Entscheidungsstichwort (Thema)
(Nettolohnvereinbarung mit einem ausländischen Arbeitgeber)
Leitsatz (amtlich)
Erklärt sich ein ausländischer, nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichteter Arbeitgeber gegenüber seinem im Geltungsbereich des EStG beschäftigten unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer bereit, die auf den Lohn entfallende Einkommensteuer zu übernehmen, so rechtfertigt diese Verpflichtung allein noch nicht, den ausgezahlten Lohn bei der Einkommensteuer-Veranlagung des Arbeitnehmers auf einen Bruttobetrag hochzurechnen.
Normenkette
EStG §§ 39b, 42d Abs. 3 S. 4, § 11 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war durch Zuzug aus den Vereinigten Staaten von Amerika unbeschränkt steuerpflichtig geworden. Die unbeschränkte Steuerpflicht wurde im Laufe des Jahres 1986 durch Wegzug nach London wieder beendet. Der Kläger war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) Arbeitnehmer der A-Bank New York und als solcher rd. vier Jahre an die B-Bank in der Bundesrepublik entsandt worden. Sein Gehalt bezog er weiterhin von seinem Arbeitgeber in New York. Der ausländische Arbeitgeber hatte sich gegenüber dem Kläger verpflichtet, die von diesem nach deutschem Recht zu entrichtende Einkommensteuer zu zahlen. Im Streitjahr 1983 erhielt der Kläger insgesamt 90 411 DM als Lohn ausgezahlt. Es wurden weder Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, noch Vorauszahlungen zur Einkommensteuer geleistet. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1983 vom 18.Juli 1985 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, indem er den Nettolohn von 90 411 DM auf einen Bruttolohn von 163 209 DM heraufrechnete.
Das FG hat die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der sich der Kläger gegen die Hochrechnung des Nettobetrages auf einen Bruttobetrag wendet, abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Der Arbeitslohn setze sich aus der Lohnzahlung sowie den Abzugsbeträgen zusammen. Ertragsteuerlich schulde der Arbeitgeber den Bruttolohn. Auch bei einer sog. Nettolohnvereinbarung werde ein bestimmter Bruttobetrag mit der Abrede vereinbart, daß dieser so zu bemessen sei, daß dem Arbeitnehmer der im voraus festgelegte Nettobetrag verbleibe. Dieses arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt bilde die Grundlage für die Steuerfestsetzung. Übernehme der Arbeitgeber diese persönliche Schuld des Arbeitnehmers, so fließe diesem insoweit ein Vorteil zu, um den sich der ausbezahlte Arbeitslohn erhöhe (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.August 1979 VI R 13/77, BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771). Dabei sei für die Errechnung des Bruttoarbeitslohnes unbeachtlich, in welcher Form die Erhebung im Einzelfall durchzuführen sei bzw. durchgeführt worden sei (BFH-Urteil vom 26.Februar 1982 VI R 123/78, BFHE 135, 211, BStBl II 1982, 403). Daher könne der Arbeitslohn nicht aufgeteilt werden in einen laufend zu bezahlenden Nettolohn und in eine erst bei Fälligkeit der Steuer entstehende Verpflichtung zur Übernahme der Abzugsbeträge.
Mit der Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 29.Juli 1987 sowie unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides vom 18.Juli 1985 die Einkommensteuer des Jahres 1983 anderweitig auf 32 480 DM herabzusetzen. Er rügt die Verletzung des § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und trägt zur Begründung im wesentlichen vor: Nach dem BFH-Urteil in BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771 sei im Falle einer mit einem inländischen Arbeitgeber getroffenen Nettolohnvereinbarung die vom Arbeitgeber zu übernehmende Steuer dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Steuerschuld gegenüber dem FA befreit habe. Gemäß § 42d Abs.3 Nr.2 EStG könne ein Arbeitnehmer im Falle vorschriftsmäßig einbehaltener Lohnsteuer nur noch dann als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er wisse, daß der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet habe. Der Zufluß von Arbeitslohn bei einer Nettolohnvereinbarung folge also daraus, daß durch die Einbehaltung von Lohnsteuer die Steuerschuld des Arbeitnehmers insoweit erlösche (BFH-Urteile in BFHE 135, 211, BStBl II 1982, 403, und vom 8.November 1985 VI R 238/80, BFHE 145, 198, BStBl II 1986, 186). Das FG habe verkannt, daß die Annahme eines Zuflusses von Arbeitslohn nicht allein auf einer Nettolohnvereinbarung, sondern auf der Tilgung der Steuerschuld des Arbeitnehmers beruhe, was aber voraussetze, daß ein inländischer Arbeitgeber zur Einbehaltung von Lohnsteuer verpflichtet sei und die Einbehaltung vorschriftsmäßig durchführe. Im Streitfall sei der ausländische Arbeitgeber nicht zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer verpflichtet gewesen, so daß die Rechtsfolge des § 42d Abs.3 Nr.2 EStG nicht habe eintreten können. Im Streitfall habe in der Übernahme der fälligen Einkommensteuer erst dann ein Zufluß gesehen werden können, als der Arbeitgeber ihn, den Kläger, von seiner Einkommensteuerschuld 1983 gegenüber dem FA befreit habe. Diese Rechtsfolge sei aber nicht im Streitjahr, dem Jahr der Gehaltszahlungen, sondern erst in dem Jahr erfolgt, in dem der Arbeitgeber auf Grund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Einkommensteuerschuld 1983 erstattet habe. Dies sei im Jahre 1985 geschehen. Entsprechend sei die Einkommensteuerzahlung 1983 durch den Arbeitgeber auch in der Einkommensteuererklärung 1985 als Gehaltsteil berücksichtigt worden.
