Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernis zur Passivierung von Darlehensverbindlichkeiten: Rangrücktritt, „haftungslose“ Darlehen; Einnahmen i.S. des § 3c EStG
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rangrücktritt eines Darlehensgläubigers lässt das Erfordernis zur Passivierung der Darlehensverbindlichkeit regelmäßig unberührt. "Haftungslose" Darlehen sind hingegen nicht zu passivieren.
2. Einnahmen i.S. des § 3c EStG liegen bei Darlehensaufnahmen regelmäßig nicht vor.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1, § 13 Abs. 2; EStG §§ 3c, 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 240 Abs. 1-2, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 249 Abs. 1 S. 1; BGB § 397; II. WoBauG § 88
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Wohnungsbaugesellschaft mbH. Gegenstand des Unternehmens ist die Vermietung eigener und fremder Wohnungen, die Mieterbetreuung, die Sanierung und der Verkauf von Immobilien sowie der Erwerb von Grundstücken; außerdem ist die Klägerin an verschiedenen Kapitalgesellschaften mit ähnlichen Geschäftsfeldern beteiligt. Nachdem die Klägerin ursprünglich als gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen anerkannt und u.a. nach § 5 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) steuerbefreit war, wurde ihre Steuerbefreiung durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093) mit Wirkung vom 1. Januar 1990 aufgehoben.
Im Rahmen des von ihr betriebenen öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus hatte die Klägerin ab dem Jahr 1976 von der X so genannte Aufwendungsdarlehen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) i.d.F. vom 1. September 1976 (BGBl I 1976, 2673) i.V.m. den Berliner Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1972 erhalten. Zweck dieser Aufwendungsdarlehen war, für befristete Zeit die bei der Neubeschaffung von Wohnraum für einen begünstigten Personenkreis laufend entstehenden Aufwendungen und Belastungen aus dem Kapitaldienst und der Bewirtschaftung so zu verringern, dass sich sozial verträgliche Mieten ergaben. Die Darlehen wurden der Klägerin für eine Laufzeit von 15 Jahren gewährt; bis Ende 1989 flossen ihr rd. … DM zu.
Bei Bewilligung der Aufwendungsdarlehen vereinbarten die Vertragspartner entsprechend den seinerzeit geltenden Förderrichtlinien einen Rangrücktritt, wonach die X als Gläubigerin "mit ihrer persönlichen Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger in der Weise zurücktritt, dass sie nur aus künftigen Gewinnen oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen bedient zu werden braucht". Darüber hinaus wurde ein "modifizierter Forderungsverzicht" vereinbart, wonach die X als Gläubigerin "ihre Ansprüche nicht geltend machen wird, soweit und solange die Ertragslage des Objektes bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eine Bedienung der Darlehensforderung nicht ermöglicht".
Die vierteljährlich zugeflossenen Darlehenszahlungen behandelte die Klägerin als Erlöse, die infolge ihrer Steuerbefreiung bis einschließlich 1989 steuerfrei blieben. Eine Passivierung von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen in der Handelsbilanz erfolgte nicht, da es sich aufgrund des modifizierten Forderungsverzichtes um so genannte "haftungslose Darlehen" handele. Entsprechend verfuhr die Klägerin auch in der nach Wegfall ihrer Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 2 KStG auf den 1. Januar 1990 zu erstellenden Anfangsbilanz und in der Bilanz zum 31. Dezember 1990.
Am 20. Mai 1988 hatte der Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin die Richtlinien über die Anschlussförderung von Sozialwohnungen der Wohnungsbauprogramme 1972 bis 1976 ―AnschlussförderungsRL 1988― (Dienstblatt des Senats von Berlin Teil VI vom 1. Juli 1988, 15) erlassen. Danach sollte dem sozialen Wohnungsbau nach Auslaufen der bisherigen 15-jährigen Förderdauer auf Antrag eine Anschlussförderung gewährt werden mit dem Ziel, die Belastung der Mieter weiterhin in vertretbarem Rahmen zu halten. Statt der bisherigen Aufwendungsdarlehen konnten degressive Aufwendungszuschüsse (in vierteljährlichen Raten) bis zur Tilgung der in den Wirtschaftlichkeits- bzw. Lastenberechnungen eingesetzten Fremdfinanzierungsmittel ―längstens ebenfalls für 15 Jahre― gewährt werden (AnschlussförderungsRL 1988 Rn. 1.3). Über diese Anschlussförderung sollte ein "Bewilligungsausschuss … objektbezogen … durch Bewilligungsbescheid" entscheiden. Grundlage der Entscheidung sollte eine fortgeschriebene Wirtschaftlichkeits- bzw. Lastenberechnung sein (AnschlussförderungsRL 1988 Rn. 1.2). Bei Bewilligung der Anschlussförderung wurden die bisher abgegebenen Rangrücktrittserklärungen für die Aufwendungsdarlehen und der zusätzliche modifizierte Forderungsverzicht nunmehr durch lediglich eine ―der ursprünglichen Rangrücktrittserklärung inhaltlich entsprechende― Erklärung ersetzt, wonach "zur Abwendung einer möglichen Überschuldung im Sinne der handels- und konkursrechtlichen Vorschriften" vereinbart wurde, "dass die X als Gläubigerin mit ihrer persönlichen Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger in der Weise zurücktritt, als sie nur aus künftigen Gewinnen oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen bedient zu werden braucht" (AnschlussförderungsRL 1988 Rn. 2.10.1). Der bisherige modifizierte Forderungsverzicht entfiel.
Die Klägerin beantragte im Jahre 1991 für ihre Mietobjekte ―nach Ablauf des ersten Förderungszeitraums― Zuschüsse im Rahmen der AnschlussförderungsRL 1988. Diese Förderung wurde im Jahr 1991 bewilligt, entsprechend wurde der modifizierte Forderungsverzicht für die Aufwendungsdarlehen aufgehoben. Darauf passivierte die Klägerin in der Bilanz zum 31. Dezember 1991 erstmals (und damit erfolgswirksam) die Verbindlichkeiten aus den Aufwendungsdarlehen des Jahres 1976 in Höhe von … DM.
Nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ―FA―) waren die Aufwendungsdarlehen hingegen bereits in der Anfangsbilanz 1990 als Rückstellung zu passivieren. Jedenfalls aber scheitere die erfolgswirksame Passivierung einer Verbindlichkeit in der Bilanz des Jahres 1991 an § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG), da die Aufwendungsdarlehen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen der Klägerin in der Zeit vor 1990 stünden. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung erließ das FA geänderte Bescheide betreffend Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 1991.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied, zu Unrecht habe das FA das Betriebsergebnis der Klägerin im Streitjahr 1991 durch die Versagung der erfolgswirksamen Passivierung der streitigen Darlehensverbindlichkeit erhöht. Auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 680 abgedruckten Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember des Streitjahres 1991, nicht hingegen bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 1990 eine Verbindlichkeit zur Rückzahlung der erhaltenen Aufwendungsdarlehen zu passivieren hatte. Der erfolgswirksamen Erfassung der Verpflichtung zum 31. Dezember 1991 steht auch § 3c EStG nicht entgegen.
1. Der ―allein streitige― Gewerbeertrag ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich vornehmlich aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB). Nach § 240 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes und in der Bilanz für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres u.a. seine Verbindlichkeiten (Schulden) vollständig auszuweisen. Eine Verbindlichkeit verkörpert eine dem Inhalt und der Höhe nach bestimmte Leistungspflicht, die erzwingbar ist und zudem eine wirtschaftliche Belastung darstellt (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 6. April 2000 IV R 31/99, BFH/NV 2000, 1161; vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126). Ist eine bestehende Verbindlichkeit der Höhe nach ungewiss, ist sie unter den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten i.S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB auszuweisen (BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 77/01, BFHE 204, 135).
