Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen für Refinanzierungsdarlehen
Leitsatz (NV)
1. Aus der Teilbarkeit in Geld bestehender Kapitalanlagen (etwa einer Darlehensforderung) ergibt sich, daß die betreffende Einkunftsquelle auch teilweise versiegen kann. Dies trifft im Fall der Teilveräußerung der Darlehensforderung ebenso zu wie bei deren Teilerfüllung. Auch im Falle der teilweisen -- z. B. ratenweisen -- Begleichung einer refinanzierten verzinslichen Darlehensforderung des Steuerpflichtigen entfällt der wirtschaftliche Zusammenhang der für den Refinanzierungskredit aufgewendeten Schuldzinsen mit den Zinseinkünften aus dem betreffenden Darlehen grundsätzlich in dem Verhältnis des Tilgungsbetrags zur ursprünglichen Darlehensvaluta.
2. Das vom Steuerpflichtigen auf der Grundlage eines einzigen -- einheitlichen -- Vertrags gewährte, teils mit Eigen- und teils mit Fremdmitteln finanzierte Darlehen kann nicht allein wegen der unterschiedlichen Mittelherkunft in einen eigen- und einen fremdfinanzierten Teil aufgespalten werden, so als ob es sich um zwei getrennte Darlehen handeln würde, von denen das eine ausschließlich mit Eigenmitteln und das andere allein mit Fremdmitteln finanziert worden wäre. Hat der Steuerpflichtige mit seinem Schuldner nicht zwei getrennte Darlehensverträge, sondern nur einen (einheit lichen) Darlehensvertrag geschlossen, so ist diese zivilrechtliche Gestaltung auch der steuerrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen (so schon das ebenfalls ein Berlin-Darlehen betreffende Senatsurteil vom 25. Oktober 1979 VIII R 153/78, BFHE 129, 342, BStBl II 1980, 352, 353, unter 1. der Gründe). Dies hat zur Folge, daß die Tilgungs leistungen auf das vom Steuerpflichtigen gewährte einheitliche Darlehen die ursprünglich bestehenden Eigenmittel- und Fremdmittelquoten nicht verändern können. Diese Tilgungsleistungen reduzieren die zur Einkünfteerzielung eingesetzte einheitliche Kapitalanlage. Von dieser Verringerung werden der eigenfinanzierte und der fremdfinanzierte Kapitalanteil gleichermaßen und in dem Verhältnis betroffen, der der ursprünglichen Relation zwischen Eigen- und Fremdkapitalanteil entspricht (ebenso FG Bremen in EFG 1994, 964).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In den Jahren 1976, 1978, 1980 und 1988 gewährten sie der X-Bank Berlin-Darlehen in Höhe von 100 000 DM (1976), 50 000 DM (1978), 100 000 DM (1980) und 80 000 DM (1988). Die Laufzeit dieser Berlin-Darlehen beträgt jeweils 25 Jahre, in denen die Darlehen laufend (durch halbjährliche Tilgungsleistungen) zurückgeführt wurden und noch werden.
Die Berlin-Darlehen wurden von den Klägern ganz oder teilweise durch die Inanspruchnahme von Krediten refinanziert, und zwar
-- das Berlin-Darlehen 1976 bis zu 80 v. H.,
-- das Berlin-Darlehen 1978 bis zu 60 v. H.,
-- das Berlin-Darlehen 1980 bis zu 80 v. H.
und
-- das Berlin-Darlehen 1988 zu 100 v. H.
Die Laufzeit der Refinanzierungskredite beträgt jeweils 16 Jahre. Die Refinanzierungsdarlehen waren bzw. sind erst am Ende ihrer Laufzeit (in einer Summe) zu tilgen. Jeweils gleichzeitig mit den Refinanzierungsdarlehensverträgen schlossen die Kläger Lebensversicherungsverträge mit kongruenter Laufzeit (16 Jahre) ab. Die jeweilige Lebensversicherungssumme dient(e) zur vollständigen Tilgung des dazugehörigen Refinanzierungsdarlehens.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 machten die Kläger die gesamten in diesem Jahr für die Refinanzierungsdarlehen gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 17 358 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Demgegenüber ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid lediglich Schuldzinsen in Höhe von 16 727,38 DM zum (Werbungskosten-)Abzug zu. Dabei ermittelte er die abziehbaren Schuldzinsen im einzelnen wie folgt:
1. Schuldzinsen auf Refinanzierungsdarlehen zum Berlin-Darlehen 1976
Darlehensforderung 31. Dezember 1990 =
63 891,26 DM: Refinanzierungsverbindlichkeit
31. Dezember 1990 =
69 379,35 DM
= 92,1 v. H.
