Entscheidungsstichwort (Thema)
Krisenbestimmtes Darlehen des Gesellschafters als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung
Leitsatz (amtlich)
Hat der Gesellschafter einer GmbH dieser ein Darlehen gewährt und mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, er werde es auch in der Krise der Gesellschaft stehenlassen (sog. krisenbestimmtes Darlehen), führt das im allgemeinen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts der Darlehensforderung.
Orientierungssatz
1. Der Berücksichtigung des Ausfalls solcher krisenbestimmter Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten mit ihrem Nennwert stehen die für die Einlagebewertung geltenden Grundsätze nicht entgegen (vgl. BFH-Beschluß vom 9.6.1997 GrS 1/94).
2. Ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßtes und zu den Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung rechnendes Darlehen kann vorliegen, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Gesellschaft entweder konkursreif ist oder wenn die Konkursreife zwar noch nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehens aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, daß ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Dies gilt auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehenläßt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, daß die Rückzahlung gefährdet sein wird. Im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise ist für die Höhe der Anschaffungskosten dessen Nennwert maßgeblich, bei einem stehengelassenen Darlehen grundsätzlich der Wert in dem Zeitpunkt, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht.
3. Zur Frage, wann die Krise einer Kapitalgesellschaft eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat: Verlust von weit mehr als der Hälfte des Stammkapitals einer GmbH als wesentliches Indiz für deren Kreditunwürdigkeit; Vermutung, daß ein wesentlich beteiligter Gesellschafters über den Finanzierungsstand der Gesellschaft unterrichtet ist.
4. Der Verzicht auf eine bereits dem Kapitalersatzrecht unterliegende --und mithin bereits durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte-- Darlehensforderung hat keinen Einfluß auf die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung (vgl. BFH-Rechtsprechung).
5. Ausgefallenes Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung: Ein von Anfang an krisenbestimmtes Darlehen liegt nicht vor, wenn es in einem Zeitpunkt hingegeben wurde, in dem der Gläubiger noch nicht Gesellschafter war und nichts darauf hinwies, daß es ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die Gesellschaft ein kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen werden sollte.
6. Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung bei Darlehensausfall: Der Wert einer Darlehensforderung bei Eintritt der Krise ist nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit zu schätzen. Maßgeblich ist der Betrag, den der Gesellschafter bei einer fiktiven Veräußerung der Darlehensforderung von einem fremden Dritten erhalten hätte. Das entspricht dem gemeinen Wert der Forderung, aber auch ihrem Teilwert (Wiederbeschaffungswert). Das wird im allgemeinen die zu erwartende Konkursquote oder Vergleichsquote, kann aber im Einzelfall --insbesondere bei einer plötzlichen Krise mit anschließender Liquidation mangels Masse-- auch ein Betrag von 0 DM sein.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1996, 436) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für das Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war seit 1978 alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH mit einem Stammkapital von 20 000 DM. Die Klägerin gewährte der GmbH in der Folgezeit mehrfach Darlehen. Die Darlehen refinanzierte sie über Bankdarlehen.
Im Februar 1984 löste der Kläger die Refinanzierungsdarlehen ab und gewährte seinerseits der GmbH --durch Eintritt in den zwischen dieser und der Klägerin bestehenden Vertrag-- ein Darlehen in Höhe des zu diesem Zeitpunkt von der GmbH noch nicht zurückgezahlten Betrages von 18 750 DM. Zur Sicherheit übereignete ihm die GmbH die vorhandene Betriebs- und Geschäftsausstattung; der Zinssatz sollte 9 v.H., der jährliche Tilgungsbetrag 3 125 DM und die Kündigungsfrist drei Monate betragen. Im Juni 1984 erhöhte die GmbH das Stammkapital auf 50 000 DM; die neue Stammeinlage von 30 000 DM übernahm der Kläger.
