Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerpflichtiger hat an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Prüfungsanordnung ein berechtigtes Interesse, wenn er damit die Auswertung der durch die Prüfung erlangten Kenntnisse durch das FA verhindern will.
2. Die Anordnung einer Außenprüfung bei einem Gesellschafter kann auf § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 gestützt werden.
3. Eine Prüfungsanordnung ist nicht deshalb unwirksam, weil das Wohnsitz-FA des Gesellschafters die Prüfungsanordnung auf Anregung des Betriebs-FA der Gesellschaft, an der der Gesellschafter beteiligt ist, erlassen hat.
4. Ein Begründungsmangel kann auch in den Fällen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 dadurch geheilt werden, daß der Prüfer dem Steuerpflichtigen die Gründe für die Anordnung der Prüfung mündlich mitteilt.
Orientierungssatz
1. Das Interesse an einer Feststellung, daß der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO dann berechtigt, wenn es durch die Sachlage aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Sicht gerechtfertigt ist. Das allgemeine Interesse an einer Klärung von Rechtsfragen kann nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Der Übergang zum Feststellungsbegehren (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) ist auch im Revisionsverfahren zulässig. Im Übergang zur Feststellungsklage liegt eine Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens. Soweit die Vorentscheidung in diesem eingeschränkten Sinne über das Klagebegehren entschieden hat, ist sie weiterhin mit der Revision angreifbar (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Prüfungsanordnung hindert die Verwertung der Prüfungserkenntnisse. Haben die Prüfungsfeststellungen bereits Eingang in Steuerbescheide gefunden, müssen zur Beseitigung der aus den Prüfungsfeststellungen gezogenen Folgerungen zusätzlich die Steuerbescheide angefochten werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
4. Die Voraussetzungen der Vorschrift des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 sind für Eheleute --auch wenn sie zur Einkommensteuer und Vermögensteuer zusammen veranlagt werden-- getrennt festzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.1976 VII R 59/75).
5. Ein Aufklärungsbedürfnis i.S. des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 ist anzunehmen, wenn Anhaltspunkte bestehen, die es nach den Erfahrungen der Finanzverwaltung als möglich erscheinen lassen, daß der Steuerpflichtige erforderliche Steuererklärungen nicht, unvollständig oder unrichtig abgegeben hat. Ob eine Außenprüfung angezeigt ist, entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Gerichte können diese Entscheidung nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. BFH-Urteil vom 5.11.1981 IV R 179/79).
6. An eine Außenprüfung aufgrund von § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 sind höhere Anforderungen zu stellen als an eine Betriebsprüfung aus besonderem Anlaß bei einem Unternehmer nach § 193 Abs. 1 AO 1977. Bei der Anordnung einer Prüfung aufgrund von § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 muß die Finanzbehörde berücksichtigen, daß die Außenprüfung für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung bedeutet; nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß sie von der Außenprüfung Abstand nehmen, wenn die gewünschte Aufklärung auch durch Maßnahmen der Einzelermittlung erreicht werden kann (vgl. BFH-Rechtsprechung).
7. Eine auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 gestützte Prüfungsanordnung muß erkennen lassen, welche steuererheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und warum eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig ist. Bei einer auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützten Prüfungsanordnung ist die Begründung entbehrlich (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977; vgl. BFH-Urteil vom 10.2.1983 IV R 104/79).
Normenkette
AO 1977 § 193 Abs. 2 Nr. 2, §§ 85, 88, 121 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 2, § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 2, §§ 196, 197 Abs. 1 S. 3; FGO § 100 Abs. 1 S. 4, § 102
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 20.12.1984; Aktenzeichen VIII K 268/84) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Jahren 1977 bis 1979 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden.
Die Klägerin ist an der A-GmbH und der B-GmbH zu 80 v.H. als Gesellschafterin beteiligt, der Kläger zu jeweils 20 v.H. Außerdem ist die Klägerin Kommanditistin der C-GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die A-GmbH ist. Für diese gewerblichen Unternehmen wurde mit Verfügungen vom 13.Mai 1981 die Durchführung einer Betriebsprüfung für die Zeiträume 1977 bis 1979 angeordnet; die Prüfungen begannen am 19.Juni 1981 durch das Finanzamt (FA) X.
