Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für ein sog. Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
1. § 12 Nr. 5 EStG steht der Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten für ein Erststudium als Werbungskosten zumindest dann nicht entgegen, wenn diesem eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist.
2. § 12 Nr. 5 EStG enthält kein Abzugsverbot für Werbungskosten. Die Vorschrift bestimmt lediglich in typisierender Weise, dass bei einer erstmaligen Berufsausbildung ein hinreichend veranlasster Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart fehlt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nrn. 1, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der … geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen. Er begann nach erfolgreichem Abschluss einer in einem Hotel durchgeführten Ausbildung zum Koch (vom 1. Oktober 2000 bis 30. Juni 2002) im März 2003 ein dreijähriges Studium an der Fachhochschule X im Studiengang Hotelmanagement. Das Studium übte der Kläger in seiner Funktion als Assistent der Geschäftsführung seiner Arbeitgeberin, der A-GmbH, berufsbegleitend aus. Im Juli 2006 beendete er das Studium als Diplom-Betriebswirt.
Für das Streitjahr machte der Kläger den Abzug der Aufwendungen für das Studium in Höhe von 16 803 € als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah die Ausgaben als Berufsausbildungskosten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ sie nur in Höhe von 4 000 € zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er macht u.a. die Verfassungswidrigkeit des § 12 Nr. 5 EStG geltend.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer-Veranlagung 2004, zuletzt geändert durch Bescheid vom 8. Februar 2008, dahingehend zu ändern, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für das Studium in Höhe von 13 783 € als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Das FA hat keinen Antrag gestellt; es hat "angeregt", das Verfahren bis zur Entscheidung der beim Senat anhängigen Verfahren VI R 6/07 und VI R 79/06 gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Das FA hat den angefochtenen Einkommensteuerbescheid während des Revisionsverfahrens am 8. Februar 2008 geändert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO bedarf es nicht (vgl. dazu etwa Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. März 2007 VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076). Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO, wie vom FA beantragt, liegen ersichtlich nicht vor. Das Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht beide Parteien einen entsprechenden Antrag gestellt haben.
1. Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH können auch Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sein. Ob das Studium eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich (vgl. etwa BFH-Urteile vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom 22. Juli 2003 VI R 50/02, BFHE 202, 563, BStBl II 2004, 889; vom 4. November 2003 VI R 96/01, BFHE 203, 500, BStBl II 2004, 891; vom 20. Juli 2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764). Maßgeblich ist das Veranlassungsprinzip, das auch im Streitfall anzuwenden ist.
Die durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753, BStBl I 2005, 343) rückwirkend in Kraft getretene (s. Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes) Bestimmung des § 12 Nr. 5 EStG hindert die Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Kosten für ein sog. Erststudium zumindest dann nicht, wenn diesem --wie im Streitfall-- eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist.
Nach § 12 Nr. 5 EStG dürfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Die Vorschrift bestimmt in typisierender Weise, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung (und ein Erststudium) --von dem in Halbsatz 2 der Vorschrift genannten Fall abgesehen-- noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang stehen.
Wegen der weiteren Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Urteil vom heutigen Tage, (Senatsurteil vom 18. Juni 2009 VI R 14/07; s. auch Senatsentscheidung vom 18. Juni 2009 VI R 31/07).
2. Danach ergibt sich hier aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass die Aufwendungen des Klägers für das Fachhochschulstudium dem Grunde nach beruflich veranlasst sind. Es besteht ein hinreichend konkreter Zusammenhang dieser Ausgaben mit späteren Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit als Hotelmanager. Der Kläger war bereits vor Beginn und während des Studiums in der Hotelbranche tätig. Mit dem der Fortbildung dienenden Studium wollte er die erforderlichen Fachkenntnisse und Fähigkeiten für den angestrebten Beruf erwerben. Da das Studium nicht "ins Blaue hinein" betrieben oder aus anderen privaten Gründen aufgenommen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R 62/03, BFH/NV 2007, 1291, m.w.N.), sondern auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten abziehbar.
§ 12 Nr. 5 EStG kommt nicht zur Anwendung, weil es sich um eine berufsbegleitende Maßnahme handelte und der Kläger vor Aufnahme seines Studiums bereits eine abgeschlossene Ausbildung als Koch absolviert hatte. Die vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 12 Nr. 5 EStG sind nicht entscheidungserheblich. Es kann auch offenbleiben, ob das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses (§ 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG) stattfand.
3. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Da das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen