Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
Aufhebung des Nichtanwendungserlasses zu dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung geldwerter Vorteile bei sog. Jahreswagen
Leitsatz (amtlich)
Erhält ein Arbeitnehmer verbilligt Waren (z.B. Jahreswagen), die sein Arbeitgeber herstellt oder vertreibt, kann die Höhe des geldwerten Vorteils nach der Regelung des § 8 Abs. 2 EStG ohne Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag, oder mit diesen nach der des § 8 Abs. 3 EStG ermittelt werden.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden zum Streitjahr 1996 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger, der bei einem Hersteller von Kraftfahrzeugen mit Sitz in A beschäftigt war, erwarb von seinem Arbeitgeber einen fabrikneuen PKW, dessen Listenpreis einschließlich Sonderausstattung und Mehrwertsteuer 45 853 DM betrug, zum Preis von 34 707 DM. Der Arbeitgeber ging von einem durchschnittlichen Händlerrabatt von 9,54 v.H. auf den Listenpreis aus und nahm an, Endpreis i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei der um die Hälfte eines durchschnittlichen Händlerrabatts, also um 4,77 v.H. geminderte Listenpreis. Letzteren kürzte er um einen Bewertungsabschlag von 4 v.H. und gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG um einen noch verbliebenen anteiligen Rabattfreibetrag. Einen nach dieser Berechnung ermittelten geldwerten Vorteil in Höhe von 5 049 DM unterwarf der Arbeitgeber dem Lohnsteuerabzug. In gleicher Höhe nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) auch bei der Einkommensteuerveranlagung Arbeitslohn an. Den hiergegen erhobenen Einspruch mit dem Ziel, als Endpreis den um einen durchschnittlichen Händlerrabatt von 9,54 v.H. gekürzten Listenpreis anzusetzen und hierauf den Bewertungsabschlag von 4 v.H. und den verbliebenen Rabattfreibetrag zu gewähren, wies das FA zurück.
Mit der Klage war ursprünglich geltend gemacht worden, es liege dem Grunde nach kein Arbeitslohn vor. Zuletzt wurde nur beantragt, als Endpreis i.S. von § 8 Abs. 3 EStG einen um 10 v.H., hilfsweise um 9,54 v.H. gekürzten Listenpreis zugrunde zu legen. Für einen geldwerten Vorteil dürfe nämlich lediglich von dem Preis ausgegangen werden, den auch ein fremder Dritter entrichten müsste. Die Kläger legten die Bescheinigung eines am Beschäftigungsort des Klägers B ansässigen Kfz-Händlers vor, der erklärte, er würde das fragliche Kfz dem Kläger mit einem Rabatt von 10 v.H., also für 41 267 DM verkauft haben. Dies hat auch der als Zeuge vernommene Geschäftsführer des Handelshauses bestätigt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in Höhe des "Hilfsantrages" mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 746 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff des Angebotspreises in § 8 Abs. 3 EStG unzutreffend gewürdigt. Maßgebend sei der für fremde Letztverbraucher tatsächlich geltende Angebotspreis, der nicht von Preisnachlässen aufgrund gezielter Preisverhandlungen oder persönlicher Beziehungen berührt werde. Dies sei --wenn erfahrungsgemäß vielfältige Preisnachlässe gewährt würden-- weder der Listenpreis als unverbindliche Preisempfehlung, noch der Endpreis, zu dem der Kauf tatsächlich abgeschlossen werde, sondern der Preis, der als "echte" Ausgangsbasis für die Verkaufsverhandlungen gelte. Diese Auslegung begünstige den Arbeitnehmer insofern, als er regelmäßig deutlich unter dem Listenpreis liege und stelle den Arbeitnehmer mit fremden Käufern gleich, soweit diese sich auch nicht um Preisnachlässe im Verhandlungswege bemühen müssten. Demgegenüber unterscheide das FG nicht zwischen den unterschiedlichen Preisen, sondern gehe davon aus, dass der Angebotspreis dem tatsächlich erzielten Preis entspreche. Dies widerspreche nicht nur der Lebenserfahrung, sondern setze sich auch über die Zeugenaussage hinweg, dass der Angebotspreis nicht "das letzte Wort" sei. Im Übrigen sei die Zeugenaussage insofern irrelevant, als sie sich auf den Arbeitsort des Klägers in B bezogen habe, während maßgebend die Verhältnisse am Sitz des Arbeitgebers in A gewesen seien. Vom Arbeitgeber könne ein Kaufinteressent einen PKW nur über einen Vertragshändler beziehen. Da der Arbeitgeber seine Waren in B fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr nicht anbiete, komme es darauf an, wie das Angebot des dem Abgabeort A nächstansässigen Abnehmers ausfalle (R 32 Abs. 2 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--). Im Übrigen regt das FA an, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Verfahrensbeitritt aufzufordern.