Leitsatz (amtlich)
Hat ein Arbeitnehmer Anzahlungen für einen Pkw geleistet, die vom Verkäufer veruntreut wurden, so ist der dadurch entstandene Geldverlust nicht zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu rechnen, weil das Kfz zu den Wirtschaftsgütern gehört, bei denen erst die tatsächliche Verwendung eine Abgrenzung zwischen Aufwendungen für die Lebensführung und Werbungskosten zuläßt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist angestellter Reisevertreter der Firma X-GmbH. Seine Geschäftsreisen führt er mit eigenem Pkw durch. Die Privatnutzung seines Kraftfahrzeuges betrug im Streitjahr 1971 10 % der gesamten Fahrleistung. Der Kläger wollte sich in diesem Jahr einen neuen Pkw anschaffen. Er zahlte vor Lieferung des Wagens 7 433 DM an, die der Händler veruntreute. Ein Kraftwagen wurde nicht geliefert, die Vollstreckungsversuche des Klägers gegen den Veruntreuer blieben ohne Erfolg.
Im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1971 begehrte der Kläger, die verlorene Anzahlung steuerlich zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) entsprach dem Antrag nicht. Die Aufwendungen des Klägers seien weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastung. Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage im wesentlichen Erfolg.
Das FG bejahte den Werbungskostencharakter der veruntreuten Anzahlung. Bei den gegebenen Verhältnissen habe es sich bei dem Kraftfahrzeug um ein Arbeitsmittel des Klägers gehandelt. Nach der Entscheidung des Großen Senats (Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) seien deshalb die Ausgaben für die Beschaffung des Wagens als Werbungskosten anzusehen. Das müsse auch für die Beträge gelten, die der Kläger "vergeblich" aufgewendet habe. Wenn nämlich ein Kraftwagen eindeutig wegen der beruflichen Tätigkeit angeschafft werde, dann seien bei Nichterfüllung des Kaufvertrags die vergeblichen Aufwendungen in gleichem Maß beruflich. bedingt. Das FA könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidungen des BFH vom 17. April 1964 VI 112/63 U (BFHE 79, 415, BStBl III 1964, 383) und vom 3. August 1964 VI 114/63 U (BFHE 80, 226, BStBl III 1964, 556) berufen. Sie beträfen Aufwendungen für die nicht verwirklichte Planung von Miethäusern und seien zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergangen. Im Streitfall gehe es aber nicht um Aufwendungen für einen Vermögensgegenstand und dessen späteren Einsatz als Einkunftsquelle, sondern um Ausgaben im Zusammenhang mit einem, bereits bestehenden Arbeitsverhältnis. Dem FA könne auch nicht darin gefolgt werden, daß die strittigen Aufwendungen steuerlich deshalb nicht berücksichtigt werden könnten, weil der Personenwagen eines Arbeitnehmers zu seinem Privatvermögen gehöre. Diese Ausführungen lägen neben der Sache; denn zwischen Privat- und Betriebsvermögen könne nur bei gewinnbezogenen Einkünften unterschieden werden. Auch der Hinweis auf das BFH-Urteil vom 7. Februar 1964 VI 201/62 S (BFHE 79, 51, BStBl III 1964, 251) gehe fehl, weil in dem dort entschiedenen Fall der Kraftwagen kein Arbeitsmittel gewesen sei. Schließlich sei es unerheblich, daß der Arbeitnehmer bei der Veräußerung eines beruflich genutzten Kraftfahrzeugs keine steuerpflichtigen Einnahmen erziele. Abschnitt 21 Abs. 6 LStR gebe für den Streitfall nichts her. Da jedoch die Aufwendungen des Klägers wegen der privaten Nutzung des Pkw nur zu 9/10 als Werbungskosten in Form der AfA nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 LStDV (§ 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 1 EStG) zu berücksichtigen gewesen wären, könnten sie auch im Jahr des Verlustes nur mit 9/10 angesetzt werden.