Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung der sog. Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG
Leitsatz (NV)
Ausgangsgröße für die Anwendung der sog. Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402; BStBl I 1999, 304) sind die gesamten außerordentlichen Einkünfte ohne anteilige Kürzung auf Grund des Altersentlastungsbetrags.
Normenkette
EStG §§ 24a, 34 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres im Jahr 2002 verstorbenen Ehemannes, mit dem sie im Streitjahr (2000) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurde. Die Ehegatten bezogen u.a. Beteiligungseinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, deren Feststellung mehrfach zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheids 2000 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) --zuletzt während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG)-- führte. Nach den Mitteilungen über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2000 hatte der Ehemann der Klägerin einen Veräußerungsgewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 19 713 DM und die Klägerin einen solchen von 840 DM zu versteuern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste die Veräußerungsgewinne im Einkommensteueränderungsbescheid 2000 vom 28. April 2003 und wies den dagegen gerichteten Einspruch zurück. Mit ihrer Klage zum FG begehrte die Klägerin auf den Veräußerungsgewinn ihres verstorbenen Ehemanns den Freibetrag gemäß § 14 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuwenden, den auf sie entfallenden Veräußerungsgewinn von 840 DM auf 826 DM herabzusetzen und darauf die Tarifermäßigung "gem. § 34 Abs. 3 EStG" zu gewähren.
Das FA erließ am 23. Juli 2004 einen weiteren Änderungsbescheid, der dem Klagebegehren Rechnung trug und auch dem Antrag auf ermäßigte Besteuerung --allerdings nach § 34 Abs. 1 EStG-- stattgab. In den Erläuterungen des Bescheids, der zum Gegenstand des Verfahrens wurde, wies das FA programmgesteuert darauf hin, dass die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG zu einer höheren Steuer, dem festgesetzten Betrag von 25 889 DM nämlich, führe, ein günstigeres steuerliches Ergebnis (25 807 DM) jedoch durch Rücknahme des Antrags auf ermäßigte Besteuerung innerhalb der Rechtsbehelfsfrist zu erzielen sei.
Der vom FA erklärten Hauptsacheerledigung stimmte die Klägerin nicht zu, weil nach ihrer Auffassung nur eine Einkommensteuer von 25 729 DM festzusetzen sei. Dazu verwies sie auf eine Steuerberechnung der Datev, bei der die nach § 34 Abs. 1 EStG zu berücksichtigenden außerordentlichen Einkünfte der Klägerin nur gekürzt um den anteiligen Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG mit 788 DM (statt 826 DM) angesetzt waren.
Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 879 veröffentlichten Gründen ab.
Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, der Veräußerungsgewinn sei um den anteiligen Altersentlastungsbetrag zu kürzen. Dies ergebe sich vorrangig aus dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 1 EStG, der als tarifliche Vergünstigung nicht zu einem Nachteil des Steuerpflichtigen führen dürfe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 23. Juli 2004 die Einkommensteuer auf 13 155 € (25 729 DM) herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Berechnung der begünstigten Einkommensteuer gemäß § 34 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 --BGBl I 1999, 402-- (EStG n.F.) außerordentliche Einkünfte in Höhe des gesamten Veräußerungsgewinns von 826 DM zugrunde zu legen waren.
1. Die außerordentlichen Einkünfte der Klägerin sind nicht anteilig um den der Klägerin gewährten Altersentlastungsbetrag gekürzt der Tarifermäßigung zu unterwerfen.
a) Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen. Nach Satz 2 beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zzgl. eines Fünftels dieser Einkünfte. Für das verbleibende zu versteuernde Einkommen ist die tarifliche Einkommensteuer sodann gemäß der in § 32a Abs. 1 EStG aufgeführten Tarifformel zu berechnen.
b) Die von der Klägerin bezogenen und in dem zu versteuernden Einkommen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns enthaltenen außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. betragen 826 DM. In dieser Höhe hatte die Klägerin im Streitjahr außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 14 EStG n.F.
Die nach § 34 EStG begünstigten Einkünfte stellen innerhalb der Summe der Einkünfte bzw. der jeweiligen Einkunftsart eine "besondere Abteilung" dar (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Senats vom 29. Juli 1966 IV 299/65, BFHE 86, 486, BStBl III 1966, 544, und Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Oktober 1998 XI R 63/97, BFHE 188, 143, BStBl II 1999, 588). Der sachliche Umfang der außerordentlichen Einkünfte, die in § 34 Abs. 2 EStG in Verbindung mit den darin aufgeführten Normen definiert werden, ist für sich gesondert entsprechend den Bestimmungen des § 2 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 4 bis 7k EStG bzw. §§ 8 bis 9a EStG zu berechnen (BFH-Urteil vom 13. August 2003 XI R 27/03, BFHE 204, 433, BStBl II 2004, 547, unter II.2.a der Gründe, m.w.N.). Die Höhe der bezogenen außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 EStG ist nach dem gesetzlich vorgegebenen Schema der Einkommensermittlung somit vor Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 433, BStBl II 2004, 547; s. auch BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 46/02, BFH/NV 2004, 1643, beide zur Nichtberücksichtigung der Verlustverrechnungsbeschränkungen des § 2 Abs. 3 EStG a.F. bei Berechnung der begünstigten Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 EStG).
c) Die bezogenen außerordentlichen Einkünfte von 826 DM sind in dem zu versteuernden Einkommen der Klägerin mit diesem Betrag enthalten. FA und FG haben daher zu Recht den Altersentlastungsbetrag erst nach Ermittlung der außerordentlichen Einkünfte nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EStG n.F. von der Summe der Einkünfte abgezogen. Damit war der Altersentlastungsbetrag vorrangig von den nicht tarifbegünstigten Einkünften abzuziehen. Diese dem Günstigkeitsprinzip folgende Lösung entspricht einhelliger Meinung im Schrifttum (Siebenhüter in Herrmann/Heuer/ Raupach --HHR--, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 24a EStG Anm. 8, und dem folgend: Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 24a Rz. 7; Frenz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 24a Rdnr. A 20; Gänger in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 24a Rz. 26, und Graf in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 24a EStG Rn. 48). Danach sind die tarifbegünstigten Einkünfte erst zu kürzen, wenn der Altersentlastungsbetrag die anderen Einkünfte übersteigt (vgl. Gänger, a.a.O., und Graf, a.a.O.). In dieser Weise berücksichtigt auch die Finanzverwaltung den Freibetrag für Land- und Forstwirte bei der ermäßigten Besteuerung außerordentlicher Einkünfte (s. R 171a Abs. 1 Satz 1 und R 197 Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1999).
d) Die dagegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Die nach Abschaffung der Begünstigung durch den halben durchschnittlichen Steuersatz im Streitjahr allein vorgesehene Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG n.F. sollte zwar ebenso wie die Regelung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. progressionsbedingte erhöhte Steuerbelastungen mildern (s. BTDrucks 14/23, S. 183). Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde damit aber nicht der Zweck verfolgt, jede nachteilige Besteuerung zu vermeiden. Denn es war durchaus bekannt, dass die Tarifermäßigung in Sonderfällen zu Überbelastungen führen konnte (HHR/Horn, § 34 EStG Anm. 4 und die Berechnungsbeispiele in Anm. 28). Andernfalls hätte der Gesetzgeber von vornherein auf das Antragserfordernis und die Finanzverwaltung auf die später --nach Wegfall des Antragserfordernisses-- übliche sog. Günstigerprüfung verzichten können (vgl. HHR/Horn, § 34 EStG Anm. 24). Im Streitfall war angesichts der geringen Höhe der außerordentlichen Einkünfte eine Progressionsmilderung ohnehin nicht geboten.
2. Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, dass die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 1 EStG zu berechnen war, obwohl die gesamte Einkommensteuerbelastung bei Verzicht auf die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG um 78 DM geringer ausgefallen wäre. Nach Bekanntgabe des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids im Klageverfahren hat die Klägerin zwar zunächst die "Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG" beantragt. Dieser Antrag ging jedoch ins Leere, da die Tarifbegünstigung des halben durchschnittlichen Steuersatzes durch das StEntlG 1999/2000/2002 ab 1999 vorübergehend abgeschafft worden war. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. August 2004 jedoch die Anwendung der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG begehrt hat, der Anregung des FA, diesen Antrag zurückzunehmen, nicht gefolgt ist und auch auf einen entsprechenden Hilfsantrag im Klage- und Revisionsverfahren verzichtet hat, musste es bei der Berechnung der Einkommensteuer unter Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG bleiben.
3. Zu Unrecht ist die Klägerin zwar davon ausgegangen, dass der Antrag auf Berechnung der Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG nicht zurückgenommen werden könne, obwohl das durch das StEntlG 1999/2000/2002 geschaffene Erfordernis der Unwiderruflichkeit des Antrags durch das Steuersenkungsgesetz 2001/2002 vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433) rückwirkend wieder aufgehoben worden war. In ihrer Revisionsbegründung hat sie jedoch zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie auch für den Fall einer Widerrufsmöglichkeit an ihrem Antrag festhalten wolle, weil ihr an der Klärung der Rechtsfrage einer anteiligen Kürzung des Veräußerungsgewinns gelegen war.
Fundstellen
Haufe-Index 1480558 |
BFH/NV 2006, 723 |
DStRE 2006, 1507 |
HFR 2006, 473 |
NWB 2006, 12 |
NWB 2006, 922 |
NWB direkt 2006, 5 |