Entscheidungsstichwort (Thema)
Spendenabzug: Ermächtigungsgrundlage, Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c i.V.m. § 10b EStG genügt als Ermächtigungsgrundlage für die mit den §§ 48 bis 50 EStDV erlassene Rechtsverordnung den Anforderungen des Art.80 GG.
2. Zu verfassungsrechtlichen Zweifeln hinsichtlich § 48 Abs.2 EStDV.
Orientierungssatz
1. In gesetzlichen Ermächtigungen ist bei vielschichtigen Sachverhalten die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich.
2. Wenn der Gesetzgeber die Exekutive zum Erlaß einer Rechtsverordnung ermächtigt, steht es dieser nicht frei, sich ohne ausdrückliche Ermächtigung auch hierzu von den in der Ermächtigungsgrundlage bestimmten materiellen oder formellen Anforderungen ganz oder teilweise durch eine Selbstermächtigung zu entbinden.
3. Zum Abzug von Zuwendungen an einen Sportverein, der die bei ihm eingegangenen Spenden zusammen mit einer Spenderliste an die Gemeinde zur Erteilung der Spendenbescheinigung weiterleitet, und zur Zulässigkeit des sog. Listenverfahrens.
Normenkette
GG Art. 80 Abs. 1; EStG § 10b Abs. 1, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; EStDV § 48 Abs. 2; EStR Abschn. 111
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Kläger war Präsident eines Sportvereins (Verein). Auf dessen --nicht ausschließlich für Spenden, sondern für den gesamten unbaren Zahlungsverkehr eingerichtetes-- Bankkonto überwies er am 8. August 1980 einen Betrag von 2 000 DM. Als Verwendungszweck gab er "Spende" an.
Am 17. Oktober 1980 überwies der Kläger namens des Vereins von dessen Konto einen Betrag von 16 660,34 DM an die Gemeinde D. mit der Bitte um Erteilung von Spendenbescheinigungen an 13 näher bezeichnete Personen über die ebenfalls jeweils mitgeteilten Beträge, darunter eine Spende des Klägers über 2 000 DM. Dementsprechend bescheinigte die Gemeinde dem Kläger, von ihm im Oktober 1980 eine Spende zum Zweck der Zuwendung an den Verein erhalten zu haben.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1980 machten die Kläger u.a. auch diesen Betrag als Sonderausgabe nach § 10b des Einkommen-steuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) entsprach diesem Antrag.
Im Anschluß an eine Außenprüfung beim Verein erließ das FA am 13. Dezember 1984 einen nach § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid, in dem es den Abzug dieser Spende mit der Begründung rückgängig machte, der Verein sei nicht gemeinnützig. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Während des anschließenden Klageverfahrens wurde durch das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 18. September 1986 VI 184/85 (nicht veröffentlicht) die Gemeinnützigkeit des Vereins für die Jahre 1977 bis 1983 bestätigt. Das FA vertrat im vorliegenden Verfahren nunmehr die Auffassung, die Voraussetzungen für einen Abzug des Betrages lägen auch deshalb nicht vor, weil Empfänger der "Spende" nicht, wie nach § 48 Abs.3 Nr.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) vorausgesetzt, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle gewesen sei, sondern der Verein selbst. Dieser habe den Betrag zusammen mit anderen "Spenden" erst erheblich später an die Gemeinde überwiesen. Diese Handhabung entspreche auch nicht dem --erst durch Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 3. Januar 1986 S 2223-65-35 2 (Einkommensteuer- Kartei der Oberfinanzdirektion --OFD-- Hannover § 10b Nr.1 a) zugelassenen-- sog. Listenverfahren. Dieses setze voraus, daß die Spende auf ein vom Verein oder einem beauftragten Mitglied eingerichtetes "Sammelkonto" einbezahlt worden sei. Das "Sammelkonto" müsse vom übrigen Vermögen der Körperschaft getrennt sein und so geführt werden, daß ein sachverständiger Dritter die darüber abgewickelten Vorgänge hinsichtlich der Identität der Spender, Höhe und Zeitpunkt der jeweils geleisteten Spenden ohne Schwierigkeiten und in angemessener Zeit prüfen könne. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht ausreichend, wenn der Empfänger --wie im Streitfall der Verein-- lediglich in der Buchführung ein gesondertes "Spendenkonto" führe.