Entscheidungsstichwort (Thema)
Laufende Zahlungen für die Übertragung von Werksvertretungen als Ausgleichsansprüche
Leitsatz (amtlich)
Überträgt ein Handelsvertreter im Einvernehmen mit den vertretenen Firmen Werksvertretungen auf einen Nachfolger gegen laufende Zahlungen, so gehören diese grundsätzlich auch dann zum laufenden Gewinn, wenn laut Übergabevertrag Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB "nicht entstehen" oder der Nachfolger die vertretenen Firmen von solchen Ausgleichsansprüchen freistellt.
Orientierungssatz
1. Ausführungen zur "Selbständigkeit" des Übergabevertrages (vgl. Rechtsprechung: BFH, BGH) mit der Folge, daß eine nach § 24 Nr. 1c, § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigte Ausgleichszahlung i.S. des § 89b HGB nicht vorliegt.
2. Der Ausgleichsbetrag, den ein Handelsvertreter gemäß § 89b HGB erhält, unterliegt der Gewerbesteuer, und zwar auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes des Handelsvertreters zusammenfällt. Maßgebend hierfür ist, daß die Ausgleichszahlung auf einem Anspruch beruht der seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Natur nach ein zusätzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste ist, der unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis folgt und keinen besonderen Willensentschluß voraussetzt, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebs erfordert. Die Entstehung des Ausgleichsanspruchs ist auch einkommensteuerrechtlich dem laufenden Gewinn, nicht dem Aufgabegewinn oder Veräußerungsgewinn zuzuordnen (Anschluß an die Rechtsprechung des BFH, BGH).
3. Der Ausgleichsanspruch des § 89b HGB entsteht ―vorbehaltlich des § 89b Abs. 3 HGB― in allen Fällen der Beendigung von Vertragsbeziehungen zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter kraft Gesetzes. § 89b Abs. 3 HGB regelt als eng auszulegende Ausnahmevorschrift den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs abschließend. Im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes ist es nicht von Bedeutung, ob das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter durch Kündigung, Tod des Handelsvertreters oder "durch vertraglich vereinbartes Ausscheiden des bisherigen Vertreters unter gleichzeitigem Eintreten eines Nachfolgers in den Händlervertrag" endet (vgl. BGH-Urteil vom 14.4.1988 I ZR 122/86).
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. c; GewStG § 7; HGB §§ 84, 89b Abs. 3; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis Ende 1976 als selbständiger Handelsvertreter tätig (Gewinnermittlung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Er vertrat hauptsächlich drei Unternehmen:
- A KG (im folgenden: A),
- B KG (im folgenden: B),
- C KG (im folgenden: C).
Mit Wirkung vom 31.Dezember 1976 übertrug der Kläger die genannten Werksvertretungen auf seinen Sohn U M.
Die zwischen dem Kläger, seinem Sohn und den vertretenen Firmen A und B geschlossenen Verträge lauteten ―im wesentlichen wortgleich― auszugsweise wie folgt:
"1. Herr E M hat mit Zustimmung der Firma … alle Rechte und Pflichten
aus dem zwischen ihm und der Firma bestehenden Handelsvertretervertrag auf
Herrn U M übertragen …
2. Durch die Übertragung der Vertretung entsteht in der Person des Herrn E
M ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB nicht, dafür verpflichtet sich
Herr U M , an Herrn E M … eine monatliche Rente in Höhe von 1 000 DM zu
bezahlen.
3. Mit der letzten Rentenzahlung gelten sämtliche Kunden der Firma, die bereits bei Beginn der Tätigkeit des Herrn U M geschäftliche Beziehungen zur Firma unterhalten, als von Herrn U M geworbene Neukunden im Sinne des Ausgleichsrechts (§ 89b HGB). Bei Beendigung des Vertretervertrages und Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs sind die für die Vermittlung von Umsätzen mit diesen Kunden erzielten Provisionen im Rahmen des rechtlich Möglichen voll zu
berücksichtigen."