Im September 1985 hoben der Kläger und die GmbH den bisherigen Darlehensvertrag auf; den noch nicht getilgten Betrag in Höhe von 15 625 DM beließ der Kläger der GmbH aufgrund eines neuen Darlehensvertrages unter folgenden Bedingungen: Das Darlehensverhältnis sollte bis zum 31. Dezember 1987 befristet sein und sich bei unzureichender Liquidität der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt um drei Jahre verlängern, der Zinssatz sollte 6 v.H. betragen und die Zinsen bei Fälligkeit des Darlehens zu leisten sein. Die Vertragspartner gingen in dieser Vereinbarung davon aus, daß sich der künftige Liquiditätsmangel bereits andeute. Bei einem Ausfall des Darlehens sollte auch die Verzinsung entfallen.
Im Dezember 1986 gewährte der Kläger der GmbH "zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit" ein weiteres Darlehen über 10 000 DM zu den gleichen Bedingungen; eine Tilgung war jedoch bis auf weiteres nicht vorgesehen.
Im Juli 1987 stellte die GmbH ihre gewerbliche Tätigkeit ein. Zins- oder Tilgungsleistungen hatte sie nicht mehr erbracht. Im Mai 1988 wurde sie wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung 1987 den Verlust ihrer wesentlichen Beteiligung an der GmbH und den Verlust der Darlehen als Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte demgegenüber --in der Einspruchsentscheidung-- nur einen Auflösungsverlust in Höhe von 60 000 DM. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den verlorenen Stammeinlagen der Kläger in Höhe von 20 000 DM und 30 000 DM und dem verlorenen Darlehen des Klägers über 10 000 DM. Den Verlust des Darlehens über 15 625 DM ließ das FA außer Ansatz, weil es zu einem Zeitpunkt gewährt worden sei, in dem der Kläger noch nicht Gesellschafter der GmbH gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 436).
Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 EStG). Es wendet sich unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14. April 1994 (BStBl I 1994, 257) ausschließlich gegen den Ansatz der nachträglichen Anschaffungskosten mit dem Nennwert des Darlehens.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das BMF ist dem Verfahren beigetreten. Es hat keinen Antrag gestellt.
Das BMF ist der Ansicht, daß der vom Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen des § 17 EStG vertretene weite Anschaffungskostenbegriff gegen § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) verstoße; es sei von dem herkömmlichen, im Handelsrecht und Einkommensteuerrecht einheitlichen Begriff der Anschaffungskosten auszugehen. Anschaffungskosten für ein selbständiges Wirtschaftsgut (hier: das Darlehen) könnten auch nicht Anschaffungskosten bei einem anderen Wirtschaftsgut sein. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Hingabe des Darlehens als verdeckte Einlage zu beurteilen sei; das sei hier aber deshalb nicht der Fall, weil der Kläger auf seinen Rückerstattungsanspruch nicht verzichtet habe. Ein bloßes Stillhalteabkommen habe keine vergleichbare Wirkung; daran ändere sich auch dann nichts, wenn ein Darlehen kapitalersetzenden Charakter annehme. Ein vom Veranlassungsprinzip bestimmter Anschaffungskostenbegriff lasse sich auch nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, daß die wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft einem Mitunternehmeranteil vergleichbar sei; eine so begründete Erweiterung des Anschaffungskostenbegriffs sei eine unzulässige Analogie. Schließlich lasse sich bei einem in dieser Weise erweiterten Anschaffungskostenbegriff weder die Höhe noch der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung der nachträglichen Anschaffungskosten hinreichend genau bestimmen; denn das Darlehen könne insbesondere dann Wertschwankungen unterliegen, wenn sein Wert nach Überwindung der Krise wieder steige.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts vermag der Senat nicht zu entscheiden, ob dem Kläger im Zusammenhang mit der Auflösung der GmbH nachträgliche Anschaffungskosten aus dem Verlust des Darlehens entstanden sind (§ 17 Abs. 2 EStG).
1. Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162, und vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92, BFH/NV 1994, 459).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung und Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit erfüllt (§ 2 des Löschungsgesetzes und dazu Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 60 Rdnr. 20, m.w.N.). Der Kläger war seit Juni 1984 mit 60 v.H. am Stammkapital der GmbH beteiligt.
