Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulageunschädliches Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes vor Ablauf der Bindungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Das Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betrieb des Investors vor Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist ist ausnahmsweise dann zulagenunschädlich, wenn das betreffende Wirtschaftsgut entweder technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht war und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert besaß. Ein in diesem Sinne zu vernachlässigender Verwertungserlös ist dann anzunehmen, wenn er im Verhältnis zu den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr als 10 v.H. beträgt. Diese Untergrenze gilt auch bei vorzeitigem Ausscheiden zuchtuntauglicher Milchkühe (gegen das Schreiben des BMF vom 18. November 1996, BStBl I 1996, 1460).
Normenkette
InvZulG 1993 § 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Dok.-Nr. 0144474; EFG 1997, 1257) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Agrargenossenschaft e.G. in Brandenburg. Sie beantragte für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. Juni 1993 und für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1993 bis 30. Juni 1994 u.a. Investitionszulage in Höhe von 8 v.H. für von ihr hergestellte Milchkühe, und zwar für Herstellungskosten in Höhe von 91 740 DM für das Rumpfwirtschaftsjahr 1993 und in Höhe von 273 780 DM für das Wirtschaftsjahr 1993/94.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) lehnte die Gewährung der Investitionszulage insoweit mit Bescheiden vom 2. Dezember 1994 insgesamt ab. Den Einsprüchen der Klägerin gab das FA mit Bescheiden vom 20. Februar 1995 teilweise statt. Es berücksichtigte dabei nur Milchkühe, die im Zeitpunkt der Erstabkalbung nicht älter als 36 Monate waren. Während des anschließenden Klageverfahrens erließ das FA mehrfach geänderte Bescheide, die die Klägerin jeweils nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fristgerecht zum Gegenstand des Verfahrens machte. Mit Bescheiden vom 11. Februar 1997 setzte das FA die Investitionszulage für 1993 schließlich auf 18 429 DM und für 1993/94 auf 29 836 DM fest. In diesen Änderungsbescheiden gewährte das FA (unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 18. November 1996 IV B 3 -InvZ 1260- 66/96, BStBl I 1996, 1460 betreffend Zugehörigkeit zum Anlagevermögen bei Milchkühen, die wegen einer Krankheit veräußert werden, § 2 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes ―InvZulG―) für insgesamt 55 von 68 Milchkühen, die vor Ablauf von drei Jahren aus dem Betrieb der Klägerin ausgeschieden waren, keine Investitionszulage mehr, weil für diese Tiere ein höherer Veräußerungserlös als 700 DM/Tier erzielt worden sei. In den zuletzt angefochtenen Änderungsbescheiden vom 11. Februar 1997 hat das FA auch Kühe in die Bemessungsgrundlage einbezogen, deren Erstabkalbungsalter mehr als 36 Monate betragen hatte.
Mit der Klage machte die Klägerin geltend, die nicht berücksichtigten Tiere seien wegen Zuchtuntauglichkeit für die Milcherzeugung ungeeignet gewesen und deshalb zu Schlachtzwecken veräußert worden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage nach Einvernahme des Tierarztes Dr. A als Zeugen mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1257 veröffentlichtem Urteil in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung führt das FG im wesentlichen aus: Von der dreijährigen Bindungsfrist nach § 2 Satz 1 InvZulG 1993 sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (vgl. BFH-Urteile vom 15. Oktober 1976 III R 139/74, BFHE 120, 317, BStBl II 1977, 59, und vom 1. Juli 1977 III R 74/76, BFHE 123, 109, BStBl II 1977, 793) ausnahmsweise bei wirtschaftlichem Verbrauch