Endete der Handelsvertretervertrag vor Erfüllung der Rentenverpflichtung, trat U M laut Nr.4 des Vertrages mit der Firma A seinen gegenüber der Firma ggf. entstehenden Anspruch aus § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) in Höhe der nicht erbrachten Rentenverpflichtung an den Kläger ab. Die Firma A verpflichtete sich, "den offenen Betrag der nicht erfüllten Verpflichtung nur an den Kläger oder dessen Erben zu zahlen".
Die Firma B verpflichtete sich lt. Nr.4 des Vertrages für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Handelsvertretervertrages, die Rentenzahlungen an den Kläger in dem vereinbarten Umfang fortzusetzen und darüber hinaus die vom Sohn bereits erbrachten Rentenleistungen an diesen oder seine Erben zu erstatten; in diesem Falle war für eine etwaige Berechnung des Ausgleichsanspruchs die Altkundenregelung lt. Nr.3 des Vertrages B ausgeschlossen.
Der dritte Vertrag ist unter dem 24.Oktober 1977 lediglich zwischen der Firma C und U M abgeschlossen worden. In Nr.1 wurde festgestellt, daß U M das Handelsgewerbe seines Vaters übernommen habe. Die Firma C und U M schlossen mit Wirkung vom 1.Januar 1977 einen Handelsvertretervertrag zu den Bedingungen des bisher bestehenden Vertrages zwischen der Firma C und dem Kläger. U M verpflichtete sich,
"2. … die Firma C von dem Ausgleichsanspruch des Herrn E M (gem. § 89b
HGB) freizuhalten und den (von C) an Herrn E M zu zahlenden
Ausgleichsbetrag … bis zur völligen Abdeckung in monatlichen Raten von
DM 1 500 (an C) zu erstatten. …
4. Mit der Erstattung des gesamten vereinbarten Betrages durch den Handelsvertreter (an C) gelten sämtliche Kunden von (C) im Vertretungsgebiet, die bei Beginn des Vertretungsvertrages bereits Geschäftsbeziehungen zu (C) unterhalten, als vom Handelsvertreter erworbene Neukunden im Sinne des Ausgleichsanspruchs (§ 89b HGB). Bei Beendigung des Vertretungsvertrages und Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs sind die für die Vermittlung von Umsätzen mit diesen Kunden erzielten Provisionen im Rahmen des rechtlich Möglichen voll zu berücksichtigen."
Der Kläger erhielt für die Abgabe der Werksvertretung C von seinem Sohn 20 000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, die abgezinsten Ansprüche auf die Abstandszahlungen seien als laufender Gewinn des Jahres 1976 zu erfassen, weil es sich in Wirklichkeit um Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB handele, deren Erfüllung der Sohn des Klägers übernommen habe. Das FA ermittelte einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 223 021 DM, den es den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheiden vom 23.November 1982 bzw. 10.Dezember 1982 zugrunde legte. Die bei der Einkommensteuer tarifbegünstigten Einkünfte setzte das FA mit 117 993 DM an (§ 24 Nr.1 Buchst.c, § 34 Abs.2 Nr.2 EStG).
Die Einsprüche führten nur in einem hier nicht mehr streitigen Punkt zum Erfolg.
Mit den Klagen trug der Kläger u.a. vor: Nach den abgeschlossenen Verträgen sei in seiner Person zu keiner Zeit, auch nicht per 31.Dezember 1976, ein Ausgleichsanspruch entstanden. Es fehle an einer Beendigung der Handelsvertreterverträge. Die von ihm auf seinen Sohn übergegangenen Handelsvertreterverträge seien als einheitliche Vertragsverhältnisse zu betrachten. Insbesondere die Firmen A und B hätten sich geweigert, einen Ausgleich nach § 89b HGB zu bezahlen. Erst der Erwerb der Vertretungsrechte durch seinen Sohn habe das Zustandekommen der Verträge ermöglicht.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen, die es zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verband, im wesentlichen statt. Es nahm einen Veräußerungsgewinn an, den es bei der Gewerbesteuer außer Ansatz ließ und bei der Einkommensteuer unter Gewährung eines Freibetrages von 60 000 DM (§ 16 Abs.4 EStG) ebenfalls tarifbegünstigt besteuerte. Das FG führte aus:
Der vom Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, daß ein Handelsvertreter Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB auch dann in der Schlußbilanz als laufenden Gewinn zu erfassen habe, wenn die Vertragsbeendigung mit der Veräußerung oder Aufgabe des Handelsgewerbes zusammenfalle, sei nicht zu folgen. Der Klage sei aber schon deswegen stattzugeben, weil der Kläger keine Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB erhalten habe, sondern ―von seinem Sohn― Abfindungs- oder Abstandszahlungen, die dem Gewinn aus einer Betriebsveräußerung zuzurechnen seien. Denn der Kläger habe mit Zustimmung der vertretenen Firmen seine Vertretungen auf einen Nachfolger übertragen und hierfür von diesem als Abstandszahlung eine Vergütung entsprechend dem Wert der übertragenen Vertretungsrechte erhalten.
