Entscheidungsstichwort (Thema)
Rabattfreibetrag für Reisefreiplatz nur bei vom Arbeitgeber veranstalteter Reise - Rabattfreibetrag nur bei vom Arbeitgeber selbst erbrachten Leistungen oder Lieferungen, nicht aber bei bloßer Vermittlungstätigkeit - Zuwendung eine Reise als Arbeitslohn
Leitsatz (amtlich)
Nimmt an einer für Bankkunden organisierten Reise, die aus einer Gesamtheit von Reiseleistungen besteht, auch ein Arbeitnehmer der Bank auf deren Kosten teil, so ist der diesbezügliche geldwerte Vorteil nur dann nach § 8 Abs.3 EStG zu bewerten, wenn die Bank nach zivilrechtlichen Grundsätzen Veranstalter und nicht lediglich Vermittler der Reise ist.
Orientierungssatz
1. Zum Arbeitslohn zählt auch eine dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendete Pauschalreise. Dabei ist Zuwendungsgegenstand der geldwerte Vorteil der Reise, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber im übrigen derartige Reisen veranstaltet oder vermittelt oder ob er nur im Einzelfall die Kosten der Reise getragen hat.
2. Die Vergünstigung des § 8 Abs.3 EStG ist auf Waren oder Dienstleistungen beschränkt, die der Arbeitgeber als eigene liefert oder erbringt. Ein Arbeitgeber veranstaltet eine Pauschalreise selber, wenn sie als seine Leistung am Markt in Erscheinung tritt. Das bestimmt sich nach den zivilrechtlichen Vorgaben, also danach, ob nach den gesamten Umständen die Reiseleistungen als eigene oder als fremde erbracht werden. Es reicht nicht aus, wenn im Einzelfall der Anschein einer eigenen Veranstaltung geweckt wird.
3. Die Begriffe "Waren und Dienstleistungen" in § 8 Abs.3 EStG sind als Synonym für alle Leistungen zu verstehen, mit denen der Arbeitgeber am Markt teilnimmt. Die Rabattbesteuerung greift nur ein, wenn der Sachbezug eine eigene Leistung des Arbeitgebers betrifft (Festhaltung am BFH-Urteil vom 4.11.1994 VI R 81/93).
Normenkette
BGB § 651a Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2-3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Volksbank, ließ im Streitjahr 1990 zwei Reisen für ihre Kunden durchführen. Dabei erhielt sie jeweils einen Freiplatz, der an eines ihrer Vorstandsmitglieder vergeben wurde. Bezüglich der Korsikareise hat die Klägerin als Agentur mit der A-Reisen als Veranstalter einen Vertrag abgeschlossen, in welchem sich der Veranstalter zur Bereitstellung der Reiseplätze (Programm, Rundreise, Versicherung, Hotel und Flug) verpflichtete. Die Klägerin ihrerseits mußte 50 Plätze fest abnehmen. Sie erhielt eine Provision auf den Bruttopreis der Reise und je 35 Teilnehmer einen Freiplatz. Die Ausschreibung der Korsikareise erfolgte nur unter dem Namen der Klägerin. Mit der Anmeldung erkannten die Kunden die auf der Rückseite befindlichen Reisebedingungen an. Aus diesen ergibt sich, daß die Klägerin lediglich vermittelnd handelte und der eigentliche Reisevertrag mit der A-Reisen zustande kam. Bei der Reise in die Dominikanische Republik wurde bereits in einem Informationsblatt auf den Reiseveranstalter H hingewiesen. Aus den für die Teilnehmer gültigen H-Reisebedingungen ergibt sich wiederum, daß die Klägerin Vermittlerin der Reise und das H-Reisebüro Veranstalter war.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, daß die Klägerin den Vorteil der Reise nach § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Berücksichtigung des Rabattfreibetrages bewertet und so dem Lohnsteuerabzug unterworfen hatte. Mit Haftungsbescheid, zuletzt vom 23. Juli 1991, hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) u.a. die auf den Rabattfreibetrag entfallende Lohnsteuerdifferenz des Reisewertes nacherhoben, nachdem er zuvor den auf die Vermittlungsleistung der Klägerin entfallenden Anteil (Provision zuzüglich anteiliger Freiplatz) von der Besteuerung ausgenommen hatte.