Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilrücknahme bei Änderung (Herabsetzung) der Haftungssumme
Leitsatz (NV)
Wird nach Erlaß eines Haftungsbescheids die in diesem ausgewiesene Haftungssumme durch Änderungsbescheid herabgesetzt, so handelt es sich hierbei um eine Teilrücknahme (§ 130 Abs. 1 AO 1977), die den von dieser nicht betroffenen Teil des Haftungsbescheids - also die verbliebene Haftungssumme - nicht berührt, so daß eine Anfechtungsklage gegen den Haftungsbescheid, nicht aber den Änderungsbescheid zu richten ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 130, 124
Tatbestand
Das FA erließ gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH wegen Umsatzsteuer sowie Säumniszuschlägen einen Haftungsbescheid. Die Haftungssumme betrug insgesamt . . . DM. Dieser Bescheid war nach erfolglosem Vorverfahren Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens, das im Erörterungstermin vor dem FG durch übereinstimmende Erklärung der Beteililigten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war, nachdem das FA zugesagt hatte, es werde einen geänderten Haftungsbescheid mit einer um . . . DM verminderten Haftungssumme erlassen.
Am . . . erließ das FA den folgenden, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen, Bescheid: ,,Betrifft: Haftungsbescheid in Form der Einspruchsentscheidung . . . wegen Umsatzsteuerschulden . . .
Aufgrund der im Erörterungstermin . . . vor dem Finanzgericht erzielten Einigung nehme ich hiermit den o. a. Haftungsbescheid nach § 130 Abs. 1 AO insoweit zurück, als die Steuerschulden, für die Sie in Haftung genommen werden, wie folgt zu ermäßigen sind:
Steuerschulden bisher lt. Haftungsbescheid vom .... ... DM
./. Umsatzsteuer ... ... DM
./. Umsatzsteuer .... ... DM
./. Säumniszuschläge USt ....
... DM
... DM
... DM
Für diese Rückstände haften Sie neben der Steuerpflichtigen nach §§ 109 RAO bzw. 69 und 191 Absatz 1 AO. . . .
Hinsichtlich des Rechtsgrundes des Haftungsanspruchs wird auf den Haftungsbescheid . . . verwiesen."
Die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG als unzulässig zurück.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.Entgegen der Auffassung des FG sei der Kläger durch den Teilrücknahmebescheid des FA beschwert, weil das FA den ursprünglich gegenstandslos gewordenen Haftungsbescheid lediglich ermäßigt habe, statt einen geänderten Haftungsbescheid zu erlassen. Durch die Auffassung des FG bleibe der Kläger mit einer Haftungsinanspruchnahme belastet, ohne daß er die ihm aus §§ 91, 191 AO 1977 zustehenden Rechte habe wahrnehmen können. Das FA habe es bislang unterlassen, die Haftungsvoraussetzungen aufzuzeigen, die eine Inanspruchnahme des Klägers rechtfertigten. Die Tatsache allein, daß das FA gegenüber der GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger gewesen sei, Ansprüche nicht habe realisieren können, rechtfertige eine Haftungsinanspruchnahme nicht.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Haftungsbescheid . . . in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings war es rechtsfehlerhaft, die Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abzuweisen. Die Klage war vielmehr unbegründet, da das FA den Einspruch des Klägers gegen den Bescheid . . . zutreffend als unzulässig abgewiesen hat. Gleichwohl ist die Vorentscheidung aus sachlichen Gründen zu bestätigen und die Revision deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO).
1. Zuzustimmen ist dem FG in der Beurteilung des Bescheids vom . . . Dieser Bescheid korrigiert den ursprünglichen Haftunbsbescheid . . . hinsichtlich der Haftungssumme. Er ist als Teilrücknahme i. S. des § 130 Abs. 1 AO 1977 anzusehen; denn das FA hat den Haftungsbescheid . . . nicht aufgehoben, sondern vielmehr auf die in diesem Bescheid gemachten Ausführungen zur Haftungsgrundlage verwiesen.
Mit der teilweisen Rücknahme in Höhe der Herabsetzung des Haftungsbetrags wurde die aus der Sicht des FA bestehende Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids . . . beseitigt. Mit diesem Haftungsbescheid war nämlich eine Haftungssumme festgesetzt worden, die betragsmäßig die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer überstieg. Die Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit im Wege der Teilrücknahme durch den Bescheid . . . berührt nach § 124 Abs. 2 AO 1977 die Wirksamkeit des hiervon nicht betroffenen Regelungsinhalts des ursprünglichen Verwaltungsaktes nicht. Dieser Verwaltungsakt gilt vielmehr nach Maßgabe der inhaltlichen Beschränkung, die er durch die Teilrücknahme gefunden hat, fort. Daraus folgt - worauf das FA in seiner Einspruchsentscheidung . . . zutreffend hingewiesen hat -, daß der die Teilrücknahme aussprechende Verwaltungsakt . . . seinerseits nicht selbständig mit dem Einspruch anfechtbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1982 V R 100/80, BFHE 135, 27, 29, BStBl II 1982, 292).
2. Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80 (BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791) und dem Urteil des I. Senats vom 26. November 1986 I R 256/83 (BFH/NV 1988, 82).
a) In der Entscheidung in BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791 hat es der Senat offengelassen, ob er der Ansicht des V. Senats über das Verhältnis von ursprünglichem Haftungsbescheid und Teilrücknahmebescheid folgen würde. Die in dieser Entscheidung gemachten Ausführungen zum Verhältnis von Haftungsbescheid und Änderungsbescheid sind jedoch auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragbar. . . .
b) Mit der hier vertretenen Auffassung, der Bescheid vom . . . beinhalte im Umfang der Herabsetzung der Haftungssumme eine Teilrücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheids . . ., weicht der Senat nicht ab von dem Urteil des BFH in BFH/NV 1988, 82; denn in dem dortigen Streitfall hatte das FA den ursprünglichen Haftungsbescheid in vollem Umfang aufgehoben und nicht bloß - wie im vorliegenden Streitfall - den Haftungsbetrag reduziert. Somit ist der Sachverhalt aus dem Urteil des I. Senats mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar.
3. Ausgehend von den in BFHE 135, 27, 29 dargelegten Grundsätzen des V. Senats hätte das FG die Zurückweisung des Einspruchs gegen den Teilrücknahmebescheid durch Sachurteil bestätigen und die Klage als unbegründet abweisen müssen. Die Revision des Klägers ist daher unbegründet. Die Sache ist spruchreif; der Senat ist daher befugt, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Er ist an der Abweisung der Klage als unbegründet nicht dadurch gehindert, daß das FG die Klage für unzulässig gehalten hat (vgl. Senatsurteil vom 22. April 1986 VII R 184/85, BFHE 146, 302; mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Fundstellen