Ein Handelsvertreter könne mit Zustimmung des Unternehmens seinen Handelsvertretervertrag auf einen Dritten übertragen. Bei einer Vertragsübernahme bleibe der Vertrag als solcher bestehen. Die Nachfolge durch Vertragsübernahme sei von dem Fall zu unterscheiden, daß der Vertrag des ausscheidenden Handelsvertreters beendet werde und das vertretene Unternehmen mit einem Nachfolger einen neuen Handelsvertretervertrag schließe, wobei es den von ihm geschuldeten Ausgleichsanspruch wirtschaftlich und auch rechtlich auf den Nachfolger abwälze. Es hänge von der konkreten vertraglichen Gestaltung ab, ob der ausscheidende Handelsvertreter eine Abstandszahlung von seinem Nachfolger oder aber eine Ausgleichszahlung nach § 89b HGB von dem vertretenen Unternehmen beziehe. Ein wesentlicher Anhaltspunkt für eine Vertragsübernahme und Vertragsfortsetzung durch den Nachfolger sei es, wenn dieser mit dem Unternehmer vereinbare, daß die von dem ausscheidenden Handelsvertreter geworbenen Neukunden für die Regelung des Ausgleichsanspruchs im Falle einer Vertragsbeendigung mit ihm, dem Nachfolger, als von ihm geworbene Neukunden angesehen werden sollen. Im Streitfall seien die Handelsvertreterverträge mit A und B als Geschäftsherren nicht beendet worden. Vielmehr sei das Gegenteil "klar und eindeutig vereinbart worden".
Handels- und ertragsteuerrechtlich sei zwischen Ausgleichszahlung (durch den Unternehmer) und Abfindung (durch den Nachfolger) sorgfältig zu unterscheiden. Hier sei nach dem Vertragsinhalt eine Abfindungs- bzw. Abstandszahlung des Sohnes anzunehmen.
Die Beendigung des Vertrages mit der Firma C sei einvernehmlich rückgängig gemacht und im Wege der Novation fortgesetzt worden, was insbesondere in der Neukundenklausel zum Ausdruck komme. Die Rückzahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber C habe sein Sohn mit befreiender Wirkung übernommen und auf diese Weise seine Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung erfüllt. Dies habe zur Folge, daß das, was der Kläger für die Verschaffung der C-Vertretung vom Sohn erhalten habe und was er behalten könne, nicht als Ausgleichszahlung, sondern als Abfindungszahlung zu behandeln sei.
Unerheblich sei, daß die Abfindungszahlungen möglicherweise Beträge einschlössen, die der Kläger im Falle der Beendigung der Verträge möglicherweise gegenüber den Unternehmern als Ausgleichsforderungen geltend gemacht und durchgesetzt hätte. Unerheblich sei auch, daß der Sohn des Klägers die Abstandszahlungen mit Wissen der Unternehmen A, B und C geleistet und sich ihnen gegenüber in bestimmtem Umfang Ersatz ausbedungen habe. Hier sei ein dem Nachfolger aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zustehender Ausgleichsanspruch auf eine vertragliche Grundlage gestellt worden.
