Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorschaltung eines minderjährigen Kindes als Rechtsmißbrauch
Leitsatz (amtlich)
Schaltet ein Steuerberater beim Erwerb einer für den Einsatz in seiner Kanzlei bestimmten EDV-Anlage mit Anwendersoftware ein minderjähriges, einkommens- und vermögensloses Kind als Käufer vor, von dem er die EDV-Anlage mietet, liegt eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 vor.
Orientierungssatz
1. Ausführungen mit Rechtsprechungshinweisen zur ertragsteuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen.
2. Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen i.S. des § 42 AO 1977, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt deutlich hervor, wenn sie überhaupt keinem wirtschaftlichen Zweck dient, also ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund nicht zu entdecken ist (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
3. Ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund für die Vorschaltung eines nahen Angehörigen in einen Beschaffungsvorgang ist nicht zu erkennen, wenn der Steuerpflichtige als nachgeschaltete Abnehmerseite (Kauf oder Miete) den vorgeschalteten Ankauf/Miete durch einen nahen Angehörigen personell, wirtschaftlich und/oder finanziell organisiert. Dies wird dadurch offengelegt, daß der Steuerpflichtige die Ware und den Verkäufer selbst auswählt sowie den Preis aushandelt und, anstatt selbst zu kontrahieren, ein Familienmitglied als Vertragspartner bestimmt und ihn mit den nötigen Finanzmitteln ausstattet. Meistens tritt hinzu und liegt auch in der Logik dieser Konstruktion, daß auch der Preis für die Weitergabe der Ware vom vorgeschalteten nahen Angehörigen an den Steuerpflichtigen von diesem bereits festgelegt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein selbständig tätiger Steuerberater. Im Streitjahr 1978 ging aus der Ehe mit der mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau die Tochter V hervor. Sie wurde am 1.März 1978 geboren.
Am 26.Mai dieses Jahres richtete die Büroorganisationsfirma B an die Tochter V ein als Auftragsbestätigung bezeichnetes Schreiben. Mit ihm bestätigte die Fa. B den Kaufantrag vom 20.Mai 1978 über ein Olivetti-DATEV-Erfassungssystem DES I zum Preise von 12 200 DM und über Software (Datenerfassungsprogramm, Fibu, Lohn, BMM, LEA, Anlage, ASP, BIS-Dienstprogramm zuzüglich Programmpaket interne Kanzleiarbeiten) zum Preise von 525 DM, jeweils ohne Umsatzsteuer. Die Einarbeitung des Käufers durch geschultes Personal sollte kostenlos sein. Es wurde eine halbjährige Garantie erteilt. Der Kaufpreis war innerhalb zehn Tagen mit 3 % Skonto fällig.
Auf der Rückseite dieser Auftragsbestätigung befand sich ein formularmäßiger "Full-Service"-Vertrag, mit dem die Fa. B gegen die Jahresvergütung von netto 954 DM die Wartung der EDV-Anlage übernahm. Der Vertrag war von seiten der Fa. B unterschrieben. Er wurde am 1.August 1978 mit einer Unterschrift, die auf den Namen des Klägers lautet, gegengezeichnet.
Die Kaufpreisverpflichtung der Tochter aus dem Kauf der EDV-Anlage belief sich endgültig auf 11 866,07 DM. Dieser Betrag wurde an die Fa. B gezahlt in Höhe von 5 000 DM aus einem auf den Namen der Tochter lautendes Sparkonto und in Höhe von 9 500 DM aus einem verzinslichen Darlehen, welches zuvor die Großeltern ihrer Enkeltochter gewährt hatten. Dieses Darlehen war ab 1.Januar 1979 in vierteljährlichen Raten von 800 DM zurückzuzahlen. Beim Abschluß der Verträge wurde die Tochter von ihrem Vater, dem Kläger, vertreten. Die Verwendung des Darlehensbetrages für den Ankauf der EDV-Anlage ist nach den Angaben des Finanzgerichts (FG) vormundschaftsgerichtlich genehmigt worden. Für den Abschluß des Darlehensvertrages liegt eine entsprechende Genehmigung nicht vor.