2. Am Bilanzstichtag 31. Dezember 1991 bestand eine Verbindlichkeit der Klägerin aus den ihr von der X zuvor gewährten Aufwendungsdarlehen, die nach den Bedingungen der AnschlussförderungsRL 1988 zurückzuzahlen waren. Über die Höhe dieser Rückzahlungsverpflichtung besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
a) Eine betrieblich begründete Verbindlichkeit muss in der Handelsbilanz und Steuerbilanz ausgewiesen werden, solange nicht der Gläubiger dem Schuldner aus betrieblicher Veranlassung die Schuld gemäß § 397 BGB erlässt oder sich ergibt, dass die Verbindlichkeit aus sonstigen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt zu werden braucht (BFH-Urteil vom 30. März 1993 IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502). In Befolgung dieser Grundsätze steht dem Ausweis der streitigen Rückzahlungsverpflichtung nicht entgegen, dass zwischen der Klägerin und der X entsprechend der AnschlussförderungsRL 1988 Rn. 2.10.1 vereinbart worden ist, dass "zur Abwendung einer möglichen Überschuldung im Sinne der handels- und konkursrechtlichen Vorschriften … die X als Gläubigerin mit ihrer persönlichen Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger in der Weise zurücktritt, als sie nur aus künftigen Gewinnen oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen bedient zu werden braucht". Denn ein so vereinbarter Rangrücktritt führt nicht zum Erlöschen der Schuld. Die Klägerin blieb vielmehr unverändert verpflichtet, auch weiterhin die Schuld aus künftig von ihr erwirtschafteten Gewinnen oder ihrem die anderen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen zu bedienen. Damit stellt sich die Rangrücktrittsvereinbarung aus der Sicht der Klägerin als Vereinbarung dar, die lediglich zu einer veränderten Rangordnung, nicht hingegen zu einer Minderung ihrer Verbindlichkeiten insgesamt führte. Diese sind daher weiterhin bilanziell auszuweisen (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1998, § 246 HGB Rn. 129; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 5 Rn. 550, Stichwort "Gesellschafterfinanzierung; Eigenkapitalersatz (3) Rangrücktritt", m.w.N.; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 2004, § 5 EStG Rn. 920, Stichwort "Rangrücktritt", m.w.N.).
Der vereinbarte Rangrücktritt rechtfertigt auch nicht die Annahme, die Verbindlichkeit müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden. Zweck einer Rangrücktrittsvereinbarung wie vorliegend ist regelmäßig, den Ausweis einer Überschuldung im handels- und konkursrechtlichen Sinne zu vermeiden (BFH-Urteil in BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502; Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 9. Februar 1987 II ZR 104/86, Der Betrieb ―DB― 1987, 979). Damit ist die Möglichkeit einer späteren Geltendmachung der Forderung jedenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.
b) Der Passivierung der Verbindlichkeit im Streitfall steht auch nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach Verbindlichkeiten, die nur aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, nicht passiviert werden dürfen (vgl. etwa Urteil vom 14. Juni 1994 VIII R 37/93, BFHE 176, 10, BStBl II 1995, 246; Beschluss vom 10. Oktober 1985 IV B 30/85, BFHE 144, 395, BStBl II 1986, 68, m.w.N.). Denn nach der im Streitfall zu beurteilenden Rangrücktrittsvereinbarung war die Verbindlichkeit nicht nur aus künftigen Gewinnen, sondern unabhängig davon auch aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen zu bedienen (vgl. dazu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 28. April 1997 IV B 2 -S 2137- 38/97, BStBl I 1997, 398). Derartige Verbindlichkeiten belasten somit nicht nur künftige Gewinne, sondern das Vermögen des Schuldners, das nicht zur Befriedigung anderer Gläubiger eingesetzt werden muss. Der Nichtausweis solcher Verbindlichkeiten würde daher gegen das Gebot des vollständigen Ausweises bestehender Risiken (§ 246 Abs. 1 HGB) verstoßen (BFH-Urteil in BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502; vgl. auch Clemm/Ellrott/M. Ring in Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl. 2003, § 247 HGB Rn. 238; Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 246 HGB Rn. 140, m.w.N.). Aus den vorgenannten Gründen stünde einer Passivierung der Verbindlichkeit auch nicht § 5 Abs. 2 a EStG entgegen. Zudem ist diese Bestimmung erst durch Art. 1 Abs. 4 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. Januar 1999 (BGBl I 1999, 2601) ins EStG eingefügt worden und daher für das Streitjahr noch nicht anwendbar.