Zwar sei es "aus handelsrechtlicher Sicht mehr oder weniger austauschbar", ob der scheidende Handelsvertreter vom Unternehmen eine Ausgleichszahlung (§ 89b HGB) fordere und sich der Unternehmer den Betrag vom Nachfolger erstatten lasse, oder ob der ausscheidende Handelsvertreter vom Nachfolger für die Übernahme des Bezirks im Einvernehmen mit dem Unternehmer eine Abstandszahlung erhalte. Den Vertragschließenden könne nicht verwehrt werden, die steuerrechtlich günstigere Vertragsgestaltung zu wählen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Anfechtungsklage betreffend Gewerbesteuer 1976 als unbegründet abzuweisen, weiterhin sinngemäß, das angefochtene Urteil betreffend Einkommensteuer 1976 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als das FG die Einkommensteuer unter 50 479 DM festgesetzt hat.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das FG im Hinblick auf eine von ihm angenommene Vertragsübernahme das Entstehen eines steuerrechtlich als laufender Gewinn zu erfassenden Ausgleichsanspruchs (§ 89b HGB) verneint.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegt der Ausgleichsbetrag, den ein Handelsvertreter gemäß § 89b HGB erhält, der Gewerbesteuer, und zwar auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes des Handelsvertreters zusammenfällt (BFH-Urteil vom 19.Februar 1987 IV R 72/83, BFHE 149, 188, BStBl II 1987, 570, 572 unter 1. m.w.N.; BFH-Beschluß vom 16.August 1989 III B 14/89, BFH/NV 1990, 188). Maßgebend hierfür ist, daß die Ausgleichszahlung auf einem Anspruch beruht, der seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Natur nach ein zusätzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste ist (vgl. auch BGH-Urteil vom 28.April 1988 I ZR 66/87, Betriebs- Berater ―BB― 1988, 2199), der unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis folgt und keinen besonderen Willensentschluß voraussetzt, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebs erfordert (BFH-Urteil vom 10.Juli 1973 VIII R 228/72, BFHE 110, 126, BStBl II 1973, 775). Die Entstehung des Ausgleichsanspruchs ist auch einkommensteuerrechtlich dem laufenden Gewinn, nicht dem Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn zuzuordnen. - Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
2. Diese Rechtsgrundsätze sind auch in Fällen angewendet worden, in denen der ausscheidende Handelsvertreter die Vertretung im Einvernehmen mit dem Geschäftsherrn auf den Nachfolger übertragen hat. Das BFH-Urteil vom 14.Oktober 1980 VIII R 184/78 (BFHE 131, 520, BStBl II 1981, 97) geht davon aus, daß jedenfalls "im Zeitpunkt der einvernehmlichen Umwandlung des Vertrages" das Handelsvertreterverhältnis beendet und die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs von diesem Zeitpunkt an erfüllt sind.
Auf dieser zivilrechtlichen Beurteilung beruht auch das BGH-Urteil vom 14.April 1988 I ZR 122/86 (Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr.85 zu § 89b HGB = Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1989, 35; vgl. auch Brüggemann in Staub, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, § 89b Rdnr.24), das den Fall einer durch "dreiseitigen Vertrag" vollzogenen Übernahme eines Eigenhändlervertrages betrifft. Der BGH hat dort entschieden, daß das Ausscheiden des Eigenhändlers und der Eintritt des Nachfolgers in den Händlervertrag zur Beendigung des bisher bestehenden Vertrages führe, wie sie in § 89b Abs.1 HGB für das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs vorausgesetzt sei. Der Anspruch entstehe ―vorbehaltlich des § 89b Abs.3 HGB― in allen Fällen der Beendigung von Vertragsbeziehungen zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter. § 89b Abs.3 HGB regele als eng auszulegende Ausnahmevorschrift den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs abschließend. Im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes, die vom Handelsvertreter für den Unternehmer geschaffenen, ihm aber nicht mehr zugute kommenden Vorteile auszugleichen, sei es nicht von Bedeutung, ob das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter durch Kündigung, Tod des Handelsvertreters oder "durch vertraglich vereinbartes Ausscheiden des bisherigen Vertreters unter gleichzeitigem Eintreten eines Nachfolgers in den Händlervertrag" ende.
Entgegen der Auffassung des FG hinderte eine Vertragsübernahme nicht das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB.