Mit Vertrag vom 2.August 1978 vermietete die Tochter die erworbene EDV-Anlage an ihren Vater zum Einsatz in dessen Steuerberatungskanzlei. Beim Abschluß dieses Vertrages wurde sie durch einen für den Abschluß und Durchführung dieses Vertrages bestellten Dauerergänzungspfleger vertreten. Das am 2.August 1978 begonnene Mietverhältnis sollte auf unbestimmte Zeit mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist von drei Monaten laufen bei einer zunächst für die Zeit bis zum 31.Dezember 1980 vereinbarten Miete von 600 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Tochter übernahm die Verpflichtung zum Abschluß eines Wartungsvertrages und hatte die Wartungskosten zu tragen. Auch lag bei ihr die Gefahr des Untergangs.
Der Mietzins wurde vom Kläger monatlich auf ein Sparkonto überwiesen, das auf den Namen der Tochter V lautete. Von dort buchte der Kläger in unregelmäßigen Abständen Beträge auf ein Festgeldkonto um, das ebenfalls auf den Namen der Tochter lautete. Desweiteren überwies der Kläger vom Sparkonto die Wartungskosten sowie die Zins- und Tilgungsbeträge an die Großeltern der Tochter.
Bereits Ende des Streitjahres 1979 kam es zum Kauf einer anderen EDV-Anlage unter Inzahlunggabe der im Jahre 1978 erworbenen. In der an die Tochter gerichteten Rechnung vom 20.Dezember 1979 wurde seitens der Fa. B für die neue Anlage der Gesamtbetrag von 19 549 DM berechnet und gleichzeitig für die zurückgegebene EDV-Anlage eine Gutschrift von 7 797 DM erteilt. Den Restkaufpreis von 11 752 DM zahlte der Kläger durch Abbuchungen von einem auf den Namen der Tochter lautenden Konto in fünf Raten zwischen Februar und Juni 1980.
Ausweislich der Rechnung vom 20.Dezember 1979 war die neue EDV-Anlage bereits an die Tochter geliefert. Am Tage zuvor fand zwischen dem Kläger und dem Dauerergänzungspfleger eine Unterredung statt, deren Gegenstand die Modifizierung des Pachtvertrages vom 2.August 1978 war. In der von beiden Seiten unterzeichneten Niederschrift kamen sie überein, die alte EDV-Anlage durch eine neue zu ersetzen. Der Mietzins wurde auf 930 DM zuzüglich Umsatzsteuer angehoben. Der Kläger verpflichtete sich außerdem, eine Mietvorauszahlung in Höhe von zwei bis drei Monatsmieten zu leisten, um der Tochter den Kauf der neuen EDV-Anlage zu ermöglichen. Ferner kamen die Vertragspartner überein, daß die Tochter die neue EDV-Anlage bis zum 31.Dezember 1979 anschaffen und sie ihrem Vater zum 1.Januar 1980 zur Verfügung stellen sollte. Beide Vertragspartner betrachteten die Vereinbarung vom 19.Dezember 1979 zugleich als Antrag gemäß § 1642 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an das Amtsgericht. Das Vormundschaftsgericht teilte am 28.Dezember 1979 mit, daß eine weitere Genehmigung nicht für erforderlich gehalten werde.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) stellte diese Vorgänge anläßlich einer Außenprüfung beim Kläger im Jahre 1981 fest. Es erkannte die vom Kläger an seine Tochter geleisteten Mietzinsleistungen nicht als Betriebsausgaben an, sondern vertrat die Auffassung, daß die beiden EDV-Anlagen vom Kläger selbst angeschafft worden seien. Demgemäß setzte es die Absetzungen für Abnutzung (AfA) für die beiden EDV-Anlagen sowie deren Wartungsaufwand als Betriebsausgaben an und ließ auch die bei der Anschaffung der EDV-Anlagen und deren Wartung angefallene Umsatzsteuer zum Vorsteuerabzug zu. Das FA begründete dies mit der Auffassung, die Mietvertragskonditionen zwischen Vater und Tochter entsprächen nicht den zwischen Fremden üblichen Voraussetzungen; eine klare Vermögenstrennung zwischen Vater und Tochter sei nicht gegeben, weil der Kläger über die Konten der Tochter habe frei verfügen können; letztlich sei der Darlehensvertrag zwischen Tochter und Großeltern mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung unwirksam.
