Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Rabattfreibetrag bei Arbeitgeberdarlehen
Leitsatz (amtlich)
Auf den geldwerten Vorteil eines zinslosen Arbeitgeberdarlehens kann der Rabattfreibetrag nicht schon deswegen angewendet werden, weil der Arbeitgeber drei verbundenen Unternehmen Darlehen gewährt.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Ehegatten zum Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger, der bei der A AG (AG) beschäftigt war, erhielt im September 1993 ein zinsloses Arbeitgeberdarlehen über 30 000 DM. Der Arbeitgeber unterwarf den Zinsvorteil ab Oktober 1993 mit 143,33 DM monatlich als Sachbezug dem Lohnsteuerabzug. Mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 trugen die Kläger vor, der erfasste Arbeitslohn sei um 430 DM zu kürzen, da auf den Zinsvorteil der Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) anzuwenden sei. Die Gewährung von Darlehen gehöre zu den üblichen Geschäften seines Arbeitgebers. Nach § 2 der Satzung sei dessen Unternehmensgegenstand u.a. Handel und das Erbringen von Dienstleistungen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sei die AG zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gegenstand des Unternehmens dienten. Außerdem gewähre die AG regelmäßig betriebsfremden Dritten im Geschäftsverkehr Darlehen in Höhe von ca. 25 Mio. DM. Zum Nachweis hierfür legten die Kläger Auszüge aus den Bilanzen der AG vor, nach denen zum 30. September 1993 insgesamt 25 181 593 DM an verbundene Unternehmen darlehensweise überlassen worden seien, nämlich 25 Mio. DM an die X GmbH, 355 105 DM an die Y GmbH und 144 441 DM an die Z AG.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1508 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 8 Abs. 3 EStG. Das Tatbestandsmerkmal Leistungen, die der Arbeitgeber "fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet" beziehe sich nicht auf die Voraussetzungen der Rabattbesteuerung, sondern nur auf die Rechtsfolgen bei der Wertermittlung. Die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. November 1994 VI R 81/93, BFHE 175, 567, BStBl II 1995, 338; vom 8. November 1996 VI R 100/95, BFHE 182, 61, BStBl II 1997, 330, und vom 7. Februar 1997 VI R 17/94, BFHE 182, 556, BStBl II 1997, 363) habe noch nicht diese Streitfrage, sondern lediglich entschieden, dass jegliche Dienstleistungen begünstigt seien, dass die betreffende Leistung nicht zum üblichen Geschäftsgegenstand des Arbeitgebers gehören müssen und dass § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht eng auszulegen sei. Soweit in der Literatur dem FG gefolgt werde (Crezelius in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 8 Rdnr. D 7; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 8 Anm. 65, und Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, § 8 Rdnr. 151), geschehe dies regelmäßig in älterer Kommentierung und zumeist ohne Begründung. Dem sei insbesondere Birk (in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 8 EStG Rdnr. 92, 164, sowie in Finanz-Rundschau ―FR― 1990, 237, 241) überzeugend entgegengetreten (vgl. auch Gericke in Hartmann/ Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 8 Rdnr. 64 f. und 68 f.