oder technischer Abnutzung des Wirtschaftsgutes abzusehen. Wirtschaftlicher Verbrauch sei gegeben, wenn das Wirtschaftsgut im Betrieb des Anspruchsberechtigten und auch in einem anderen Betrieb wirtschaftlich nicht mehr dauerhaft nutzbar sei. Für das zulagenunschädliche Ausscheiden des Wirtschaftsgutes sei maßgebend, dass es sowohl bei wirtschaftlichem Verbrauch als auch bei technischer Abnutzung oder höherer Gewalt seine Funktion nicht mehr erfüllen könne. Im Streitfall werde insbesondere der vom BFH angesprochene Zweck, durch die dreijährige Verbleibfrist Missbräuche zu verhindern, nicht berührt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. April 1994 III R 64/91, BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711). Sonstige betriebswirtschaftliche Gründe rechtfertigten indes keine Ausnahme von der gesetzlichen Verbleibfrist (vgl. BFH-Urteile vom 5. Mai 1988 III R 181/83, BFH/NV 1988, 741; in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711). Das FG sei insbesondere aufgrund der Zeugenaussage überzeugt davon, dass die vorzeitig ausgeschiedenen Milchkühe wirtschaftlich verbraucht gewesen seien. Die Tiere seien aus medizinischen Gründen auf Empfehlung des Tierarztes vorzeitig ausgesondert worden, weil sie für die Milchproduktion nicht mehr geeignet gewesen seien (keine Heilungsmöglichkeiten, Ansteckungsgefahr, Erkrankung an den Eierstöcken und am Uterus, Euterentzündungen, u.a.). Nicht erforderlich sei es ―entgegen der Auffassung des FA―, das genaue Krankheitsbild eines jeden wegen Zuchtuntauglichkeit ausgesonderten Tieres zu klären. Maßgebend sei nämlich, dass die Kühe nach der glaubhaften Bekundung des Zeugen, der Fachtierarzt für Rinder sei, für Zwecke der Milchproduktion nicht mehr hätten eingesetzt werden können. Damit seien auch sonstige betriebswirtschaftliche Gründe für das Ausscheiden dieser Tiere auszuschließen. Zulagenunschädlich seien ferner verendete und notgeschlachtete Tiere vorzeitig ausgeschieden worden. Diese Art des Ausscheidens belege die jeweiligen akuten medizinischen Gründe. Ungeeignet sei das vom BMF im Schreiben in BStBl I 1996, 1460 verwendete Abgrenzungskriterium eines höheren Veräußerungserlöses als 700 DM/Tier. Das BMF lasse nicht die Gründe für diese Betragsfestlegung erkennen. Die von ihm angezogene Rechtsprechung sei auf den Streitfall ebenso wenig übertragbar (vgl. BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711; ebenfalls Urteil vom 26. August 1994 III R 75/92, BFH/NV 1995, 545). In jenen Fällen hätten die veräußerten Wirtschaftsgüter von den Erwerbern im Rahmen ihrer Betriebe weitergenutzt werden können. Die Milchkühe hätten indes nur noch geschlachtet werden können, nicht aber von anderen Landwirten noch zur Milcherzeugung oder zu anderen Zwecken verwendet werden können. Schlachttiere stellten indes weder Anlagevermögen (vgl. § 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs ―HGB―) des Landwirtes noch des Schlachtbetriebes dar. Vielmehr sei die Zuführung zur Schlachtung mit der Verschrottung eines Wirtschaftsgutes vergleichbar, welche der BFH als zulagenunschädlich ansehe. Die Wirtschaftsgüter würden in beiden Fällen nicht mehr in ihrer eigentlichen Funktion genutzt.
Mit der vom FG ―zur Klärung des vom BMF verwendeten Abgrenzungsmerkmals― zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Zu Unrecht habe das FG angenommen, sämtliche vor Ablauf der dreijährigen Verbleibfrist ausgeschiedenen Milchkühe seien wirtschaftlich verbraucht gewesen und deshalb zulagenunschädlich aus dem Anlagevermögen ausgeschieden. Aus der Aussage des als Zeugen einvernommenen Tierarztes Dr. A habe nicht der Schluss gezogen werden können, alle Rinder seien wirtschaftlich verbraucht gewesen, weil sie nicht mehr für die Milcherzeugung hätten eingesetzt werden können.