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. April 1987 IX R 7/83 (BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814) die Auffassung, die Empfängerbeschränkung bei Zuwendungen für bestimmte, nach § 48 Abs.2 EStDV i.V.m. Abschn.111 i.V.m. Anlage 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) --hier Anlage 7 Nr.3-- als besonders förderungswürdig anerkannte Zwecke, beruhe auf der Erwägung, daß nur die bezeichneten öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Dienststellen einer ständigen Kontrolle hinsichtlich der Verwendung der Zuwendungen unterlägen. Dies sei bei Zuwendungen an den Sportverein selbst, auch wenn dieser als gemeinnützig anerkannt sei, nicht der Fall. Ließe man zu, daß die Zuwendungen zunächst an den jeweiligen Verein, mithin einen anderen Empfänger, gezahlt und dann an die öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Dienststelle weitergeleitet würden, werde § 48 Abs.3 EStDV ausgehöhlt; denn in solchen Fällen sei es z.B. einer Gemeinde nicht mehr möglich, selbst zu prüfen, wer wann welchen Betrag gespendet habe. So habe im Streitfall die Gemeinde eine Zahlung vom Oktober bestätigt, während tatsächlich der Kläger im August bezahlt habe.
Das FG ließ offen, ob das sog. Listenverfahren überhaupt zulässig sei. Die Kläger könnten sich schon deshalb nicht auf den Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums berufen, weil dieser für Veranlagungszeiträume vor 1986 keine Geltung beanspruche und im übrigen die dort aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine lediglich buchmäßige Trennung der Spendeneingänge sei keine vermögensmäßige Trennung.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts und Abweichung vom BFH-Urteil in BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814.
Die zitierte Entscheidung enthalte nicht die Aussage, Spenden dürften --soweit sie der Sportförderung dienen-- nur an öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Dienststellen gezahlt werden. Vielmehr habe diese Entscheidung das "Spenden-Durchlaufverfahren" ausdrücklich gebilligt. Unerheblich sei danach, ob der öffentlich-rechtliche Empfänger über den Betrag frei verfügen könne. Das Listenverfahren sei auch schon vor 1986 steuerrechtlich anerkannt gewesen. Nicht nachvollziehbar sei die Überlegung des FG, die Person des Spenders, Höhe und Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung seien nicht in gleicher Weise nachprüfbar, wenn der gemeinnützige Verein, statt ein getrenntes Bankkonto zu führen, innerhalb seiner Buchführung ein gesondertes Konto für Spenden einrichte.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 28. März 1985 und den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 13. Dezember 1984 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Nichtberücksichtigung der streitigen Spende im angefochtenen Bescheid bestätigt. Die Voraussetzungen für den Spendenabzug sind nicht erfüllt.
Der Senat sieht sich veranlaßt, die Rechtsgrundlagen des § 10b EStG und des § 48 EStDV näher zu prüfen (vgl. § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c EStG, Art.80 des Grundgesetzes --GG--), da die damit zusammenhängende Problematik dem Gesetzgeber (Verordnungsgeber) Gelegenheit geben kann, die einschlägigen Vorschriften zu überdenken und im Interesse einer hinreichenden Absicherung des Spendenabzugs ggf. zu modifizieren.
I. Ausgaben zur Förderung u.a. der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind gemäß § 10b Abs.1 EStG in bestimmter Höhe als Sonderausgaben abziehbar. Nach § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c EStG ist die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über eine Beschränkung des Abzugs von Ausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S. des § 10b EStG auf Zuwendungen an bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sowie über eine Anerkennung gemeinnütziger Zwecke als besonders förderungswürdig. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung in §§ 48 bis 50 EStDV Gebrauch gemacht. Hierzu bestimmt § 48 Abs.1 EStDV u.a., daß hinsichtlich des Begriffs gemeinnützige Zwecke die Vorschrift des § 52 AO 1977 gilt. Gemäß § 48 Abs.2 EStDV müssen gemeinnützige Zwecke der in Abs.1 bezeichneten Art außerdem durch allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, allgemein als besonders förderungswürdig anerkannt worden sein.
