Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Steuerpflichtiger, der sich mit der gewerblichen Vermittlung bestimmter Wertpapierverkäufe befaßt, selbst derartige Wertpapiere zu privaten Zwecken, so sind die ihm in diesem Zusammenhang zugeflossenen Vorteile (Preisnachlässe, Barzuwendungen und dgl.) keine Betriebseinnahmen.
Normenkette
EStG 1969 und 1971 § 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Bezirksleiter der Landesbausparkasse. Er betätigt sich in dieser Eigenschaft als selbständiger Agent zur Vermittlung von Bausparverträgen. Außerdem vermittelte er im Auftrag der Stadtsparkasse H den Verkauf von Anteilen an der X-Anlagegesellschaft (im folgenden: X). Die Stadtsparkasse H, die ihrerseits für die Vermittlung der X-Anteile Hauptagent der ... Landesbank war, erhielt von der ... Landesbank Provisionen in Höhe von 2. v. H. des Wertes der verkauften Anteile. Der Kläger erhielt für die von ihm vermittelten Verkäufe von der Stadtsparkasse H als Provision einen Betrag von 1,75 v. H. des Wertes der vermittelten Verkäufe.
Der Kläger kaufte in erheblichem Umfang auch selbst X-Anteile. Diese Käufe wurden ebenso wie in den Fällen, in denen der Kläger Verkäufe lediglich vermittelte, in der Weise abgewickelt, daß die ... Landesbank der Stadtsparkasse H eine Provision von 2. v. H. gewährte und die Stadtsparkasse ihrerseits 1,75 v. H. als Provision an den Kläger weitergab. Der Kläger erfaßte diese Beträge (9 887,50 DM im Jahre 1969 und 8 750 DM im Jahre 1971) in seiner Buchführung als Betriebseinnahmen.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung begehrte der Kläger, die auf die Eigenkäufe entfallenden Vergütungen nicht mehr - wie bisher - als Betriebseinnahmen zu behandeln. Hierzu legte er eine Bescheinigung der Stadtsparkasse H vor, in der dem Kläger bestätigt wurde, daß er die für sich selbst gekauften X-Anteile verbilligt bezogen habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem Antrag des Klägers nicht. Im Rahmen der gesonderten Gewinnfeststellung (§ 6 der Verordnung vom 3. Januar 1944, RGBl I, 11, RStBl 1944, 17) erließ er für 1969 einen berichtigten und für 1971 einen erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheid, ohne den festgestellten Gewinn um die auf die Eigenkäufe des Klägers entfallenden Vergütungen zu mindern.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines Urteils aus, die Zahlungen, die der Kläger für seine Wertpapierkäufe von der Stadtsparkasse H erhalten habe, seien Betriebseinnahmen. Betriebseinnahmen seien alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt seien (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. November 1963 IV 345/61 S, BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183). Im Streitfall liege der Anlaß für die Zahlungen der Stadtsparkasse H in den Geschäftsbeziehungen zwischen der Stadtsparkasse und dem Kläger. Wegen dieses geschäftlichen Zusammenhangs seien die Zahlungen der Stadtsparkasse H im Rahmen des Gewerbebetriebs des Klägers angefallen und daher bei ihm als Betriebseinnahmen zu erfassen.
Gegen das Urteil des FG legte der Kläger die - vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene - Revision ein. Zur Begründung führt er aus, für die steuerrechtliche Behandlung von Zahlungen, die er im Zusammenhang mit dem Erwerb von X-Anteilen erhalten habe, komme es auf seinen Entschluß an, die Anteile für sein Privatvermögen zu erwerben. Wegen dieser privaten Veranlassung könnten die mit dem Erwerb in Zusammenhang stehenden Zahlungen an ihn keine Betriebseinnahmen sein. Der Kläger rügt ferner Verfahrensmängel.
Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide und der Einspruchsentscheidungen den Gewinn für 1969 um 9 887,50 DM und für 1971 um 8 750 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage. Dem Kläger ist darin zu folgen, daß die Beträge, die er im Zusammenhang mit dem privaten Erwerb von X-Anteilen erhielt, nicht zu den Betriebseinnahmen zählen.
1. Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld und Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind (BFH-Urteile in BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183; vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210; vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526). Den Gegensatz hierzu bilden Einnahmen, für deren Zufluß nicht der Betrieb, sondern private Umstände die Veranlassung gegeben haben. Entscheidend für die Abgrenzung der betrieblichen von den privaten Einnahmen ist somit der jeweilige Anlaß der Einnahmen.