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 8 Rz. 77, sowie FG Leipzig, Urteil vom 27. Januar 1994 2 K 59/93, EFG 1994, 468, und FG Hamburg, Urteil vom 27. März 2001 II 68/00, EFG 2001, 1124). Bereits aus dem Satzaufbau "Erhält ein Arbeitnehmer … (Voraussetzungen) … so gelten … (Folgen)" ergebe sich, dass der Rabattfreibetrag nicht die Teilnahme am allgemeinen Geschäftsverkehr erfordere, zumal unter den Voraussetzungen nur das Herstellen, Vertreiben oder Erbringen der Leistungen (nicht überwiegend für den Bedarf der Arbeitnehmer) bzw. das Unterbleiben einer Pauschalversteuerung und nicht auch ausdrücklich die Teilnahme am allgemeinen Geschäftsverkehr mit Letztverbrauchern genannt sei. Offenbar gehe auch die Verwaltung nicht von diesem Erfordernis aus, da andernfalls die Regelung in R 32 Abs. 2 Satz 6 (jetzt Satz 4) der Lohnsteuer-Richtlinien 1999 (LStR 1999) ins Leere laufen würde. Dort werde nämlich die Bewertung der Endpreise für den Fall geregelt, dass der Arbeitgeber nicht mit Letztverbrauchern außerhalb des Arbeitnehmerbereichs in Geschäftsbeziehungen trete. Es treffe auch nicht zu, dass die hier vertretene Auffassung dem Vereinfachungszweck der Norm zuwiderlaufe. Die Finanzverwaltung habe in R 32 Abs. 2 Satz 6 LStR 1999 nämlich ein einfaches Instrument zur Wertermittlung gefunden. Sie, die Kläger, hätten mit einer nahe beim Sitz des Arbeitgebers gelegenen Bank einen Darlehensvertrag geschlossen, dessen Konditionen zur Vorteilsberechnung herangezogen werden könnten. Außerdem habe der BFH im Urteil in BFHE 175, 567, BStBl II 1995, 338 ausgeführt, dass der Vereinfachungsgedanke in erster Linie die Tatbestandsseite des § 8 Abs. 3 EStG betreffe. Müsste man prüfen, welche Leistungen der Arbeitgeber an Endverbraucher abgebe, würde dies nicht zur Vereinfachung, sondern zur Komplizierung führen.
Im Übrigen habe der Arbeitgeber Darlehen nicht überwiegend an eigene Arbeitnehmer, sondern an andere Unternehmen vergeben. Eine Entscheidung danach, ob es sich bei den Darlehensnehmern um natürliche oder juristische Personen handle, sehe das Gesetz nicht vor und würde nicht nur dem Vereinfachungszweck der Vorschrift zuwiderlaufen, sondern auch zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führen. Da der Rabattfreibetrag nicht bereits anderweitig in Anspruch genommen worden sei, sei die Sache entscheidungsreif.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Steuer um den Betrag herabzusetzen, der sich aus einem um 430 DM verminderten Arbeitlohn ergibt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Rabattfreibetrag nicht auf solche an die Belegschaft verbilligt abgegebene Waren oder Dienstleistungen angewendet werden kann, mit denen der Arbeitgeber nicht selbst am Markt in Erscheinung tritt.
1. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG sind nach Satz 1 dieser Vorschrift ermittelte Vorteile steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 2 400 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen. Die Steuerbefreiung erfasst Rabatte auf Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, wobei als Wert der Waren oder Dienstleistungen die um 4 v.H. geminderten Endpreise gelten, zu denen die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden.
a) Allerdings ist den Klägern darin beizupflichten, dass der mit den Worten "so gelten als deren Wert" eingeleitete zweite Satzteil des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht die Voraussetzungen, sondern die Folgen der besonderen Rabattbesteuerung regelt. Dies gilt insbesondere, soweit dort auf den fremden Letztverbraucher abgestellt wird. Voraussetzung für die besondere Rabattbesteuerung ist nämlich nur, dass der Arbeitgeber mit Produkten der fraglichen Art überhaupt am Markt erscheint, nicht aber, dass er seine Produkte auch an Endverbraucher vertreibt. Hiervon geht das Gesetz ersichtlich aus, da für den Fall, dass der Arbeitgeber seine Produkte nicht selbst Endverbrauchern anbietet, auf den Angebotspreis des dem Abgabeort nächstansässigen Abnehmers abgestellt wird. Dem trägt die Regelung in R 32 Abs. 2 Satz 6 LStR 1999 Rechnung. Dagegen ist ihr nicht zu entnehmen, die Verwaltung halte die Marktteilnahme des Arbeitgebers insgesamt für nicht erheblich.