Die in § 48 Abs.2 EStDV vorgesehene allgemeine Anerkennung von gemeinnützigen Zwecken im engeren Sinn (d.h. ausgenommen religiöse, kirchliche, mildtätige und wissenschaftliche Zwecke, die einer besonderen Anerkennung nicht bedürfen) ist in Abschn.111 EStR geregelt, der seinerseits auf die Anlage 7 verweist. Dort sind die als besonders förderungswürdig anerkannten Zwecke einzeln aufgeführt. An die steuerrechtliche Berücksichtigung von Ausgaben für diese Zwecke werden unterschiedliche Anforderungen gestellt: Bei einem Teil der als besonders förderungswürdig anerkannten Zwecke --so bei den im Streitfall allein erheblichen Ausgaben zur "Förderung des Sports" (Anlage 7 Nr.3)-- ist der Abzug davon abhängig, daß der Empfänger der Zuwendung eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist, während Ausgaben für den anderen Teil der bezeichneten Zwecke unmittelbar an die entsprechenden Empfängerorganisationen --deren Anerkennung als gemeinnützig i.S. der §§ 51 ff. AO 1977 vorausgesetzt (BFH-Urteil vom 12. September 1990 I R 65/86, BFHE 162, 407, BStBl II 1991, 258 unter 4. b cc)-- zu leisten sind. Nach § 48 Abs.3 EStDV sind außerdem Zuwendungen für die in Abs.1 und Abs.2 des § 48 EStDV bezeichneten Zwecke nur abziehbar, wenn der Empfänger entweder eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle (Nr.1) oder eine nach § 5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (Nr.2) ist. Soweit nach Anlage 7 EStR Ausgaben nur begünstigt sind, wenn Empfänger der Zuwendungen eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist, können diese die zugewendeten Beträge entweder für ihre eigenen als besonders förderungswürdig anerkannten Zwecke verwenden oder sie einer gemeinnützigen Körperschaft i.S. des § 5 Abs.1 Nr.9 KStG zuleiten, die die Beträge für ihre steuerbegünstigten Zwecke verwendet.
In der Praxis ist es allerdings üblich geworden, Spenden in diesen Bereichen an eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu leiten mit der Auflage, daß diese den Betrag an eine bestimmte, genau bezeichnete Person weiterzuleiten hat; d.h. die Organisation erhält die Spende als sog. Durchlaufspende von der als Spendenempfängerin eingeschalteten öffentlich- rechtlichen Körperschaft zugewiesen (vgl. dazu allgemein: Graf/Menzel, Deutsche Steuerzeitung --DStZ-- 1986, 315; Begründung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in BTDrucks 11/5582 S.25; BFH in BFHE 162, 407, BStBl II 1991, 258). Die Rechtsprechung des BFH hat die Durchlaufspenden an die öffentliche Hand mit der Begründung anerkannt, der Abzug der Zuwendungen an einen begünstigten Empfänger sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil dieser durch eine Zweckbestimmung an der freien Verfügbarkeit über die Spende gehindert sei (z.B. BFH-Urteile vom 5. Juni 1962 I 31/61 S, BFHE 75, 241, BStBl III 1962, 355; vom 18. Juli 1980 VI R 167/77, BFHE 131, 345, 347, BStBl II 1981, 52; in BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814, m.w.N.).
II. 1. Die Rechtsprechung des BFH geht davon aus, daß § 48 Abs.2 EStDV --i.V.m. Abschn.111 EStR und Anlage 7 hierzu-- rechtswirksam erlassen worden ist (BFH-Urteile in BFHE 131, 345, 346, BStBl II 1981, 52; BFHE 150, 406, 410, BStBl II 1987, 814; BFHE 162, 407, 410, BStBl II 1991, 258) und die Einschränkung, daß Zuwendungen für bestimmte in Anlage 7 bezeichnete Zwecke nur dann abziehbar sind, wenn Empfänger der Zuwendung eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Dienststelle ist, auf der zutreffenden Erwägung beruht, daß nur die bezeichneten öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Dienststellen einer ständigen Verwaltungskontrolle hinsichtlich der Verwendung der Mittel unterliegen (BFH-Urteile vom 4. April 1963 I 67/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1963, 299; in BFHE 150, 406, 410, BStBl II 1987, 814; in BFHE 131, 345, BStBl II 1981, 52; vgl. BFH-Beschluß vom 19. Juli 1978 I B 14/78, BFHE 125, 351, BStBl II 1978, 598).