Soweit der BFH (BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711) Ausnahmen von der Verbleibregelung bei anderen Zulagengesetzen zugelassen habe, hätten die betreffenden Wirtschaftsgüter auch für Dritte keinen oder zumindest nur noch einen sehr geringen Wert gehabt, weil sie technisch oder wirtschaftlich verbraucht gewesen seien oder weil sie einen Totalschaden erlitten gehabt hätten. Die Unbrauchbarkeit habe entweder auf äußeren oder auf in den jeweiligen Wirtschaftsgütern selbst liegenden Umständen beruht, die der Unternehmer nicht direkt habe beeinflussen können. Der mit der Verbleibregelung auch verbundene Zweck, einen Missbrauch des Investitionszulagenrechts zu verhindern, sei in den entschiedenen Fällen nicht berührt gewesen. Keine Ausnahme habe der BFH indes zugelassen, wenn es sonstige betriebswirtschaftliche Gründe des Betriebsinhabers lediglich nahegelegt hätten, sich vorzeitig von dem Wirtschaftsgut zu trennen (BFH-Urteile in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711; in BFH/NV 1988, 741; Blümich/Selder, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 2 InvZulG 1996 Rz. 43).
Im Streitfall habe die Klägerin für die Kühe Veräußerungserlöse von mehr als 700 DM/Tier erhalten, so dass nach dem Schreiben des BMF in BStBl I 1996, 1460 kein wirtschaftlicher Verbrauch und dementsprechend ein zulagenschädliches Ausscheiden gegeben sei, selbst wenn die Kühe wegen einer akuten oder drohenden Krankheit veräußert worden seien. Die Schlachtung sei nicht mit einer Verschrottung eines Wirtschaftsgutes zu vergleichen. Vielmehr würden die Kühe einer anderen Nutzung bei den erwerbenden Betrieben zugeführt. Damit werde der Endzweck jeglicher Milchviehhaltung verwirklicht. In Fällen des wirtschaftlichen Verbrauchs habe der Investor auf die den Verbrauch begründenden Umstände keinen Einfluss. Im Streitfall sei es hingegen letztlich eine Entscheidung der Klägerin geblieben, ob sie weiterhin, wenn auch geminderte Erträge aus der Milchproduktion oder aber Erträge aus der Verwertung zu Schlachtzwecken habe erzielen wollen. Im Streitfall habe der Tierarzt eine Aussonderung der fraglichen Milchkühe zu Mastzwecken angeraten. Der Erlös von 700 DM entspreche nach statistischen Erhebungen des Regierungspräsidenten Dessau den in den Jahren 1990 bis 1992 erzielten Schlachtpreisen. Ein solcher Preis verdeutliche zugleich, dass das Wirtschaftsgut für den Erwerber einen nicht zu vernachlässigenden Wert besitze, mithin keineswegs ein fast vollständiger Wertverlust gegeben sei, den die Rechtsprechung in den bisherigen Ausnahmefällen vorausgesetzt habe. Die Rechtsprechung (BFH-Urteil in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711) sehe einen Veräußerungserlös von mehr als 40 bis 50 v.H. der Anschaffungskosten oder Herstellungskosten bei der Beurteilung eines zulagenschädlichen Ausscheidens von Wirtschaftsgütern aus dem Anlagevermögen als bedeutsam an. Nach den vom Wirtschaftsjahr 1994/95 an geltenden Richtwerten für die Anschaffungs-/ Herstellungskosten einer Milchkuh von 1 600 DM sei ab einem Erlös von 640 DM = 40 v.H. der Herstellungskosten von einem wirtschaftlich erheblichen Wert auszugehen. Das BMF (BStBl I 1996, 1460) habe lediglich aus Vereinfachungsgründen typisierend für alle in Betracht kommenden Wirtschaftsjahre die Schädlichkeitsgrenze bei Erlösen ab 700 DM festgelegt.
Das FG sei aber auch nach der Beweisaufnahme fehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, die vorzeitig ausgeschiedenen Kühe seien wirtschaftlich verbraucht gewesen. Die generelle Annahme, sämtliche Kühe seien zulagenunschädlich ausgeschieden, verletze in jedem Fall materielles Recht. Nach den Bekundungen des Zeugen würden an Mastitis erkrankte Rinder erst nach dreimaliger vergeblicher Behandlung ausgesondert, das heiße aber, sie seien nicht für die Milcherzeugung überhaupt unbrauchbar. Auch die durch eine Mastitis bewirkte Veränderung des Drüsengewebes in Bindegewebe trete nicht sofort umfassend ein. Ebenso wenig rechtfertige die von der Mastitis ausgehende Ansteckungsgefahr für den übrigen Milchviehbestand eine vorzeitige, zulagenunschädliche Aussonderung (so auch Urteil des FG Brandenburg vom 17. Dezember 1996 3 B 1199/96 I). Eine Infektion sei auch durch Trennung der Tiere zu vermeiden. Unterlasse die Klägerin eine solche Absonderung, seien dafür betriebswirtschaftliche Gründe maßgebend gewesen.