c) Schließlich steht der Passivierung der streitigen Rückzahlungsverpflichtung in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1991 nicht entgegen, dass diese Verpflichtung gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 II. WoBauG in der "Jahresbilanz" nicht ausgewiesen werden musste. Dieses Passivierungswahlrecht dient, worauf in § 88 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 II. WoBauG (i.d.F. vom 14. August 1990) ausdrücklich hingewiesen wird, dem Ziel, eine bilanzielle Überschuldung im handels- und konkursrechtlichen Sinne zu vermeiden. Es stellt somit ein "negatives" Passivierungswahlrecht im Sinne einer so genannten Bilanzierungshilfe dar, dessen Ausübung den Ausweis eines höheren Betriebsvermögens ermöglicht. Nicht hingegen handelt es sich um das Recht auf Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich zwar zulässig, nicht aber (im Sinne der GoB) geboten ist und dessen Ausübung daher dazu führen würde, den Steuerpflichtigen "ärmer zu machen als er ist" (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) und das daher zu einem Passivierungsverbot in der Steuerbilanz führt. Von diesen Grundsätzen geht auch das FA aus.
3. Anders als in der Bilanz zum 31. Dezember 1991 scheidet eine Passivierung der Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin aus den zuvor gewährten Aufwendungsdarlehen in der ―in die Gewinnermittlung für das Streitjahr 1991 gemäß § 4 Abs. 1 EStG einzubeziehenden― Bilanz zum 31. Dezember 1990 aus. Dies gilt auch für eine Passivierung unter dem Gesichtspunkt einer dem Grunde nach noch ungewissen Verbindlichkeit i.S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB.
a) Während des Jahres 1990 hatte die Klägerin die Anschlussförderung aufgrund der AnschlussförderungsRL 1988 noch nicht beantragt. Vielmehr bestanden die Aufwendungsdarlehen entsprechend den Berliner Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1972 mit den damit verbundenen Bedingungen fort. Im Jahre 1990 unterlagen diese Darlehen neben einem Rangrücktritt somit noch dem zusätzlich vereinbarten modifizierten Forderungsverzicht der X, wonach diese als Gläubigerin "ihre Ansprüche nicht geltend machen wird, soweit und solange die Ertragslage des Objektes bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eine Bedienung der Darlehensforderung nicht ermöglicht". Diese Vereinbarung entspricht, da die weitere Zahlungsverpflichtung der Klägerin davon abhängig war, dass ihre wirtschaftliche Lage die Erfüllung ohne Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebes gestattete ―wie auch das FA einräumt― einem Erlass mit Besserungsabrede (Besserungsschein). Die bestehende Rückzahlungsverpflichtung stellte somit für die Klägerin vor Erzielung ausreichender (Objekt-)Ergebnisse keine wirtschaftliche Last dar und musste zudem nicht aus zum jeweiligen Stichtag vorhandenen Vermögen bedient werden. Dies gilt im Streitfall insbesondere im Hinblick auf die im sozialen Wohnungsbau zu erwartenden geminderten Erträge, auf deren Grundlage davon auszugehen war, dass die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Rückzahlung nicht zu erbringen haben würde. Eine derartige Verpflichtung ist ―vor dem Eintritt der bezeichneten aufschiebenden Bedingung― nicht zu passivieren (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 246 HGB Rn. 148 ff., 150, m.w.N.; Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 5 Rn. 550, Stichworte "Gesellschafterfinanzierung; Eigenkapitalersatz (4) Erlass unter Vorbehalt", m.w.N.; Schreiber in Blümich, a.a.O., § 5 EStG Rn. 920, Stichwort "Besserungsscheine", m.w.N.; Heuer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 5 EStG Anm. 2200, Stichwort "Besserungsscheine"; vgl. auch BFH-Urteile vom 30. Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588; vom 29. Januar 2003 I R 50/02, BFHE 202, 74, BStBl II 2003, 768). Es handelt sich um ein so genanntes "haftungsloses Darlehen" (vgl. Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 2004, § 5 Rn. D 400, Stichwort "Haftungslose Verbindlichkeiten"; vgl. dazu auch BFH-Beschluss in BFHE 144, 395, BStBl II 1986, 68; BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 112/78, BFHE 133, 368, BStBl II 1981, 654). Dieser rechtlichen Beurteilung folgt ausdrücklich auch das FA in der Revisionsbegründung und der Einspruchsentscheidung.
