Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuerpflicht von Studentenappartements
Leitsatz (NV)
1. Ein Einzelappartement in einem Studentenwohnheim mit einer Gesamtfläche von 30 qm, bestehend aus einem ca. 25 qm großen Wohn-/Schlafraum mit Küchenecke sowie Flur und Bad mit Toilette, das durch eine Abschlußtür von anderen Räumen getrennt ist, stellt eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG dar.
2. Ein in einem Studentenwohnheim gelegenes Zwei-Zimmer-Appartement, bestehend aus zwei ca. 11 qm großen Wohn-/Schlafräumen, einem Flur mit Kochecke und einem Sanitärraum mit Dusche und Toilette, das durch eine Flurabschlußtür von anderen Räumen getrennt ist, ist auch dann als Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG anzusehen, wenn es an zwei Studenten getrennt vermietet wird.
Entsprechendes gilt für baulich abgeschlossene Drei-Zimmer-Appartements (bestehend aus drei Wohn-/Schlafräumen, einem gemeinsamen Gruppenwohnraum, Flur, Küchenraum, Badezimmer mit Toilette) und Vier-Zimmer-Appartements (bestehend aus vier Wohn-/Schlafräumen, Flur, Küchenraum und Bad mit Toilette).
Normenkette
GrStG § 5 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete 1983 auf ihrem Grundstück in X ein Studentenwohnheim, das Appartements unterschiedlicher Größe sowie eine Hausmeisterwohnung enthält.
Die Einzelappartements bestehen aus einem ca. 25 qm großen Wohn-/Schlafraum mit Küchenecke, Flur und Bad mit Toilette. Ihre Gesamtfläche beträgt ca. 30 qm. Sie sind durch eine Wohnungsabschlußtür von anderen Räumen getrennt.
Die Zwei-Zimmer-Appartements haben zwei getrennte, jeweils ca. 11 qm große Wohn-/ Schlafräume. Beide Räume sind über einen gemeinsamen Flur zu erreichen, der über eine Flurabschlußtür von anderen Räumen getrennt ist. Im Flur befindet sich eine gemeinsame Kochecke. Die Zwei-Zimmer-Appartements verfügen außerdem über einen Sanitärraum mit Dusche und Toilette. Ihre Gesamtgröße beträgt ebenfalls rd. 30 qm.
Die Drei-Zimmer-Appartements umfassen drei getrennte, jeweils ca. 12 qm große Wohn-/Schlafräume, einen gemeinsamen Gruppenwohnraum, einen Flur, einen Küchenraum und ein Badezimmer mit Toilette. Auch die Drei-Zimmer-Appartements, deren Gesamtfläche etwa 55 qm beträgt, sind durch eine Abschlußtür vom Treppenhaus aus zu betreten.
Die Vier-Zimmer-Appartements haben vier, jeweils ca. 12 qm große Wohn-/Schlafräume, einen Flur mit Aufenthaltsraum und Eßecke, einen Küchenraum sowie ein Bad mit Toilette. Auch diese Appartements sind baulich abgeschlossen und durch eine gemeinsame Abschlußtür zu erreichen. Ihre Gesamtwohnfläche beträgt ca. 78 qm.
Mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1984 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Grundstücksart Mietwohngrundstück und den Einheitswert auf ... DM fest. Dabei berücksichtigte das FA sämtliche Appartements und die Hausmeisterwohnung.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, daß sie unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolge und deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG) grundsätzlich von der Grundsteuer befreit sei. Grundsteuer falle gemäß § 5 Abs. 2 GrStG nur insoweit an, als sie auf dem Grundstück Wohnungen unterhalte. Das treffe lediglich in bezug auf die Hausmeisterwohnung, nicht hingegen hinsichtlich der Appartements zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u.a. aus: Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung stellten die Appartements Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG dar. Deren Größe reiche für die Annahme einer Wohnung aus, da sie eine Fläche von mehr als 25 qm aufwiesen. Bei der Ermittlung der Wohnfläche sei nicht allein auf die einzelnen Wohn-/Schlafräume abzustellen. Nach der Verkehrsauffassung sei vielmehr das gesamte Appartement als Wohnung anzusehen, auch wenn es mehrere abschließbare Zimmer umfasse und von mehreren, nicht einander nahestehenden Personen bewohnt werde. Entscheidend sei insoweit allein, ob nach der baulichen Gestaltung die Führung eines selbständigen Haushalts möglich sei. Auf die Anzahl der geführten Haushalte und die Belegung komme es nicht an (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Mai 1990 II R 139/86, BFH/NV 1991, 268).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die streitbefangenen Appartements sind nicht schon deswegen von der Grundsteuer befreit, weil die Klägerin nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt und der Grundbesitz unmittelbar für diese Zwecke verwendet wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG). Dient nämlich Grundbesitz - wie im Streitfall die Appartements - zugleich Wohnzwecken, so ist er kraft ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 1 GrStG grundsätzlich grundsteuerpflichtig. Ausgenommen sind lediglich die in § 5 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 GrStG angeführten Gemeinschaftsunterkünfte und Räume. Hierzu gehören zwar auch Wohnräume unter der Voraussetzung, daß der steuerbegünstigte Zweck i.S. des § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 oder 4 GrStG nur durch ihre Überlassung erreicht werden kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG). Wohnungen sind jedoch kraft ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig (BFH-Urteile vom 30. April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671; vom 11. Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306; in BFH/NV 1991, 268).
a) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die streitigen Appartements Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG darstellen. Das GrStG definiert den Begriff Wohnung ebensowenig wie das Bewertungsgesetz. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum Bewertungsrecht ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist für Bewertungsstichtage ab 1. Januar 1974 erforderlich, daß die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden. Es muß ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem ist grundsätzlich erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie eine Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151).
Für den Begriff der Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG gilt diese typologische Umschreibung entsprechend (BFH in BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671, unter 2.; in BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306, 307; BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 II R 182/87, BFHE 160, 335, BStBl II 1990, 705, 706; in BFH/NV 1991, 268, 269).
b) Unter Beachtung der unter 1. a) dargelegten Grundsätze sind die streitbefangenen Appartements als Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG anzusehen. Dies gilt für die Einzelappartements in gleicher Weise wie für die Zwei-, Drei- und Vier-Zimmer-Appartements.
Die Einzelappartements überschreiten mit einer Gesamtfläche von 30 qm die für den bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Begriff der Wohnung in Appartementhäusern (z.B. Studentenwohnheimen) erforderliche Mindestfläche von 20 qm (vgl. Senatsurteil in BFHE 160, 335, BStBl II 1990, 705) erheblich. Sie verfügen darüber hinaus über sämtliche, für eine Appartementwohnung erforderlichen Merkmale und Einrichtungen, namentlich über einen hinreichenden baulichen Abschluß (Wohnungsabschlußtür), eine Küchenecke und ein Bad mit Toilette.
Auch die Zwei-Zimmer-Appartements erfüllen die Anforderungen an eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG. In seinem Urteil in BFH/NV 1991, 268 hat der erkennende Senat entschieden, daß Zwei-Zimmer-Studentenappartements mit einer Größe von knapp 30 qm, bestehend aus zwei Räumen, einer Kochnische und einem WC/Duschraum Wohnungen im grundsteuerrechtlichen Sinne darstellten. Der hier zu beurteilende Sachverhalt liegt ähnlich und ist deshalb in gleicher Weise zu entscheiden. Hier wie dort sind die Zwei-Zimmer-Appartements vom Vermieter in der Weise an jeweils zwei Studenten überlassen worden, daß je ein Zimmer unter gleichzeitiger gemeinsamer Nutzungsmöglichkeit von Küchenzeile und Bad/WC vermietet wurde.