92,1 v. H. der Schuldzinsen in Höhe von
4 856,96 DM 4 472,89 DM
2. Schuldzinsen auf Refinanzierungsdarlehen zum Berlin-Darlehen 1978
100 v. H. (wie erklärt) 2 130,00 DM
3. Schuldzinsen auf Refinanzierungsdarlehen zum Berlin-Darlehen 1980
100 v. H. (wie erklärt) 6 400,08 DM
4. Schuldzinsen auf Refinanzierungsdarlehen zum Berlin-Darlehen 1988
Darlehensforderung 31. Dezember 1990 =
78 475 DM: Refinanzierungsverbindlichkeit
31. Dezember 1990 =
81 134,75 DM
= 96,7 v. H.
96,7 v. H. der Schuldzinsen in Höhe von
3 851,51 DM 3 724,41 DM
16 727,38 DM
Den dagegen allein vom Kläger (Ehemann) erhobenen Einspruch, mit dem er begehrte, die in der Einkommensteuererklärung 1990 geltend gemachten Schuldzinsen in voller Höhe (17 358 DM) steuermindernd zu berücksichtigen, wies das FA mit (an den Kläger gerichteten) Einspruchsentscheidung in dem streitigen Punkt als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der von beiden Klägern erhobenen Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Die Kläger hätten über die Gesamtlaufzeit jedes der Berlin-Darlehen einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwarten. Die Auffassung des FA, wonach diejenigen Refinanzierungskosten, die innerhalb eines Veranlagungszeitraums die Einnahmen überstiegen, nicht als Werbungskosten anzuerkennen seien, sei abzulehnen. Sie verkenne, daß die Refinanzierungskosten Bestandteile eines einheitlichen Gewinnerzielungsplans seien, bei dem die Veranlassung dieser Kosten durch die Einkünfteerzielung durch kurzfristige Überschüsse der Werbungskosten über die Einnahmen nicht geändert werde. Ebensowenig sei der Ansicht des FA zu folgen, daß die Minderung des Berlin-Darlehens einer teilweisen Veräußerung gleichzusetzen sei. Auch hierbei verkenne das FA, daß die allmähliche Tilgung des Berlin-Darlehens Teil eines Gesamtfinanzierungsplans sei.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Klage der Klägerin wird als unzulässig abgewiesen. In bezug auf die Klage des Klägers wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
1. Die Klage der Klägerin ist unzulässig, weil es insoweit an einer Sachentscheidungsvoraussetzung -- der Erfolglosigkeit des durchgeführten außergerichtlichen Vorverfahrens (vgl. § 44 Abs. 1 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --) -- fehlt. Die Klägerin hatte gegen den streitbefangenen Einkommensteuerbescheid keinen Einspruch eingelegt; die Einspruchsentscheidung wurde daher vom FA zutreffend nur an den Kläger gerichtet. Das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen ist vom Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rdnr. 34 und 49, m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --).
2. Soweit es die Klage des Klägers betrifft, muß die Sache mangels Spruchreife an das FG zurückverwiesen werden.
a) Das FG hat angenommen, daß die Kläger im Zusammenhang mit der Gewährung der in Rede stehenden Berlin-Darlehen die Absicht verfolgt hätten, insgesamt -- d. h. auf die gesamte Dauer der Kapitalanlagen bezogen -- Überschüsse der (Zins-)Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) zu erzielen. Diese Rechtsauffassung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Auch das FA hat ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausdrücklich beigepflichtet.
b) Nicht zu folgen ist dem FG allerdings darin, daß die -- ratenweise -- Tilgung der Berlin-Darlehen die Höhe der als Werbungskosten abziehbaren Schuldzinsen für die Refinanzierungskredite nicht zu beeinflussen vermöge.