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9, 12 EStG (§ 20 LStDV). Nur die tatsächliche Verwendung des angeschafften Wirtschaftsguts lasse im Einzelfall die Abgrenzung von Betriebsvermögen bzw. Werbungskosten und Aufwendungen der privaten Lebensführung zu. Geldbeträge, die ein Arbeitnehmer beruflich vereinnahmt habe oder für berufliche Aufwendungen zur Verfügung stelle, gehörten zu seinem Privatvermögen. Auch bei einem Arbeitnehmer sei zwischen Arbeitsmitteln und Wirtschaftsgütern des Privatvermögens zu unterscheiden. Es sei anerkannt, daß Geldverluste steuerlich nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn ihre Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen in eindeutiger, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechender Weise klargestellt sei. Dafür reiche die betriebliche Veranlassung der Ausgabe nicht aus. Anders sei es bei eindeutigen vorweggenommenen Werbungskosten eines Arbeitnehmers, wie Ausgaben für Stellenanzeigen, Bewerbungsunterlagen und dergleichen. Wenn man den Verlust von Geld zum Werbungskostenabzug zulassen würde, könne man einen steuerlichen Mißbrauch nicht verhindern.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Es ist davon auszugehen, daß der Kläger durch die Veruntreuung des Autohändlers einen Geldverlust erlitten hat, selbst wenn seine Aufwendungen bereits im Zusammenhang mit der Anschaffung eines bestimmten Wirtschaftsgutes standen. Geldverluste eines Arbeitnehmers sind in der Regel dem privaten Lebensbereich (§ 12 Nr. 1 EStG) zuzuordnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Grundsatzentscheidung des erkennenden Senats vom 2. März 1962 VI 79/60 S (BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192), die zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ergangen ist. Wertaufopferungen sind nur dann Werbungskosten, wenn sie im Zusammenhang mit der Beschädigung oder dem Verlust von Wirtschaftsgütern innerhalb des beruflichen Bereichs oder mit Gesundheitsschäden des Arbeitnehmers in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit stehen.
Dem FG ist darin zu folgen, daß bei einem Arbeitnehmer nicht zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen unterschieden werden kann. Betriebsvermögen ist begrifflich nur bei Einkunftsarten denkbar, bei denen der Gewinn besteuert wird. Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß Betriebsausgaben und Werbungskosten von den Kosten der Lebenshaltung nach den gleichen Grundsätzen abzugrenzen sind (Urteil vom 21. Juli 1967 VI R 307/66, BFHE 89, 520, BStBl III 1967, 734). Dies betrifft aber nur die Abgrenzung im Bereich der §§ 4 Abs. 4, 9 zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Die sonst unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften und Arbeitnehmern verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (BFH-Urteil vom 8. November 1963 VI 43/63 U, BFHE 78, 96, BStBl III 1964, 36).
Es kann dahinstehen, ob das Gericht den Pkw des Klägers zu Recht als Arbeitsmittel angesehen hat; denn diese Würdigung kann sich nur auf einen bereits vorhandenen und vom Kläger benutzten Wagen beziehen, nicht aber auf ein Fahrzeug, für das die verlorenen Aufwendungen bestimmt waren, um deren steuerliche Berücksichtigung es geht. Wenn Aufwendungen zur Anschaffung eines Wirtschaftsguts führen, kann nur in seltenen Fällen aus der Art des Wirtschaftsguts bereits die Feststellung getroffen werden, daß das Wirtschaftsgut auch beruflich genutzt werden wird und die Anschaffungskosten später zum Teil als Werbungskosten berücksichtigt werden können, denn die Regelung in § 9 EStG stellt entscheidend auf den Verwendungszweck ab (Beschluß GrS 2/70). Der Senat braucht daher nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und in welchen Fällen bereits aus der Aufwendung für die Anschaffung eines Wirtschaftsguts auf seine Eigenschaft als Arbeitsmittel des Arbeitnehmers geschlossen werden kann. Bei einem Kraftfahrzeug ist jedenfalls ein derartiger Ausnahmefall nicht gegeben. Hier kommt es auf den Einzelfall, also auf die tatsächliche spätere Verwendung des Wirtschaftsgutes, an. Bei dem Kläger konnten sich danach die Kosten, die dem Besitz und der Verwendung des Wagens vorausgingen, nicht als Werbungskosten auswirken, so daß der Verlust der Anzahlung zum Vermögensbereich des Klägers gehört.
Fundstellen
Haufe-Index 71450 |
BStBl II 1975, 641 |
BFHE 1975, 469 |