3. a) Nach dem BFH-Urteil vom 31.Mai 1972 IV R 44/69 (BFHE 106, 202, BStBl II 1972, 899) liegt eine nach § 24 Nr.1 Buchst.c, § 34 Abs.1 und 2 EStG begünstigte Ausgleichszahlung i.S. des § 89b HGB nicht vor, wenn ein Nachfolgevertreter aufgrund eines selbständigen Vertrages mit seinem Vorgänger dessen Handelsvertretung oder Teile davon entgeltlich erwirbt. Das Urteil bejahte für den Streitfall die Selbständigkeit des Nachfolgevertrages: Die vertretenen Unternehmen hätten die Nachfolgevertreter veranlaßt, neue Verpflichtungen zu übernehmen, während sie selbst mit Ausgleichsverpflichtungen nicht belastet sein wollten. Die Nachfolger hätten nicht fremde Verpflichtungen, sondern eigene erfüllen wollen. Die Geschäftsherren seien "weder finanziell noch bilanzmäßig" in die Abwicklung der Zahlungen einbezogen worden; sie hätten weder selbst Berechtigte gegenüber den Nachfolgevertretern, noch Verpflichtete gegenüber dem scheidenden Handelsvertreter sein wollen.
Die Entscheidung in BFHE 106, 202, BStBl II 1972, 899 ist insofern überholt, als der vom Unternehmer zu zahlende Ausgleichsbetrag bei diesem nicht zu aktivieren ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 131, 520, BStBl II 1981, 97, unter 2.); die bilanzielle Behandlung beim Geschäftsherrn kann mithin kein Indiz für die "Selbständigkeit" des Übernahmevertrages sein. Gleichwohl ist bei der steuerrechtlichen Beurteilung der im Dreiecksverhältnis von scheidendem Vertreter, dessen Nachfolger und Geschäftsherrn erbrachten Leistungen zu prüfen, welchem Rechtsgrund eine Zahlung zuzuordnen ist. Vorliegend ist entscheidend, ob der Nachfolgevertreter den gesetzlichen Ausgleichsanspruch übernimmt oder ob die Zahlung an den Vorgänger auf einem ausschließlich zwischen ihm und dem Vorgänger vereinbarten ―in dieser Hinsicht selbständigen― Rechtsgrund beruht.
Der ausscheidende Handelsvertreter kann seinem Nachfolger etwa dadurch eine selbständige, von letzterem zu entgeltende Leistung erbringen, daß er sich beim Geschäftsherrn erfolgreich dafür einsetzt, daß dieser mit dem Nachfolger einen Handelsvertretervertrag abschließt, und den Nachfolger bei den Kunden einführt; als Gegenleistung hierfür kann eine Beteiligung an den künftig anfallenden Provisionen vereinbart werden (vgl. BGH-Urteil vom 11.Juni 1975 I ZR 136/74, NJW 1975, 1926). Weiterhin kann er dem Nachfolger seine betriebliche Organisation (Geschäftsgrundstück, Inventar, Kundenkartei) veräußern; er erzielt damit nach näherer Maßgabe des § 16 Abs.1 EStG einen Veräußerungsgewinn (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 24 EStG Anm.11; Frotscher/Zimmermann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 24 Anm.116). Der Nachfolger seinerseits kann vom Geschäftsherrn ein "Vertreterrecht" erwerben, wobei das Entgelt darin bestehen kann, daß er den an seinen Vorgänger zu zahlenden Ausgleichsanspruch ablöst (vgl. Urteil des Senats vom 18.Januar 1989 X R 10/86, BFHE 156, 110, BStBl II 1989, 549). So liegt es in den häufig vorkommenden Fällen, in denen es dem Geschäftsherrn gelingt, den Ausgleichsanspruch des scheidenden Handelsvertreters auf dessen Nachfolger mittels Schuldübernahme abzuwälzen. Ein sich hierauf beziehender Vertrag unter Beteiligung der beiden Handelsvertreter hat keinen Einfluß auf die steuerrechtliche Behandlung des Ausgleichsanspruchs beim Vorgänger (vgl. auch BFH-Beschluß in BFH/NV 1990, 188); der Vertrag ist sodann nicht selbständig, vielmehr übernimmt der Nachfolger eine dem Geschäftsherrn obliegende Verpflichtung. Dabei ist es für die steuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, ob es sich um eine Erfüllungsübernahme oder um eine befreiende Schuldübernahme handelt.
