Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kürzung des Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen beim Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, dem Altersversorgung zugesagt ist
Leitsatz (amtlich)
Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen des Alleingesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH ist nicht nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG zu kürzen, wenn diese ihm eine Altersversorgung zugesagt hat.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3, § 10c Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Die GmbH sagte ihm neben seinem Geschäftsführergehalt eine Altersrente zu, die steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) beurteilt wurde.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1996 kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) aufgrund der Pensionszusage den Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 1123).
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10 Abs. 3 EStG und beantragen sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Entgegen der Auffassung des FG sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Kürzung des Vorwegabzugs nicht erfüllt.
Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist der Vorwegabzug i.S. des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, eine Berufstätigkeit ausübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.
Der Kläger unterliegt als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, da er nicht Arbeitnehmer im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ist, nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Er hat zudem die von der GmbH zugesagte Altersrente ausschließlich durch eigene Beiträge, nämlich durch einen entsprechenden Verzicht auf Gewinnausschüttung bzw. auf Auskehrung des Liquidationsgewinns erworben.
1. Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist nicht nur die Zahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage. Das folgt aus dem Zweck des Vorwegabzugs. Der durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) eingeführte Vorwegabzug sollte diejenigen Steuerpflichtigen begünstigen, die ihre Beiträge zur Altersversorgung in voller Höhe selbst aufbringen müssen. Bei Steuerpflichtigen, die nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, denen jedoch ohne eigene Beitragsleistung eine betriebliche Pensionsanwartschaft zugesagt wird, sollte der Vorwegabzug gekürzt werden (vgl. BTDrucks 8/292, S. 21). Korrespondierend hiermit sollte den Steuerpflichtigen, die ihre Altersversorgung in voller Höhe selbst finanzieren müssen, der Vorwegabzug ungekürzt zustehen (vgl. auch BTDrucks 11/2157, S. 144). Verzichtet der Steuerpflichtige für den Erwerb einer Altersversorgung auf ihm zustehende vermögenswerte Rechtspositionen, steht ihm nach Sinn und Zweck der Kürzungsregelung der ungekürzte Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen zu (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. März 1992 X R 121/90, BFH/NV 1992, 596).
2. Nach § 29 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) haben die Gesellschafter einer GmbH Anspruch auf den nach handelsrechtlichen Vorschriften zu ermittelnden Jahresüberschuss (vgl. hierzu auch z.B. Baumbach/ Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 29 Rdnr. 48) bzw. nach Liquidation Anspruch auf Vermögensverteilung gemäß § 72 GmbHG. Sagt eine GmbH ihrem Alleingesellschafter eine Alterversorgung zu, so mindert die nach Handelsrecht gebotene Bildung der Pensionsrückstellung (vgl. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl., § 249 HGB Rz. 366 ff.) diese Ansprüche. Der Gesellschafter erwirbt daher ―zumindest wirtschaftlich betrachtet (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 XI R 57/99, BFHE 192, 304, BStBl II 2001, 28)― seine Anwartschaftsrechte auf die Altersversorgung durch eine Verringerung seiner gesellschaftsrechtlichen Ansprüche.
Dies gilt auch, wenn die Zusage der Pension eine vGA ist und als solche das Einkommen der GmbH nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes erhöht hat. Der handelsrechtliche Jahresüberschuss und damit der Anspruch auf Ausschüttung sind, da die einem Gesellschafter-Geschäftsführer in Gestalt einer vGA zugesagte Pension zivilrechtlich verbindlich und als solche in der Handelsbilanz zurückzustellen ist, auch in diesem Fall um die Zuführung zur Rückstellung gemindert (BFH-Urteil vom 29. Juni 1994 I R 137/93, BFHE 175, 347, BStBl II 2002, 366; jetzt auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Mai 2002 IV A 2 -S 2742- 32/02, BStBl I 2002, 603).
Fundstellen
Haufe-Index 872553 |
BFH/NV 2003, 252 |
BStBl II 2004, 546 |
BFHE 2003, 554 |
BFHE 200, 554 |
BB 2003, 140 |
BB 2003, 293 |
DB 2003, 127 |
DStR 2003, 110 |
DStRE 2003, 192 |
HFR 2003, 348 |