Das FG hat der Klage, mit der die steuerliche Berücksichtigung der Mietverträge zwischen Vater und Tochter begehrt wurde, stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1986, 110). Mit der Revision, die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der strittigen Rechtsfrage zugelassen wurde, begehrt das FA die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Das FG hat unter Berufung auf Meinungen des Schrifttums (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr.13; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr.22) die Auffassung vertreten, die vom Kläger gewählte Gestaltung sei angemessen, weil die Anmietung von EDV-Geräten durch deren Benutzer im Wirtschaftsleben üblich sei. Deshalb sei es unter dem Gesichtswinkel des Gestaltungsmißbrauchs nicht angängig, die Wahlmöglichkeiten des Klägers zwischen Anmietung und Ankauf miteinander zu vergleichen. Für die Angemessenheit der Gestaltung spreche auch die Vereinbarung eines Mietzinses, die der Tochter bis zum Jahresende 1979 einen Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von 2 559 DM erbracht habe. Überdies seien die Mietverträge zwischen Vater und Tochter zivilrechtlich wirksam geschlossen und ernsthaft durchgeführt worden.
Dagegen wendet sich die Revision des FA mit Erfolg.
2. Die ertragsteuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen unterliegt allgemein besonderen Anwendungsregeln. Grundsätzlich gilt für alle Vertragstypen, daß die vertraglichen Vereinbarungen klar und ernstlich gewollt sein müssen, rechtswirksam vereinbart wurden und dementsprechend durchgeführt worden sind. Inhalt und Durchführung der Verträge müssen dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist; nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen im geschäftlichen und nicht im privaten Bereich wurzeln und die Aufwendungen des Steuerpflichtigen auf betrieblicher Veranlassung und nicht auf privaten Erwägungen beruhen (so zuletzt für Arbeits- und Mietverträge Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27.November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160; für Gesellschaftsverträge BFH-Urteil vom 5.Juni 1986 IV R 53/82, BFHE 147, 139, BStBl II 1986, 798; für Darlehensverträge BFH-Urteil vom 14.April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555; für Verträge zur Begründung einer stillen Gesellschaft BFH-Urteil vom 18.Oktober 1989 I R 203/84, BFHE 158, 421, BStBl II 1990, 68; für Kaufverträge BFH-Urteil vom 18.Januar 1990 IV R 50/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform ―StRK―, Einkommensteuergesetz 1975, § 7 Abs.6, Rechtsspruch 4 = BFH/NV 1990, 693; für Pachtverträge BFH-Urteil vom 5.Februar 1988 III R 216/84, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs.4, Rechtsspruch 124 = BFH/NV 1988, 553). Diese Grundsätze haben jeweils nach dem Vertragstypus und nach den im Einzelfall am Vertragsabschluß beteiligten Familienangehörigen ihre nähere Ausformung erfahren.
So ist für Verträge zwischen Eltern und Kindern anerkannt, daß nur zivilrechtlich wirksame Verträge steuerlich berücksichtigt werden können (vgl. BFHE 158, 421, BStBl II 1990, 68). Sollte es für die Anerkennung des Mietvertrages zwischen der Tochter und ihrem Vater (dem Kläger) auf die zivilrechtliche Wirksamkeit nicht nur der EDV-Mietverträge allein, sondern des gesamten Vertragswerks, also auch des Darlehensvertrages mit den Großeltern und der Verträge zwischen der Fa. B und der Tochter ankommen, da diese eine untrennbare wirtschaftliche Einheit bilden, dann wäre die zivilrechtliche Wirksamkeit in Zweifel zu ziehen. Mangels entsprechender Feststellungen des FG kann der erkennende Senat diese Frage hier nicht weiterverfolgen, weil unbekannt ist, ob der Kläger allein oder zusammen mit seiner Ehefrau den Darlehensvertrag mit den Großeltern sowie die Mietverträge und Wartungsverträge mit der Fa. B in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreter der Tochter abgeschlossen haben. Infolge des Umstandes, daß der Wartungsvertrag allein eine Unterschrift mit dem Familiennamen von Kläger und Tochter trägt, also nur eine Person (Vater oder Mutter) unterschrieben hat, wäre die Regelung des Gesamtvertretungsrechts beider Elternteile nach § 1629 Abs.1 BGB nicht eingehalten worden. Die vorbezeichneten Verträge wären nur von einem Elternteil geschlossen worden, ohne im vollen Besitze der Vertretungsmacht zu sein.