b) Der Vertrag zwischen den Handelsvertretern ist nicht bereits deswegen im vorgenannten Sinne selbständig, weil der Kläger gegenüber seinen Geschäftsherrn auf seinen Ausgleichsanspruch verzichtet hätte. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB entsteht kraft Gesetzes. Der Handelsvertreter kann nur im Rahmen des § 89b Abs.3 HGB auf diesen Anspruch verzichten. An einen als Schulderlaß (§ 397 Abs.1 BGB) einzuordnenden Verzicht auf Rechte sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzicht auf ein Recht ist nicht zu vermuten (vgl. BGH-Urteil vom 20.Dezember 1983 VI ZR 19/82, NJW 1984, 1346, m.w.N.; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 49.Aufl. 1990, § 397 Anm.2).
Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die die Annahme eines solchen Verzichts nahelegen könnten. Insbesondere enthält die Vertragsklausel unter 2., daß ein Ausgleichsanspruch nicht entstehe, keinen Schulderlaß: Sie ist nach Sachlage unter Berücksichtigung der nachfolgend formulierten Schuldübernahme ein Hinweis auf die vorrangige Schulderfüllung durch den Nachfolger. Ohnehin wird für den Fall einer vertraglichen Überwälzung der Ausgleichsverpflichtung auf den Nachfolger die Auffassung vertreten, daß der Geschäftsherr bei jedem Ausfall des Nachfolgers haftet (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 28.Aufl. 1989, § 89b Anm.5 B).
c) Zu Unrecht nehmen das FG und der Kläger an, die Verträge mit den Firmen A und B hätten nicht die Regelung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs zum Inhalt. Der Anspruch war, wie dargelegt, kraft Gesetzes entstanden. Zwar mag es zutreffen, daß zwischen dem Kläger und diesen Firmen ursprünglich Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden hatten, ob und in welchem Umfang dem Kläger ein Ausgleichsanspruch zustand. Jedenfalls haben sich die Vertragsparteien letztlich auf eine Überwälzung der Verpflichtung geeinigt. Die Neukundenklausel in Nr.3 der Verträge setzt voraus, daß auch die Firmen A und B den Ausgleichsanspruch des Klägers dem Grund nach bejahten: Diese Klausel dient dem Zweck, der durch Auslegung des § 89b HGB nicht behebbaren (vgl. BGH- Urteil vom 10.Mai 1984 I ZR 36/82, LM, § 89b HGB Nr.72) Unbilligkeit zu begegnen, daß durch eine Überwälzung der Ausgleichsverpflichtung der Geschäftsherr begünstigt wird, für den Nachfolger hingegen der entgeltlich erworbene Kundenstamm bei der Berechnung seines eigenen späteren Ausgleichsanspruchs keine "neuen Kunden" i.S. des § 89b Abs.1 Nr.1 HGB sind. Die Neukundenklausel hat den wirtschaftlichen Effekt, daß eine als bestehend vorausgesetzte Ausgleichsschuld bis zur Beendigung des Nachfolgevertrages gestundet wird.
d) Der Vertrag C spricht ausdrücklich davon, daß der Nachfolger das vertretene Unternehmen von Ausgleichsansprüchen des Klägers freizuhalten hatte. Die Summe von 20 000 DM war als Ausgleichsbetrag gezahlt worden. Die Rechtsnatur der Ausgleichszahlung kann durch eine nachträgliche Vereinbarung zwischen dem Nachfolgevertreter und dem Geschäftsherrn nicht mehr geändert werden.
4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die spruchreife Klage ist hinsichtlich der Gewerbesteuer in vollem Umfang, hinsichtlich der Einkommensteuer im Umfang des eingeschränkten Klageabweisungsantrags des FA abzuweisen. Gegen die rechnerische Richtigkeit des vom FA ermittelten Steuerbetrages sind Bedenken weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 63467 |
BFH/NV 1990, 90 |
BStBl II 1991, 218 |
BFHE 162, 38 |
BFHE 1991, 38 |
BB 1991, 49 |
BB 1991, 49-51 (LT) |
DB 1991, 141-143 (LT) |
DStZ 1990, 53 (KT) |
HFR 1991, 217 (LT) |
StE 1990, 450 (K) |