2. Die Entstehung des Verlustes setzt weiter voraus, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (BFH-Urteile in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom 3. Juni 1993 VIII R 46/91, BFH/NV 1994, 364, und in BFH/NV 1994, 459). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die die Höhe des Verlustes bestimmenden Umstände standen bereits 1987, also im Zeitpunkt der Einstellung des Geschäftsbetriebes mit dem Ziel der Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit fest. Das Kapital war verbraucht. Der Kläger fiel mit seinem Darlehen in voller Höhe aus.
3. Die Feststellungen des FG reichen für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung angefallen sind, nicht aus.
a) Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören --wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340, und in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162)-- auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Unter diesen Umständen zählt zu diesen Aufwendungen auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen (vgl. dazu die Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340).
Die gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwendungen sind nicht berechtigt. Der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten ist weder im Handelsrecht noch im Einkommensteuerrecht näher bestimmt. Er muß auch nicht einheitlich ausgelegt werden; denn sein Inhalt bestimmt sich --wie derjenige anderer Begriffe des Einkommensteuerrechts-- nach dem Zweck der jeweiligen Norm, zu deren Tatbestand er gehört (vgl. dazu die Nachweise bei Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 91). Ergeben sich aus den jeweiligen Vorschriften für den Steuerpflichtigen unterschiedliche Belastungswirkungen, muß das auch bei der Auslegung der verwendeten Begriffe berücksichtigt werden (vgl. u.a. Kirchhof, Festschrift RFH/BFH 1993, S. 285, 295 f.). In dieser Belastungswirkung unterscheidet sich der Anschaffungskostenbegriff des § 17 EStG erheblich von dem in § 255 Abs. 1 HGB und im EStG an anderer Stelle verwendeten Begriff. Wie der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 8. April 1998 VIII R 21/94 (BFHE 186, 194, BStBl II 1998, 660) ausgeführt hat, muß der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG weit ausgelegt werden, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden kann. Dem durch die Beteiligung veranlaßten Ertrag ist der durch sie veranlaßte Aufwand gegenüberzustellen (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, Der Betrieb 1998, 2247, unter B. II. 2. der Gründe). Als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG kommen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse (§ 26 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) oder verdeckte Einlagen zu werten sind, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte Aufwendungen des Gesellschafters, sofern diese nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Veräußerungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG sind. Keine nachträglichen Anschaffungskosten sind auch Verluste, die ein Gesellschafter an Darlehen erleidet, die er der Gesellschaft wie ein fremder Dritter gewährt hat; mit einem solchen Darlehen unterfällt er dem Anwendungsbereich des § 20 EStG. Das bedeutet, daß sein Ausfall einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, unter 3. der Gründe). Das Nettoprinzip wird hier durch den Grundsatz eingeschränkt, daß Verluste in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden.
b) Ein Darlehen ist durch das Gesellschaftsverhältnis u.a. dann veranlaßt, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Gesellschaft entweder konkursreif ist oder wenn die Konkursreife zwar noch nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehens aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, daß ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Der Senat hat dies --im Anschluß an die zu kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)-- hinsichtlich des Umqualifizierungsgrundes der Kreditunwürdigkeit danach beurteilt, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 1805). Hinsichtlich des Umqualifizierungsgrundes der Konkursreife --Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit-- hat der Senat in diesem Urteil ebenfalls auf die im Zivilrecht entwickelten Grundsätze verwiesen.
Was im Fall der Hingabe des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gilt, gilt auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehenläßt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, daß die Rückzahlung gefährdet sein wird (BFH-Urteile in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, unter 2. b aa der Gründe; in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; in BFH/NV 1994, 459, und in BFH/NV 1994, 364).