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat gemäß § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden und sich der Begründung in der Einspruchsentscheidung angeschlossen. Zusätzlich hat es ausgeführt, die Klägerin habe im Streitfall auch zivilrechtlich lediglich als Vermittlerin gehandelt. Bei der gebotenen engen Auslegung von § 8 Abs. 3 EStG (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Januar 1993 VI R 32/92, BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356 zum Rabattfreibetrag im Konzern) komme der Rabattfreibetrag nur für Leistungen in Betracht, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Tätigkeit am Markt anbiete. Bezüglich der Reiseleistungen sei dies steuer- wie zivilrechtlich lediglich die Vermittlungsleistung. Die eigentlichen Reiseleistungen seien von einem Dritten, dem jeweiligen Reiseveranstalter, erbracht worden. Bei Leistungen eines Dritten finde § 8 Abs. 3 EStG keine Anwendung.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 3 EStG und von § 651a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Die Klägerin beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid dahingehend abzuändern, daß der Vorteil der unentgeltlich überlassenen Reisen nach § 8 Abs. 3 EStG unter Gewährung des Rabattfreibetrages ermittelt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zum Arbeitslohn u.a. auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt werden. Hierzu zählt auch eine --wie im Streitfall-- dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber als Entlohnung zugewendete Pauschalreise. Dabei ist Zuwendungsgegenstand der geldwerte Vorteil der Reise, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber im übrigen derartige Reisen veranstaltet oder vermittelt oder ob er nur im Einzelfall die Kosten der Reise getragen hat. Der diesbezügliche geldwerte Vorteil unterliegt dem Lohnsteuerabzug (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG), wobei der Arbeitgeber für die Lohnsteuer haftet, die er einzubehalten und abzuführen hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG).
2. Ein Sachbezug ist gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort zu bewerten, sofern nicht gemäß § 8 Abs. 3 EStG der um 4 v.H. geminderte Endpreis und der Rabattfreibetrag von 2 400 DM anzusetzen sind.
a) Die Bewertung nach § 8 Abs. 3 EStG setzt u.a. voraus, daß der Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen erhält, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden.
Zwischen den Beteiligten ist zunächst streitig, ob eine Ware bzw. eine Dienstleistung vom Arbeitgeber auch dann i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG vertrieben wird, wenn der Arbeitgeber die betreffende Ware bzw. Dienstleistung am Markt nicht als eigene anbietet, sondern lediglich vermittelt. Unter den möglichen Wortsinn des Begriffs "Vertreiben" kann auch gefaßt werden, daß der Arbeitgeber als Vermittler in den Vertrieb eines fremden Produkts eingeschaltet ist. Gleichwohl gibt der Senat der Auslegung den Vorzug, daß unter "Vertreiben" nicht eine bloße Vermittlungstätigkeit zu verstehen ist. Vielmehr ist die Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG auf die Waren oder Dienstleistungen beschränkt, die der Arbeitgeber als eigene liefert oder erbringt. In Übereinstimmung hiermit hat der Senat im BFH-Urteil in BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356 unter Hinweis auf dessen Entstehungsgeschichte die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 EStG verneint, wenn sich der Personalrabatt nicht auf ein konkretes Produkt oder eine konkrete Dienstleistung des Arbeitgebers bezieht. Wie dort im einzelnen ausgeführt wurde, sollte mit den Tatbestandsmerkmalen "vom Arbeitgeber ... hergestellt, vertrieben oder erbracht" die besondere Rabattbesteuerung des § 8 Abs. 3 EStG nicht auf den überbetrieblichen Belegschaftshandel erstreckt, sondern auf die eigene Produkt- und Dienstleistungspalette des Arbeitgebers beschränkt werden. Gerade bei der für die Auslegung des § 8 Abs. 3 EStG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann die bloße Vermittlung einer fremden mit dem Vertreiben einer eigenen Leistung nicht gleichgesetzt werden. Angesichts der Tatsache, daß der Gesetzgeber einen überbetrieblichen Belegschaftshandel gerade nicht begünstigen wollte, hätte bei der von der Klägerin vertretenen Auffassung eine Gesetzesfassung nähergelegen, wonach die betreffende Leistung "vom Arbeitgeber .... vermittelt, hergestellt, vertrieben oder erbracht" sein müsse.