aa) Schuldzinsen stellen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar, wenn und soweit sie mit Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 EStG in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit den Einnahmen aus Kapitalvermögen ist immer dann anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, m. w. N.). Dieser wirtschaftliche Zusammenhang entfällt, wenn die Kapitalanlage, zu deren Erwerb der die Schuldzinsen verursachende Kredit aufgenommen wurde, veräußert wird; denn die auf die Zeit nach der Veräußerung der Kapitalanlage entfallenden Schuldzinsen stellen die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital dar, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Kapitalvermögen dient (vgl. BFH- Urteil vom 26. Februar 1985 VIII R 59/83, BFH/NV 1985, 69; zur vergleichbaren Rechtslage bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung s. auch BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; vom 18. Dezember 1990 VIII R 101/87, BFH/NV 1991, 734 unter 1. der Gründe; vom 12. Oktober 1995 IX R 115/90, BFH/NV 1996, 208 unter 1. der Gründe).
aaa) Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise, wenn die Kapitalanlage nicht zur Gänze, sondern nur zum Teil veräußert wird. Hat der Steuerpflichtige beispielsweise bislang Zinseinnahmen aus einem von ihm gewährten, ganz oder teilweise refinanzierten Darlehen erzielt und die Hälfte seiner Darlehensforderung an einen Dritten verkauft und abgetreten, so stehen die auf die Zeit nach der Teilveräußerung entfallenden Schuldzinsen für das Refinanzierungsdarlehen grundsätzlich nur noch in Höhe von 50 v. H. mit den Einnahmen aus der nämlichen Kapitalanlage in einem wirtschaftlichen Zusammenhang und stellen folglich nur noch in Höhe dieses Prozentsatzes Werbungskosten bei den Einkünften aus dieser Kapitalanlage dar.
bbb) Der wirtschaftliche Zusammenhang der für einen Refinanzierungskredit gezahlten Schuldzinsen mit den Einkünften aus der (konkreten) Darlehensgewährung endet auch dann, wenn der Steuerpflichtige seine Darlehensforderung einzieht; denn mit der Erfüllung seines Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehens ist das Darlehensverhältnis erloschen (§ 362 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --) und die nämliche Kapitalanlage (Einkunftsquelle) des Steuerpflichtigen genauso weggefallen, wie dies bei einer Veräußerung der Darlehensforderung (d. h. deren Verkauf und Abtretung) der Fall gewesen wäre (zum Fall des Erlöschens einer Darlehensforderung durch Aufrechnung -- §§ 387 bis 389 BGB --; vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1985, 69).
ccc) Aus der Teilbarkeit in Geld bestehender Kapitalanlagen (etwa einer Darlehensforderung) ergibt sich, daß die betreffende Einkunftsquelle auch teilweise versiegen kann. Dies trifft in dem bereits angesprochenen Fall der Teilveräußerung der Darlehensforderung ebenso zu wie bei deren Teilerfüllung. Auch im Falle der teilweisen -- z. B. ratenweisen -- Begleichung einer refinanzierten verzinslichen Darlehensforderung des Steuerpflichtigen entfällt der wirtschaftliche Zusammenhang der für den Refinanzierungskredit aufgewendeten Schuldzinsen mit den Zinseinkünften aus dem betreffenden Darlehen grundsätzlich in dem Verhältnis des Tilgungsbetrags zur ursprünglichen Darlehensvaluta. Hat etwa der Steuerpflichtige (mit Überschußerzielungsabsicht) ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 100 000 DM gewährt, das er zu 100 v. H. refinanziert hat, so führt der Teileinzug der Darlehensforderung in Höhe von 20 000 DM grundsätzlich dazu, daß fortan nur noch 80 v. H. der für den Refinanzierungskredit aufgewendeten Schuldzinsen als Werbungskosten bei der Kapitalanlage abgezogen werden können. Der Anteil in Höhe von 20 v. H. (20 000 DM) der ursprünglichen Kapitalanlage existiert nicht mehr, so daß die darauf entfallenden Mittel aus dem Refinanzierungskredit (= 20 000 DM) künftig grundsätzlich nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus dieser Kapitalanlage dienen können (vgl. auch FG Bremen in Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1994, 964, rechtskräftig). Der dagegen von einem Teil der Literatur erhobene Einwand, "die analoge Anwendung der zur Veräußerung ergangenen Rechtsprechung auf Tilgungen (sei) abzulehnen" (Meyer-Scharenberg, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1994, 1213, 1214, linke Spalte), überzeugt nicht. Entscheidend für den hier eingenommenen Standpunkt spricht der Umstand, daß sich der Steuerpflichtige seiner Einkunftsquelle ganz oder teilweise entäußert. Dies geschieht beim Einzug oder Teileinzug einer Darlehensforderung in gleicher Weise wie bei deren (Teil-)Veräußerung. Beide Konstellationen müssen daher rechtlich gleich beurteilt werden.