Bei Arbeitsverträgen zwischen Eltern und im elterlichen Haushalt lebenden Kindern hat der BFH die Inhaltskontrolle nicht darauf beschränkt, ob die (wirksam) getroffenen Einzelabreden einem Fremdvergleich standhalten. Er hat vielmehr unter Beachtung der Gesamtumstände danach gefragt, ob ein solcher Arbeitsvertrag überhaupt mit einem familienfremden Dritten zustande gekommen wäre (vgl. BFH-Urteile vom 17.März 1988 IV R 188/85, BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632; vom 23.Juni 1988 VI R 129/86, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs.4 R.131 = BFH/NV 1989, 219; vom 25.Januar 1989 X R 168/87, BFHE 156, 134, BStBl II 1989, 453). Neuerdings hat der BFH auch den wechselseitigen Arbeitsverträgen zwischen Ehegatten die steuerliche Anerkennung für den Regelfall versagt, weil in Anbetracht der betrieblichen und privaten Umstände, also unter Blick auf die neben dem Arbeitsvertrag stehenden Gegebenheiten, fremde Unternehmer solche Verträge nicht abzuschließen pflegen (vgl. Urteile vom 20.Mai 1988 III R 51/85, StRK, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs.4 R.138 = BFH/NV 1989, 19, und vom 12.Oktober 1988 X R 2/86, BFHE 155, 307, BStBl II 1989, 354).
Es läge daher im Streitfall nahe zu prüfen, ob dem Fremdvergleich nicht nur isoliert die Mietverträge zwischen der Tochter und ihrem Vater zu unterwerfen wären, sondern auch das übrige, die Mietverträge vorbereitende Vertragswerk und die hiermit verknüpften persönlichen Umstände. Der erkennende Senat kann dies jedoch dahinstehen lassen, weil im Streitfall eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gegeben ist.
3. Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18.Oktober 1990 IV R 36/90, BFHE 161, 321). Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 6.März 1990 II R 88/87, BFHE 160, 57, BStBl II 1990, 446). Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt deutlich hervor, wenn sie überhaupt keinem wirtschaftlichen Zweck dient, also ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund nicht zu entdecken ist (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 42 AO 1977 Rdnr.13, mit Nachweisen der BFH-Rechtsprechung).
So liegen die Dinge im Streitfall. Wer ―wie der Kläger― eine EDV-Anlage in seiner Steuerberatungskanzlei unter Auswahl der hierfür geeigneten Software einsetzen will, entscheidet zunächst darüber, ob er die EDV-Anlage kaufen oder mieten oder den Weg des Leasing gehen soll. Der Kläger hat sich für den Kauf entschieden. Die Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung liegt nicht in der Wahl zwischen den vorbezeichneten Möglichkeiten der Beschaffung einer EDV-Anlage (was das FG unzutreffend für entscheidungserheblich ansieht), sondern in der Art und Weise, wie der Kläger seine Kaufentscheidung rechtlich umgesetzt hat. Der einfachste und wirtschaftlich überzeugendste Weg wäre gewesen, die EDV-Anlage selbst zu kaufen. Der Kläger hat sich aber dafür entschieden, ein Familienmitglied als Käufer vorzuschalten. Für die Vorschaltung der Tochter ist indes kein vernünftiger Grund zu entdecken; sie ist im Gegenteil sogar gekünstelt und sowohl unter rechtlichen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unvernünftig und unpraktikabel.
Für die Vorschaltung eines nahen Angehörigen in den Beschaffungsvorgang ist ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund nicht zu finden, wenn die vorgeschaltete Person keine rechtlich oder wirtschaftliche sinnvolle Funktion erfüllen kann. Die Tochter, ein im Zeitpunkt des ersten Anschaffungsvorgangs drei Monate alter Säugling, war schon aus diesem Grund kein geeigneter Partner zum Kauf und zur Vermietung einer EDV-Anlage. Für sie gilt desweiteren ebenso wie für lebensältere nahe Angehörige, die wegen Einkommens- und Vermögenslosigkeit wirtschaftlich vom Steuerpflichtigen abhängig sind, daß sie für diesen keinen kompetenten Vertragspartner abgeben können. Sie sind ―entweder als Minderjährige oder als wirtschaftlich abhängige Volljährige― nicht handelndes Subjekt und Träger eigener Entscheidungen, sondern fremdbestimmte Objekte im Gestaltungsplan des Steuerpflichtigen. Ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund für die Vorschaltung eines nahen Angehörigen in einen Beschaffungsvorgang ist mithin nicht zu erkennen, wenn der Steuerpflichtige als nachgeschaltete Abnehmerseite (Kauf oder Miete) den vorgeschalteten Ankauf/Miete durch einen nahen Angehörigen personell, wirtschaftlich und/oder finanziell organisiert. Dies wird dadurch offengelegt, daß der Steuerpflichtige die Ware und den Verkäufer selbst auswählt sowie den Preis aushandelt und, anstatt selbst zu kontrahieren, ein Familienmitglied als Vertragspartner bestimmt und ihn mit den nötigen Finanzmitteln ausstattet. Meistens tritt hinzu und liegt auch in der Logik dieser Konstruktion, daß auch der Preis für die Weitergabe der Ware vom vorgeschalteten nahen Angehörigen an den Steuerpflichtigen auch von diesem bereits festgelegt worden ist.