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie tragen vor, angesichts der Vielfalt der Ausstattungsmerkmale sei ein Angebotspreis erst bestimmbar, wenn alle Ausstattungsdetails festgelegt worden seien. Wie allgemein bekannt sei, sei der Endpreis immer Verhandlungssache. Allgemeine Angebotspreise gebe es --von wenigen Ausnahmen und unveränderbaren Sonderangeboten abgesehen-- nicht. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass es neben dem Listenpreis und dem tatsächlich erzielbaren Endpreis noch einen Angebotspreis gebe. Die Zeugenaussage, dass die Verhandlung um den Preis beginne und kein Kunde bereit sei, den vom Werk empfohlenen Preis zu zahlen, bedeute nur, dass Ausgangsbasis für den Endpreis der Listenpreis für Fahrzeug und Ausstattungsmerkmale sei. Da der Händler an der Erzielung eines möglichst hohen Kaufpreises interessiert sei, werde er üblicherweise den Listenpreis zugrunde legen. Da der Kunde bestens informiert sei und um jede Mark feilsche, werde er einen Abschlag fordern. Diesen könne der Händler nur insoweit gewähren, als ihm eine bestimmte Mindestmarge verbleibe. Der Händler benenne nicht neben dem Listenpreis einen eigenen Angebotspreis, von dem er sich anschließend herunterhandeln lasse. Soweit der Händler vorab einen gewissen Abschlag vom Listenpreis in Aussicht stelle, sei das allenfalls eine teilweise Vorwegnahme der von den Käufern ohnehin geforderten pauschalen Abschläge. Es verwundere, dass das FA für den Angebotspreis die Verhältnisse des nächstansässigen Abnehmers in A für maßgebend ansehe, da der Arbeitgeber viele Betriebsstätten im Inland betreibe, die Steuergesetzgebung den Begriff der Betriebsstätte kenne und die Lohnsteuer vermutlich an das Betriebsstätten-FA B und nicht an ein FA in A abgeführt werde.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Ungeachtet der Tatsache, dass das FG den Begriff des Abgabeorts und des Angebotspreises verkannt hat (dazu unter 3.), ist das angefochtene Urteil bereits deswegen aufzuheben, weil das FG Rechtsfolgen ausgesprochen hat, die bei Anwendung der von ihm als maßgebend angesehenen Rechtssätze auf den festgestellten Sachverhalt sich so nicht ableiten lassen. Das FG war in tatsächlicher Hinsicht nach Würdigung der Zeugenaussage davon überzeugt, "dass der Angebotspreis in der Regel 10 v.H. unter dem Listenpreis liegt und nicht von Preisnachlässen beeinflusst ist, die auf besonderen persönlichen Beziehungen oder außergewöhnlichem Verhandlungsgeschick des Käufers im Einzelfall beruhen" und war sich sicher, "dass geringere Preisnachlässe die Ausnahme bilden" bzw. "kaum ins Gewicht" fallen. Angesichts der Tatsache, dass das FG einen 10 v.H. unter dem Listenpreis liegenden Kalkulationspreis als Angebotspreis i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG angesehen hat, bleibt offen, warum das FG als Ausgangsbetrag für die besondere Rabattbewertung des § 8 Abs. 3 EStG nicht --wie in erster Linie beantragt-- den um 10 v.H. gekürzten Listenpreis zugrunde gelegt und dementsprechend der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat. Jedenfalls lässt sich der für die Kläger ungünstigere Preisabschlag von 9,54 v.H. nicht damit rechtfertigen, dass dieser Wert wegen eines diesbezüglichen "Hilfsantrags" anzusetzen gewesen wäre, abgesehen davon, dass nicht festgestellt wurde, worauf die Annahme eines durchschnittlichen Preisnachlasses von 9,54 v.H. beruht, obwohl das FA die Richtigkeit dieses Betrages bestritten hatte. Im Übrigen ist der "Hauptantrag" nicht beschieden und die Klage in Höhe der Differenz zum "Hauptantrag" nicht abgewiesen worden.
2. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht mehr streitig ist, stellt ein vom Arbeitgeber gewährter Preisnachlass in Fällen wie dem Vorliegenden dem Grunde nach Arbeitslohn dar.
