Leitsatz (amtlich)
1. Für die Anwendung des § 33 Abs. 2 GewStG genügt es, wenn sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über den anzuwendenden Zerlegungsmaßtab einigen. Durch eine solche Einigung wird nicht ausgeschlossen, die Zerlegung mit der Behauptung anzufechten, der vereinbarte Zerlegungsmaßstab sei unrichtig angewendet worden.
2. Ein städtischer Straßenbahnbetrieb, der sich auf das Gebiet einer Nachbargemeinde erstreckt, stellt eine mehrgemeindliche Betriebstätte im Sinne des § 30 GewStG dar.
2. Bei einem Omnibuslinienbetrieb, der mehrere Gemeinden bedient, wird der für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebstätte nötige räumliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Betriebsanlagen nicht durch die Straßen, die von den Omnibussen befahren werden, hergestellt.
2. Zur Frage, wann ein Pavillon, der dem Umsteigeverkehr zwischen Straßenbahn und Omnibuslinien dient, als Betriebstätte im Sinne des § 16 StAnpG anzusehen ist.
Normenkette
GewStG §§ 30, 33 Abs. 2; StAnpG § 16
Tatbestand
Die Steuerpflichtige ist ein Verkehrsunternehmen mit mehreren Betriebszweigen. Der Straßenbahnbetrieb reicht mit einem Schienenstrang von etwa 300m Länge von der Sitzgemeinde in das Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde (Beschwerdeführerin) hinein. Hier liegen die Kehrschleife von (in den Streitjahren) einer Straßenbahnlinie und die Endhaltestelle, an der Fahrgäste ein- und aussteigen und in Omnibusse der Steuerpflichtigen umsteigen. An der Endhaltestelle hat die Steuerpflichtige einen Pavillon errichtet, in dem sich eine Wartehalle für Fahrgäste, ein Aufenthaltsraum mit Telefonanschluß und Toiletten für die Aufsichtsposten und das Fahrpersonal, eine Gerätekammer (Sandraum) und ein verpachteter Verkaufsstand befinden. Die Steuerpflichtige selbst verkauft in dem Pavillon keine Fahrkarten und schließt dort auch keine sonstigen Geschäfte mit den Fahrgästen ab. Aber der Pächter des Verkaufsstands ist verpflichtet, Zeitkarten der Steuerpflichtigen provisonsfrei und ohne Aufschlag zu verkaufen.
Durch das Gebiet der Beschwerdeführerin führten in den Streitjahren 1959 und 1960 zwei Omnibuslinien, wovon eine das Gebiet der Sitzgemeinde nicht berührte. Beide Linien haben neben mehreren gewöhnlichen Haltestellen eine Zwischenhaltestelle an der Endstation der Straßenbahnlinie, die überwiegend dem Umsteigeverkehr dient. In der Hauptverkehrszeit sind dort ständig zwei Aufsichtsposten tätig, die für den reibungslosen Anschluß zwischen Straßenbahn und Omnibus sorgen. Die Posten stehen überwiegend mit dem Omnibusverkehr in Verbindung.
Während die Beschwerdeführerin vorher nach dem Maßstab der geleisteten Nutzkilometer im Straßenbahnund im Omnibusbetrieb bei der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags berücksichtigt worden war, verneinte das FA bei der vorläufigen Zerlegung für die streitigen Erhebungszeiträume das Bestehen einer Betriebstätte auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin und setzte den Zerlegungsanteil für die Beschwerdeführerin auf 0 DM fest. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde nahm das FA eine endgültige Zerlegung vor, bei der es den Einwendungen der Beschwerdeführerin aber nur zum Teil Rechnung trug. Es nahm hinsichtlich des Straßenbahnbetriebs eine einheitliche und damit mehrgemeindliche Betriebstätte an, vertrat aber weiterhin die Ansicht, daß eine Betriebstätte des Omnibusbetriebs auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin nicht vorliege. Zerlegungsmaßstab war im Einvernehmen aller am Zerlegungsverfahren Beteiligten der Anteil der einzelnen Betriebstättengemeinde an den in allen Betriebszweigen geleisteten Nutzkilometern. Der Beschwerdeführerin wurden aber nur die auf ihr Gebiet entfallenden Nutzkilometer der Straßenbahnlinie, nicht auch die der beiden Omnibuslinien zugerechnet.
Die Beschwerdeführerin blieb demgegenüber bei ihrer Auffassung, es handle sich bei dem Pavillon um "Geschäftseinrichtungen", die für den Omnibusbetrieb eine Betriebstätte nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 StAnpG darstellten. Der Pächter des Verkaufsstandes sei ständiger Vertreter der Steuerpflichtigen, weil er zum Kartenverkauf für die Steuerpflichtige verpflichtet und in seiner Geschäftsabwicklung deren Willen untergeordnet sei. Außerdem werde auch durch die beiden Omnibuslinien eine mehrgemeindliche Betriebstätte begründet; der notwendige räumliche Zusammenhang werde durch die befahrenen Straßen und den Verkehrsknotenpunkt der Endhaltestelle der Straßenbahn hergestellt.
