Leitsatz (amtlich)
1. Willigt ein ausübender Künstler gegenüber einem inländischen Schallplattenhersteller darin ein, daß seine Darbietungen auf Tonträger aufgezeichnet und mechanisch (zum Zwecke des Vertriebs) vervielfältigt werden (§ 75 UrhG), so erbringt der ausübende Künstler eine einheitliche sonstige Leistung in Form der Duldung fremder Rechtsausübung. Leistungsort ist der Sitz des Schallplattenherstellers, mit dem der ausübende Künstler in vertragliche Beziehungen getreten ist.
2. Bei dieser rechtlichen Beurteilung verbleibt es, wenn der ausübende Künstler (statt einer Einwilligung in die Vervielfältigung) das Recht auf Vervielfältigung an den Schallplattenhersteller abtritt (§ 78 UrhG).
Normenkette
UStDB 1951 § 7
Tatbestand
Die Klägerin (A-GmbH) ist ein inländisches Unternehmen der Schallplattenindustrie, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Schallplatten beschäftigt. Sie hat im zweiten Halbjahr 1965 Schallplatten auch an ausländische Abnehmer geliefert. Das Finanzamt (Beklagter) hatte zunächst antragsgemäß Ausfuhrvergütung bei einer Bemessungsgrundlage gewährt, welche die an ausübende Künstler gezahlten Gebühren in Höhe von 158 412 DM einschloß.
Diese Gebührenzahlungen beruhten auf Leistungen ausübender Künstler, die auf der Grundlage von sogenannten Standardverträgen bei Schallplattenaufnahmen der Klägerin im Inland mitgewirkt hatten. In diesen Verträgen heißt es u. a. :
§ 1
Vertragsgegenstand
...
(2) Gegenstand dieses Vertrages ist die Herstellung von Schallaufnahmen mit Darbietungen des Künstlers und die Übertragung aller Rechte, die der Künstler für Schallaufnahmen während der Vertragsdauer erwirbt.
§ 2
Ausschließlichkeit
(1) Der Künstler überträgt der A-GmbH - und mittelbar deren Vertragspartnern im Rahmen von Matrizenüberlassungsverträgen - ohne Einschränkung und für alle Länder der Welt seine sämtlichen Urheber-, Leistungsschutz- und sonstigen Rechte, die er während der Vertragsdauer durch seine Darbietungen an Schallaufnahmen erwirbt. Er räumt der A-GmbH mithin das ausschließliche übertragbare und in bezug auf künftige Nutzungsarten nicht beschränkte Recht ein, die Aufnahmen seiner Darbietungen in der ganzen Welt in jeder beliebigen Weise und unter jeder beliebigen Marke zu verwerten, die der A-GmbH selbst oder einer mit ihr in Geschäftsverbindung stehenden Firma gehört. Diese Übertragung umfaßt auch die Rechte, die durch seine Darbietungen bei etwaigen Schallaufnahmen Dritter entstehen.
...
Das Finanzamt hat, nachdem es von diesem Vorgang aufgrund einer Betriebsprüfung Kenntnis erlangt hatte, die gewährte Ausfuhrvergütung teilweise zurückgefordert. Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. März 1966 V 7/63 (BFHE 85, 257, BStBl III 1966, 302) vertrat es den Standpunkt, daß die ausübenden Künstler die Vervielfältigung und Verbreitung ihrer Darbietungen vermittels Tonträger erlaubt hätten, diese beiden Leistungen gleichwertig nebeneinander stünden, die Gewährung der Verbreitung jedoch eine im Ausland erbrachte Leistung sei und somit die auf die Hälfte der Gebühren gezahlte Ausfuhrvergütung als Auslandskosten im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1951 (UStG 1951) zurückzuzahlen sei.
Das Finanzgericht hat den Rückforderungsbescheid des Finanzamts antragsgemäß ersatzlos aufgehoben. Nach seiner Ansicht sind die Leistungen der ausübenden Künstler ein einheitliches Ganzes gewesen, dessen wirtschaftlicher Gehalt durch das Urheberrecht bestimmt werde. Im Hinblick auf die §§ 73 ff. des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) habe die Leistung der ausübenden Künstler in der Duldung der Rechtsausübung durch die Klägerin bestanden. Bei Annahme einer einheitlichen Duldungsleistung seien Gründe für eine Entgeltsaufteilung nicht ersichtlich. Ort der Duldungsleistung sei das Inland, da hier das für beide Vertragsparteien urheberrechtlich und wirtschaftlich maßgebliche Recht der Vervielfältigung der auf Tonträger genommenen Darbietungen ausgewertet worden sei.
