Leitsatz (amtlich)
Benutzt ein Arbeitnehmer bei Dienstreisen mit Billigung des Arbeitgebers sein eigenes Kraftfahrzeug, so können die Kraftfahrzeugkosten in aller Regel bis zu 0,25 DM je Kilometer ohne Einzelnachweis als Werbungskosten berücksichigt werden. Ersatzleistungen des Arbeitgebers sind anzurechnen. Ob solche Ersatzleistungen einen Zuschuß zu den Kraftfahrzeugkosten oder deren vollen Ersatz bezwecken, ist unerheblich.
Normenkette
EStG 1967 § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) war im Jahr 1967 technischer Aufsichtsbeamter bei einer Steinbruch-Berufsgenossenschaft. Er besichtigte für seine Arbeitgeberin Betriebe. Für die Dienstfahrten benutzte er einen eigenen PKW VW 1300. Die Arbeitgeberin erstattete ihm im Streitjahr für die ersten 10 000 gefahrenen km 0,27 DM je km und für weitere 13 163 gefahrene km 0,18 DM je km.
In der Einkommensteuererklärung setzte der Steuerpflichtige die Aufwendungen für Dienstfahrten mit dem Pauschbetrag von 0,25 DM je km an. Unter Berücksichtigung der von seiner Arbeitgeberin ersetzten Fahrtkosten machte er für 13 163 km den Unterschiedsbetrag von 0,07 DM je km = 921,41 DM als Werbungskosten geltend. Da er den vom FA geforderten Nachweis, daß es sich bei dem von der Arbeitgeberin gezahlten Betrag nur um einen Zuschuß handele, nicht erbrachte, erkannte das FA die Aufwendungen von 0,07 DM je km nicht als Werbungskosten an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG führte aus: Wenn ein Arbeitnehmer Dienstreisen mit seinem eigenen PKW ausführe, könne zwar ein km-Satz von 0,25 DM ohne Einzelnachweis als Werbungskosten anerkannt werden. Ersetze der Arbeitgeber einen geringeren Betrag als den genannten Pauschbetrag, so spreche aber eine widerlegbare Vermutung dafür, daß die ersetzten Beträge den tatsächlichen Aufwand deckten. Werde die Vermutung widerlegt, könne der Unterschied zu den Pauschbeträgen ohne Einzelnachweis als Werbungskosten anerkannt werden. Das gelte nach dem Leitsatz des Urteils des BFH VI 33/65 vom 15. Dezember 1967 (BFH 90, 493, BStBl II 1968, 150) auch dann, wenn ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes eine Dienstreise mit seinem eigenen PKW ausführe. Im Streitfall handele es sich um einen Dienstordnungsangestellten einer Berufsgenossenschaft, für dessen Rechtsverhältnis die Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend gälten. Der Steuerpflichtige führe seine Dienstfahrten mit seinem anerkannt privateigenen Kraftfahrzeug aus, für das er eine Wegstreckenentschädigung gemäß § 6 Abs. 2 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) und der dazugehörigen Verordnung vom 22. Oktober 1965 (BGBl I 1965, 1809) erhalte. Die in dieser VO genannte Entschädigung von 0,27 DM je km für die ersten 10 000 im Betriebsjahr gefahrenen km und 0,18 DM für jeden weiteren gefahrenen km seien bereits seit dem Jahr 1960 in unveränderter Höhe gültig. Die Wegstreckenentschädigung für anerkannt privateigene Kraftfahrzeuge solle, wie sich aus diesen Erlassen ergebe, im Gegensatz zur Wegstreckenentschädigung für privateigene Kraftfahrzeuge im Sinne des § 6 Abs. 1 BRKG alle Kosten decken, die vom Fahrzeughalter zu tragen seien. Die genannten Wegstreckenentschädigungen für anerkannt privateigene Kraftfahrzeuge deckten aber infolge der Preisentwicklung im Streitjahr 1967 die entstandenen Kosten nicht mehr. Die gewährte Wegstreckenentschädigung könne deshalb nicht mehr als voller Ersatz der entstandenen Kosten, sondern nur als Zuschuß zu den allgemeinen Kosten angesehen werden. Damit sei die Vermutung, daß die ersetzten Beträge dem tatsächlichen Aufwand entsprächen, widerlegt. Der Steuerpflichtige könne daher einen km-Satz von 0,25 DM geltend machen, ohne daß es