2. In Literatur und Rechtsprechung der FG wird allerdings --im wesentlichen gestützt auf das Gutachten der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingesetzten unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, Schriftenreihe des BMF Heft 40 (im folgenden Gutachten)-- die Auffassung vertreten,
-
die Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c
i.V.m. § 10b EStG entspreche nicht den Anforderungen des
Art.80 GG; (Gutachten, S.234 f.; Stephan in Littmann/Bitz/
Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10b Rz.1;
Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz und Körper-
schaftsteuergesetz, Kommentar, § 10b EStG Rz.50; Tipke/Lang,
Steuerrecht, 13.Aufl. 1991, S.663)
und
-
§ 48 Abs.2 EStDV i.V.m. Abschn.111 und Anlage 7 EStR sei
durch die Ermächtigungsgrundlage, deren Wirksamkeit unter-
stellt, nicht gedeckt (z.B. Gutachten a.a.O., S.237; Stolz,
Finanzrundschau --FR-- 1978, 475; Meyer-Arndt, FR 1986, 212;
Graf, DStZ 1990, 239; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10b Anm.9;
Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10b EStG Rz.50; Tipke/
Lang, a.a.O., S.663; FG Köln, Urteil vom 23. August 1991
13 K 3592/89, EFG 1992, 159; vgl. auch FG Berlin, Urteil vom
14. Juni 1978 VI 74/78, EFG 1979, 21, und Horlemann, DStZ
1991, 493 zum Aspekt der fehlenden Annahmeverpflichtung der
öffentlich-rechtlichen Empfänger).
III. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung davon aus, daß § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c i.V.m. § 10b EStG als Ermächtigungsgrundlage für die mit den §§ 48 bis 50 EStDV erlassene Rechtsverordnung den Erfordernissen des Art.80 Abs.1 GG genügt.
1. Art.80 Abs.1 Satz 2 GG verlangt, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) reicht es aus, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigungsvorschrift nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus ihrem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Gesetzes und aus dem von der gesetzlichen Regelung insgesamt verfolgten Ziel unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ermittelt werden können (z.B. Beschlüsse des BVerfG vom 20. Oktober 1981 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257, 277; vom 12. Dezember 1984 1 BvR 1249/83 u.a., BVerfGE 68, 319, 332 m.w.N.).
Hinreichend bestimmt ist eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage danach schon dann, wenn nach Tendenz und Programm die an den Verordnungsgeber delegierten Kompetenzen so umrissen sind, daß erkennbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 25. November 1980 2 BvL 7,8,9/76, BVerfGE 55, 207, 226; in BVerfGE 58, 257, 277). Welche Bestimmtheitsanforderungen im einzelnen erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten der zu regelnden Materie sowie der Intensität der Maßnahme abhängig; geringere Anforderungen sind zu stellen, wenn es sich um eine Regelung handelt, die nicht erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen einwirkt, um einen Regelungsbereich also, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert. Das gilt vor allem aber bei vielgestaltigen Sachverhalten oder wenn zu erwarten ist, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern werden (z.B. BVerfGE 58, 257, 278 m.w.Rechtsprechungsnachw.). So ist nach der Rechtsprechung des BVerfG gerade bei vielschichtigen Sachverhalten die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe --wie hier der Begriff der besonderen Förderungswürdigkeit-- grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich; die Klärung von rechtlichen Zweifelsfragen in diesem Bereich kann den Rechtsanwendungsorganen überlassen werden (ausdrücklich BVerfG-Beschluß vom 30. November 1988 1 BvR 1301/84, BVerfGE, 79, 174, 195 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Regelung in § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c i.V.m. § 10b EStG.