Die Revision des Beklagten rügt Verletzung des § 7 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1951 (BGBl I 1951, 796, BStBl I 1951, 482). Das Finanzgericht habe zu Unrecht die Vereinbarungen der Vertragsparteien beiseitegeschoben. Diese Verträge ergäben, daß die Klägerin im Regelfall (abgesehen vom Fall des Einmalhonorars bei Titel-Honorarverträgen) lediglich für die Gewährung des Vertriebs ein Lizenzhonorar zu zahlen gehabt habe. Damit hätten die Vertragsparteien für Inhalt und Ort der Leistungen der ausübenden Künstler einen vom Urheberrecht abweichenden wirtschaftlichen Schwerpunkt gesetzt. Gehe man auf der Grundlage des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 17. Juli 1969 V 93/65 (BFHE 96, 434, BStBl II 1969, 693) von einer einheitlichen sonstigen Leistung der ausübenden Künstler aus, hätten diese beim Schallplattenexport im Ausland geleistet.
Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie sieht den Schwerpunkt der Leistungen ausübender Künstler in der Darbietung, die bewußt und ausschließlich zum Zwecke der Aufnahme und Vervielfältigung erfolge, da auf diesem Wege die Darbietung (ohne sonst notwendige Wiederholungen) einem breiten Publikum zugänglich gemacht und auf diese Weise wirtschaftlich optimal verwertet werden könne. Insoweit verbänden sich die wirtschaftlichen Interessen von Künstler und Schallplattenproduzent. Wirtschaftlich betrachtet liege somit seitens des ausübenden Künstlers der exklusive Verkauf einer einmaligen Darbietung und (als Nebenleistung) aller damit etwa verknüpften Rechte an den Schallplattenhersteller vor. Dies sei eine durch positives Tun vollzogene sonstige Leistung, die am Ort der Darbietung erbracht werde. Folge man dieser Auffassung nicht und wolle man der Übertragung der Urheberrechte das entscheidende wirtschaftliche Gewicht beimessen, ergebe die Urheberrechtslage ebenfalls eine im Inland belegene sonstige Leistung des ausübenden Künstlers. Er habe danach nur die Herstellung der Aufnahme und deren Vervielfältigung dulden können; denn nur insoweit habe ihm inländisches Urheberrecht (vor und nach dem Stichtag des 1. Januar 1966) und internationales Vertragsrecht Schutz gewährt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
1. Gemäß § 24 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1951 gehören u. a. nicht zur Bemessungsgrundlage der Ausfuhrvergütung die Kosten für im Ausland in Anspruch genommene sonstige Leistungen. Die insoweit gebotene Kürzung der Bemessungsgrundlage der Ausfuhrvergütung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da die ausübenden Künstler ihre sonstigen Leistungen im Inland erbracht haben.
Nach den zwischen den ausübenden Künstlern und der Klägerin geschlossenen Urheberrechtsverträgen (sogenannte Standard-Verträge) hatten sich die Künstler verpflichtet, der Klägerin für einen bestimmten Zeitraum oder für einen bestimmten Musiktitel (sogenannte Voll-Exclusiv- bzw. Titel-Exclusiv-Verträge) zu Schallplattenaufnahmen zur Verfügung zu stehen und ihr alle Rechte an den Schallplattenaufnahmen zu übertragen, ihr mithin ein ausschließliches Verwertungsrecht in bezug auf etwa entstehende Urheber-, Leistungsschutz- und sonstige Rechte einzuräumen. Diese Vereinbarungen hatten die urheberrechtliche Situation zum Zeitpunkt des Abschlusses der Standardverträge zum Hintergrund und gingen deshalb davon aus, daß dem ausübenden Künstler das Recht zustand, über die Erstfixierung seines Vortrags bzw. seiner Aufführung zu entscheiden (vgl. insbesondere Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 1960 I ZR 64/58, BGHZ 33, 20), und daß § 2 Abs. 2 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst (LUG) dem ausübenden Künstler an einer bereits auf Tonträger festgehaltenen Leistung die (fiktiven) Rechte eines Werkbearbeiters einräumte (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 1955 I ZR 8/54, BGHZ 17, 266). Durch das Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 hat sich die Rechtslage insbesondere bei den ausübenden Künstlern in der rechtlichen Ausgestaltung grundlegend verändert. Ihnen stehen nunmehr die verwandten Schutzrechte der §§ 73 ff. UrhG zu. Diese Regelungen wirken auch auf die während der Geltungsdauer des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst begründeten Rechtspositionen ein (vgl. §§ 135 ff. UrhG); soweit nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst Urheberrechte übertragen worden sind, stehen dem Erwerber nunmehr die entsprechenden Nutzungsrechte zu (§ 137 Abs. 1 UrhG).