Das FG habe es ferner unter Verstoß gegen die ihm obliegende Sachaufklärung unterlassen, für jedes Rind gesondert den Grund für dessen vorzeitiges Ausscheiden aufzuklären.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 27. April 1999 III R 49/97 (BFH/NV 1999, 1382) hat der erkennende Senat das BMF gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, und um Stellungnahme dazu gebeten, welche Untergrenze für den nach der Rechtsprechung beim vorzeitigen Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes als zulagenschädlich anzunehmenden "wirtschaftlich gewichtigen Veräußerungserlös" festzulegen und wo die äußerste zeitliche Grenze für die Herstellung von Milchkühen anzusetzen sei.
Das dem Verfahren beigetretene BMF hat sich wie folgt geäußert: Der erzielte Veräußerungspreis führe nicht generell zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage. In Fällen der Verschrottung sei der Investitionserfolg eingetreten, das Wirtschaftsgut aber aus in diesem selbst liegenden Gründen, die der Investor nicht beeinflussen könne, nicht mehr nutzbar. Der Verwertungserlös stelle in solchen Fällen keine Gegenleistung für den Wert des Wirtschaftsgutes dar. Anders liege es, wenn das Wirtschaftsgut noch von anderen Unternehmen genutzt werden könne und ein nicht zu vernachlässigender Veräußerungspreis erzielt werde. Die Untergrenze sollte bei 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegen. Sie entspreche in Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung der gegenwärtigen Verwaltungspraxis und sollte auch aus Gründen des Vertrauensschutzes beibehalten werden.
Im Streitfall bleibe der im Wirtschaftsgut selbst liegende Wert als Schlachtvieh trotz Zuchtuntauglichkeit der Milchkühe bestehen. Werde ein üblicher Schlachterlös erzielt, belege dies, dass noch keine weitgehende Unbrauchbarkeit gegeben sei. Die Verwaltung stelle bei Schlachtvieh auf Marktpreise als einer im Vergleich zu einem Vomhundertsatz zutreffenderen Grundlage ab.
Die Verwaltung halte an der pauschalierten Ermittlung der Herstellungskosten für weibliche Zuchtrinder nach der Anlage zu dem Schreiben des BMF vom 28. August 1991 (BStBl I 1991, 768) fest und habe von einer Anpassung an die Beträge des zu § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergangenen BMF-Schreibens vom 22. Februar 1995 (BStBl I 1995, 179) von 1 600 DM Abstand genommen, weil die Förderung der Herstellung von Kühen nur noch Altfälle betreffe. Zudem wirkten sich die beibehaltenen Beträge zulagenrechtlich zugunsten der Investoren aus.
Es bedürfe schließlich, da insoweit nur Einzelfälle betroffen seien, keiner Bestimmung einer äußersten zeitlichen Grenze des Herstellungszeitraums für Kühe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Entgegen der rechtlichen Würdigung des FG ist bei Zugrundelegung der Grundsätze der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Ausnahme von der dreijährigen Verbleibfrist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn unheilbar erkrankte Milchkühe zu Schlachtzwecken veräußert werden (müssen), jedoch dabei ein im Verhältnis zu den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Tieres wirtschaftlich noch bedeutsamer Erlös erzielt wird.
Die Grenze für einen wirtschaftlich noch bedeutsamen und damit zulagenschädlichen Veräußerungserlös zieht der erkennende Senat nunmehr bei 10 v.H. der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des vorzeitig ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes.
Das FG hat zwar, ausgehend von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt, weder zu den Herstellungskosten noch zu den Veräußerungserlösen der einzelnen Tiere, für die es die Gewährung einer Investitionszulage anerkannt hat, Feststellungen getroffen.