2. Durch die einkommensteuermindernde Berücksichtigung von Spenden soll zu privatem uneigennützigem Handeln angeregt werden (z.B. BFH-Urteil vom 22. September 1993 X R 107/91, BFHE 172, 362, BStBl II 1993, 874 m.w.N.). Damit sind Programm und Tendenz der gesetzlichen Ermächtigung umrissen. Angesichts der vielfältigen gemeinnützigen Zwecke könnten allgemeine Formulierungen zur Umschreibung der besonderen Förderungswürdigkeit keine Konkretisierung bieten (vgl. bereits Gutachten S.241), die es gleichzeitig auch --wie vom Gesetzgeber offensichtlich bezweckt-- ermöglichte, auf eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse --etwa auf Veränderungen bei der Förderungsbedürftigkeit oder Dringlichkeit der Förderung neuer, bisher nicht berücksichtigter gemeinnütziger Zwecke-- flexibel zu reagieren.
Die der jetzigen Regelung vergleichbare Bestimmung wurde durch das Gesetz Nr.64 der Militärregierung vom 22. Juni 1948 (Steuer- und Zollblatt --StZBl-- 1948, 123) in das EStG vom 27. Februar 1939 eingeführt (§ 10 Abs.1 Nr.2 e EStG); danach waren Ausgaben zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke als Sonderausgaben abziehbar, allerdings nur, wenn diese Zwecke als besonders förderungswürdig anerkannt waren. Bereits die EStDV 1949 (vom 2. Juni 1949, StZBl 1949, 147, die wiederum auf die Ermächtigungsgrundlage des Art.XII des Anhangs zum Gesetz Nr.64 der Militärregierung vom 22. Juni 1948 gestützt ist) enthält in § 29 Abs.2 die Regelung, gemeinnützige Zwecke müßten nicht nur den allgemeinen gesetzlichen Begriffsbestimmungen entsprechen, sondern "außerdem" durch die oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (VfF) "allgemein als besonders förderungswürdig anerkannt worden sein". Diese Feststellung wurde z.B. durch Länder-Erlaß vom 29. September 1949 (StZBl 1949, 355) geregelt; dort wurden zwölf Zwecke aufgeführt, die den in Anlage 7 zu Abschn.111 EStR unter Nr.1 bis 12 aufgeführten Zwecken entsprechen. Das EStG 1950 (vom 28. Dezember 1950, BStBl I 1951, 5) übernahm die bisherige Spendenregelung und im Änderungsgesetz vom 29. April 1950 (BGBl 1950, 95) die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung über die Anerkennung steuerbegünstigter Ausgaben. Bis 1953 war die Liste der bisher als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke auf 16 angewachsen (zuletzt Verwaltungsanordnung vom 4. August 1953 --BStBl I 1953, 351--). Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BStBl I 1954, 575) wurde die Ermächtigungsgrundlage in § 51 Abs.1 Nr.2 c EStG (zuvor § 51 Abs.1 Nr.2 g EStG) erweitert und die Bundesregierung nicht nur zum Erlaß einer Rechtsverordnung über die Anerkennung gemeinnütziger Zwecke als förderungswürdig, sondern auch über die Beschränkung des Abzugs an bestimmte Körperschaften ermächtigt. Berücksichtigt man
-
die Entstehungsgeschichte,
-
daß der jetzigen Regelung beispielhaft der Katalog der
bisher anerkannten Zwecke zugrundelag,
-
die Schwierigkeit, für heterogene gemeinnützige Zwecke ab-
strakt generelle Kriterien für die besondere Förderungs-
würdigkeit zu formulieren und
-
das Ziel der Regelung, dem Verordnungsgeber die Möglichkeit
an die Hand zu geben, auf eine Veränderung der tatsächlichen
Verhältnisse (z.B. der Förderungsbedürftigkeit oder der
Dringlichkeit Förderung einzelner gemeinnütziger Zwecke)
flexibel reagieren zu können,
genügte es, wenn der Gesetzgeber den Verordnungsgeber durch den Begriff der besonderen Förderungswürdigkeit zur Regelung der näheren Voraussetzungen ermächtigte.