Wenngleich diese urheberrechtliche Rechtsentwicklung erst zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem die hier in Frage stehenden Ausfuhrlieferungen bereits bewirkt waren, kann sie für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des wirtschaftlichen Gehalts der von den ausübenden Künstlern erbrachten Leistungen nicht außer acht gelassen werden, war sie doch der Endpunkt langjähriger Bemühungen um eine allseits als notwendig empfundene Reform des Urheberrechts, d. h. auch eine Anpassung an die wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten seit dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes (LUG) vom 19. Juni 1901. Zudem kann nicht übersehen werden, daß die zugunsten ausübender Künstler nach diesem Recht begründeten urheberrechtlichen Befugnisse an alten Aufnahmen in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise in Leistungsschutzrechte des neuen Rechts umgeformt worden sind (§ 135 UrhG; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1971 1 BvR 766/66, BVerfGE 31, 275).
2. Gemäß den Standardverträgen haben die ausübenden Künstler Darbietungen zur Herstellung von Schallplattenaufnahmen erbracht und dem Schallplattenhersteller alle urheberrechtlich relevanten Rechte zum Zwecke der eigenen Rechtsausübung übertragen. Hierin ist eine einheitliche untrennbare Leistung zu sehen, deren wirtschaftlicher Gehalt nicht durch die Darbietung (zum Zwecke der Aufzeichnung auf Tonträger), sondern durch die Einwilligung in die Aufnahme der Darbietung auf Tonträger und die weitere Einwilligung in die Vervielfältigung bestimmt wird. Diese Beurteilung rechtfertigt sich aus der Erkenntnis, daß Darbietungen von Werken der Tonkunst ohne körperliche Festlegung vergänglich sind. Sie sind, selbst unter völlig gleichen Bedingungen, nicht wiederholbar, allenfalls durch erneute Darbietung nachvollziehbar. Ohne körperliche Festlegung erschöpft sich die Darbietung in sich selbst und erzielt kein den Schaffensvorgang des Künstlers überdauerndes "Leistungsergebnis" (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 1960 I ZR 64/58, BGHZ 33, 20). Ein solches ist jedoch das künstlerische und wirtschaftliche Ziel des ausübenden Künstlers, der eine Darbietung (in ihrer unverwechselbaren Gestalt) fixieren läßt, um sie vermittels technischer Vervielfältigung einem unfassenden Hörerkreis für unbegrenzbare Zeit zugänglich zu machen. Die technischen Möglichkeiten, die die Tonträger bieten, versetzen den ausübenden Künstler in die Lage, weit größere künstlerische Anerkennung und wirtschaftliche Erfolge zu erreichen, als er es durch steten Nachvollzug einer Darbietung vor wechselndem und naturgemäß begrenztem Hörerkreis vermöchte. Einwilligung in die Aufnahme der Darbietung und Einwilligung in die Vervielfältigung (und - nach Maßgabe des jeweiligen Vertrages - auch in die Verbreitung) sind demgemäß diejenigen Merkmale, welche (in inhaltlicher Übereinstimmung mit der urheberrechtlichen Beurteilung) die jeweilige Leistung des ausübenden Künstlers gegenüber dem Schallplattenhersteller gemeinhin bestimmen (insoweit zutreffend schon Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. März 1966 V 7/63, BFHE 85, 257, BStBl III 1966, 302).
3. Urheberrechtlich betrachtet wird diese von den ausübenden Künstlern erbrachte, wirtschaftlich nicht trennbare Leistung in zwei Rechtsvorgänge aufgespalten. Auf dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 1960 I ZR 64/58 (BGHZ 33, 20) und auf § 2 Abs. 2 LUG beruhend sieht § 75 UrhG zwei gesonderte Zustimmungsrechte vor: Der Künstler muß sowohl in die Aufnahme als auch in ihre Vervielfältigung einwilligen. Was von den Vertragsparteien im Zweifelsfall gewollt ist, folgt urheberrechtlich aus dem mit dem Vertrag verfolgten Zweck (vgl. Ulmer, Urheber- und Vertragsrecht, 2. Aufl., § 97 III, S. 438 f.; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 3. Aufl., vor § 74 Anm. 4). Jedenfalls handelt es sich bei diesen Rechten des ausübenden Künstlers um Verbotsrechte. Die Einwilligung des ausübenden Künstlers ist mithin Duldung fremder Rechtsausübung. An die Stelle der Einwilligung in die Vervielfältigung der vorliegenden Aufnahme kann - wie auch im vorliegenden Fall geschehen - eine Abtretung dieses dem ausübenden Künstler zustehenden Rechts an den Schallplattenhersteller treten (vgl. für die alte Rechtslage Ulmer, a. a. O., § 97 III, S. 438 f.; ab 1. Januar 1966 § 78 UrhG). Mit Eintritt der absoluten Wirkung dieser Abtretung vervielfältigt der Schallplattenhersteller deshalb aus eigenem Recht (vgl. Fromm/Nordemann, a. a. O., § 135 Anm. 2). Wenngleich dem ausübenden Künstler gemäß § 78 UrhG Einwilligungsrechte verbleiben (er und der Berechtigte können nebeneinander wirksam Zustimmung zur Vervielfältigung durch Dritte erteilen), muß diese Abtretung als substanzüberlassende Leistung (Vollrechtsübertragung) beurteilt werden. Für den vorliegenden Fall bestehen an dieser Bewertung keine Zweifel, da die Klägerin mit den ausübenden Künstlern Urheberrechtsverträge mit Ausschließlichkeitsklausel abgeschlossen hatte.