Zwischen den Beteiligten ist indes unstreitig, dass die Klägerin für sämtliche Milchkühe, für die das FA die Gewährung einer Investitionszulage abgelehnt hat, einen höheren Veräußerungserlös als 700 DM/Tier erzielt hat. Unbeschadet der vom FG nicht für jedes einzelne veräußerte Tier ermittelten konkreten Herstellungskosten, liegen (außerdem) die Veräußerungserlöse in allen Fällen jedenfalls über der vom Senat nunmehr konkretisierten Untergrenze von 10 v.H. der Herstellungskosten.
1. Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1993 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebes oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben.
a) Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung zu vergleichbaren Verbleibregelungen in anderen Zulagevorschriften nur in eng begrenzten Fällen Ausnahmen von der dreijährigen Bindungsfrist zugelassen (BFH-Urteile in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711, und in BFH/NV 1995, 545, jeweils m.w.N.). Danach ist ein vorzeitiges Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betrieb des Investors dann als unschädlich zu beurteilen, wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht (schrottreif) war und auch für Dritte keinen oder nur einen sehr geringen Wert besaß. Dementsprechend hat der erkennende Senat eine Ausnahme von der Verbleibregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1982 bzw. 1986 als nicht gerechtfertigt angesehen, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter z.B. aus testspezifischen Gründen vor Ablauf des Drei-Jahres-Zeitraums ihre Tauglichkeit für den Betrieb des Investors verlieren und zu einem nicht zu vernachlässigenden Preis veräußert werden (BFH-Urteile in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711, und in BFH/NV 1995, 545).
Hierfür war wegen der Höhe des Veräußerungserlöses in erster Linie die dadurch im Ergebnis eintretende erhebliche Minderung der Bemessungsgrundlage entscheidend sowie zusätzlich die Erwägung, dass der Gesetzgeber die Einhaltung der Drei-Jahres-Frist in den gesetzlich geregelten Fällen als maßgebliche Grundlage für die Erreichung des mit der jeweiligen Zulage bezweckten Erfolges angesehen hat. Insoweit handelt es sich um typisierende Regelungen, die nach ihrem Charakter nur in seltenen Fällen Ausnahmen erlauben (BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 741).
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711 ausgeführt hat, ist ein Ausnahmefall nicht allein deshalb anzunehmen, weil z.B. ein Testfahrzeug zwar für den spezifischen betrieblichen Zweck nicht mehr geeignet ist, die späteren Abnehmer jedoch immerhin noch zwischen 40 bis 50 v.H. der aufgewendeten Anschaffungskosten zahlen. Weshalb ein Wirtschaftsgut aus der Betriebsstätte vorzeitig ausscheidet, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Dies folgt ―wie ausgeführt― aus dem Zweck der Verbleibvoraussetzung (BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 741). Vielmehr muss in die Würdigung auch der Verwertungserlös einbezogen werden. Kommt dem Erlös vom Betrag her im Verhältnis zu den aufgewendeten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten noch wirtschaftliche Bedeutung zu, so ist eine Ausnahme von der Einhaltung der Verbleibfrist nicht gerechtfertigt (so auch grundsätzlich zutreffend das BMF in seinem Schreiben in BStBl I 1996, 1460 zur vorzeitigen Veräußerung von erkrankten oder von krankheitsbedrohten Milchkühen). Im Urteil in BFHE 175, 174, BStBl II 1994, 711, ähnlich in BFH/NV 1988, 741, hat der Senat ein Verhältnis des Veräußerungserlöses von 40 bis 50 v.H. zu den ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als in diesem Sinne wirtschaftlich gewichtig beurteilt. Anderenfalls würde der Investor nämlich eine Investitionszulage auf die vollen Anschaffungs-/Herstellungskosten erhalten, obwohl er wirtschaftlich betrachtet von diesen Kosten entlastet und sie im Ergebnis in erheblichem Umfang gar nicht getragen hat (BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 545; in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711). Der Senat hat es abgelehnt, weitere Ausnahmen von der gesetzlichen Verbleibregelung allein deshalb zuzulassen, weil Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Investitionszulage nicht vorlägen. Er hat klargestellt, dass die von ihm erwähnte Zielsetzung, Missbräuche zu vermeiden, nicht in dem weiten Sinne zu verstehen sei, dass bereits jeder betriebswirtschaftlich anerkennenswerte Grund für die Annahme eines Ausnahmefalles ausreiche (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 741, unter Ziff. 2. der Gründe).
