Leitsatz (amtlich)
Gewinne aus einer vom Arbeitgeber veranstalteten Verlosung können zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, wenn an der Verlosung nur Arbeitnehmer teilnahmeberechtigt sind, die in bestimmten Zeiträumen wegen Krankheiten nicht gefehlt haben.
Normenkette
EStG 1969 § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStDV 1968 § 2 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) veranstaltete in den Streitjahren 1969 und 1970 in ihren Fabrikationsbetrieben Verlosungen. Teilnahmeberechtigt waren alle Arbeitnehmer der Klägerin, die in bestimmten Zeiträumen wegen Krankheit nicht gefehlt hatten. An den Verlosungen nahmen insgesamt etwa 1 500 Arbeitnehmer teil. Verlost wurden 330 Klappräder, die die Klägerin zum Preis von 32 977 DM erworben hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah in der Zuwendung der Losgewinne an die Arbeitnehmer steuerpflichtige Sachzuwendungen. Deren Wert ermittelte das FA in der Weise, daß es die Summe der Einkaufspreise für die verlosten Klappräder - zur Angleichung an die Mittelpreise des Verbrauchsorts - um 3 297 DM (10 v. H. der Einkaufspreise) erhöhte. Die hierauf entfallende Lohnsteuer berechnete es mit 23,4 v. H. von 36 274 DM auf 8 488,12 DM, die Kirchenlohnsteuer auf 10 v. H. der Lohnsteuer. Auf diese Beträge nahm das FA die Klägerin im Wege der Lohnsteuerhaftung in Anspruch.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 19 EStG 1969 § 2 LStDV 1968. Sie ist der Auffassung, die Vorinstanz habe die durch das Urteil des BFH vom 19. Juli 1974 VI R 114/71 (BFHE 114, 28, BStBl II 1975, 181) entwickelten Grundsätze unzutreffend ausgelegt; nach dieser Entscheidung seien die Voraussetzungen für eine Versteuerung von Losgewinnen nur dann erfüllt, wenn Arbeitnehmer mit besonders guten Leistungen prämiiert würden und außerdem unter den Prämiierten eine Auslosung veranstaltet würde, bei der diese Arbeitnehmer noch einen zusätzlichen Gewinn erzielen könnten. Mit der Verlosung der Klappräder habe im Streitfall nicht eine Arbeitsleistung ent lohnt, sondern die besondere Arbeitsmoral einzelner Arbeitnehmer be lohnt werden sollen. Ebensowenig wie die Losgewinne selbst, seien die Gewinnchancen zu versteuern.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zu Recht hat das FG die Gewinne aus der Verlosung als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen.
a) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Arbeitnehmer aus oder in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis als einem Vertrag zufließen, der auf den Austausch von Dienstleistungen gegen Entgelt gerichtet ist (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 EStG). Der steuerrechtliche Begriff des Arbeitslohns. wie er in § 2 Abs. 1 LStDV - nach ständiger Rechtsprechung des RFH und des BFH in Übereinstimmung mit dem Gesetz (BFH-Urteil vom 16. Mai 1975 VI R 165/72, BFHE 115, 569, BStBl II 1975, 642) - umschrieben wird, ist im Interesse einer möglichst gerechten und gleichmäßigen steuerlichen Erfassung aller Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit weit und umfassend. Arbeitslohn ist danach alles, was als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist. Dabei hat die Rechtsprechung nicht so sehr auf den rechtlichen als vielmehr auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen mit dem Dienstverhältnis abgestellt und an die Unmittelbarkeit des Zusammenhangs zwischen Zuwendung und Dienst allzu hohe Anforderungen nicht gestellt (BFH-Urteil VI R 114/71).
b) Die Frage, ob Preise, die Arbeitnehmer anläßlich einer vom Arbeitgeber veranstalteten Verlosung gewinnen, unter dem Gesichtspunkt der Sachzuwendung zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, ist je nach der Gestaltung des Sachverhalts unterschiedlich zu beurteilen. Wird die Berechtigung zur Teilnahme an einer Verlosung zur Abgeltung von Leistungen gewährt, die der Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses erbracht hat, ist der für die Annahme von Arbeitslohn erforderliche Zusammenhang zwischen Dienstverhältnis und Losgewinn dem Grunde nach regelmäßig zu bejahen. In Fällen dieser Art ist die Verlosung letztlich nur eine - allerdings ungewöhnliche - Form der Zuteilung von Vorteilen, die auf dem auf Austausch von Leistungen gerichteten Dienstverhältnis beruhen.