b) Die Marktteilnahme des Arbeitgebers als Voraussetzung der besonderen Rabattbesteuerung ergibt sich bereits aus dem ersten Halbsatz von § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG. Der Formulierung, dass die Waren oder Dienstleistungen vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht sein dürfen, ist umgekehrt zu entnehmen, dass sie überwiegend oder zumindest im gleichen Umfang für bzw. an andere Abnehmer als die Belegschaft hergestellt, vertrieben oder erbracht sein müssen. Dieses im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommende Erfordernis entspricht dem nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift mit ihr verfolgten Zweck. Ausgangspunkt der Neuregelung der Personalrabatte durch das Steuerreformgesetz 1990 (StRG 1990) war der von der Literatur, aber auch vom Bundesrechnungshof gerügte Umstand, dass die Verwaltung bestimmte, unter den Arbeitslohnbegriff fallende Rabatte, insbesondere bei den "Jahreswagen", nicht der Lohnsteuer unterwarf (Einzelheiten bei Birk in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 8 EStG Rdnr. 145). Dem sollte durch eine dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entsprechende allgemeine ―also nicht etwa nur für die Automobilbranche geltende― Regelung begegnet werden. Andererseits sollten nur wirtschaftlich ins Gewicht fallende Rabatte erfasst werden, um den Verwaltungsaufwand in einem vertretbaren Verhältnis zum steuerlichen Ergebnis zu halten. Letzteres ist durch die besondere Wertermittlung (Anknüpfen an den um 4 v.H. geminderten Endverbraucherangebotspreis) und den Rabattfreibetrag verwirklicht worden.
Bei der Umsetzung der beiden angestrebten Ziele ―generelle aber schonende Erfassung der Personalrabatte― bezog sich die besondere Rabattbesteuerung des § 8 Abs. 3 EStG nur auf Gegenstände, die ohnehin zur Produktpalette des Arbeitgebers gehörten. Insbesondere sollte kein außerbetrieblicher Belegschaftshandel begünstigt werden (BTDrucks 11/2157, S. 142 linke Spalte vorletzter Absatz), also keine allgemeine Bevorzugung von Sach- gegenüber Barlohn, die anderenfalls dadurch hätte eintreten können, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Preisvorteile auf Produkte anderer Unternehmen verschafft hätte. Es wurde auch nicht die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Konzernklausel verwirklicht, mit der die Begünstigung von Rabatten wenigstens auf Produkte verbundener Unternehmen ausgedehnt werden sollte (vgl. BTDrucks 11/2536, S. 16). Vielmehr verblieb es bei Rabatten auf solche Gegenstände, die nicht zur Produktpalette des Arbeitgebers gehören, bei den allgemeinen Regeln über die Bewertung von Sachbezügen nach § 8 Abs. 2 EStG. Dies entspricht auch schon der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteile in BFHE 182, 556, BStBl II 1997, 363, und vom 15. Januar 1993 VI R 32/92, BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356).
2. Dem FG ist auch darin zu folgen, dass die Vergabe von Darlehen nicht zur Produktpalette des Arbeitgebers des Klägers am Markt gehörte. Wie das FG für den Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) festgestellt hat, hat der Arbeitgeber des Klägers anderen natürlichen oder juristischen Personen als den verbundenen Unternehmen keine Kredite gewährt. Das Einräumen von Krediten an drei verbundene Unternehmen war ein konzerninterner Vorgang und gehörte nicht zur geschäftlichen Betätigung des Arbeitgebers am Markt. Nur Rabatte auf Leistungen, die zum Marktgeschehen des Arbeitgebers gehören, unterfallen ―wie ausgeführt― der besonderen Rabattbesteuerung des § 8 Abs. 3 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 853437 |
BFH/NV 2002, 1676 |
BStBl II 2003, 371 |
BFHE 2003, 289 |
BFHE 200, 289 |
BB 2002, 2481 |
DB 2002, 2516 |
DStR 2002, 2033 |
DStRE 2002, 1419 |
HFR 2003, 56 |