IV. 1. Zweifel bestehen allerdings, ob die in § 48 Abs.2 EStDV getroffene Regelung von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist.
a) § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c EStG ermächtigt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates u.a. zum Erlaß einer Rechtsverordnung über die Anerkennung gemeinnütziger Zwecke als besonders förderungswürdig. Die mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in § 48 Abs.2 EStDV trifft diese Entscheidung jedoch nicht selbst, sondern gibt den Auftrag weiter zur Regelung durch Verwaltungsvorschrift. Dies ist zwar keine Subdelegation von Verordnungskompetenz i.S. des Art.80 Abs.1 Satz 4 GG, weil nicht wiederum zum Erlaß einer Rechtsverordnung ermächtigt wird und weil der durch Gesetz und § 48 Abs.2 EStDV ermächtigte Delegatar und die Mitwirkungserfordernisse identisch sind; sie führt jedoch --als Ermächtigung zu einer Verwaltungsvorschrift-- zu einer wesentlichen formellen Änderung gegenüber der Ermächtigungsgrundlage. Wenn der Gesetzgeber die Exekutive zum Erlaß einer Rechtsverordnung ermächtigt, steht es dieser nicht frei, sich ohne ausdrückliche Ermächtigung auch hierzu von den in der Ermächtigungsgrundlage bestimmten materiellen oder formellen Anforderungen ganz oder teilweise durch eine Selbstermächtigung zu entbinden (z.B. Ossenbühl in Handbuch des Staatsrechts, § 64 Rz.31; Gutachten, a.a.O., S.237; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Kommentar, Art.80 Rz.43; v.Münch, Grundgesetz, Kommentar, 2.Aufl., Art.80 Rz.24; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Kommentar, Art.80 Rz.47, 271).
b) Abschn.111 EStR i.V.m. der Anlage 7 selbst erfüllt nicht die formellen Voraussetzungen einer Rechtsverordnung. Die EStR werden zwar gemäß Art.108 Abs.7 GG von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Die Richtlinien sind jedoch lediglich im Bundessteuerblatt und nicht, wie für Rechtsverordnungen durch § 1 Abs.1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30. Januar 1950 (BGBl I 1950, 23) vorgeschrieben, in den dort bezeichneten Veröffentlichungsorganen bekanntgegeben worden. Weiter ist für die Regelung in Abschn.111 i.V.m. Anlage 7 EStR hinsichtlich der Anerkennung von gemeinnützigen Zwecken als besonders förderungswürdig nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.c EStG verwiesen. Die Anforderungen an die Veröffentlichung für Rechtsverordnungen (vgl. Art.82 Abs.1 Satz 2 GG) und das Zitiergebot (Art.80 Abs.1 Satz 3 GG) sind unverzichtbar. Sie erst ermöglichen es dem Bürger, sich darüber zu informieren, was Rechtens sein soll, und zu prüfen, ob eine Regelung von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist.
2. Selbst wenn sich der Senat der Rechtsprechung zur Beurteilung des § 48 Abs.2 EStDV (s. oben II.) nicht anschließen könnte, sind die im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als Spende abziehbar.
a) Geht man von der Maßgeblichkeit des § 48 Abs.2 und 3 EStDV (i.V.m. Abschn.111 EStR und Anlage 7 hierzu) aus, so scheitert der begehrte Abzug daran, daß die Spendenleistung nicht in der erforderlichen unmittelbaren sowie leicht und einfach nachweisbaren Weise an eine juristische Person des öffentlichen Rechts gelangt ist.
Bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung erfüllt die Zuwendung des Klägers an den Verein nicht die Voraussetzungen für einen Abzug als Spende. Empfänger der Zuwendung war nicht, wie in § 48 Abs.2 und 3 EStDV i.V.m. Abschn.111 und Anlage 7 Nr.3 EStR vorausgesetzt, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder eine öffentliche Dienststelle. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Empfänger der Zuwendung (der Verein) die bei ihm eingegangenen Spenden zusammen mit einer "Spenderliste" an die Gemeinde zur Erteilung der Spendenbescheinigung weitergeleitet hat. Aus dem bundeseinheitlichen Erlaß zur Zulässigkeit des sog. Listenverfahrens (BMF-Schreiben vom 3. Januar 1986 -IV B 4-S 2223- 283/85, BStBl I 1986, 52; Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 3. Januar 1986 -S-2223-65-35 2, Einkommensteuerkartei der OFD Hannover, § 10b EStG Nr.1 a) ließen sich für die Kläger schon deshalb keine günstigen Rechtsfolgen ableiten, weil dieser erst nach dem Streitjahr ergangen ist und darüber hinaus die dort beschriebenen Voraussetzungen nicht eingehalten sind.