Die OFD hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Bei dem Omnibusbetrieb handle es sich um keine mehrgemeindliche Betriebstätte, weil es am räumlichen Zusammenhang der Betriebsteile fehle. Die Steuerpflichtige unterhalte für diesen Betriebszweig auch keine selbständige Betriebstätte auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin. Nach den Grundsätzen der Entscheidung des RFH VI B 15/39 vom 11. Oktober 1939 (RStBl 1939, 1095) bildeten weder die Haltestellen ohne besondere Anlagen, noch der Pavillon eine Betriebstätte. Im Pavillon schließe die Steuerpflichtige keine Transportgeschäfte ab. Der Mieter des Verkaufsstandes sei sowenig ein ständiger Vertreter wie der Pächter einer Tankstelle im Falle des Beschlusses des BFH I B 223/61 S vom 16. August 1962 (BFH 75, 573, BStBl III 1962, 477).
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der weiteren Beschwerde. Sie hält die Frage, ob auch durch den Omnibusbetrieb eine mehrgemeindliche Betriebstätte besteht, nur noch für zweitrangig. In erster Linie stützt sie sich darauf, daß die Steuerpflichtige mit dem Pavillon eine selbständige Betriebstätte unterhalte. Durch den Zeitkartenverkauf schließe der Ladenpächter als ständiger Vertreter Beförderungsgeschäfte für die Steuerpflichtige ab. Die Beschwerdeführerin weist ferner auf die ihr durch den Omnibusbetrieb entstehenden Kosten hin.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Pavillon als selbständige Betriebstätte des Omnibusbetriebs anzuerkennen und bei der Zerlegung auch die auf ihr Gebiet entfallenden Nutzkilometer der beiden Omnibuslinien zu berücksichtigen. Die Sitzgemeinde beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Zerlegungsbescheide, soweit die Beschwerdeführerin und die Sitzgemeinde betroffen werden. Bei den erneuten Zerlegungen sind neben den Nutzkilometern der Straßenbahnlinie auch diejenigen der Omnibuslinien auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen.
Der Betrieb der Steuerpflichtigen greift mit einzelnen Anlagen ihrer Betriebszweige über das Gebiet der Sitzgemeinde hinaus. Der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag ist deshalb zu zerlegen (§ 28 GewStG). Die am Zerlegungsverfahren Beteiligten haben sich geeinigt, die Zerlegung nach dem Verhältnis vorzunehmen, in dem die Summe der geleisteten Nutzkilometer zu den Nutzkilometern steht, die in den einzelnen Betriebstättengemeinden gefahren worden sind. Soweit die Steuerpflichtige in einer Gemeinde mit mehreren Betriebszweigen tätig ist, kommen nur die Nutzkilometer des Betriebszweigs in Betracht, der eine Betriebstätte begründet hat. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Vorbringen der Beteiligten, deren Streit darum geht, ob sich auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin eine Betriebstätte des Omnibusbetriebs befindet und deshalb die anteiligen Nutzkilometer der beiden Omnibuslinien der Beschwerdeführerin zuzurechnen sind. Die in Gemeinden ohne Betriebstätten geleisteten Nutzkilometer stehen der Sitzgemeinde zu. Die Vereinbarung eines solchen von den gesetzlichen Regelmaßstäben der §§ 29 und 30 GewStG abweichenden Zerlegungsmaßstabs ist nach § 33 Abs. 2 GewStG zulßsig. Nach dieser Vorschrift ist der Steuermeßbetrag, wenn sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegung einigen, nach Maßgabe der Einigung zu zerlegen. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß bei einer Einigung der Beteiligten dem Ziel der Zerlegungsvorschriften, den Steuermeßbetrag möglichst gerecht zu verteilen, am einfachsten und besten entsprochen wird. Es liegt im Rahmen des Zwecks des § 33 Abs. 2 GewStG, eine Einigung im Sinne dieser Vorschrift nicht nur anzunehmen, wenn sie sich auf die betragsmäßigen Anteile erstreckt, sondern auch dann, wenn sie sich bloß auf den anzuwendenden Zerlegungsmaßstab bezieht. Durch eine solche Einigung wird nicht ausgeschlossen, die Zerlegung, wie im Streitfall, mit der Behauptung anzufechten, der vereinbarte Zerlegungsmaßstab sei unrichtig angewendet worden. (Vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Auflage, § 33, Anm. 5; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 33, Anm. 6; Müthling, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 33 Anm. 2).