Die prüfende Stelle regte bei dem FA Y an, eine Außenprüfung für die Einkommensteuer und Vermögensteuer der Kläger als Gesellschafter anzuordnen, um die Geldbewegungen zwischen den Gesellschaften und dem Privatbereich der Gesellschafter überprüfen zu können. Dieser Anregung folgend erließ das FA Y eine Prüfungsanordnung mit Datum "Juli 1981" in einer Ausfertigung für beide Kläger unter Hinweis auf § 193 Abs.1 und Abs.2 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) für Einkommensteuer und Vermögensteuer 1977 bis 1979. Die Außenprüfungsanordnung wurde der Klägerin am 17.Juli 1981 ausgehändigt. Die Prüfungsanordnung enthält keine Rechtsmittelbelehrung.
Mit Schreiben vom 6.Juli 1982, das beim FA Y am 8.Juli 1982 eingegangen ist, erhob die Klägerin zugleich im Namen des Klägers Beschwerde gegen die Außenprüfungsanordnung und kündigte die Nachreichung einer Begründung an.
Zwischen den Klägern und der prüfenden Stelle haben im Jahre 1982 mehrere Besprechungen im Zusammenhang mit der laufenden Betriebsprüfung bei ihnen selbst und bei den ihnen als Gesellschaftern gehörenden Unternehmen stattgefunden. Aus Vermerken über diese Besprechungen geht hervor, daß die Kläger zum Ausdruck gebracht haben, ihre Beschwerden hätten sie zunächst vorsorglich eingelegt und noch nicht entschieden, ob sie die Beschwerden aufrechterhalten wollten. Aus einem Aktenvermerk des Sachgebietsleiters der Betriebsprüfung über eine Besprechung am 14.Juli 1982 ergibt sich, daß auch bei dieser Gelegenheit nochmals die Beschwerde gegen die Prüfungsanordnungen besprochen wurde und seitens der prüfenden Stelle erläutert worden ist, aus welchen Gründen die Betriebsprüfung über die Gesellschaften hinaus auch auf die Kläger und ihre "sog. privaten Konten" ausgedehnt wurde.
Die Kläger haben am 4.September 1984 Klage erhoben und unter Hinweis auf § 46 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht, über ihre Beschwerde vom 6.Juli 1982 sei ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes bisher nicht entschieden worden. Die angefochtene Prüfungsanordnung vom Juli 1981 sei rechtswidrig. Es mangele ihr an der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit und an der erforderlichen Begründung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 477).
Die Kläger haben gegen die Entscheidung des FG Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Während dieses Verfahrens hat die Finanzverwaltung die Außenprüfung ohne Abhalten einer Schlußbesprechung beendet, einen Außenprüfungsbericht zugesandt und den Klägern geänderte Steuerbescheide bekanntgegeben. Außerdem ging die Zuständigkeit für die Besteuerung der Kläger durch Neubestimmung der FA-Bezirke von dem bisher beklagten FA Y auf das FA Z (Revisionsbeklagter) über. Der Senat hat auf die Beschwerde der Kläger die Revision zugelassen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 121 Abs.1 und des § 193 Abs.1 und Abs.2 Nr.2 AO 1977. Die Kläger führen aus, Rechtsgrundlage für eine Prüfung bei ihnen könne nur § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 sein, dessen Voraussetzungen aber nicht erfüllt seien.
Die Prüfung sei von dem FA X, das für die Besteuerung von Gesellschaften, an denen die Kläger beteiligt seien, zuständig sei, im Verlauf einer bei den Gesellschaften durchgeführten Betriebsprüfung beim Wohnsitz-FA angeregt worden. Das zuständige Wohnsitz-FA Y sei aufgrund eigener Sachverhaltsfeststellungen nicht zu der Erkenntnisfeststellung in der Lage gewesen, daß die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Kläger einer Aufklärung bedürften und daß eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig sei. Damit sei eine entscheidende Sachverhaltsvoraussetzung für die Anwendung von § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 nicht erfüllt, weil die Anordnung der Außenprüfung lediglich auf Vermutungen gestützt sei, die von einem anderen, für die Besteuerung der Kläger unzuständigen FA vorgebracht worden seien.