Maßgeblich für die Höhe der Anschaffungskosten ist im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise dessen Nennwert, im Falle eines stehengelassenen Darlehens grundsätzlich der Wert in dem Zeitpunkt, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht. Diese Beurteilung beruht auf der Erwägung, daß Wertverluste bis zu diesem Zeitpunkt die Privatsphäre des Gesellschafters belasten (BFH-Urteil in BFHE 183, 402, DStR 1997, 1805, m.w.N.).
c) Auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, kann verzichtet werden, wenn der Gesellschafter schon in einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, daß er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung abgegeben wurde. Denn zu einer solchen Erklärung wäre ein Darlehensgeber, der nicht auch Gesellschafter ist, mit Rücksicht auf das ihm bei Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs regelmäßig zustehende außerordentliche Kündigungsrecht im allgemeinen nicht bereit. Fällt der Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft mit einem solchen "krisenbestimmten" Darlehen aus, führt das im allgemeinen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts des Darlehens (vgl. dazu --allgemein für krisenbestimmte Darlehen-- BFH-Urteil in BFHE 183, 402, DStR 1997, 1805, unter II. 4. der genannten Gründe und --für sog. Finanzplandarlehen-- BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, DStR 1998, 73, 75, m.w.N.). Das beruht auf der Erwägung, daß bei den "krisenbestimmten" Darlehen die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise eintritt (vgl. u.a. BGH-Urteil vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, Betriebs-Berater --BB-- 1987, 80; Habersack, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 161 -1997-, 457, 470, 482 ff., m.w.N.) und deshalb der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruht. Damit unterscheidet sich diese Fallgruppe wesentlich von derjenigen der "stehengelassenen" Darlehen.
Die Bestimmung des Darlehens zur Krisenfinanzierung kann sich --wie insbesondere im Falle des sog. Finanzplandarlehens-- aus den objektiven Umständen der Darlehenshingabe, aber auch aus einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft oder --wie etwa im Falle eines Rangrücktritts (vgl. u.a. BFH-Urteil in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 526, m.w.N.)-- gegenüber der Gesellschaft selbst ergeben.
d) Der Berücksichtigung des Ausfalls solcher krisenbestimmter Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten mit ihrem Nennwert stehen die für die Einlagebewertung geltenden Grundsätze nicht entgegen. Zwar hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94 (BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, unter C. I. 3. und 4. der Gründe, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 58/93, BFHE 184, 432, BStBl II 1998, 305) ausgeführt, daß verdeckte Einlagen eines Gesellschafters bei der Kapitalgesellschaft gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG im Zeitpunkt der Einlage mit dem Teilwert anzusetzen seien; er hat dies aber nur für die verschiedenen Formen des Forderungsverzichts ausgesprochen (dort unter C. II. 5. der Gründe) und auch die Frage offengelassen, wie sich diese Bewertung auf die Anschaffungskosten der Beteiligung beim Gesellschafter auswirkt. Der Senat braucht diese Frage auch im Streitfall nicht zu entscheiden (zum Streitstand vgl. u.a. Neumann, Finanz-Rundschau 1997, 925, 928 f.; Hartmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 270). Der erkennende Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß der Verzicht auf eine bereits dem Kapitalersatzrecht unterliegende --und mithin bereits durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte-- Darlehensforderung keinen Einfluß auf die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten hat (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, unter 2. b cc der Gründe, und in BFHE 183, 374, DStR 1997, 1807, unter II. 1. der Gründe). Dies beruht auf der Erwägung, daß es zu nachträglichen Anschaffungskosten stets erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung oder der Auflösung der Gesellschaft kommen kann, weil erst in diesem Zeitpunkt feststeht, ob und in welcher Höhe das Darlehen verloren ist (zur stichtagsbezogenen Gewinnermittlung bei § 17 EStG vgl. zuletzt BFH-Urteil in BFHE 186, 194, BStBl II 1998, 660, unter II. 2. b der Gründe, m.w.N.) und es für den in diesem Zeitpunkt entstehenden Aufwand ohne Bedeutung ist, ob er auf dem Verlust eines insgesamt kapitalersetzend gewordenen Darlehens oder auf dem Verlust eines teils kapitalersetzenden, teils zur Einlage gewordenen Darlehens beruht. Entscheidend ist, ob und in welchem Zeitpunkt das Darlehen von einem üblichen Fremddarlehen in ein gesellschaftlich veranlaßtes Darlehen umqualifiziert wurde.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß das Darlehen von dem Zeitpunkt an, in dem es erstmals kapitalersetzend geworden ist, bis zu seinem Ausfall ggf. Wertschwankungen unterlag, z.B. weil es nach Überwindung einer vorübergehenden Krise wieder im Wert gestiegen ist. Es sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten, zum Ausfall des Darlehens führenden Krise maßgeblich. Eine zwischenzeitliche Teilwertabschreibung ist im Rahmen des § 17 EStG nicht möglich; Wertschwankungen der Beteiligung und des dieser Beteiligung dienenden Darlehens können deshalb im Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht erfaßt werden. Ob und in welcher Höhe dem Steuerpflichtigen aus der Beteiligung ein Verlust entstanden ist, zeigt sich erst bei ihrer Veräußerung oder bei der Auflösung der Gesellschaft.
e) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte das FG der Klage nicht ohne weitere Sachaufklärung stattgeben.
aa) Das FG ging allerdings zutreffend davon aus, daß die Anschaffungskosten des Klägers für seine Geschäftsanteile um den Nennbetrag des Darlehens über 10 000 DM zu erhöhen waren. Der Kläger hat das Darlehen 1986, also in einem Zeitpunkt gewährt, in dem die GmbH ohne den Kredit zahlungsunfähig und damit konkursreif gewesen wäre. Die Prüfung, ob in diesem Zeitpunkt auch ein fremder Dritter noch einen Kredit gewährt hätte, erübrigte sich deshalb (vgl. dazu BGH-Urteile in BB 1996, 1185, und vom 19. September 1996 IX ZR 249/95, BB 1996, 2316).
bb) Dagegen hat der Kläger das Darlehen über 15 625 DM nach dem bisher bekanntgewordenen Sachverhalt nicht erst in der Krise hingegeben. Zwar war diese im Zeitpunkt der einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages vom 1. Februar 1984 über ein Darlehen von 18 750 DM und der darlehensweisen Weitergewährung des fälligen Rückzahlungsbetrages wahrscheinlich bereits eingetreten: Denn der Verlust von weit mehr als der Hälfte des Stammkapitals ist ein wesentliches Indiz für die Kreditunwürdigkeit der GmbH (BGH-Urteil in BB 1996, 1185). Darauf kommt es hier aber ggf. nicht an. Der Senat geht mit dem FG davon aus, daß mit dem Vertrag vom 12. September 1985 kein neues Darlehensverhältnis begründet, sondern lediglich das bisherige Darlehensverhältnis fortgeführt werden sollte. Die GmbH hat aufgrund dieser Vereinbarung keine zusätzlichen Geldmittel "als Darlehen empfangen", wie dies § 607 BGB voraussetzt; es sind lediglich die Zins- und Tilgungsbedingungen geändert und die als Sicherheit dienenden Wirtschaftsgüter freigegeben worden. Es dürfte sich also um den typischen Fall einer zweiseitigen Finanzierungsabrede mit dem Ziel handeln, ein der Gesellschaft in wirtschaftlich gesunden Zeiten gewährtes Darlehen in der Krise oder für den Fall der Krise "stehenzulassen" (zu den verschiedenen Inhalten einer Prolongationsabrede vgl. u.a. von Gerkan/Hommelhoff, Kapitalersatz im Gesellschafts- und Insolvenzrecht, 5. Aufl., S. 124 f.). Das hätte zur Folge, daß das Darlehen von nun an auch für den Fall eines dauerhaften Liquiditätsmangels und unter Inkaufnahme seines Verlustes gewährt und damit auf Krisenfinanzierung hin angelegt war.
cc) Wurde das Darlehen bereits vor der Krise gewährt, durfte das FG den Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht offenlassen. Denn dieser Zeitpunkt ist, wie ausgeführt, für die Bewertung der Darlehensforderung und damit für die Höhe der Anschaffungskosten von entscheidender Bedeutung.
aaa) Ein von Anfang an krisenbestimmtes Darlehen lag im Streitfall nicht vor; es wurde in einem Zeitpunkt hingegeben, in dem der Kläger noch nicht Gesellschafter war und nichts darauf hinwies, daß es ab dem Zeitpunkt seines Eintritts in die Gesellschaft ein kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen werden sollte. Ein solches wurde es erst mit Eintritt der Krise oder der Vereinbarung vom 12. September 1985. Das wird das FG im zweiten Rechtsgang noch festzustellen haben. Nach dem Ergebnis dieser Feststellungen ist der Wert der Darlehensforderung und damit die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu bestimmen.