Mit dieser Auslegung wird das im BFH-Urteil vom 4. November 1994 VI R 81/93 (BFHE 175, 567, BStBl II 1995, 338) vertretene extensive Verständnis des Begriffs der Dienstleistung nicht aufgegeben. Vielmehr hält der Senat daran fest, daß die Begriffe "Waren oder Dienstleistungen" als Synonym für alle Leistungen zu verstehen sind, mit denen der Arbeitgeber am Markt teilnimmt. Der Senat hält aber ebenfalls an der in diesem Urteil geäußerten Auffassung fest, daß die Rabattbesteuerung des § 8 Abs. 3 EStG nur eingreift, wenn der Sachbezug eine eigene Leistung des jeweiligen Arbeitgebers betrifft. Wie dort ausgeführt wird, hat der Gesetzgeber die Begriffe "Waren oder Dienstleistung" nur deshalb an Stelle des Begriffs des Sachbezugs verwendet, "weil er als Anknüpfungspunkt zu der gewollten Beschränkung auf die eigene unternehmerische Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers sprachlich nicht geeignet war".
Der Ausschluß der Sachbezugsbewertung des § 8 Abs. 3 EStG auf fremde Waren oder Dienstleistungen, also auf solche, die der Arbeitgeber nicht als eigene am Markt anbietet, sondern lediglich vermittelt, dient auch der mit § 8 Abs. 3 EStG bezweckten (vgl. BFH in BFHE 175, 576, BStBl II 1995, 338) Vereinfachung der Steuererhebung, da jeweils nur zu untersuchen ist, ob der im Einzelfall zu bewertende Sachbezug zur Produktpalette des Arbeitgebers zählt oder nicht.
b) Nach den obigen Grundsätzen kann nicht dahinstehen, ob die zu beurteilenden Reisen von der Klägerin selbst veranstaltet wurden, da eine bloße Vermittlungstätigkeit für einen fremden Veranstalter die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 3 EStG nicht auslöst. Die Wertung des FG, daß die Klägerin nicht Veranstalter der Reisen gewesen sei, wird durch dessen tatsächliche Feststellungen nicht getragen. Diese wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
aa) Entgegen der Auffassung des FA ist nicht erforderlich, daß das Produkt, auf welches der Personalrabatt gewährt wurde, zum üblichen Geschäftsgegenstand des Arbeitgebers gehört. Denn ein derartiges zusätzliches Tatbestandsmerkmal sieht das Gesetz nicht vor.
bb) Eine Pauschalreise stellt eine eigene Dienstleistung des Arbeitgebers dar, wenn er Veranstalter der Reise ist. § 8 Abs. 3 EStG stellt erkennbar darauf ab, daß der Arbeitgeber die zu beurteilende Leistung im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Dementsprechend ist es folgerichtig, darauf abzustellen, als wessen Leistung die Reise am Markt erscheint. Das bestimmt sich nach zivilrechtlichen Vorgaben, also danach, ob nach den gesamten Umständen die Reiseleistungen als eigene oder als fremde erbracht werden. Allerdings wird die Pauschalreise nicht dadurch i.S. des § 8 Abs. 3 EStG zu einer eigenen des Arbeitgebers, daß er ausnahmsweise im Einzelfall den Anschein einer eigenen Veranstaltung erweckt hat. Auch wenn dem betreffenden Teilnehmer der Schutz des § 651a BGB zugute kommen sollte, ist für die Bewertung von Personalrabatten darauf abzustellen, wie sich die Pauschalreise generell und nicht ausnahmsweise darstellt.
Das FG wird nunmehr im einzelnen Feststellungen darüber zu treffen haben, als wessen Leistung die jeweilige Pauschalreise am Markt in Erscheinung getreten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 66195 |
BFH/NV 1997, 264 |
BStBl II 1997, 363 |
BFHE 182, 556 |
BFHE 1997, 556 |
BB 1997, 930 (Leitsatz) |
DB 1997, 960-961 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 863-864 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 488 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 532-533 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 488-489 (Leitsatz) |
StE 1997, 251 (Kurzwiedergabe) |