Im übrigen widerspricht das Listenverfahren dem nach der Rechtsprechung mit der Empfängerbeschränkung --(in Anlage 7 für bestimmte gemeinnützige Zwecke)-- verfolgten und diese allein legitimierenden Zweck (z.B. BFH in HFR 1963, 299; BFHE 125, 351; BFHE 131, 345; BFHE 150, 406), Mißbräuche zu verhindern. Die Zulässigkeit des sog. Listenverfahrens würde letztlich dazu führen, daß die öffentlich-rechtlichen Empfänger --in der Regel die Gemeinden-- mangels rechtlicher und tatsächlicher, vor allem personeller Möglichkeit der Prüfung weder die tatsächliche Verwendung der weitergeleiteten Gelder noch Herkunft, Höhe und Zeitpunkt der Zuwendung kennen oder kennen können. Sie wären insoweit allein auf Angaben der gemeinnützigen Organisationen i.S. des § 48 Abs.3 Nr.2 EStDV angewiesen. Unter diesen Umständen wäre eine sachliche Begründung für den Ausschluß der in § 48 Abs.3 Nr.2 EStDV bezeichneten gemeinnützigen Organisationen als unmittelbare Spendenempfänger nicht mehr erkennbar.
b) Auch wenn die Regelung in § 48 Abs.2 EStDV durch die Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt wäre, hätte die Klage keinen Erfolg. Entweder wäre nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch noch für eine kurze --zum Erlaß einer den Anforderungen des Art.80 Abs.1 GG genügender Rechtsverordnung erforderliche-- Übergangszeit weiterhin von der Geltung der bisherigen Regelung auszugehen (aa), oder es fehlt für einen Abzug von Spenden für gemeinnützige Zwecke schlechthin an einer gesetzlichen Regelung (bb).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG sind untergesetzliche Rechtsnormen, die auf einer dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nicht genügenden Ermächtigungsgrundlage beruhen, oder für die gesetzliche Regelungen überhaupt fehlen, nicht schon deshalb ohne weiteres nichtig und unanwendbar (BVerfG-Beschluß vom 13. Dezember 1988 2 BvL 1/84, BVerfGE 79, 245 m.w.N.). Vielmehr ist für eine Übergangszeit zur Vermeidung eines rechtlosen Zustandes von deren übergangsweiser Fortgeltung auszugehen. Die Notwendigkeit einer solchen Fortgeltung ist vor allem anerkannt worden, wenn es galt, Rechtsunsicherheit zu vermeiden oder wenn mit der Entscheidung ein Zustand herbeigeführt würde, der mit der Verfassung noch weniger vereinbar wäre als der gegenwärtige (z.B. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 79, 245, 250; vom 1. März 1978 1 BvL 24/76, BVerfGE 48, 29, 37 m.w.N.; vgl. BVerfG-Urteil vom 9. April 1992 2 BvE 2/89, BStBl II 1992, 766, 773; Leibholz/Rinck/Hesselberger, a.a.O., Art.80 GG Rz.106 m.w.N.). Solche Situationen können nicht nur in allen Bereichen der Eingriffsverwaltung, sondern auch im Bereich der Leistungsverwaltung auftreten (BVerfGE 79, 245, 251). Soweit danach bei Unvereinbarkeit des § 48 Abs.2 EStDV mit der Ermächtigungsgrundlage von einer übergangsweisen Weitergeltung auszugehen wäre, dürfte die Spende ebenfalls aus den vorstehend genannten Gründen nicht berücksichtigt werden.
bb) Hielte man § 48 Abs.2 EStDV (i.V.m. Abschn.111 und Anlage 7 EStR) wegen Verstoßes gegen Art.80 GG für ungültig und die Voraussetzungen für eine Übergangsregelung nicht für gegeben, so fehlte es an der nach § 10b Abs.1 Satz 1 EStG erforderlichen (wirksamen) Bestimmung der Zwecke, die als besonders förderungswürdig anerkannt sind. Das hätte zur Folge, daß Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke überhaupt nicht abziehbar wären.
Fundstellen
Haufe-Index 64513 |
BFH/NV 1994, 42 |
BStBl II 1994, 683 |
BFHE 173, 519 |
BFHE 1994, 519 |
BB 1994, 999 |
BB 1994, 999 (L) |
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