 19. November 1980, also vor Ablauf sowohl der fünfjährigen Verjährungsfrist für die Einkommensteueransprüche (31. Dezember 1980) als auch des Gewerbesteueranspruchs (31. Dezember 1981) begonnen. Die Betriebsprüfung erstreckte sich auf den Sachverhalt, auf dem der vorher durch Steuerbescheid nicht erfaßte Gewerbesteueranspruch 1973 und die erhöhten, d. h. über die ursprünglichen Veranlagungen hinausgehenden Einkommensteueransprüche beruhen, nämlich auf dem Erwerb des unbebauten Grundstücks die Errichtung eines Mehrfamilienhauses, die Aufteilung in Eigentumswohnungen und die Veräußerung von 12 Eigentumswohnungen sowie auch die damit verbundenen Zinseinnahmen in 1973 aus der Anlage der Verkaufserlöse.
Entgegen den Ausführungen der Revision sind der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid 1973 und der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid 1973 auch ,,aufgrund" dieser Betriebsprüfung ergangen. Das FA hat die Betriebsprüfung angeordnet und durchgeführt, um zu klären, ob und inwieweit der in den Selbstanzeigen vom 18. Juni 1980 mitgeteilte Sachverhalt, dem die Klägerinnen steuerrechtliche Bedeutung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Gewinns aus Spekulationsgeschäft beigemessen hatten, eine von der bisherigen Besteuerung der Klägerinnnen abweichende Steuerfestsetzung geboten erscheinen läßt. Die Betriebsprüfung hat zu dem Ergebnis geführt, daß die Klägerinnen in 1973 gemeinsam einen Gewinn aus Gewerbebetrieb aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen und der verzinslichen Anlage der Verkaufserlöse in bestimmter Höhe erzielt haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Ergebnis lediglich eine andere rechtliche Würdigung eines bereits von den Klägerinnen vollständig geoffenbarten Sachverhalts beinhaltet oder ob und inwieweit es auf zusätzlichen Ermittlungen und Feststellungen tatsächlicher Art beruht. Auch im ersteren Falle sind die angefochtenen Bescheide ,,aufgrund der Betriebsprüfung" ergangen. Entscheidend für diese Wertung ist die bereits erwähnte Zielrichtung der vom FA angeordneten und durchgeführten Betriebsprüfung, insbesondere die erschöpfende Aufklärung des Sachverhalts vor Erlaß der durch die Selbstanzeige veranlaßten neuen (erstmaligen oder geänderten) Steuerbescheide. Selbst wenn die Betriebsprüfung keine neuen Erkenntnisse in tatsächlicher Hinsicht erbracht, sondern lediglich bestätigt haben sollte, daß der Sachverhalt bereits in der Selbstanzeige richtig und vollständig dargestellt war, hatte die Betriebsprüfung doch eine Negativwirkung in der Form der Bestätigung, daß die in der Selbstanzeige geoffenbarten Besteuerungsgrundlagen zutreffend sind. Demgemäß sind die angefochtenen Steuerbescheide nicht nur in rein zeitlichem Anschluß an die Betriebsprüfung, sondern auch ,,aufgrund" der Betriebsprüfung ergangen; es wäre z. B. nicht zu rechtfertigen, diese Bescheide nicht an der erhöhten Bestandskraft teilhaben zu lassen, die gemäß § 173 Abs. 2 AO 1977 Steuerbescheiden zukommt, ,,soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind", nur weil die Betriebsprüfung lediglich die Richtigkeit eines Sachverhalts bestätigt hat, der dem FA durch Selbstanzeige aufgedeckt, vom FA aber bewußt noch nicht vorher durch Erlaß erstmaliger oder geänderter Steuerbescheide ausgewertet worden ist.
Der Hinweis der Revision auf den Beschluß des BFH vom 21. November 1972 VII B 80/71 (BFHE 107, 360, BStBl II 1973, 130) liegt neben der Sache, weil diese Entscheidung sich nur mit der Frage beschäftigt, welche Maßnahmen der Finanzbehörden eine Betriebsprüfung i. S. des § 146 a Abs. 3 AO darstellen; daß eine solche im Streitfalle stattgefunden hat, kann jedoch nicht zweifelhaft sein.