So hat auch im Streitfall nicht die als Käuferin aufgetretene Tochter, sondern der Kläger (als einer ihrer beiden gesetzlichen Vertreter) die Fa. B als Vertragspartner ausgewählt, den Vertragsgegenstand nach Hardware und Anwendersoftware im einzelnen bestimmt und den Kaufpreis ausgehandelt. Insbesondere die Anforderungen an die für den Kanzleibetrieb erforderliche Anwendersoftware konnte für die Käuferseite nur der Kläger beurteilen und vertraglich festlegen. Daß für die Einschaltung der Tochter kein einleuchtender wirtschaftlicher Grund gefunden werden kann, bezeugt auch das Verhalten des Klägers bei Anschaffung der zweiten EDV-Anlage ausgangs des Jahres 1979. Als er mit dem Dauerergänzungspfleger als dem gesetzlichen Vertreter der Tochter in ihrer Eigenschaft als Vermieterin übereinkam, daß ab 1.Januar 1980 eine andere noch zu beschaffende EDV-Anlage zum Gegenstand des Mietvertrags werden sollte, hatte der Kläger (als einer der gesetzlichen Vertreter der Tochter) die neue Anlage bereits gekauft und geliefert erhalten. Auch die inhaltliche Abfassung des Mietvertrages vom 2.August 1978 legt offen, daß der Kläger die Einschaltung seiner Tochter für eine aus nichtsteuerrechtlicher Sicht überflüssige Maßnahme angesehen hat. Im Vergleich zwischen der Beschreibung der EDV-Anlage mitsamt Anwendersoftware in den beiden Auftragsbestätigungen vom 26.Mai 1978 und vom 20.Dezember 1979 und der summarischen Beschreibung im Mietvertrag vom 2.August 1978 ergibt sich, daß der Kläger der Formulierung des Vertragsgegenstandes keinerlei Sorgfalt zugewandt hat, obwohl bekannt ist, daß insbesondere vertraglich festgelegt sein sollte, wer für die mangelnde Fehlerfreiheit der Anwendersoftware einzustehen hat. Hinzuzufügen ist, daß die Änderungsvereinbarung vom 19.Dezember 1979 überhaupt keine nähere Bezeichnung des neuen Vertragsgegenstandes enthält.
Bei dieser Sachlage sind für die Vorschaltung der Tochter in die Beschaffungsvorgänge wirtschaftliche Gründe nicht erkennbar, sondern ist allein das Bestreben des Klägers nach Steuerminderung auszumachen. Bei der Einkommensbesteuerung des Klägers schlüge sich dies durch Betriebsausgaben in Gestalt von Mietzinsen nieder, die betragsmäßig höher wären als AfA bei Zuordnung der EDV-Anlagen zum Betriebsvermögen des Klägers.
3. Eine Abweichung von dem einen Vorschaltfall betreffenden Urteil vom 15.März 1990 V R 65/85 (StRK, Umsatzsteuergesetz 1967, § 15, Rechtsspruch 114 = BFH/NV 1990, 812) liegt nicht vor. Der V.Senat hat zur Anschaffung einer Eigentumswohnung mit Praxiseinrichtung durch eine einkommens- und vermögenslose Zahnarztehefrau das FG im Wege der Zurückverweisung angewiesen, vor Anwendung des § 42 AO 1977 zu prüfen, ob die Ehefrau in Wirklichkeit als Unternehmerin durch Vermietung von Praxisräumen und -einrichtung an ihren Ehemann tätig geworden ist. Damit hat der V.Senat die Anwendung des § 42 AO 1977 nicht ausgeschlossen, sondern den Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts Rechnung getragen.
4. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß das Urteil des FG keinen Bestand haben kann; es ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist aus den vorstehenden Erwägungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63950 |
BStBl II 1991, 607 |
BFHE 163, 449 |
BFHE 1991, 449 |
BB 1991, 1984 |
BB 1991, 1984-1986 (LT) |
DB 1991, 1100 (KT) |
DStR 1991, 609 (KT) |
DStZ 1991, 405 (KT) |
HFR 1991, 463 (LT) |
StE 1991, 174 (K) |