2. Stehen Einnahmen im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit, die auf die Vermittlung von Wertpapiergeschäften gerichtet ist, so sind diese Einnahmen in aller Regel betrieblich veranlaßt. Das gilt insbesondere für die als Vergütung der Vermittlungsgeschäfte gezahlten Provisionen.
Ein betrieblicher Anlaß für den Erhalt von Geldleistungen kann allerdings dann fehlen, wenn ein Steuerpflichtiger Wertpapiere der in seinem Betrieb gewöhnlich vermittelten Art für sein Privatvermögen erwirbt.
Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, daß die Aussonderung privater Geschäftsvorfälle aus ständig im Gewerbebetrieb vorkommenden Geschäften nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Das gilt z. B. für die Wertpapiergeschäfte eines Bankiers, der mit dem Erwerb von Effekten eine private Kapitalanlage beabsichtigt (BFH-Urteile vom 15. Februar 1966 I 95/63, BFHE 85, 171, BStBl III 1966, 274; vom 19. Januar 1977 I R 10/74, BFHE 121, 199, BStBl II 1977, 287), sowie für die auf eigene Rechnung vorgenommenen An- und Verkäufe von Wertpapieren durch einen Börsenmakler (BFH-Urteil vom 11. Juli 1968 IV 139/63, BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775). Für die Einordnung der Geschäftsvorfälle als gewerbliche oder private kommt es in solchen Fällen darauf an, wie der Steuerpflichtige die Geschäfte tatsächlich abgewickelt hat. Ob im Einzelfall ein Erwerb zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen stattgefunden hat, muß aufgrund der vorliegenden Tatsachen klar unterscheidbar sein; anderenfalls müßte der Erwerbsvorgang als betrieblich angesehen werden.
Hiernach kann auch ein Steuerpflichtiger, der sich mit der Vermittlung bestimmter Wertpapierverkäufe befaßt, solche Wertpapiere mit steuerrechtlicher Wirkung zu privaten Zwecken erwerben. Die dem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang zugeflossenen Vorteile (Preisnachlässe, Barzuwendungen und dgl.) sind in einem derartigen Fall keine Betriebseinnahmen.
Der Umstand, daß im Falle eines gewerblich vermittelten Geschäfts derartige Barleistungen an den Vermittler als Provisionen (§ 87 des Handelsgesetzbuchs - HGB -) anzusehen und diese als Betriebseinnahmen zu behandeln sind, ändert hieran nichts. Auch die Vereinbarung, es solle dem Wertpapiervermittler für den Erwerb von Anteilen zu eigenen privaten Zwecken die gleiche Vergütung zustehen wie für die Vermittlung von Verkäufen an fremde Personen, ist kein Grund, die Einnahmen als betrieblich anzusehen. Diese Vereinbarung hat zwar ihre zivilrechtliche Grundlage in dem Geschäftsverhältnis zwischen dem Auftraggeber (Verkäufer) und dem Wertpapiervermittler. Das schließt indessen nicht aus, den Anlaß für den Zufluß dieser Vorteile als privaten Vorgang zu beurteilen. Das wird besonders deutlich in dem Fall, daß der Auftraggeber dem Vermittler für die von ihm privat erworbenen Wertpapiere keine Barleistungen, sondern einen Preisnachlaß in entsprechender Höhe gewährt. Hier würde die Frage, ob der gewährte Vorteil betrieblich oder privat veranlaßt ist, erst gar nicht auftreten; die Papiere würden vielmehr - zu dem um den Preisnachlaß verringerten Betrag - Bestandteil des Privatvermögens werden.
3. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß der Kläger die ihm für den privaten Erwerb der X-Anteile geleisteten "Provisions-"zahlungen nicht als Betriebseinnahmen zu versteuern braucht. Die im Zusammenhang mit dem privaten Erwerb der Anteile stehende Vorteilsgewährung kann vielmehr nur als privat veranlaßte Einnahme angesehen werden.
Anhaltspunkte dafür, daß die vom Kläger privat erworbenen X-Anteile lediglich aus Gründen der Steuerumgehung (§ 6 des Steueranpassungsgesetzes; nunmehr: § 42 der Abgabenordnung) zunächst privat erworben wurden, um sie dann später im gewerblichen Bereich weiter zu veräußern, liegen nicht vor. Die gewerbliche Betätigung des Klägers beschränkte sich vielmehr auf die Vermittlung und umfaßte nicht den An- und Verkauf von Anteilen.
Der im Rahmen der gesonderten Feststellung zu ermittelnde Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb war hiernach um die vom FA zu Unrecht als Betriebseinnahmen behandelten Beträge zu vermindern.
Fundstellen
Haufe-Index 74330 |
BStBl II 1982, 587 |
BFHE 1983, 76 |