Schließlich ist der Vorentscheidung auch darin beizupflichten, daß den Klägerinnen keine Mitteilung i. S. von § 146 a Abs. 3 AO zugegangen ist des Inhalts, daß eine Steuerfestsetzung unterbleibt. Der in den Erläuterungen zu den Einkommensteuerbescheiden 1973 bis 1975 enthaltene Satz, daß die Betriebsprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe, war für die Klägerinnen erkennbar dahin zu verstehen, daß sich gegenüber den Selbstanzeigen der Klägerinnen in tatsächlicher Hinsicht keine neuen Erkenntnisse ergeben hätten.
2. Feststellung von Einkünften aus Kapitalvermögen 1974 und 1975:
a) Zu Recht hat das FG entschieden, daß das FA am Erlaß der angefochtenen Feststellungsbescheide 1974 und 1975 und den darin enthaltenen Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen auf der Grundlage der von den Klägerinnen bezogenen Festgeldzinsen nicht deshalb gehindert war, weil die Oberfinanzdirektion (OFD) die Betriebsprüfungsanordnung für 1974 und 1975 aufgehoben hatte. Der Einwand der Revision, für 1974 und 1975 bestehe insoweit ein ,,Verwertungsverbot", kann nicht durchgreifen. Die Klägerinnen haben in der von ihrem Vertreter gefertigten und unterzeichneten Selbstanzeige vom 18. Juni 1980 u. a. wörtlich ausgeführt:
,,Die weitere Verfolgung des Verbleibs der Erträge aus dem Überschuß in Höhe von 221 300 DM ist insofern schwierig, als nach mir gegebener Darstellung diese Beträge bei verschiedenen Banken jeweils zu verschiedenen Festgeldzinssätzen angelegt worden sind. Ich habe daher in der beigefügten Anlage 4 nach einem Durchschnittszinssatz für Festgeldanlagen die hinterzogenen Einkünfte aus Kapitalvermögen ermittelt, wobei ich jeweils den mit von den Banken gegebenen Auskünften über die Höhe des durchschnittlichen Zinssatzes für Festgeldanlagen gefolgt bin und jeweils zur Sicherheit 0,5 % mehr angesetzt habe. . . . Obwohl ich persönlich der Meinung bin, daß alle Tatbestände bis auf die geschilderte Einschränkung hinsichtlich des gewählten Zinssatzes objektiv und zutreffend dargestellt sind, möchte ich doch zu meiner persönlichen Entlastung abschließend auf § 88 AO (1977) hinweisen. Der Steuerpflichtige ist von mir aufgeklärt worden, daß erhebliche Steuernachforderungen auf ihn zukommen, es wird durch Neu-Valutierung von Hypothekendarlehen dafür gesorgt, daß die notwendigen Mittel zur zügigen Bezahlung der Steuerschulden bereitgestellt werden."
Mit dem Hinweis ihres Vertreters auf § 88 AO 1977 haben die Klägerinnen, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie - unabhängig von einer Außenprüfung - mit einer Ermittlung des Sachverhalts, jedenfalls soweit die Zinseinnahmen aus den Festgeldern in Frage stehen, einverstanden sind. Demgemäß war das FA nicht daran gehindert, das Ergebnis dieser von den Klägerinnen selbst angeregten Ermittlungen ungeachtet dessen zu verwerten, daß die Ermittlungen im Rahmen einer nicht zulässigen Ausdehnung der Betriebsprüfung auf die Jahre 1974 und 1975 stattgefunden haben. Die Aufhebung der Prüfungsanordnung durch die Beschwerdeentscheidung des OFD berührt die Rechtmäßigkeit der von den Klägerinnen selbst angeregten Ermittlungsmaßnahmen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 414904 |
BFH/NV 1987, 214 |