Der Senat hatte bislang allerdings noch keine Grenze für einen im vorliegenden Zusammenhang noch wirtschaftlich gewichtigen Wert bestimmt. Er hat deshalb verschiedene Alternativen, wie er sie überwiegend bereits in dem Beschluss in BFH/NV 1999, 1382 angesprochen hatte, erwogen. Er ist nunmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Veräußerungserlös von mehr als 10 v.H., bezogen auf die konkreten Anschaffungs- oder Herstellungskosten des einzelnen Zuchtrindes, zulagenschädlich ist.
Diesen Vomhundertsatz enthält das Investitionszulagenrecht z.B. auch für die Prüfung der Zulagenschädlichkeit bei auch privat genutzten Wirtschaftsgütern seit der Investitionszulagenverordnung (vgl. § 2 Nr. 5 ―später 6―, c; s. ferner § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1991, 1993 und 1996 sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999). Ferner waren unter der Geltung früherer Zulagengesetze nur Wirtschaftsgüter, die ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wurden, begünstigt (s. z.B. § 4b Abs. 2 Satz 7 InvZulG 1982). Der BFH hat die zu dieser Regelung aufgestellte 10 v.H.-Grenze nicht beanstandet (s. z.B. Senats-Urteile vom 6. April 1990 III R 2/87, BFHE 161, 237, BStBl II 1990, 752, unter Ziff. 2. c, und vom 7. März 1980 III R 92/78, BFHE 130, 221, BStBl II 1980, 412, Ziff. 3. zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes ―BerlinFG―).
Im Zusammenhang mit der Gewährung einer erhöhten Investitionszulage bei Mischbetrieben hat der Senat erkannt, dass diese dem Anspruchsberechtigten nur für solche Wirtschaftsgüter zusteht, die überwiegend im Sinne von ausschließlich oder nahezu ausschließlich dem in die Handwerksrolle eingetragenen Handwerk oder dem in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragenen handwerksähnlichen Gewerbe dienen. Dabei hat er diese Voraussetzung nur dann als gegeben angesehen, wenn die Verwendung in dem nicht begünstigten Betriebsbereich nicht mehr als 10 v.H. beträgt (BFH-Urteil vom 17. November 1998 III R 43/96, BFHE 188, 169, BStBl II 1999, 837).
Mit der Grenzziehung bei 10 v.H. lehnt sich der Senat auch an steuerrechtliche Wertungen an. Ertragsteuerlich sind sog. gemischte Aufwendungen den nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung zuzurechnen, sofern nicht die Lebensführung nur unbedeutend und in nicht ins Gewicht fallender Weise "hineinspielt". Die Schädlichkeitsgrenze wird hier bei etwa 10 v.H. angesiedelt (s. auch BFH-Urteil vom 21. November 1986 VI R 137/83, BFHE 148, 469, BStBl II 1987, 262, das einen privaten Nutzungsanteil von 15,5 v.H. nicht mehr als von untergeordneter Bedeutung angesehen hat; ferner Anm. o.V. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1987, 241; Gericke in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 12 Rz. 21; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 12 Rz. 12; Blümich/Lindberg, a.a.O., § 12 EStG Rz. 45). Der Senat hat sodann z.B. auch im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für die Frage, ob eine wesentliche Gruppe von Steuerpflichtigen nicht hinreichend entlastet wird, eine Toleranzgrenze von 10 v.H. gebilligt, weil diesem Vomhundersatz auch sonst im Steuerrecht eine entscheidende Bedeutung beigemessen werde (BFH-Beschluss vom 16. Juli 1993 III R 206/90, BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755, Abschn. B. II. Nr. 2. b, bb, (b), (dd), m.w.N.).
b) Der Senat hält danach die 10 v.H.-Grenze auch für die hier zu entscheidende Frage für sachgerecht. Höhere Vomhundersätze lassen sich aus dem InvZulG nicht sachlich begründen. Auch das BMF beurteilt den von ihm im Schreiben in BStBl I 1996, 1460 für die Annahme eines nicht zu vernachlässigenden Veräußerungserlöses für vorzeitig ausgemusterte Kühe festgelegten Betrag von 700 DM als eine Billigkeitsmaßnahme. Die FGe dürfen indes nicht von sich aus derartige Billigkeitsentscheidungen treffen.