ddd) Ein zusätzliches Problem stellt sich dann, wenn der Steuerpflichtige -- wie auch im Streitfall in bezug auf die 1976, 1978 und 1980 gewährten Berlin-Darlehen -- nur einen Teil der Kapitalanlage refinanziert und für den übrigen Teil der Kapitalanlage Eigenmittel eingesetzt hat. Für diesen Fall wird die Ansicht vertreten, daß eine teil weise Tilgung des vom Steuerpflichtigen gewährten Darlehens dem Werbungskostenabzug der für den Refinanzierungskredit aufgewendeten Schuldzinsen so lange nicht entgegenstehe, als der noch nicht erfüllte Teil der Darlehensforderung des Steuerpflichtigen den noch valutierenden Refinanzierungskredit übersteige (vgl. Rundverfügung der Oberfinanzdirektion -- OFD -- Berlin vom 8. Februar 1988, DStR 1989, 321 a. E.; ebenso Verfügung der OFD Münster vom 5. Dezember 1989, Finanz- Rundschau 1990, 61, Der Betrieb 1990, 19). Hierbei wird stillschweigend unterstellt, daß die auf das vom Steuerpflichtigen gewährte Darlehen geleisteten Tilgungsbeträge "gedanklich zunächst auf das eingesetzte Eigenkapital zu verrechnen (seien)" (vgl. Meyer-Scharenberg, DStR 1994, 1213, 1214 linke Spalte).
Diese Unterstellung geht indessen fehl: Das vom Steuerpflichtigen auf der Grundlage eines einzigen -- einheitlichen -- Vertrags gewährte, teils mit Eigen- und teils mit Fremdmitteln finanzierte Darlehen kann nicht allein wegen der unterschiedlichen Mittelherkunft in einen eigen- und einen fremdfinanzierten Teil aufgespalten werden, so als ob es sich um zwei getrennte Darlehen handeln würde, von denen das eine ausschließlich mit Eigenmitteln und das andere allein mit Fremdmitteln finanziert worden wäre. Hat der Steuerpflichtige mit seinem Schuldner nicht zwei getrennte Darlehensverträge, sondern nur einen (einheitlichen) Darlehensvertrag geschlossen, so ist diese zivilrechtliche Gestaltung auch der steuerrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen (so schon das ebenfalls ein Berlin- Darlehen betreffende Senatsurteil vom 25. Oktober 1979 VIII R 153/78, BFHE 129, 342, BStBl II 1980, 352, 353, unter 1. der Gründe). Dies hat zur Folge, daß die Tilgungsleistungen auf das vom Steuerpflichtigen gewährte einheitliche Darlehen die ursprünglich bestehenden Eigenmittel- und Fremdmittelquoten nicht verändern können. Diese Tilgungsleistungen reduzieren die zur Einkünfteerzielung eingesetzte einheitliche Kapitalanlage. Von dieser Verringerung werden der eigenfinanzierte und der fremdfinanzierte Kapitalanteil gleichermaßen und in dem Verhältnis betroffen, der der ursprünglichen Relation zwischen Eigen- und Fremdkapitalanteil entspricht (ebenso FG Bremen in EFG 1994, 964).