Prüfungsanordnungen nach § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 bedürften stets einer schriftlichen Begründung. Für die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung aus § 193 Abs.2 AO 1977 reiche es nicht aus, wenn der Betriebsprüfer die Anordnungsgründe dem Steuerpflichtigen anstelle einer schriftlichen Begründung mündlich erläutere. Die schriftliche Begründung könne in den Fällen einer Prüfungsanordnung nach § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 nicht durch Anwendung von § 121 Abs.2 Nr.2 AO 1977 ersetzt werden, weil eine Auffassung der Behörde zur Sach- und Rechtslage erst durch Prüfungshandlungen selbst in bezug auf den aufklärungsbedürftigen Sachverhalt entstehen könne. Im Streitfall sei durch das zuständige Wohnsitz-FA ein Aufklärungsbedürfnis im Sinne von § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 weder festgestellt noch behauptet worden. In den Fällen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 sei es begrifflich nicht denkbar, die schriftliche Begründung für die Prüfungsanordnung durch eine mündliche Erläuterung zu ersetzen. Eine mündliche Begründung der Prüfungsanordnung habe in den Fällen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 eine völlig andere Rechtsqualität als in den Fällen des § 193 Abs.1 AO 1977.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung vom Juli 1981 festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es hält daran fest, daß die Prüfungsanordnung rechtmäßig war.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Die Fortsetzungsfeststellungsklage der Kläger ist zulässig. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung im Sinne des § 100 Abs.1 Satz 4 FGO liegt vor.
1. Das Interesse an einer Feststellung, daß der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist im Sinne des § 100 Abs.1 Satz 4 FGO dann berechtigt, wenn es durch die Sachlage aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Sicht gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.April 1978 VII K 4/77, BFHE 125, 24, BStBl II 1978, 407, m.w.N.). Das Interesse des Beteiligten an der Feststellung reicht regelmäßig nicht aus; es muß ein berechtigtes Interesse sein (vgl. BFH-Urteil vom 14.Dezember 1982 VIII R 54/81, BFHE 137, 456, BStBl II 1983, 315). Das allgemeine Interesse an einer Klärung von Rechtsfragen kann nicht berücksichtigt werden, da es nicht Aufgabe des BFH ist, im Rahmen einer Revisionsentscheidung Rechtsgutachten zu erstatten über Fragen, die im konkreten Falle unerheblich sind (vgl. BFH-Urteil vom 20.Juli 1977 VII R 42/76, BFHE 123, 75, 80, BStBl II 1977, 767).
2. Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse, daß durch Gerichtsentscheidung festgestellt wird, ob die Prüfungsanordnung rechtmäßig war oder nicht.
Der Steuerpflichtige hat an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Prüfungsanordnung ein berechtigtes Interesse, wenn er damit die Auswertung der durch die Prüfung erlangten Kenntnisse durch das FA verhindern will (vgl. BFH-Urteile vom 27.Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285; vom 9.Mai 1985 IV R 172/83, BFHE 143, 506, BStBl II 1985, 579). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit hindert die Verwertung der Prüfungserkenntnisse (BFH-Urteil vom 9.Mai 1978 VII R 96/75, BFHE 125, 144, BStBl II 1978, 501; BFH-Beschluß vom 24.Juni 1982 IV B 3/82, BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659). Haben die Prüfungsfeststellungen bereits Eingang in Steuerbescheide gefunden, müssen zur Beseitigung der aus den Prüfungsfeststellungen gezogenen Folgerungen zusätzlich die Steuerbescheide angefochten werden (BFH-Beschlüsse vom 11.Juli 1979 I B 10/79, BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704, und in BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659; Urteil in BFHE 143, 506, BStBl II 1985, 579). Mit den Grundsätzen der Prozeßökonomie wäre es nicht vereinbar, wenn die Streitfrage, ob die Prüfungsanordnung rechtmäßig war oder nicht, im vorliegenden Verfahren offenbliebe und die Kläger auf ein neues Verfahren verwiesen würden.
3. Der Übergang zum Feststellungsbegehren ist auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl. BFH-Urteile vom 3.November 1970 VII R 43/69, BFHE 100, 436, BStBl II 1971, 114; vom 23.März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, 506, BStBl II 1976, 459). Im Übergang zur Feststellungsklage liegt eine Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens. Soweit die Vorentscheidung in diesem eingeschränkten Sinne über das Klagebegehren entschieden hat, ist sie weiterhin mit der Revision angreifbar (vgl. Urteil in BFHE 118, 503, 507, BStBl II 1976, 459).