Die Klägerin kann sich auch nicht, worauf das BMF ebenfalls abgehoben hat, auf ein schützenswertes Vertrauen in eine ständige, für sie etwa günstigere Rechtsprechung berufen. Der BFH hat in der bisherigen Rechtsprechung lediglich erkannt, dass ein Verwertungserlös für ein vorzeitig ausgeschiedenes, mit einer Zulage gefördertes Wirtschaftsgut, der zwischen 40 bis 50 v.H. der aufgewendeten Anschaffungskosten ausmachte, jedenfalls noch als wirtschaftlich ins Gewicht fallend zu beurteilen sei. Bislang hat, wie ausgeführt, kein Anlass für die Festlegung einer verbindlichen Grenze bestanden.
Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der gerade im Beitrittsgebiet auftretenden Anpassungsschwierigkeiten keinen Anlass gesehen, im InvZulG selbst Ausnahmen von den stringenten Zugehörigkeits- und Verbleibfristen zuzulassen oder etwa die Investitionszulage pro rata temporis (entsprechend der nicht erfüllten Verbleibensdauer) zurückzufordern. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Dreijahresfrist nur in seltenen Fällen eine Ausnahme in Betracht zu ziehen ist und Härteregelungen, wie sie das Einkommensteuerrecht kennt, dem Investitionszulagenrecht fremd sind (s. z.B. Senatsurteil in BFH/NV 1988, 741).
c) Der Senat hatte auch erwogen, in Fällen eines vorzeitigen Ausscheidens bereits Veräußerungserlöse in Höhe der jeweils an sich in Betracht kommenden Investitionszulage, im Streitfall also von 8 v.H. der Herstellungskosten, als zulagenschädlich anzusehen. Eine derartige betragsmäßige Begrenzung würde wirtschaftlich betrachtet konsequent eine doppelte Minderung der Aufwendungen innerhalb des maßgebenden Drei-Jahres-Zeitraumes vermeiden. Im Ergebnis kommt es nämlich zu einer ―nachträglichen― Minderung der Bemessungsgrundlage in Höhe des Verwertungserlöses und zur Gewährung der Zulage auf die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Der Senat sieht es jedoch als vertretbar an, die im Steuerrecht und auch sonst im Zulagenrecht, wie ausgeführt, vielfach zugrunde gelegte 10 v.H.-Grenze auch für die Bemessung des wirtschaftlich nicht zu vernachlässigenden Verwertungserlöses für vorzeitig ausgeschiedene Wirtschaftsgüter als Untergrenze zu bestimmen.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin für die noch im Streit befindlichen 55 Milchkühe keinen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage.
Unstreitig hat das FA für diese Milchkühe die Investitionszulage deshalb versagt, weil dafür Veräußerungserlöse von über 700 DM/Tier erzielt worden sind. Unbeschadet der vom FG nicht für jede Milchkuh einzeln ermittelten Herstellungskosten ist jedenfalls bei jedem Tier die zulagenschädliche Grenze von 10 v.H. offensichtlich überschritten. Bei Anwendung der von der Finanzverwaltung weiterhin zugelassenen pauschalierten Beträge für die Ermittlung der Herstellungskosten von weiblichen Zuchtrindern (Anlage zum Schreiben des BMF in BStBl I 1991, 768) ergeben sich bei einem dreijährigen Herstellungszeitraum (vgl. dazu die BFH-Urteile vom 15. Mai 1997 III R 143/93, BFHE 182, 470, BStBl II 1997, 575; vom 9. Dezember 1988 III R 72/86, BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244) Herstellungskosten von 2 280 DM. Selbst wenn in Einzelfällen noch längere Herstellungszeiträume entstanden sind und die Verwaltung die dadurch zustande gekommenen höheren Herstellungskosten unabhängig von den Verlängerungsursachen an sich anzuerkennen bereit ist, wird die Grenze von 10 v.H. in allen Fällen überschritten.
Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 424892 |
BFH/NV 2000, 810 |
BStBl II 2000, 434 |
BFHE 2000, 559 |
BB 2000, 762 |
DB 2000, 762 |
DB 2000, 806 |
DStR 2000, 586 |
DStRE 2000, 415 |
HFR 2000, 437 |
StE 2000, 214 |