b) Jedenfalls vor Beginn des Streitjahres 1991 war auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Klägerin die Anschlussförderung entsprechend der AnschlussförderungsRL 1988 mit der Folge des Wegfalls des modifizierten Forderungsverzichts in Anspruch nehmen würde. Dazu hat das FG festgestellt, dass die Klägerin ihrerseits jedenfalls zum Zeitpunkt der Erstellung der Anfangsbilanz 1990 nicht wissen konnte, ob sie einen dahin gehenden Antrag stellen würde. Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Für die Richtigkeit dieser Feststellung spricht im Übrigen, dass mit der Anschlussförderung weitere Belegungs- und Mietbindungen hinsichtlich der vermieteten Wohnungen verbunden waren, die marktgerechte Sanierungen, wirtschaftliche Vermietungen und eventuelle Veräußerungen unmöglich machen können. Weiterhin war über einen von der Klägerin zu stellenden Antrag auf Anschlussförderung vom Bewilligungsausschuss zu entscheiden, wobei der Prüfung eine fortgeschriebene Wirtschaftlichkeits- und Lastenberechnung zugrunde zu legen war. Daher war für die Klägerin, wie das FG ebenfalls festgestellt hat, jedenfalls während des Jahres 1990 und selbst zum Zeitpunkt der späteren tatsächlichen Antragstellung im Jahre 1991 nicht absehbar, ob darüber positiv entschieden werden würde.
c) Eine Entschließung der Klägerin zur Antragstellung, umso mehr eine folgende Bewilligung der Anschlussförderung durch den Bewilligungsausschuss könnte selbst dann nicht auf den Bilanzstichtag zum 31. Dezember 1990 zurückbezogen werden, wenn diese ―was der Vorentscheidung nicht zu entnehmen ist― im Jahre 1991 vor dem Tage der Erstellung der Bilanz für 1990 erfolgt sein sollten.
Bei beiden würde es sich nämlich jeweils um einen wertbegründenden, nicht hingegen einen Umstand handeln, der die Verhältnisse zum Stichtag lediglich rückwirkend aufhellt (vgl. zur Abgrenzung BFH-Urteil vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688) und als solcher auf den Stichtag zurückzubeziehen wäre.
d) Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich im Übrigen auch in der von der Klägerin gemäß § 13 Abs. 2 KStG zum 1. Januar 1990 (nach Wegfall ihrer Steuerbefreiung) zu erstellenden Anfangsbilanz gemäß § 13 KStG kein Ansatz der Verpflichtung, der ―was der Senat allerdings nicht zu entscheiden braucht― u.U. in Befolgung der Grundsätze der Bilanzstetigkeit in der Folgebilanz zum 31. Dezember 1990 fortzuführen wäre. Der Regelung des § 13 KStG ist nämlich nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei ihrer Anwendung von den allgemeinen Vorschriften für die Aktivierung und Passivierung von Wirtschaftsgütern dem Grunde nach abweichen wollte. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 7/1470, S. 174, 345, 346; 7/5310, S. 12; vgl. BFH-Urteil vom 9. August 2000 I R 69/98, BFHE 192, 529, BStBl II 2001, 71).