eines Einzelnachweises der Mehrkosten bedürfe. Der Pauschbetrag von 0,25 DM je km stelle einen Durchschnittssatz für die Gesamtzahl der im Betriebsjahr gefahrenen km dar. Von ihm sei die dem Steuerpflichtigen gezahlte Vergütung von durchschnittlich 0,22 DM je km abzusetzen. Es gehe nicht an, die vom Arbeitgeber für die ersten 10 000 km gezahlte Mehrvergütung von 0,02 DM je km bei der Berechnung der Werbungskosten unberücksichtigt zu lassen, da ein Gesamtausgleich innerhalb des Veranlagungszeitraums, der mit dem Betriebsjahr übereinstimme, zu schaffen sei.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als bei Dienstreisen ein km-Satz von 0,25 DM ohne Einzelnachweis als Werbungskosten anerkannt worden sei. Das FG habe mit der Anerkennung einzeln nicht nachgewiesener Aufwendungen die Vorschrift des § 9 EStG verkannt und die Rechtsprechung des BFH zur Wegstreckenentschädigung außer acht gelassen. Der BFH habe im Urteil VI 33/65 (a. a. O.) bei Dienstreisen eines Arbeitnehmers mit seinem eigenen PKW einen km-Satz von 0,25 DM als Werbungskosten ohne Einzelnachweis lediglich für den Fall anerkannt, in dem der Arbeitgeber mit dem erstatteten km-Geld nur einen Zuschuß gewähren wolle. Sei mit dem km-Geld ein voller Ersatz beabsichtigt, so sei durch Einzelnachweis darzutun, daß die km-Gelder die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten nicht deckten (BFH-Urteil VI R 202/67 vom 15. Dezember 1967, BFH 91, 164, BStBl II 1968, 395).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Nach den Feststellungen des FG erhält der Steuerpflichtige Reisekostenersatz nach dem BRKG. Bei seinem PKW handelt es sich um ein sogenanntes anerkannt privateigenes Kraftfahrzeug. Nach § 6 Abs. 2 BRKG wird, wenn auf einer Dienstreise ein Kraftfahrzeug benutzt worden ist, das mit schriftlicher Anerkennung der vorgesetzten Behörde im überwiegenden dienstlichen Interesse gehalten wird, eine Wegstreckenentschädigung gewährt, deren Höhe der Bundesminister des Innern unter Berücksichtigung der Anschaffungs-, Unterhalts- und Betriebskosten und der Abnutzung des Kraftfahrzeugs durch Rechtsverordnung bestimmt. Diese Bestimmung ist in der VO vom 22. Oktober 1965 enthalten, nach der die Wegstreckenentschädigung für Kraftwagen mit einem Hubraum von mehr als 600 ccm bei einer Fahrtleistung für Dienstzwecke im Betriebsjahr bis zu 10 000 km 0,27 DM je km und für jeden weiteren km im Betriebsjahr 0,18 DM beträgt.
Der Senat hat im Urteil VI R 309/66 vom 4. August 1967 (BFH 89, 532, BStBl III 1967, 728) entschieden, daß dann, wenn ein Arbeitgeber Reisekosten mit niedrigeren Pauschsätzen, als sie in Abschn. 21 LStR aufgeführt sind, ersetzt, eine widerlegbare Vermutung dafür spricht, daß die gezahlten Beträge den tatsächlichen Aufwand abgelten. Wird die Vermutung widerlegt, so kann in der Regel der Unterschied zu den Pauschbeträgen im Abschn. 21 LStR ohne Einzelnachweis als Werbungskosten anerkannt werden. Hierzu hat der Senat im Urteil VI R 202/67 (a. a. O.) ergänzend ausgeführt: Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Fahrtauslagen in Form von km-Geldern ersetze, so sei zu prüfen, ob die km-Sätze durch Einzelberechnungen ermittelt worden seien und ob sie die Fahrtauslagen voll ersetzen sollten oder ob der Arbeitgeber in den km-Sätzen dem Arbeitnehmer nur einen Zuschuß geben wolle und im übrigen erwarte, daß der Arbeitnehmer den Rest der Kosten aus seiner Tasche trage. Seien die km-Vergütungen nur als Zuschuß des Arbeitgebers gedacht, so könne der Arbeitnehmer seine den Zuschuß übersteigenden Auslagen als Werbungskosten geltend machen. Sie würden dann bis zu den km-Sätzen des Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1966 ohne Einzelnachweis anerkannt.
