Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung des Künstler-Pauschbetrages um Reisekostenersatz
Leitsatz (amtlich)
Der den Künstlern gemäß Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b LStR 1975 gewährte Pauschbetrag von 4 800 DM ist grundsätzlich um vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzte Werbungskosten zu kürzen. Insbesondere ist die Kürzung um erstattete Reisekosten nicht vom Nachweis abhängig, daß die Gewährung des ungekürzten Pauschbetrages für andere beruflich veranlaßte Aufwendungen als Reisekosten zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führte.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 9a Nr. 1; LStR 1975 Abschn. 23 Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 2 Sätze 2-3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war in den Streitjahren 1976 und 1977 als Redakteurin beim A-Funk für den Programmbereich Musik verantwortlich. Sie erstellte die Musikprogramme, verpflichtete Interpreten, vereinbarte mit ihnen Honorare, legte Ort und Zeitpunkt der einzelnen Konzerte fest, informierte die Presse und überwachte und koordinierte die Musikaufnahmen am Aufführungsort.
Auf ihren Einspruch ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) in der Einspruchsentscheidung gemäß Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1975 den Abzug eines Pauschsatzes von 4 800 DM als Werbungskosten zu, den er aber um vom Arbeitgeber steuerfrei gewährten Reisekostenersatz in Höhe von 4 290 DM (1976) bzw. 4 002 DM (1977) kürzte. Daneben setzte das FA gemäß § 9a Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Pauschbetrag von 564 DM und als Fahrtkosten die Entfernungspauschalen nach § 9 Abs.1 Nr.4 Satz 2 EStG an, vermindert um 15 DM monatlich.
Mit der Klage machte die Klägerin geltend, der Pauschsatz von 4 800 DM stehe ihr ohne Kürzung um den Reisekostenersatz zu, da Künstler, die ständig am selben Ort arbeiteten, die Pauschale ebenfalls in vollem Umfang in Anspruch nehmen könnten.
Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag, weitere 4 290 DM/4 002 DM (1976/1977) als Werbungskosten zu berücksichtigen, statt. Es führte aus, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Pauschsatzes des Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b LStR seien nicht streitig; das FA sei selbst der Auffassung, daß die Tätigkeit der Klägerin mit der der dort genannten Künstler vergleichbar sei. Daher habe die Klägerin einen Anspruch auf Anwendung der in Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b LStR aufgestellten typisierenden Schätzungsregelungen, solange diese nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führten.
Der Pauschsatz beinhalte einen auf Erfahrungswerten beruhenden Regel- und Durchschnittssatz, der nicht nur Reisekosten, sondern den gesamten typischen Berufsaufwand eines Künstlers dieser Gruppe abdecken solle. Der Ersatz von Reisekosten besage nichts über den Umfang weiterer Werbungskosten durch zusätzliche Aufwendungen bei Geschäftsreisen und über den übrigen beruflichen Aufwand. Solange das FA nicht weitere Tatsachen nachweisen könne, die einen quantitativen Vergleich des Gesamtaufwands mit dem durch Ausgleichszahlungen kompensierten Aufwand zulasse, sei ein für Kostenerstattungen angemessener Minderungsbetrag nicht erkennbar. Außerdem sei unklar, in welchem Umfang Reisekosten in die Gesamtpauschalierung aufgenommen worden seien. Es lasse sich zwar feststellen, daß Kosten, die in die Pauschalierung eingegangen seien, teilweise erstattet worden seien, nicht jedoch, ob dies in so erheblichem Umfang geschehen sei, daß von einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung ausgegangen werden müsse. Die Pauschale sei aber auch dann anzuwenden, wenn feststehe, daß die tatsächlichen Aufwendungen geringer gewesen seien, sofern es nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung komme (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20.März 1980 IV R 11/76, BFHE 130, 307, BStBl II 1980, 455).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 EStG.
Es führt aus, mit dem streitigen Pauschsatz seien nach Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b Satz 2 LStR alle Aufwendungen, die mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhingen, abgegolten mit Ausnahme von dienstlich veranlaßten Umzugskosten, Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, soweit sie 15 DM monatlich überstiegen. Gemäß Abschn.23 Abs.2 Satz 3 LStR komme ein Abweichen nach unten u.a. dann in Betracht, wenn ein Teil der Aufwendungen, die mit dem Pauschsatz hätten abgegolten werden sollen, vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt würden. Der Regelung sei eindeutig zu entnehmen, daß durch den Pauschsatz auch beruflich veranlaßte Reisekosten abgegolten würden und daß der Pauschsatz zu kürzen sei, wenn Reisekosten vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt würden.