bbb) An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß der Kläger über die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft unterrichtet war. Die Unterrichtung eines Gesellschafters über den Finanzierungsstand der Gesellschaft kann zwar regelmäßig angenommen (vgl. dazu BGH-Urteil vom 26. November 1979 II ZR 104/77, BGHZ 75, 334, 339, und ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH-Urteil vom 11. Dezember 1995 II ZR 128/94, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 722, DStR 1996, 555, unter 3. der Gründe; von Gerkan, GmbH-Rundschau 1996, 400, 401, m.w.N.) und bei einem wesentlich beteiligten Gesellschafter und Geschäftsführer auch vermutet werden (vgl. etwa BFH-Urteil in BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, unter 2. b aa der Gründe); das bedeutet jedoch nur, daß im allgemeinen die subjektive Erkennbarkeit der Krisenlage --als Tatbestandsmerkmal des Kapitalersatzrechts (BGH-Urteil vom 7. November 1994 II ZR 270/93, BGHZ 127, 336)-- gegeben sein wird und dann der Zeitpunkt der Krise allein nach den objektiven Tatbestandsmerkmalen für die Umqualifizierung eines Darlehens in Eigenkapitalersatz zu bestimmen ist. Weitere rechtliche Folgen knüpfen sich an diese Feststellung nicht. Insbesondere kommt es auf die Kenntnis des Gesellschafters vom Eintritt der Krise nicht an, wenn bereits zuvor die Voraussetzungen eines "krisenbestimmten" Darlehens vorlagen (s. Abschn. II. 3. c).
ccc) Das FG wird unter Berücksichtigung dieser Grundsätze noch weitere Feststellungen treffen müssen. Zum Eintritt der Krise wird es --nachdem die GmbH bereits 1984 mehr als die Hälfte ihres Stammkapitals verloren hatte-- vor allem prüfen müssen, ob das aktive Vermögen der GmbH noch wesentliche stille Reserven enthielt und ob noch nennenswerte Vermögensgegenstände vorhanden waren, die sie den Gläubigern zur Sicherung ihres Kreditbedarfs anbieten konnte (vgl. dazu näher BGH-Urteil in BB 1996, 1185, und zu in weiteren in Betracht kommenden Indizien Lutter/Hommelhoff, a.a.O., §§ 32 a/b, Rdnrn. 23 f., m.w.N.). Der Wert der Darlehensforderung bei Eintritt der Krise ist nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit zu schätzen. Maßgeblich ist der Betrag, den der Gesellschafter bei einer fiktiven Veräußerung der Darlehensforderung von einem fremden Dritten erhalten hätte. Das entspricht dem gemeinen Wert der Forderung, aber auch ihrem Teilwert (Wiederbeschaffungswert, vgl. dazu BFH-Beschluß in BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, unter C. I. 3. und 4. der Gründe, und Urteil in BFHE 184, 432, BStBl II 1998, 305; zur Übereinstimmung von gemeinem Wert und Teilwert bei Kapitalforderungen BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 57/94, BFHE 184, 63, DStR 1997, 1965, unter B. II. 1. b der Gründe; zu den wertbestimmenden Umständen vgl. Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz. 369 f.). Das wird im allgemeinen die zu erwartende Konkurs- oder Vergleichsquote, kann aber im Einzelfall --insbesondere bei einer plötzlichen Krise mit anschließender Liquidation mangels Masse-- auch ein Betrag von 0 DM sein.
Fundstellen
Haufe-Index 56052 |
BFH/NV 1999, 855 |
BStBl II 1999, 348 |
BFHE 187, 480 |
BFHE 1999, 480 |
BB 1999, 566 |
DB 1999, 778 |
DStR 1999, 411 |
DStR 1999, 411-414 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1999, 261 |
DStRE 1999, 261 (Leitsatz) |
DStZ 1999, 380 |
HFR 1999, 371 |
StE 1999, 146 |
StE 1999, 146 (Leitsatz) |