Diese Grundsätze sollten nach dem Urteil des Senats VI 33/65 (a. a. O.) auch für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die auf einer Dienstreise ihr eigenes Kraftfahrzeug benutzen, gelten. Im zweiten Leitsatz dieses Urteils ist allerdings gesagt, die Kraftfahrzeugkosten könnten in allen Fällen bis zu einem Satz von 0,25 DM je km ohne Einzelnachweis anerkannt werden. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich aber, daß es sich um einen Fall handelte, in dem der Arbeitgeber unstreitig nur einen Zuschuß zu den Kraftfahrzeugkosten gewähren wollte.
An dieser Unterscheidung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht fest. Gerade der Streitfall zeigt, wie schwierig es sein kann zu entscheiden, ob im Einzelfall die Leistungen des Arbeitgebers ein Zuschuß zu den Kraftfahrzeugaufwendungen des Arbeitnehmers sein sollen oder ob sie diese Aufwendungen voll decken sollen und ob im letzteren Fall tatsächlich eine volle Deckung eintritt. Das FG hat überzeugend dargelegt, daß eine Regelung über den Ersatz von Kraftfahrzeugaufwendungen auf Dienstreisen, die diese voll decken soll, durch die Preisentwicklung tatsächlich zur Leistung von Zuschüssen zu diesen Aufwendungen werden kann. Auch Pauschalregelungen von Arbeitgebern über den vollen Ersatz von Kraftfahrzeugaufwendungen bei Dienstreisen arbeiten, wenn sie km-Vergütungen vorsehen, notwendigerweise mit Durchschnittswerten. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß solche Regelungen schon bei ihrem Ergehen für manche Arbeitnehmer zu ungünstig, für manche dagegen zu günstig waren. Es ist kaum festzustellen, ob und wann eine solche Regelung, sei es insgesamt, sei es für bestimmte Kraftfahrzeugtypen bei bestimmter km-Leistung, im Ergebnis zu einer Zuschußregelung im Sinn der angeführten Rechtsprechung des Senats geworden sein soll, weil sie nicht mehr zum vollen Ersatz der tatsächlichen Aufwendungen des einzelnen Arbeitnehmers führt. Es würde auch zu ungleichen Ergebnissen führen, wenn einem Arbeitnehmer, der vom Arbeitgeber überhaupt keinen Ersatz seiner Kraftfahrzeugaufwendungen auf Dienstreisen erhält, ohne weiteres der Ansatz der vollen km-Sätze des Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1966 ohne Einzelnachweis gestattet würde, während dies einem Arbeitnehmer, der vom Arbeitgeber niedrigere km-Sätze erhält, die aber nach dessen Darlegungen den vollen Ersatz der Kraftfahrzeugaufwendungen darstellen sollen, verwehrt wird. Soweit aus den angeführten Entscheidungen sowie auch aus dem Urteil VI R 35/68 vom 2. Juli 1971 (BFH 103, 333, BStBl II 1972, 67) etwas anderes entnommen werden kann, hält der Senat hieran nicht fest.
Erhält der Arbeitnehmer - wie das auch im Streitfall zutrifft - für einen Teil der im Kalenderjahr bei Dienstreisen gefahrenen km einen km-Satz von mehr als 0,25 DM, für den Rest der km einen Satz von weniger als 0,25 DM, so können für alle gefahrenen km 0,25 DM als Werbungskosten angesetzt werden; von der Summe dieser Beträge ist die Gesamtsumme der Ersatzleistungen des Arbeitgebers abzusetzen.
Bei der Anwendung dieser Grundsätze wird zwischen Arbeitnehmern privater Arbeitgeber und Angehörigen des öffentlichen Dienstes kein Unterschied gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 413081 |
BStBl II 1972, 243 |
BFHE 1972, 206 |