Eine andere Beurteilung erscheint allerdings angebracht, wenn der Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis und dem Losgewinn durch weiter hinzutretende Kausalabläufe überlagert wird und der Losgewinn daher steuerlich nicht als durch das Dienstverhältnis ausgelöst anzusehen ist. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, wie eng sich der Zusammenhang des Losgewinns mit dem Dienstverhältnis einerseits, den weiter hinzutretenden Ursachen andererseits darstellt. Eine Unterbrechung des Zusammenhangs hat der Senat in dem Urteil VI R 114/71 für den dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Fall angenommen, daß die Aussichten des einzelnen Arbeitnehmers, als Gewinner ausgelost zu werden, so gering sind, daß ein Losgewinn nur zum geringsten Teil auf das Arbeitsverhältnis, in erster Linie jedoch auf das jeder Verlosung innewohnende Zufallsmoment zurückzuführen ist.
c) Im Streitfall hat das FG die Losgewinne zu Recht als durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt angesehen. Anders als bei dem der Entscheidung VI R 114/71 zugrunde liegenden Sachverhalt lassen hier insbesondere die für die Teilnahme zu erfüllenden Voraussetzungen und das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Losgewinnen und Teilnehmern die enge Verknüpfung zwischen Losgewinn und Arbeitsverhältnis erkennen. Der Klägerin ging es darum, die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu verringern und hierfür durch die Verlosung einen besonderen Anreiz zu bieten. Daß mit der Verlosung eine besondere Arbeitsbereitschaft der Arbeitnehmer entlohnt werden sollte, wird insbesondere auch dadurch deutlich, daß die Arbeitnehmer, sofern sie über längere Zeiträume nicht fehlten, an den Verlosungen im allgemeinen wiederholt teilnehmen durften. Für die Arbeitnehmer der Klägerin stellte sich die Berechtigung, an den Verlosungen mit der Aussicht auf den Gewinn eines Klapprades teilzunehmen, als Prämie für eine überdurchschnittliche Arbeitsmoral und damit als Entgelt für aufgrund des Dienstverhältnisses erbrachte besondere Leistungen dar.
2. Die Einwendungen der Klägerin gegen den Zuschlag von 10 v. H. auf die Einkaufspreise der Klappräder sind nicht begründet. Nach § 8 Abs. 2 EStG (§ 3 Abs. 1 LStDV) sind Einnahmen, die nicht in Geldwert bestehen, mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Dabei handelt es sich um einen objektiven Wert, so daß es - wie das FG zutreffend ausführt - auf die subjektive Einschätzung der Sachzuwendungen durch die Empfänger nicht ankommt (Urteile des Senats vom 2. Oktober 1968 VI R 64/68, BFHE 94, 23, BStBl II 1969, 73; vom 3. Oktober 1974 VI R 79/72, BFHE 113, 452, BStBl II 1975, 81; vom 18. Oktober 1974 VI R 249/71, BFHE 114, 56, BStBl II 1975, 182). Im Streitfall hat das FA die Klappräder mit den üblichen Einzelhandelspreisen angesetzt. Die Klägerin selbst hat nicht behauptet, daß die angesetzten Werte den objektiv üblichen Mittelpreisen nicht entsprachen. Daß die bei den Verlosungen gewonnenen Gegenstände für die Gewinner möglicherweise nicht den gleichen Wert wie die mit eigenen Mitteln erworbenen Wirtschaftsgüter haben, ist im Hinblick darauf, daß hier für die Bewertung allein auf den objektiven Wert abzustellen ist, ohne Bedeutung. Aus dem gleichen Grund ist es unerheblich, daß die Gewinner zum Teil keine Verwendungsmöglichkeit für die Klappräder gehabt haben sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 72681 |
BStBl II 1978, 239 |