4. Die dargestellten urheberrechtlichen Besonderheiten bereiten im Falle der Einwilligung des ausübenden Künstlers in die Aufnahme und in die Vervielfältigung seiner Darbietung durch einen inländischen Schallplattenhersteller in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht keine Probleme. Die sich aus dieser Einwilligung ergebende Gewährung der ungestörten Aufnahme und Vervielfältigung der Darbietung bildet den Gegenstand der vom ausübenden Künstler jeweils erbrachten sonstigen Leistung im Sinne des § 1 Nr. 1 UStG 1951. Sie ist Duldung fremder Rechtsausübung (§ 7 Abs. 1 UStDB 1951). Ort dieser sonstigen Leistung (§ 7 Abs. 2 UStDB 1951) ist der Sitz des inländischen Schallplattenherstellers, der Vertragspartner des ausübenden Künstlers ist und mit seinen Auswertungshandlungen jedenfalls die im Inland belegenen Leistungsschutzrechte deutschen Rechts berührt (§§ 75, 127 UrhG). Ergänzend nimmt der Senat auf die Ausführungen in Abschnitt 4 der Gründe seines Urteils V R 127/70 vom heutigen Tag (BStBl II 1979, 594) Bezug.
5. Im vorliegenden Fall ist die urheberrechtliche Kombination von Einwilligung des ausübenden Künstlers in die Aufnahme seiner Darbietung (= Duldung fremder Rechtsausübung) und von Abtretung des (künftig auszuübenden) Rechts auf Vervielfältigung (= Vollrechtsübertragung) an den Schallplattenhersteller (die Klägerin) gegeben. Dieser Umstand, daß nämlich urheberrechtlich die ineinandergreifenden Handlungselemente eines Rechtsgeschäfts (Standardverträge) begrifflich in eine Mehrzahl von gesetzlich typisierten Rechtsvorgängen zerlegt worden ist, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Denn der ausübende Künstler erbringt - wie in Abschnitt 2 der Gründe bereits dargelegt - aufgrund der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtung eine (einheitliche) sonstige Leistung. Ihr kann nur ein Leistungsort zugeordnet werden (so im Ergebnis zutreffend Urteil vom 17. Juli 1969 V 93/65, BFHE 96, 433, BStBl II 1969, 693, unter Aufgabe entgegenstehender Ausführungen im Urteil vom 10. März 1966 V 7/63, BFHE 87, 257, BStBl III 1966, 302). Dieser Leistungsort ist der Sitz des inländischen Schallplattenherstellers, mit dem der ausübende Künstler in vertragliche Beziehungen getreten ist. Das ergibt sich aus den Überlegungen, die bereits zum Leistungsteil der Duldung angestellt wurden (vgl. Abschnitt 4 der Gründe). Daß sich der Leistungsteil Vollrechtsübertragung nicht nur aus den vorbezeichneten Gründen ebenfalls am Sitz des Schallplattenherstellers vollzieht, ist ergänzend dem besonderen Charakter dieses Vollrechts zu entnehmen.
Es ist zunächst davon auszugehen, daß die in den Standardverträgen der Klägerin getroffene Abtretung der Vervielfältigungsrechte zu ausschließlicher Verwertung durch den Schallplattenhersteller eine Vorwegregelung des dinglichen Verfügungsgeschäfts enthält; denn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden die in Frage stehenden Rechte noch nicht. Sie entstanden im Zeitpunkt der Fixierung der Darbietung auf Tonträger, da in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen zur Vervielfältigung der Darbietung geschaffen waren.