3. Dieser ist abweichend von Abs. 2 des § 8 EStG nach dessen Abs. 3 zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer einen Preisnachlass auf Waren erhält, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf der Arbeitnehmer hergestellt und vertrieben werden und wenn deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird. Ausgangsbetrag der Rabattbesteuerung nach § 8 Abs. 3 EStG sind die um 4 v.H. geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet.
a) Mit der Formulierung "der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer" trug der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass die betreffenden Produkte des Arbeitgebers entweder vom Arbeitgeber selbst oder über Dritte an verschiedenen Orten im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. In diesen Fällen sollte zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens ein für alle Arbeitnehmer gleicher Ausgangsbetrag bestimmt und dabei der Verwaltungsaufwand des Arbeitgebers in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Hiermit wäre nicht vereinbar, den Abgabeort mit dem Ort des Lohnzuflusses gleichzusetzen, also dem Ort, an dem dem Arbeitnehmer die Verfügungsmacht an dem verbilligt überlassenen Kfz verschafft wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687). Denn Letzteres würde zur Folge haben, dass für alle Verschaffungsorte ermittelt werden müsste, zu welchem Endpreis vergleichbare Waren dort fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. Damit würden nicht nur dem Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug in großem Umfang Wertermittlungen auferlegt, sondern es würden auch beim nämlichen Produkt von Fall zu Fall unterschiedliche Bewertungsergebnisse erzielt, die mit der typisierenden Regelung des § 8 Abs. 3 EStG erkennbar vermieden werden sollten.
Übereinstimmende Bewertungsergebnisse sind nur durch einen für alle Arbeitnehmer maßgebenden einheitlichen Abgabeort zu erreichen. Als solcher kommt beispielsweise der Sitz des Unternehmens in Betracht, wenn dort zentral darüber entschieden wird, welche Rabatte für welche Produkte gewährt werden. Da das FG abweichend hiervon ohne weitere Begründung davon ausgegangen ist, dass einer von mehreren Produktionsstandorten --an dem sich nicht der Sitz des Unternehmens befindet-- maßgebend sei, war die Sache auch aus diesem Grund zurückzuverweisen.
b) Ausgangspunkt der besonderen Rabattbewertung des § 8 Abs. 3 EStG ist der Endpreis, zu dem die betreffende Ware fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten wird. Was die Grundsätze betrifft, nach denen dieser Preis zu bestimmen ist, wird auf das BFH-Urteil in BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687 verwiesen. Zum Verhältnis der Bewertung nach Abs. 2 gegenüber der nach Abs. 3 des § 8 EStG gilt Folgendes: Grundnorm ist § 8 Abs. 2 EStG, der in Übereinstimmung mit dem Lohnbegriff Rabatte des Arbeitgebers erst dann bzw. in der Höhe als geldwerten Vorteil erfasst, als der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt (BFH-Urteile vom 17. August 2005 IX R 10/05, BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71, und vom 4. Mai 2006 VI R 28/05, zur Veröffentlichung bestimmt). Abweichend hiervon geht § 8 Abs. 3 EStG als Spezialnorm grundsätzlich von einem unabhängig von Rabattgewährungen anzugebenden bzw. auszuzeichnenden Vergleichspreis aus, wobei die Vorschrift deswegen tendenziell begünstigenden Charakter hat, weil noch ein Bewertungsabschlag von 4 v.H. und ein Rabattfreibetrag abgezogen werden kann. Die beabsichtigte Vorteilhaftigkeit der Norm kann aber verfehlt werden, wenn der auszuzeichnende Preis und der günstigste Preis am Markt so stark voneinander abweichen, dass trotz des Bewertungsabschlags und des Rabattfreibetrags ein geldwerter Vorteil erfasst wird, der nach dem Maßstab der Grundnorm tatsächlich nicht vorliegt. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer jedenfalls im Rahmen seiner Veranlagung die Wahl, die Höhe des geldwerten Vorteils entweder nach der Regelung des § 8 Abs. 2 EStG ohne Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag, oder mit diesen nach der des § 8 Abs. 3 EStG bewerten zu lassen.
4. Da das FG von abweichenden Rechtssätzen ausgegangen ist, war die Sache zurückzuverweisen. Das FG wird nunmehr Feststellungen zu treffen haben, ob der geldwerte Vorteil nach § 8 Abs. 2 EStG als Differenz zwischen tatsächlichem Kaufpreis und günstigstem Preis am Markt oder nach § 8 Abs. 3 EStG als Differenz zwischen tatsächlichem Kaufpreis und dem für alle betroffenen einheitlichen Angebotspreis abzüglich Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag zu bewerten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1585739 |
BFH/NV 2006, 2202 |
BStBl II 2007, 309 |
BFHE 2007, 561 |
BB 2006, 2345 |
BB 2007, 138 |
DB 2006, 2323 |
DStZ 2006, 750 |
HFR 2006, 1209 |