4. Der (erfolgswirksamen) Passivierung der Verpflichtung zum 31. Dezember 1991 steht auch nicht § 3c EStG entgegen.
a) Danach dürfen Ausgaben nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Einen derartigen Zusammenhang erblickt das FA zwischen dem Aufwand infolge der Rückstellungsbildung durch die Klägerin zum 31. Dezember 1991 und den der Klägerin (während der Zeit ihrer Steuerbefreiung bis einschließlich 1989) zugeflossenen Beträgen aus den Aufwendungsdarlehen.
b) Zwar folgt der Senat dem FA insoweit, als steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3c EStG auch solche sein können, die während der Zeit einer Steuerbefreiung zugeflossen sind (vgl. z.B. Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 3c Rn. 1; Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 3c EStG Anm. 45), und "Ausgaben" i.S. des § 3c EStG auch (lediglich buchmäßigen) Aufwand infolge der Einstellung eines Passivpostens umfassen, nachdem damit künftige Ausgaben antizipiert werden (vgl. z.B. Erhard in Blümich, a.a.O., § 3c EStG Rn. 27; Birk/Jahndorf in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 3c EStG Anm. 52).
Hingegen hält der Senat bereits für zweifelhaft, ob der vom FA erblickte unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den bezeichneten Ausgaben und "Einnahmen" bejaht werden kann. Für einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang i.S. des § 3c EStG ist nämlich zu fordern, dass die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (BFH-Urteile vom 28. Mai 1998 X R 32/97, BFHE 186, 275, BStBl II 1998, 565; vom 11. Oktober 1989 I R 208/85, BFHE 158, 388, BStBl II 1990, 88). Dies erfordert eine klar abgrenzbare Beziehung zwischen diesen Tatbestandsmerkmalen (BFH-Urteile vom 9. November 1976 VI R 139/74, BFHE 120, 491, BStBl II 1977, 207; vom 24. August 1995 IV R 27/94, BFHE 178, 359, BStBl II 1995, 895; Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 3c Rn. 2; Erhard in Blümich, a.a.O., § 3c EStG Rn. 31) im Sinne einer unlösbaren wirtschaftlichen Verbindung (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22. April 1998 I R 83/96, BFHE 186, 200, BStBl II 1998, 698), somit eine Verknüpfung ohne das Dazwischentreten anderer Ursachen (vgl. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3c Rn. B 26; ders. in Kirchhof, a.a.O., 4. Aufl., § 3c Rn. 13), die zudem konkret feststellbar sein muss (BFH-Urteil vom 29. Januar 1986 I R 22/85, BFHE 146, 132, BStBl II 1986, 479). Ein für die Anwendung des § 3c EStG nicht ausreichender lediglich mittelbarer Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen besteht daher u.a., wenn Ausgaben auch und nicht aufteilbar im Zusammenhang mit nicht steuerfreien Einnahmen stehen (BFH-Urteil vom 29. Mai 1996 I R 167/94, BFHE 180, 415, BStBl II 1997, 60; vgl. auch Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 3c EStG Anm. 60).
Bezogen auf den Streitfall wird daher u.a. die Meinung vertreten, dass die "Ausgabe" in Gestalt der Passivierung der Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin unbeschadet der Tatsache, dass diese inhaltlich auf die (bedingte) Rückzahlung früher steuerfrei vereinnahmter Beträge gerichtet ist, dennoch wirtschaftlich unmittelbar aus der von der Klägerin nachfolgend im Jahre 1991 beanspruchten Anschlussförderung mit dem Ziel der (steuerwirksamen) Vereinnahmung weiterer Zuschüsse und deren Verwendung zur Finanzierung von Aufwendungen im Zusammenhang mit der weiteren steuerpflichtigen Vermietung des begünstigten Wohnraums folgt (vgl. Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 3c EStG Anm. 90, Stichwort "Aufwendungsdarlehen"). Die Passivierungspflicht entsteht gerade aufgrund des mit der Anschlussförderung verbundenen Wegfalls des modifizierten Forderungsverzichts. Der Senat braucht allerdings nicht abschließend zu entscheiden, ob er dieser Auffassung zustimmt.