Der dagegen in der Literatur erhobene Einwand, der Steuerpflichtige könne nicht nur im Investitionszeitpunkt frei entscheiden, wieviel Eigenkapital und wieviel Fremdkapital er einsetzen wolle, sondern er könne auch "das Fremdkapital länger stehen lassen ... als das Eigenkapital" und müsse deshalb auch bestimmen können, daß die auf seine Darlehensforderung geleisteten Teilzahlungen zunächst dem eigenfinanzierten Teil des Darlehens zuzuordnen seien (Meyer-Scharenberg, DStR 1994, 1213, 1214, rechte Spalte unten f.), greift nicht durch. Es geht im vorliegenden Fall nicht um die zweifelsohne zu bejahende Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen in bezug auf das "Stehenlassen von Eigen- oder Fremdkapital", sondern um die durch Teiler füllung bewirkte Reduzierung einer (einheitlichen) Darlehensforderung als eines "aktiven Vermögenswerts" und den Einfluß dieser Reduzierung auf die unterschiedliche Mittelherkunft aus Eigen- und Fremdmitteln (vgl. auch das BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV R 57/90, BFHE 165, 545, BStBl II 1992, 141).
bb) Mit diesen Grundsätzen steht das angefochtene Urteil nicht im Einklang. Es war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat -- von seinem Standpunkt aus zu Recht -- keine näheren Feststellungen darüber getroffen, wann die Kläger welche einzelnen Tilgungsleistungen der X-Bank in den Jahren 1976 bis 1990 vereinnahmt und zu welchen Zwecken die Kläger diese Tilgungsbeträge verwendet haben. Die Sache wird daher zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurückverwiesen.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu beachten haben, daß die einzelnen Teilrückzahlungen der von den Klägern gewährten Berlin-Darlehen nicht zwangsläufig dazu führen mußten, daß die den Klägern fortan im Zusammenhang mit den Refinanzierungskrediten entstehenden Aufwendungen (Schuldzinsen, Kreditkosten) in Höhe des jeweiligen Prozentsatzes, der der ursprünglichen Fremdkapitalquote des betreffenden Berlin-Darlehens entspricht, nicht mehr als Werbungskosten bei den Zinseinkünften aus dem entsprechenden Berlin-Darlehen abziehbar sind.
aaa) Keine Kürzung der als Werbungskosten anzuerkennenden Refinanzierungskosten kommt zum einen dann in Betracht, wenn die Kläger die empfangenen Tilgungsleistungen mindestens in Höhe des jeweiligen Prozentsatzes, der der ursprünglichen Fremdkapitalquote des betreffenden Berlin-Darlehens entsprach, unverzüglich zur Rückführung des betreffenden Refinanzierungskredits verwendet haben. Entsprechendes gilt aber auch dann, wenn die Kläger die vereinnahmten Tilgungszahlungen mindestens in Höhe des jeweiligen, der ursprünglichen Fremdkapitalquote des Berlin-Darlehens entsprechenden Vom-Hundert-Satzes zur Bestreitung von Werbungskosten im Zusammenhang mit dem betreffenden Berlin-Darlehen, etwa zur Zahlung der im Zusammenhang mit dem Refinanzierungsdarlehen entstandenen Schuldzinsen und Kreditkosten, verwendet haben. Dies folgt aus der Erwägung, daß die im Zusammenhang mit der Finanzierung von Werbungskosten entstehenden Kreditkosten ihrerseits Werbungskosten darstellen. Die Teileinziehung der Berlin-Darlehensforderung führt in diesem Fall deshalb nicht zu einem partiellen Wegfall des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Refinanzierungskosten mit den Einkünften aus der Darlehensgewährung nach den oben (unter 2. b, aa, bbb bis ddd) dargestellten Grundsätzen, weil die Tilgungsbeträge als Surrogate der entfallenden Darlehensforderung wiederum für Zwecke der Einkünfteerzielung aus derselben Kapitalanlage eingesetzt werden.
bbb) Entsprechendes kann dagegen nicht auch für den Fall gelten, daß die Kläger die vereinnahmten Tilgungsbeträge zur Leistung der Beiträge zu den von ihnen im Zusammenhang mit der Aufnahme der Refinanzierungskredite abgeschlossenen Lebensversicherungen verwendet haben; denn die Beiträge zu diesen Lebensversicherungen stellen keine Werbungskosten bei den Einkünften aus den Berlin-Darlehen, sondern Sonderausgaben dar (vgl. Frotscher, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. 66, m. w. N.).