II. Die Prüfungsanordnung für die Prüfung bei den Klägern ist rechtmäßig.
1. Nach § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 ist eine Außenprüfung auch bei Steuerpflichtigen zulässig, die keinen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten und nicht freiberuflich tätig sind, wenn die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind für Eheleute --auch wenn sie zur Einkommensteuer und Vermögensteuer zusammen veranlagt werden-- getrennt festzustellen (BFH-Urteil vom 25.Mai 1976 VII R 59/75, BFHE 119, 34, BStBl II 1977, 18). Die Steuergerichte können überprüfen, ob ein Aufklärungsbedürfnis besteht. Ein solches Bedürfnis ist anzunehmen, wenn Anhaltspunkte bestehen, die es nach den Erfahrungen der Finanzverwaltung als möglich erscheinen lassen, daß der Steuerpflichtige erforderliche Steuererklärungen nicht, unvollständig oder unrichtig abgegeben hat. Ob eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig, vielmehr eine Außenprüfung angezeigt ist, entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen; sie muß dabei Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts berücksichtigen. Die Gerichte können diese Entscheidung nach § 102 FGO nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (BFH-Urteil vom 5.November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, m.w.N.).
2. Der Anwendungsbereich des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 wird nicht durch § 194 Abs.2 AO 1977 eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift können die steuerlichen Verhältnisse von Gesellschaftern und Mitgliedern sowie von Mitgliedern der Überwachungsorgane über die in § 194 Abs.1 AO 1977 geregelten Fälle hinaus in die bei einer Gesellschaft durchzuführende Außenprüfung einbezogen werden, wenn dies im Einzelfall zweckmäßig ist. Diese Regelung gestattet der Finanzbehörde z.B., die Außenprüfung bei einer Personengesellschaft aus Zweckmäßigkeitsgründen auf die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter auszudehnen, auch wenn diese Verhältnisse für die einheitlichen Feststellungen bei der Gesellschaft keine Bedeutung haben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 134, 395, 398, BStBl II 1982, 208, und vom 28.November 1985 IV R 323/84, BFHE 145, 311, BStBl II 1986, 437). Soll die Prüfung auf die steuerlichen Verhältnisse von Gesellschaftern und Mitgliedern sowie von Mitgliedern der Überwachungsorgane erstreckt werden, so ist die Prüfungsanordnung auch diesen Personen bekanntzugeben (§ 197 Abs.1 Satz 3 AO 1977).
Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, § 194 Abs.2 AO 1977 sei keine Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu einer Außenprüfung. Ob Gesellschafter oder Mitglieder zur Erstreckungsprüfung herangezogen werden könnten, entscheide sich nach § 193, in aller Regel nach § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 (Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 194 AO 1977 Anm.329, m.w.N.). Anderer Ansicht ist insoweit z.B. Frotscher (in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 194 Anm.26). Der Senat braucht im Streitfall zu dieser Frage keine Stellung zu nehmen, denn § 194 Abs.2 AO 1977 hat jedenfalls keinen abschließenden Charakter in der Weise, daß eine Außenprüfung bei Gesellschaftern und Mitgliedern nur auf § 194 Abs.2 AO 1977 gestützt werden kann. Vielmehr behält § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 seine eigenständige Bedeutung. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Sinn und Zweck der beiden Vorschriften.
3. Die Prüfungsanordnung ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht deshalb unwirksam, weil das Wohnsitz-FA die Prüfungsanordnung auf Anregung des Betriebs-FA der Gesellschaften, an denen die Kläger maßgeblich beteiligt sind, erlassen hat.
Nach § 85 AO 1977 haben die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, daß Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. Den Sachverhalt ermittelt die Finanzbehörde von Amts wegen (§ 88 Abs.1 AO 1977); sie hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 88 Abs.2 AO 1977).
Zu diesem Aufgabenbereich gehört auch, daß eine örtlich nicht zuständige Finanzbehörde tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, die ihr bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind, der Finanzbehörde mitteilt, die örtlich zuständig ist. Ein Hinweis des Betriebs-FA über aufklärungsbedürftige Umstände an das Wohnsitz-FA kann insbesondere dann nicht beanstandet werden, wenn --wie im Streitfall-- Geldbewegungen zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern überprüft werden sollen.
4. Eine auf § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 gestützte Prüfungsanordnung muß begründet werden. Wie jeder schriftliche Verwaltungsakt bedarf auch die Prüfungsanordnung einer Begründung (§ 121 Abs.1 i.V.m. § 196 AO 1977). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn dem Adressaten des Verwaltungsakts die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist (§ 121 Abs.2 Nr.2 AO 1977). Dies ist angenommen worden, wenn das FA routinemäßig bei einem der Betriebsprüfung nach § 193 Abs.1 AO 1977 unterliegenden Unternehmer eine Prüfung anordnet (vgl. BFH-Urteil vom 10.Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286). Für eine Außenprüfung bei einem Nichtunternehmer, die nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 zulässig ist, gelten diese Überlegungen nicht. Die Prüfungsanordnung muß in diesem Fall erkennen lassen, welche steuererheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und warum eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig ist.