Zu Unrecht folgert die Klägerin aus dem Umstand, daß die Türen der beiden Wohn-/ Schlafräume der Zwei-Zimmer-Appartements mit verschiedenen Schlössern versehen sind und sich jeweils zwei - meist einander nicht nahestehende - Studenten ein Appartement teilen, daß die in Rede stehenden Appartements nicht zu einer Wohneinheit zusammengefaßt werden könnten. Schon im Urteil in BFH/NV 1991, 268 hat der Senat darauf hingewiesen, daß es nicht von der tatsächlichen Belegung abhängen könne (z.B. von dem Umstand, ob das Appartement an ein Studentenehepaar oder an zwei nicht einander nahestehende Studenten überlassen werde), ob eine Wohnzwecken dienende Wohneinheit eine Wohnung darstelle oder nicht. Entscheidend ist vielmehr - worauf schon das FG zutreffend hingewiesen hat - die bauliche Gestaltung, die eine Zusammenfassung aller Räumlichkeiten des Zwei-Zimmer-Appartements zu einer Wohneinheit erfordert. Angesichts dieser gebotenen Zusammenfassung beider Wohn-/Schlafräume zu einer Wohneinheit mit gemeinsamen Duschbad/WC und gemeinschaftlichem Flur einschließlich Kochecke kommt es für das Vorhandensein der erforderlichen Mindestwohnfläche entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht auf die Größe des einzelnen Wohn-/Schlafraums, sondern auf die Gesamtwohnfläche des Appartements an. Die Tatsache, daß die Nutzungsmöglichkeiten der einzelnen Bewohner des Appartements auf ihr jeweiliges Zimmer und die gemeinsame Nutzung der Kochecke und der sanitären Einrichtungen beschränkt ist, beruht auf (einzel-)vertraglichen Bestimmungen, berührt aber nicht die steuerliche Erfassung der Wohneinheit als Ganzes. Denn diese steuerliche Einordnung ist dem Parteiwillen entzogen und richtet sich nach der objektiven Beschaffenheit der Wohneinheit (Senatsurteil in BFH/NV 1991, 268, 269). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung sind nach den Anschauungen des Verkehrs nicht nur solche Wohneinheiten als Wohnungen im bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Sinne anzusehen, die in jeder Hinsicht den modernen bauordnungsrechtlichen Vorstellungen und Bestimmungen entsprechen. Der bewertungs- und grundsteuerrechtliche Wohnungsbegriff ist ein spezifisch steuerrechtlicher Typus und deshalb nach den eigenständigen steuerrechtlichen Prinzipien, Zwecken und Zielsetzungen und nicht nach dem Sinn und Zweck anderer Teilrechtsordnungen (z.B. des Bauplanungsrechts, Bauordnungsrechts, Wohnungsbaurechts) auszulegen (vgl. auch Senatsurteil vom 24. April 1991 II R 2/89, BFHE 164, 455, BStBl II 1991, 683 unter II. 1.). Vorschriften anderer Rechtsgebiete, etwa solche des Bauordnungs- und Wohnungsbaurechts, sind für die typologische Bestimmung des bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Wohnungsbegriffs nur dann und insoweit von Bedeutung, wenn (als) sie nach der Verkehrsauffassung als essentielle Merkmale einer Wohnung auch im Steuerrecht Geltung beanspruchen. Dementsprechend hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 164, 455, BStBl II 1991, 683 (unter II. 1.) darauf hingewiesen, daß ebenso wie der bauordnungsrechtliche auch der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff voraussetze, daß die betreffenden Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet seien. Verweigere daher die zuständige Behörde mangels einer solchen Eigenschaft der zu Wohnzwecken vorgesehenen Räume die Baugenehmigung, so könnten diese Räume in der Regel auch bewertungsrechtlich nicht als Wohnung anerkannt werden.
Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor. Die Klägerin hat selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Baugenehmigung für die Errichtung des Studentenwohnheims erteilt wurde.
Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß das Fehlen einer (als solche voll eingerichteten) Küche insbesondere bei den hier zu beurteilenden Kleinwohnungen (Zwei-Zimmer-Appartements) die Annahme einer Wohnung im bewertungsrechtlichen und grundsteuerrechtlichen Sinne nicht hindert. Es genügt der - hier vorhandene - Raum mit Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen. Ebensowenig schließt es die Annahme einer Wohnung im Sinne des Bewertungs- und des Grundsteuergesetzes bei den hier in Rede stehenden Appartements aus, daß ein Abstellraum in einer bestimmten Mindestgröße (vgl. § 26 Abs. 1 der Allgemeinen Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1987, 29, 37) nicht zur Verfügung steht.
Die vorstehenden Erwägungen gelten in gleicher Weise auch für die Drei- und Vier-Zimmer-Appartements.
Der Annahme von Wohnungen im bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Sinne steht es nach der Verkehrsauffassung nicht entgegen, daß die Appartements nur möbliert vermietet wurden. Abgesehen davon, daß die Vermietung von Kleinwohnungen auch außerhalb von Studentenwohnheimen - insbesondere in Appartementhäusern - nichts Ungewöhnliches bedeutet, betrifft dieser Umstand wiederum lediglich die individuellen (änderbaren) vertraglichen Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter, nicht hingegen die (maßgebliche) objektive (bauliche) Gestaltung und Beschaffenheit der Wohneinheit.
Fundstellen
Haufe-Index 419334 |
BFH/NV 1994, 410 |