c) Jedenfalls folgt er der Auffassung des FG, wonach der Klägerin mit der ursprünglichen Gewährung der Aufwendungsdarlehen keine Einnahmen zugeflossen sind. Einnahmen i.S. des § 3c EStG sind im allgemeinen Sinne der §§ 8, 11 Abs. 1 und 4 Abs. 3 EStG alle Wirtschaftsgüter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart des § 2 Abs. 1 EStG zufließen (vgl. Erhard in Blümich, a.a.O., § 3c EStG Rn. 21). Allerdings muss es sich um derzeitige oder zukünftige Vermögensmehrungen handeln (Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 3c Rz. 11). An letzterer Voraussetzung fehlt es im Falle von Darlehensaufnahmen. Denn trotz des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergangs an den Zahlungsmitteln begründet deren Zufluss keinen endgültigen Geldzugang, der als Mehrung des Betriebsvermögens gewinnerhöhend berücksichtigt werden könnte; ihm steht vielmehr eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber. Diese Grundsätze gelten bereits für den Fall einer Gewinnermittlung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG, der das Zufluss-/Abflussprinzip des § 11 EStG zugrunde zu legen ist, und umso mehr für eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich i.S. des § 4 Abs. 1 EStG. Einem Darlehensnehmer fließt somit infolge der Darlehensaufnahme allein keine Einnahme zu (vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1969 I R 94/67, BFHE 97, 76, BStBl II 1970, 44; vgl. auch H 16 (2) des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuches ―EStH―, Stichwort "Darlehen"), wie auch ein Geldabgang im Wege einer Darlehenshingabe als solcher keine Betriebsausgabe begründet (BFH-Urteil vom 2. September 1971 IV 342/65, BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334).
Zu einer abweichenden Beurteilung führt nicht der Umstand, dass die Klägerin die Aufwendungsdarlehen in ihren Bilanzen der Jahre vor dem Streitjahr nicht passiviert hat. Daraus ist nämlich nicht zu folgern, dass die Darlehensverbindlichkeiten nicht bestanden hätten. Weder der Rangrücktritt der X, noch der von ihr erklärte "modifizierte Forderungsverzicht" haben zum Erlöschen ihrer Darlehensforderung geführt. Dies wird, worauf das FG zu Recht hinweist, dadurch bestätigt, dass die Klägerin aufgrund der späteren Anschlussförderung im Jahre 1991 zum bilanziellen Ausweis der zuvor begründeten Darlehensverpflichtungen verpflichtet wurde. Folge des modifizierten Forderungs"verzichts" war vielmehr lediglich, dass die Rückzahlungsverpflichtung für die Klägerin (zeitweise) keine wirtschaftliche Last darstellte. Nicht hingegen kam ihm die Wirkung eines "zweifelsfreien und endgültigen" Verzichts der X auf ihre Darlehensforderung mit zivilrechtlicher Wirksamkeit zu. Dies aber wäre für den Zufluss einer Einnahme der Darlehensbeträge bei der Klägerin erforderlich gewesen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334).
5. Nach alledem hat die Klägerin den von ihr erklärten Gewerbeertrag für das Streitjahr 1991 zutreffend ermittelt. Die Revision des FA war daher zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1301163 |
BFH/NV 2005, 428 |
BStBl II 2005, 581 |
BFHE 2005, 295 |
BFHE 207, 295 |
BB 2005, 313 |
BB 2005, 545 |
DB 2005, 259 |
DB 2007, 13 |
DStR 2005, 186 |
DStRE 2005, 240 |
DStZ 2005, 166 |
DStZ 2005, 93 |
HFR 2005, 211 |