Die Prüfungsanordnung für die Außenprüfung bei den Klägern enthält eine derartige Begründung nicht.
5. Der Mangel der ordnungsgemäßen Begründung kann nach § 126 Abs.1 Nr.2 AO 1977 jedoch geheilt sein. Eine Heilung tritt ein, wenn die fehlende oder mangelhafte Begründung bis zum Abschluß des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nachgeholt worden ist. Dies hat der BFH mehrfach ausgesprochen. Eine Heilung ist entgegen der Auffassung der Kläger auch bei einer auf § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 gestützten Prüfungsanordnung möglich.
Die erforderlichen Angaben können z.B. in die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) aufgenommen werden (BFH-Urteile in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, und vom 7.November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435 für eine Anordnung nach § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977). Der Mangel einer schriftlichen Begründung kann aber auch durch eine mündliche Erläuterung des Betriebsprüfers geheilt werden (BFH-Urteil vom 28.April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621). Der IV.Senat hat diese Aussage zwar im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung einer Betriebsprüfung bei einem Unternehmer aus besonderem Anlaß aufgrund § 193 Abs.1 AO 1977 gemacht. Dem Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, daß die Ausführungen des IV.Senats nur für den Fall des § 193 Abs.1 AO 1977 gelten sollen. Aus den in Bezug genommenen Entscheidungen ergibt sich vielmehr das Gegenteil, denn diese behandeln einen Fall des § 193 Abs.1 AO 1977 (BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286), aber auch --im entscheidenden Punkt-- einen Fall des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 (BFHE 134, 395, 399, BStBl II 1982, 208).
An eine Außenprüfung aufgrund von § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 sind zwar höhere Anforderungen zu stellen als an eine Betriebsprüfung aus besonderem Anlaß bei einem Unternehmer nach § 193 Abs.1 AO 1977 (BFH-Urteil vom 24.Januar 1985 IV R 232/82, BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568). Bei der Anordnung einer Prüfung aufgrund von § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 muß die Finanzbehörde berücksichtigen, daß die Außenprüfung für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung bedeutet; nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß sie deshalb von der Außenprüfung Abstand nehmen, wenn die gewünschte Aufklärung auch durch Maßnahmen der Einzelermittlung erreicht werden kann (Urteile in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; in BFHE 143, 210, BStBl II 1985, 568; in BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435).
Diese Unterschiede gebieten aber nicht, die Heilung eines Begründungsmangels durch mündliche Erläuterung des Prüfers in den Fällen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 auszuschließen und sie nur in den Fällen des § 193 Abs.1 AO 1977 zuzulassen. Der Senat kann sich der These der Kläger, daß eine Heilung durch mündliche Erläuterung in den Fällen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 eine andere Rechtsqualität habe und denkgesetzlich ausgeschlossen sei, nicht anschließen. Bestärkt wird der Senat in seiner Ansicht durch die Ausführungen des I.Senats in seinem Urteil vom 30.Juli 1980 I R 148/79 (BFHE 131, 270, BStBl II 1981, 3). In dieser Entscheidung hat der I.Senat die Heilung eines Begründungsmangels durch mündliche Erläuterungen --im damaligen Streitfall ein Telefongespräch zwischen Steuerberater und Sachbearbeiter über einen zu erlassenden Steuerbescheid-- allgemein für möglich gehalten.
6. Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Seine Ausführungen, daß die Voraussetzungen des § 193 Abs.2 Nr.2 AO 1977 aufgrund der Berührungspunkte zwischen den Klägern und ihren Gesellschaften gegeben sind und daß die erforderliche Begründung der Prüfungsanordnung während der Außenprüfung durch den Prüfer, mindestens aber durch den für die Betriebsprüfung zuständigen Sachgebietsleiter, einwandfrei nachgeholt worden ist, lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 61427 |
BStBl II 1987, 248 |
BFHE 148, 426 |
BFHE 1987, 426 |
BB 1987, 605 |
BB 1987, 605-608 (ST) |
DB 1987, 821-822 (ST) |
DStR 1987, 263-263 (S) |
HFR 1987, 231-232 (ST) |