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn und soweit bereits die mittels der Tilgungsbeträge aus den Berlin-Darlehen geleisteten Beiträge zu den Lebensversicherungen zu einer (teilweisen) Tilgung der Refinanzierungsdarlehen geführt hätten. Ein solcher Effekt wäre allerdings nur ausnahmsweise dann eingetreten, wenn die Kläger ihre Ansprüche aus den Lebensversicherungen den Refinanzierungsbanken an Erfüllungs Statt und nicht -- was im Zweifel anzunehmen ist (vgl. z. B. Heinrichs in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 364 Rdnr. 8, m. w. N.) -- erfüllungshalber (im Wege der Sicherungszession) abgetreten hätten.
ccc) Sollten die Feststellungen seitens des FG ergeben, daß die von der X-Bank bis Ende des Streitjahres geleisteten Tilgungsbeträge zwar nicht zum Zwecke der Erzielung von Einkünften aus derselben Kapitalanlage (dem einzelnen Berlin-Darlehen) "reinvestiert" wurden, wohl aber anderweitigen Zwecken der Einkünfteerzielung zugeführt wurden (z. B. Einlage der Tilgungsbeträge in ein Betriebsvermögen oder deren Verwendung zum Erwerb oder zur Förderung einer anderen Kapitalanlage -- etwa auch eines anderen Berlin-Darlehens -- oder zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung), so können die entsprechenden Teile der Refinanzierungsdarlehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesen Einkünften stehen und dementsprechend die darauf entfallenden Kreditkosten, soweit diese im Streitjahr als Werbungskosten (§ 11 Abs. 2 EStG) bzw. Betriebsausgaben zu erfassen waren, nunmehr Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) bei diesen Einkünften sein (vgl. dazu etwa die BFH-Urteile in BFH/NV 1985, 69; vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14, betreffend Veräußerung eines bislang zu Vermietungszwecken genutzten Hausgrundstücks und Anlage des Veräußerungserlöses zur Erzielung von Festgeldzinsen; vgl. ferner z. B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1990 VIII R 34/88, BFH/NV 1991, 593, betreffend die Veräußerung eines mit Darlehensmitteln erworbenen Mitunternehmeranteils und Anlage des Veräußerungs erlöses zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen; in BFH/NV 1991, 734, betreffend die Veräußerung einer mit Darlehensmitteln erworbenen, bislang zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Eigentumswohnung und Anlage des Veräußerungserlöses zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen; vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398, betreffend Veräußerung eines mit Darlehensmitteln erworbenen Einfamilienhauses auf Leibrentenbasis; vom 11. September 1991 XI R 15/90, BFHE 166, 425, BStBl II 1992, 404, betreffend Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH gemäß § 20 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1977 unter Zurückbehaltung von -- bisherigen -- Betriebsschulden des Einzelunternehmens; vom 15. Dezember 1992 VIII R 27/91, BFH/NV 1993, 599, 602 unter 4. b der Gründe; BFH-Beschluß vom 19. Mai 1993 I B 172/92, BFH/NV 1994, 227, betreffend Verwendung des Erlöses aus der Veräußerung eines mit Hilfe von Darlehensmitteln erworbenen Hausgrundstücks zur Ablösung einer Betriebsschuld; BFH-Urteil vom 7. März 1995 VIII R 9/94, BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697, betreffend Verwendung der zunächst zu einem Grundstückserwerb vorgesehenen Kreditmittel zum Erwerb einer Festgeldanlage).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß die von den Klägern im Zusammenhang mit den Aufnahmen der Refinanzierungsdarlehen abgeschlossenen Lebensversicherungen als Kapitalanlagen in diesem Sinne nur dann in Betracht kämen, wenn und soweit die daraus erzielten (außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen) Zinsen der Einkommensbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterlägen.
ddd) Im übrigen weist der Senat auf folgendes hin. Sollte der Kläger, der insoweit die Feststellungslast trägt, behaupten, daß die Kläger die auf die Berlin-Darlehen empfangenen Tilgungsbeträge für einen der unter aaa) bis ccc) genannten Zwecke verwendet hätten, so muß er dies anhand objektiver Indizien -- etwa mit Hilfe der die Zahlungszu- und -abflüsse dokumentierenden Bankkontoauszüge -- (zweifelsfrei) nachweisen bzw. glaubhaft machen.
Fundstellen
Haufe-Index 422013 |
BFH/NV 1997, 644 |