Das FA tritt der Revision mit im wesentlichen folgenden Gründen entgegen: Einnahmen seien i.S. des § 11 Abs.1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen könne oder verfügt habe. Regelmäßig sei dies der Zeitpunkt, zu dem der Leistungserfolg eintrete. Dem stehe es gleich, wenn der Empfänger der Leistung in der Lage sei, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (BFH-Urteil vom 30.Oktober 1980 IV R 97/78, BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305). Der Kläger habe gegenüber seinem Arbeitgeber einen vertraglichen Anspruch auf Übernahme der "Abzugsbeträge" gehabt, den er im Falle der Festsetzung von Vorauszahlungen oder eines möglichen Nachforderungsbescheides sofort hätte realisieren können. Das im Einkommensteuerrecht geltende Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebiete eine gleiche Sachbehandlung wie bei einer Nettolohnvereinbarung mit einem inländischen Arbeitgeber. Ansonsten würden Unterschiede des Lohnsteuererhebungsverfahrens dazu führen, daß ein Arbeitnehmer, der im Rahmen einer mit einem ausländischen Arbeitgeber geschlossenen Nettolohnvereinbarung tätig werde, anders behandelt werde als ein Arbeitnehmer, der eine Nettolohnvereinbarung mit einem inländischen Arbeitgeber geschlossen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr 1983.
Das FA hat bei der Einkommensteuerveranlagung zu Unrecht den vom Kläger im Streitjahr 1983 bezogenen Lohn in Höhe von 90 411 DM auf einen Bruttolohn in Höhe von 163 209 DM heraufgerechnet und damit zu Unrecht diesen heraufgerechneten Bruttolohn der Einkommensbesteuerung unterworfen. Der Kläger hat im Streitjahr 1983 von seinem ausländischen Arbeitgeber nur einen Lohn in Höhe von 90 411 DM bezogen. Nur dieser Lohn ist in die Einkommensbesteuerung 1983 einzubeziehen. Denn gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb eines Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Kläger hatte zwar gegen seinen ausländischen Arbeitgeber einen Anspruch darauf, daß dieser die auf den in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) bezogenen Lohn entfallende Einkommensteuer zu tragen hatte. Im Streitjahr 1983 hat der Arbeitgeber dem Kläger aber weder Geldmittel zur Begleichung von dessen Einkommensteuerschuld zugewendet, noch hat der Arbeitgeber den Kläger gegenüber dem FA von einer Steuerzahlungspflicht befreit.
Im Streitfall läßt sich bei der Veranlagung des Klägers im Streitjahr die Heraufrechnung des Nettolohnes auf einen Bruttolohn auch nicht durch die Anwendung der im Falle einer Nettolohnvereinbarung geltenden Rechtsgrundsätze rechtfertigen. Im Regelfall der Bruttolohnabrede hat der Arbeitnehmer aus dem vereinbarten Bruttolohn die gesetzlichen Abgaben zu tragen. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, die gesetzlichen Abgaben für den Arbeitnehmer an den Gläubiger dieser Abgaben abzuführen. Hat der Arbeitgeber z.B. die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten und damit zu geringe Steuerbeträge an das FA abgeführt, so hat der Arbeitnehmer als der Schuldner der Abzugsbeträge hierfür einzustehen. Er ist durch den fehlerhaft zu niedrigen Steuereinbehalt insoweit nicht von seiner Steuerschuld befreit (§ 42d Abs.3 Satz 4 Nr.1 EStG), und zwar auch dann nicht, wenn er die Abzugsbeträge als vorschriftsmäßig einbehalten betrachtet hatte.