Der Straßenbahnbetrieeb erstreckt sich auf die Sitzgemeinde und auf das Gebiet der Beschwerdeführerin. Er stellt nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten eine mehrgemeindliche Betriebstätte dar. Dagegen bestehen nach den Grundsätzen der RFH-Entscheidung I 101/39 vom 14. März 1939 (RStBl 1939, 755), denen sich der Senat anschließt, und der Rechtsprechung zum Begriff der einheitlichen Betriebstätte (vgl. z. B. Beschluß des BFH I B 403/61 U vom 28. Oktober 1964, BFH 81.310, BStBl III 1965, 113) keine Bedenken. Der RFH hat unter Übernahme der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) dargelegt, daß die gemeindlichen Straßenbahnen zwar zu den Eisenbahnen im Sinne des § 16 Abs. 3 StAnpG gehörten, gleichwohl diese Vorschrift nicht auf sie angewendet werden könne, weil sie einen getrennten Stations- und Streckenbetrieb voraussetze. Die Haltestellen der Straßenbahnen seien keine Stationen im Sinne der genannten Vorschrift, weil als Station nur derjenige Haltepunkt anzusehen sei, bei dem besondere Betriebseinrichtungen vorhanden seien, in denen durch die Annahme von Fahrgästen oder Gütern oder von beiden Transportgeschäfte abgeschlossen würden. Bei Straßenbahnen würden regelmäßig die Fahrgäste auf der ganzen Strecke aufgenommen und abgesetzt. Der gesamte Betrieb der Straßenbahn einschließlich der Gleisanlagen bilde eine einheitliche Betriebstätte. Führen die Linien durch mehrere Gemeinden, so sei eine mehrgemeindliche Betriebstätte im Sinne des § 30 GewStG gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebstätte voraus, daß in räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein einheitliches Ganzes besteht. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der räumliche Zusammenhang der einzelnen Betriebsanlagen wird im Streitfall durch die Gleisanlagen hergestellt. Der Vorentscheidung liegt diese Auffassung zugrunde. Der Zerlegungsanteil der Beschwerdeführerin ist insoweit nicht streitig.
Der Omnibusbetrieb erstreckt sich ebenfalls auf das Gebiet der Beschwerdeführerin. Zutreffend hat die Vorentscheidung ausgeführt, daß insoweit keine mehrgemeindliche Betriebstätte besteht. Es fehlt am räumlichen Zusammenhang zwischen den Betriebsanlagen auf dem Gebiet der Sitzgemeinde und denen auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin. Er wird nicht lediglich durch die Straßen, die von den Omnibussen befahren werden, hergestellt (vgl. Entscheidung des RFH VI B 15/39, a. a. O., und Beschluß des BFH I B 403/61 U. a. a. O.). Der Vorentscheidung kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß nach den Grundsätzen der RFH-Entscheidung VI B 15/39 (a. a. O.) auch keine selbständige Betriebstätte auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin vorhanden sei. Der RFH hatte ständige Haltestellen von Omnibussen ohne besondere Anlagen oder Einrichtungen zu beurteilen und hat diese allerdings nicht als Betriebstätten im Sinne des § 16 StAnpG anerkannt. Der von der Steuerpflichtigen errichtete Pavillon an der Endstation der Straßenbahn ist aber mehr als eine solche einfache Haltestelle. Unstreitig dient dieser Pavillon vor allem dem Umsteigeverkehr zwischen der Straßenbahn und den Omnibussen. In ihm befindet sich u. a. ein Betriebsraum der Steuerpflichtigen mit Telefonanschluß, der u. a. zwei Aufsichtskräften dient, die dort während der Hauptverkehrsstunden stationiert sind, und zwar überwiegend zur Regelung des Omnibusverkehrs. Es handelt sich beim Pavillon danach um eine feste örtliche Anlage, die die Steuerpflichtige zur Ausübung ihres Betriebs, und zwar auch des Omnibusbetriebs verwendet. Damit sind die Voraussetzungen einer Betriebstätte nach § 16 Abs. 1 StAnpG erfüllt. Aus § 16 Abs. 3 StAnpG läßt sich nichts Gegenteiliges ableiten; der Omnibusbetrieb ist kein Eisenbahnbetrieb. Ob auch die übrigen Räume für die Annahme einer Betriebstätte sprechen und ob der Pächter des Verkaufsraums als ständiger Vertreter der Steuerpflichtigen anzusehen ist, braucht der Senat nicht mehr zu prüfen.
Für den Zerlegungsanteil der Beschwerdeführerin sind danach auch die sich aus dem Omnibusbetrieb ergebenden Nutzkilometer zu berücksichtigen.
Die Kosten hat nach dem Rechtsgedanken des § 135 Abs. 1 FGO das FA zu tragen (vgl. Urteil des BFH I B 240, 241/62 vom 1. März 1967, BFH 88, 214, BStBl III 1967, 324).
Fundstellen
BStBl II 1968, 827 |
BFHE 1968, 476 |