Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Volksschullehrers für ein Hochschulstudium (Studium an einer Pädagogischen Hochschule), das er absolviert, um die zweite Teilprüfung als Realschullehrer ablegen zu können, sind keine Fortbildungskosten, sondern Ausbildungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bestand im Februar 1970 die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Volksschulen. Am 12. Mai 1970 legte er die erste Teilprüfung als Realschullehrer ab. Von März 1970 bis März 1971 unterrichtete er an einer Realschule und anschließend an einer Hauptschule. Am 10. November 1972 bestand er die zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen.
In den Jahren 1973 bis 1975 nahm der Kläger an Lehrgängen über Kunsterziehung am Landesinstitut Schleswig-Holstein für Praxis und Theorie der Schule teil. Im Kalenderjahr 1976 (dem Streitjahr) belegte er ferner kunstpädagogische Vorlesungen an der Pädagogischen Hochschule in X. Am 6. Dezember 1976 bestand er die zweite Teilprüfung für Realschullehrer.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 2 552 DM (1 641,60 DM Fahrtkosten zum Besuch der Vorlesungen an der Pädagogischen Hochschule in X und 910,24 DM für wissenschaftliche Arbeiten) als Werbungskosten (Fortbildungs-kosten) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug als Werbungskosten ab. Das FA sah die Aufwendungen als Ausbildungskosten an und gestand dem Kläger demzufolge nur einen Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 900 DM zu.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat das klageabweisende Urteil, das in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 278 (EFG 1979, 278) veröffentlicht worden ist, damit begründet, daß Aufwendungen für ein Hochschulstudium keine Fortbildungskosten, sondern Ausbildungskosten seien und diese nach ständiger Rechtsprechung nicht als Werbungskosten abgezogen werden könnten. Die Aufwendungen, die einem Volksschullehrer für den Besuch einer Pädagogischen Hochschule entständen, seien Ausbildungskosten, wenn der Volksschullehrer mit dem Besuch der Hochschule die Erlangung des Lehramtes für Realschullehrer erstrebe.
Der Kläger rügt Verletzung materiellen Rechts. Er meint, bei den streitigen Aufwendungen handle es sich um Fortbildungskosten. Er folgen dies daraus, daß nach der Schleswig-Holsteinischen Landesverordnung über die Laufbahnen der Lehrer (S H. LLVO) in der Fassung vom 11. Juli 1969 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Schleswig-Holstein 1969 S. 170 - GVBl 1969, 170-) unterschieden werde zwischen der Realschullehrerprüfung
- als Abschluß eines mindestens sechssemestrigen Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule und
- als Abschluß der Weiterbildung eines Lehrers mit zweiter Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen.
Der Kläger habe den zweiten Ausbildungsweg gewählt. Die von ihm 1976 abgelegte Prüfung sei der Abschluß einer Weiterbildung in dem von ihm bis dahin ausgeübten Beruf als Lehrer gewesen. Für diese Prüfung seien zusätzliche Bildungsmaßnahmen nicht mehr erforderlich gewesen. Es habe der Nachweis genügt, daß der Kläger die zweite Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen abgelegt habe. Wie er sich das erforderliche Wissen für die zweite Teilprüfung als Realschullehrer verschafft habe, sei ihm überlassen gewesen. Der Kläger habe sich dieses Wissen in den Jahren 1970 bis 1976 ohne einheitliche Gesamtkonzeption und ohne zeitlichen Zusammenhang erworben. Dieser Wissenserwerb könne daher nicht als Hochschulstudium bezeichnet werden. Außerdem habe der BFH selbst in den Entscheidungen vom 3. Dezember 1974 VI R 189/73 (BFHE 114; 361, BStBl II 1975, 280) und vom 18. März 1977 VI R 2/76 (BFHE 122, 77, BStBl II 1977, 547) bei unbestreitbarem Vorliegen eines Hochschulstudiums Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen, daß ein Hochschulstudium stets auf einen Berufswechsel hindeute.
Der Kläger beantragt die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1976 und die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 2 552 DM als Werbungskosten.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, weil die streitigen Aufwendungen keine Werbungskosten sind. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt in dem Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49) zwischen Ausbildungskosten und Fortbildungskosten unterschieden. Fortbildungskosten sind Werbungskosten, weil sie durch den Beruf veranlaßt sind; denn sie dienen dazu, in einem bereits ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Ausbildungskosten hingegen sind keine Werbungskosten, weil sie für die Ausbildung eines künftigen Berufs aufgewendet werden. Sie erwachsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen und gehören deshalb zu den Kosten der Lebensführung. Sie können nur im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben bis zur Höhe von 900 DM (bei auswärtiger Unterbringung 1 200 DM) im Kalenderjahr steuerrechtlich berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige bereits einen Beruf ausübt und die Aufwendungen dazu dienen, die Befähigung zu einem anderen Beruf zu erlangen.
Die Vorinstanz hat die streitigen Aufwendungen zutreffend als Ausbildungskosten beurteilt.
1. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für ein Hochschulstudium als Ausbildungskosten angesehen (Urteil vom 28. November 1980 VI R 195/79, BFHE 132, 53 und die dort angegebene weitere Rechtsprechung). In allen diesen Entscheidungen handelt es sich, wie hier, um Fälle, in denen ein Studium nicht im Rahmen eines ausgeübten Berufs durchgeführt wurde. Die gegenteilige Auffassung der Revision ist nicht zutreffend. Sie geht irrtümlich davon aus, daß die Tätigkeit des Klägers als Lehrer (Volks- und Hauptschullehrer) und die Tätigkeit eines Realschullehrers ein und derselbe Beruf sei. Das trifft nicht zu. Daß die Tätigkeit eines Volks- und Hauptschullehrers einerseits und die eines Realschullehrers andererseits verschiedene Berufe sind, ergibt sich - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - sowohl aus den unterschiedlichen besoldungsrechtlichen Eingangsämtern als auch daraus, daß für beide Berufe unterschiedliche Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen verlangt werden. Dem FG ist ferner darin zuzustimmen, daß auch dann nichts anderes gelten kann, wenn die Fachprüfung für das Lehramt an Realschulen nicht nach Absolvierung eines Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule und der Ableistung einer Referendarzeit, sondern nach einer dreijährigen Lehrtätigkeit an einer Volksschule und nach dem Bestehen der zweiten Lehrerprüfung für das Lehramt an Volksschulen abgelegt wird. Es handelt sich hierbei lediglich um zwei verschiedene, als gleichwertig anerkannte Ausbildungsmöglichkeiten, die nach dem Bestehen der Fachprüfung zu einem Beruf mit einem anderen Eingangsamt als dem eines Volksschullehrers führen.
Der Auffassung, daß der Beruf eines Volksschullehrers ein anderer ist als der eines Realschullehrers und damit die Aufwendungen eines Volksschullehrers zur Erlangung der Lehrbefugnis als Realschullehrer keine Fortbildungskosten, sondern Ausbildungskosten sind, steht auch nicht das Urteil des BFH in BFHE 114, 361, BStBl II 1975, 280 entgegen. Bereits in dem Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 31/74 (BFHE 115, 26, BStBl II 1975, 446), in dem der Senat die Aufwendungen eines Volksschullehrers für ein Studium an einer Pädagogischen Hochschule mit dem Ziel des Abschlusses als "Diplom-Pädagoge" als Ausbildungskosten behandelt hat, ist ausgeführt, daß jenes Urteil dieser Entscheidung nicht entgegensteht, weil der entscheidende Gesichtspunkt jener Entscheidung, der für die Annahme von Fortbildungskosten sprach, darin bestand, daß der Volksschullehrer nur eine zusätzliche, spezielle Unterrichtung erhalten hatte, die für sich ohne Bedeutung und mit keinem gesellschaftlichen Aufstieg verbunden sei. Das jedoch läßt sich bei einem Studium zur Erlangung des Abschlusses als "Diplom-Pädagoge" ebensowenig sagen wie bei einem Studium zur Erlangung der Lehramtsbefugnis eines Realschullehrers.
2. Der Senat vermag auch der Auffassung der Revision, im Streitfall liege kein typisches Hochschulstudium i. S. der BFH-Rechtsprechung vor, nicht zu folgen. Es mag zwar zutreffen, daß der Kläger sich die für die Ablegung der zweiten Teilprüfung für das Lehramt eines Realschullehrers erforderlichen Kenntnisse auch auf anderem Wege als durch ein Studium an einer Pädagogischen Hochschule hätte verschaffen können. Im Streitfall aber hat er dies nicht getan, sondern Vorlesungen an der Pädagogischen Hochschule besucht. Er macht die dafür erforderlichen Aufwendungen geltend. Daß der Kläger dieses Studium nicht hätte durchführen müssen, ist unerheblich; denn sowohl in der BFH-Entscheidung vom 16. März 1967 IV R 266/66 (BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723) als auch in anderen BFH-Entscheidungen (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 23. Juni 1978 VI R 127/77, BFHE 125, 265, BStBl II 1978, 543) ist nicht darauf abgestellt worden, ob das Studium für die im Anschluß daran abzulegende Prüfung unbedingt erforderlich war oder nicht. Darauf kann es auch gar nicht ankommen; denn - wie oben dargelegt - besteht das Wesensmerkmal der Ausbildungskosten darin, daß sie zur Ausübung eines künftigen Berufs (auch eines künftigen anderen Berufs) gemacht werden. Aufwendungen, die nicht im Zusammenhang mit einem Hochschulstudium stehen, sind daher ebenfalls Ausbildungskosten, wenn sie dazu dienen einen Beruf zu erlangen, der dem betreffenden Steuerpflichtigen ein neues Berufsbild und im beruflichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben eine herausgehobene Stellung vermittelt.
Fundstellen
Haufe-Index 413599 |
BStBl II 1981, 439 |
BFHE 1981, 570 |