Abweichend von diesem Regelfall der Bruttolohnvergütung können die Arbeitsvertragsparteien auch vereinbaren, daß das Arbeitsentgelt als Nettolohn gezahlt wird und der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet ist, sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben zu tragen. Dabei können die Vertragsparteien rechnerisch von einem bestimmten Bruttoarbeitslohn ausgehen und in Kenntnis der maßgebenden Lohnabzüge zu einem auszuzahlenden Arbeitslohn gelangen, der als Nettolohn vereinbart wird (sog. abgeleitete Nettolohnvereinbarung). Im Regelfall der Nettolohnvereinbarung werden sich die Vertragsparteien keine Gedanken darüber machen, welcher Bruttolohn dem Nettolohn entsprechen soll. Der Nettolohn wird als konstanter Betrag geschuldet. Die Höhe der Abzugsbeträge hängt von den Besteuerungsmerkmalen des Arbeitnehmers ab (sog. originäre Nettolohnvereinbarung; siehe dazu Giloy, DStJG 9, 209, 211 f.). Die bei der Nettolohnvereinbarung vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer zu tragenden Abzugsbeträge, die dem Nettolohn hinzugerechnet den Bruttolohn ergeben, sind Teil des Arbeitslohns des Arbeitnehmers. Dieser Teil des Arbeitslohns fließt dem Arbeitnehmer i.S. des § 11 Abs.1 EStG zusammen mit der Auszahlung des Nettolohnes zu. Denn da der Arbeitgeber bei der Nettolohnvereinbarung aus der Sicht des Arbeitnehmers mit der Auszahlung des Nettolohnes den Bruttoarbeitslohn "vorschriftsmäßig gekürzt" hat, wird der Arbeitnehmer von seiner Steuerschuld befreit, so daß die einbehaltene Lohnsteuer beim Lohnsteuer-Jahresausgleich oder bei der Veranlagung nach § 36 Abs.2 Nr.2 EStG auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers anzurechnen ist (BFH-Urteile in BFHE 135, 211, BStBl II 1982, 403, und vom 13.November 1987 VI R 4/84, BFH/NV 1988, 566). Diese Befreiungswirkung ist die Hauptrechtsfolge der Nettolohnvereinbarung; daher hat der Arbeitnehmer, der sich auf eine solche Vereinbarung beruft, diese auch einwandfrei nachzuweisen (BFH-Urteil vom 14.März 1986 VI R 30/82, BFHE 147, 91, BStBl II 1986, 886).
Diese Befreiungswirkung kann aber nur dann eintreten, wenn der Arbeitgeber überhaupt zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer an das FA verpflichtet ist. Besteht diese Verpflichtung nicht, dann kann von vornherein mit der Auszahlung des "Nettolohnes" aus der Sicht des Arbeitnehmers der Bruttolohn nicht vorschriftsmäßig gekürzt (vgl. § 42d Abs.3 Satz 4 Nr.1 EStG) worden sein. Dies hat zur Folge, daß der ausgezahlte Lohn nicht auf einen Bruttobetrag hochgerechnet werden darf, weil in Höhe irgendwelcher Abzugsbeträge noch kein Lohn zugeflossen sein kann. Die Wirkungen der Nettolohnvereinbarung können daher nur eintreten, wenn die Vereinbarung mit einem lohnsteuerabzugsverpflichteten Arbeitgeber vereinbart worden ist. Lohnsteuerabzugsverpflichtet waren im Streitjahr 1983 aber nur inländische Arbeitgeber (§ 38 Abs.1 EStG; die Ausweitung der Abzugspflicht auf bestimmte ausländische Arbeitgeber durch § 38 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG gilt erst ab 1986); zu diesen zählte der Arbeitgeber des Klägers aber nicht.
Der Senat liegt mit dieser Entscheidung auf der Linie seiner Urteile in BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771 und vom 22.Juni 1990 VI R 162/86 (BFH/NV 1991, 156). Hat ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung die sich bei der Veranlagung ergebenden Einkommensteuererstattungsansprüche an den Arbeitgeber im voraus abgetreten, so können die sich aus der noch durchzuführenden Einkommensteuerveranlagung ergebenden Erstattungsansprüche nicht bereits bei dieser Veranlagung als sog. negative Einnahmen berücksichtigt werden, da es noch an einem Abfluß i.S. des § 11 Abs.2 EStG fehlt.
Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; sie war daher aufzuheben. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1983 ist nur der tatsächlich ausgezahlte Lohn ohne Heraufrechnung auf einen Bruttobetrag als Einnahme anzusetzen. Das FA wird unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze die Einkommensteuer 1983 neu berechnen (Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit).
Fundstellen
Haufe-Index 63798 |
BFH/NV 1992, 34 |
BStBl II 1992, 441 |
BFHE 166, 540 |
BFHE 1992, 540 |
BB 1992, 850 (L) |
DB 1992, 1070-1071 (LT) |
DStR 1992, 715 (K) |
HFR 1992, 285 (LT) |
StE 1992, 247 (K) |