Wie der BFH im Urteil vom 29.Januar 1971 VI R 6/68 (BFHE 102, 35, BStBl II 1971, 459) ausgeführt habe, müsse ein Steuerpflichtiger, der die Anwendung der Pauschsätze des Abschn.23 LStR beantrage, die Regelung in ihrer Gesamtheit gegen sich gelten lassen. Der Ansatz der vollen Pauschsätze, die im allgemeinen Höchstsätze seien, komme nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige die Mehraufwendungen, zu deren Abgeltung die Pauschsätze dienten, in vollem Umfang selbst getragen habe. Daher sei nach dem Grundsatz des Abschn.23 Abs.2 LStR vom Pauschsatz nach unten abzuweichen, wenn der Arbeitgeber für solche Aufwendungen Ersatz leiste, die durch die Pauschsätze abgegolten würden. Nach dem BFH-Urteil vom 27.Oktober 1978 VI R 8/76 (BFHE 126, 217, BStBl II 1979, 54) seien Verwaltungsanweisungen, die auf Erfahrungen der Verwaltung beruhende Schätzungen zum Inhalt hätten, aus Gründen der Gleichbehandlung zwar auch von den Steuergerichten zu beachten, solange die Anweisungen nicht im Einzelfall offensichtlich zu falschen Ergebnissen führten. Maßgebend sei jedoch nicht, wie das Gericht eine solche Bestimmung auslegen würde, wenn sie Gesetz wäre, sondern wie die Verwaltung sie verstanden wissen wolle und wie sie demnach verfahre. Da die Kürzung des Pauschsatzes um steuerfreie Ersatzleistungen des Arbeitgebers durch den Wortlaut der Anweisung gedeckt sei, hätte das FG höhere als die berücksichtigten Werbungskosten nur dann anerkennen dürfen, wenn sie nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden wären.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Abweisung der Klagen.
1. In den Streitjahren wurden die von der Klägerin tatsächlich nachgewiesenen beruflich veranlaßten Aufwendungen dadurch berücksichtigt, daß die vom Arbeitgeber ersetzten Reisekosten steuerfrei belassen wurden (§ 3 Nr.16 EStG i.V.m. § 3c EStG), sowie dadurch, daß Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit den Entfernungspauschalen des § 9 Abs.1 Nr.4 Satz 2 EStG angesetzt wurden und die gleichzeitig vorgenommene Kürzung von 15 DM monatlich durch Berücksichtigung eines insgesamt höheren Restpauschsatzes nach Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b LStR ausgeglichen wurde, wobei zusätzlich der Werbungskostenpauschbetrag von 564 DM gewährt worden ist. Ein höherer als der vom FA zugelassene Werbungskostenabzug hätte der Klägerin allenfalls dann zugestanden, wenn sie insoweit zusätzliche beruflich veranlaßte Aufwendungen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht hätte. Das ist nicht der Fall.
2. Das FG hat die vom FA vorgenommene Kürzung des Pauschbetrages von 4 800 DM um steuerfrei gewährte Reisekosten zu Unrecht rückgängig gemacht.
a) Der Senat läßt in ständiger Rechtsprechung beruflich veranlaßte Aufwendungen auch ohne Einzelnachweis oder Glaubhaftmachung als Werbungskosten zum Abzug zu, wenn sie häufig vorkommende Sachverhalte betreffen, bei denen Mehraufwendungen dieser Art typischerweise anfallen und die Verwaltung hierfür aus Gründen einfacher und gleichmäßiger Besteuerung, insbesondere zur Vermeidung übermäßigen Ermittlungsaufwandes, Pauschbeträge vorgesehen hat. Derartige Pauschalen wurden in der älteren Rechtsprechung nicht nur dann beachtet, wenn sie an einzelne beruflich veranlaßte Betätigungen (Dienstreisen, Umzüge) bzw. Modalitäten der Berufsausübung (doppelte Haushaltsführung, Fahrtätigkeit, Einsatzwechseltätigkeit) anknüpfen, sondern auch dann, wenn für alle bei einem bestimmten Beruf vorkommenden Mehraufwendungen eine Pauschale vorgesehen war (vgl. BFH-Urteile vom 30.Oktober 1975 IV R 142/72, BFHE 117, 456, BStBl II 1976, 192, sowie in BFHE 130, 307, BStBl II 1980, 455). Ob an der Beachtlichkeit der zuletzt genannten Pauschalen festgehalten werden kann, insbesondere daran, daß sie neben dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag von nunmehr 2 000 DM und neben anderweit pauschalierten Aufwendungen zu berücksichtigen seien (vgl. etwa Abschn.47 LStR 1990), läßt der Senat ausdrücklich dahinstehen. Im Streitfall kann diese Frage unbeantwortet bleiben, da der Klägerin jedenfalls keine höheren, als die vom FA berücksichtigten Werbungskosten zustehen.