Zum Leistungsort substanzüberlassender Leistungen hat der Bundesfinanzhof im Urteil vom 19. August 1976 V R 160/71 (BFHE 120, 415, BStBl II 1977, 226, Umsatzsteuer-Rundschau 1977 S. 71 mit Anmerkung Übertragung eines obligatorischen Kompensationsrechts) in Ausfüllung einer Rechtslücke die Belegenheit der Substanz als maßgebliches Kriterium herausgestellt. Hatte der erkennende Senat im vorbezeichneten Urteil über die Belegenheit eines reinen Forderungsrechts zu entscheiden, geht es im vorliegenden Fall um die Belegenheit eines absoluten Immaterialgüterrechts. Während auf staatlicher Verleihung beruhende Rechte dieser Art (wie Patente) oder ähnlicher Art (wie Gebrauchsmuster) im Erteilungsstaate belegen sind, sind ohne staatliche Hoheitsakte erwachsende Immaterialgüterrechte ihrer Natur gemäß an keine territorialen Grenzen gebunden. Hierher gehört das Urheberrecht (sowie Leistungsschutzrechte mit persönlichkeitsrechtlichem Gehalt), dessen Entstehungstatbestand allein an die Urheberschaft einer persönlichen geistigen Leistung anknüpft und als umfassendes Recht an der geistigen Schöpfung territorial unbegrenzt und überall belegen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Mai 1955 I ZR 8/54, BGHZ 17, 266). Der rechtliche Schutz als Ausschließlichkeitsrecht wird ihm allerdings nur im Rahmen einer positiven Rechtsordnung zugebilligt, woraus sich eine territoriale Beschränkung und Belegenheit im jeweiligen Schutzstaat ergibt. Welches der Schutzstaat ist, nach dessen Gesetzen und in dessen Gebiet zugunsten der Urheber und Leistungsschutzberechtigten hier belegene Rechte erwachsen, folgt aus dem tatsächlichen Handeln der jeweiligen Vertragsparteien.
Bei einer Schallplattenaufnahme durch einen inländischen Schallplattenhersteller ist das deutsche Urheberrecht maßgebend. Dem ausübenden Künstler erwachsen die sich aus § 75 UrhG ergebenden Rechte. Ohne Belang ist, ob es sich um in- oder ausländische Künstler handelt (vgl. Fromm/Nordemann, a. a. O., § 125 Anm. 2). In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht ist mithin unerheblich, ob die ausübenden Künstler Unternehmer mit Sitz im Inland oder im Ausland sind; denn das ihnen als Folge einer Darbietung zum Zwecke der Schallplattenaufnahme erwachsene Leistungsschutzrecht ist bei Aufnahmen im Inland stets im Inland belegen. Ein Wechsel in der Rechtszuständigkeit durch Abtretung gemäß 78 UrhG ist demnach stets Abtretung eines inländischen Rechts. Das rechtfertigt die Anknüpfung an den inländischen Sitz des Schallplattenherstellers, mit dem der ausübende Künstler in vertragliche Beziehungen getreten ist, zumal dieser in unmittelbarer Folge seiner ersten Auswertungshandlung (Aufnahme der Darbietung) kraft der absolut wirkenden Vorausverfügung des Künstlers bei Ausschließlichkeitsverträgen eo ipso Inhaber des Rechts auf Vervielfältigung wird. Auf den vorliegenden Fall bezogen ergibt sich, daß die ausübenden Künstler auch im Falle der aus Duldung der Rechtsausübung und aus Übertragung des Rechts auf künftige Vervielfältigung bestehenden Leistung im Inland, nämlich am Sitz der Klägerin, geleistet haben.
6.
Der gegenteiligen Auffassung des Beklagten, der Leistungsort habe im Ausland gelegen, weil erst der Absatz im Ausland die Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler zum Entstehen gebracht habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die ausübenden Künstler hatten die vertragsgemäßen Leistungen erbracht und damit in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht zugleich sonstige Leistungen bewirkt. Aus dem dargestellten Charakter dieser sonstigen Leistungen ergab sich deren Leistungsort; er war nicht zur Disposition der am Leistungsaustausch Beteiligten gestellt. Ob eine Honorarvereinbarung als eine umsatzsteuerrechtlich relevante Bestimmung zum Zeitpunkt der sonstigen Leistungen angesehen werden kann, ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist sie bei der hier gegebenen Sachlage als eine zulässige Vereinbarung zur Entgeltlichkeit erbrachter sonstiger Leistungen zu beurteilen.
Fundstellen
BStBl II 1979, 598 |
BFHE 1979, 103 |