b) Sofern ein Steuerpflichtiger Werbungskosten nicht im einzelnen nachweist, sondern statt dessen die Anwendung von in Verwaltungsanweisungen enthaltenen Pauschbeträgen begehrt, können die Steuergerichte derartige Pauschbeträge nicht auf Sachverhalte ausweiten, für die die betreffenden Pauschbeträge nach dem Verständnis der Verwaltung nicht geschaffen worden sind. Die Gerichte können lediglich überprüfen, ob die von der Finanzbehörde vorgenommene Handhabung nach dem Wortlaut der Verwaltungsanweisung möglich ist. Bei Zweifelsfragen ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht (BFH-Urteil vom 11.Dezember 1987 VI R 147/85, BFHE 152, 333, BStBl II 1988, 445, m.w.N.).
Nach dem Wortlaut des Abschn.23 Abs.1 Nr.2 b Satz 2 LStR sind ―außer Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Umzugskosten und Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung― alle Aufwendungen mit der Pauschale abgegolten, die mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängen, also auch Reisekosten. Nach Abschn.23 Abs.2 Satz 2 LStR sind die Pauschsätze im allgemeinen Höchstsätze. Gemäß Satz 3 dieser Bestimmung kommt ein Abweichen nach unten in Betracht, u.a. wenn ein Teil der Aufwendungen, die mit dem Pauschsatz abgegolten werden sollen, vom Arbeitgeber ersetzt werden. Da Reisekosten einerseits zu den mit der Pauschale abgegoltenen Aufwendungen zählen, für diese im Streitfall andererseits vom Arbeitgeber Ersatz geleistet worden war, kam nach dem Wortlaut der Verwaltungsanweisung eine entsprechende Kürzung der Pauschale in Betracht. Allerdings ist die Kürzung nicht zwingend, insbesondere nicht zwingend in Höhe der tatsächlichen Erstattung durch den Arbeitgeber vorgesehen. Indessen bietet sich eine Kürzung gerade in dieser Höhe i.d.R. als sachgerecht an und es ist nicht ersichtlich, daß die Verwaltungsanweisung von den Finanzbehörden allgemein anders verstanden wurde und lediglich im vorliegenden Einzelfall eine restriktivere Handhabung erfolgt wäre.
Insbesondere ist entgegen der Ansicht des FG nicht Voraussetzung für die Kürzung der Pauschale, daß die Gewährung der ungekürzten Pauschale für andere beruflich veranlaßte Aufwendungen als Reisekosten zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führte. Ein diesbezüglicher Nachweis seitens des FA ist schon deswegen nicht möglich, weil der Regelung des Pauschbetrages nicht entnommen werden kann ob, bzw. in welcher Höhe ein Teilbetrag für eine bestimmte Art von Aufwendungen ―beispielsweise für Reisekosten― vorgesehen ist. Nur dann wäre es denkbar, hinsichtlich jeder einzelnen Gruppe von Aufwendungen den dafür vorgesehenen Betrag und den möglicherweise beim betreffenden Steuerpflichtigen entstandenen Betrag einander gegenüberzustellen und festzustellen, daß eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung eintreten könnte. Wie der Senat bereits im Urteil in BFHE 102, 35, BStBl II 1971, 459, 461 ausgeführt hat, widerspricht aber ein Verfahren, bei dem die Pauschalierung mit Elementen des Einzelnachweises verquickt wird, dem Sinn der Pauschbetragsregelung. Ein derartiges Verfahren fände statt, wenn einzelne, mit dem Pauschbetrag abzugeltende Aufwendungen einzeln abgerechnet und vom Arbeitgeber erstattet würden und hinsichtlich des Restes eine Schlüssigkeitsprüfung vorgenommen werden müßte.
Fundstellen
Haufe-Index 63137 |
BStBl II 1990, 1065 |
BFHE 162, 58 |
BFHE 1991, 58 |
BB 1991, 191-192 (LT) |
DB 1991, 24-25 (LT) |
DStR 1991, 28 (LT) |
DStZ 1991, 51 (KT) |
HFR 1991, 154 (LT) |
StE 1990, 450 (K) |