Entscheidungsstichwort (Thema)
Pkw-Kosten für Leerfahrt der Ehefrau
Leitsatz (NV)
1. Bringt die Ehefrau einen Flugkapitän von der Wohnung zum Flughafen und holt sie ihn nach Rückkehr von Mehrtagesflügen dort wieder ab, so sind die Aufwendungen für die hierdurch bedingten Leerfahrten der Ehefrau keine Werbungskosten bei den Einkünften des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit.
2. Das gilt auch dann, wenn die Eheleute sich dabei von der Erwägung haben leiten lassen, daß der Ehemann als Flugkapitän ausgeruht zum Dienst hat erscheinen müssen.
Normenkette
EStG 1982 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger ist von Beruf Pilot und war im Streitjahr 1982 bei . . . beschäftigt. Der Heimatflughafen des Klägers ist A. Von hier aus führt der Kläger Mehrtagesflüge (vier bis fünf Tage) in Europa und Nahost durch.
Der Kläger und seine Ehefrau wohnten im Streitjahr 1982 in O. Die Entfernung zwischen der Wohnung und dem Flughafen A beträgt 65 km. Der Kläger ließ sich jeweils von seiner Ehefrau, der Klägerin, mit dem privateigenen Pkw von O zum Flughafen A fahren und nach Beendigung der Dienstgeschäfte wieder von dort abholen. Hierdurch fielen zusätzlich 50 Rück- und Abholfahrten (Leerfahrten) an, deren Kosten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 1982 als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend machten. Die Aufwendungen wurden vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) nicht anerkannt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u. a. aus:
Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die Leerfahrten der Ehefrau seien nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei das Gericht überzeugt, daß für die zusätzlichen Fahrten ausschließlich berufliche Gründe maßgeblich gewesen seien. Bei der verantwortungsvollen Tätigkeit als Pilot müsse der Kläger ausgeruht zum Dienst erscheinen. Dies schreibe das Flugbetriebshandbuch ausdrücklich vor. Es sei deshalb verständlich, wenn der Kläger sich auf der Strecke von 65 km zur Arbeitsstätte von seiner Ehefrau fahren lasse, um die Strapazen der Fahrt so gering wie möglich zu halten. Der Kläger habe glaubhaft gemacht, daß er sich vor einem Flug und den damit verbundenen tagesspezifischen Flugvorbereitungen nicht in der Lage sehe, selbst über die stark benutzte Autobahn zu fahren. Dieser verantwortungsvollen Entscheidung des Klägers sei Rechnung zu tragen. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, mit der Eisenbahn zur Arbeitsstätte zu gelangen; denn dies wäre nicht nur zu umständlich, sondern auch zu zeitaufwendig gewesen. Im übrigen sei ein Arbeitnehmer in der Wahl seines Beförderungsmittels nicht gebunden. Der Kläger hätte auch mit dem Taxi fahren können.
Gegen diese Entscheidung hat das FA Revision eingelegt. Es rügt die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG . . .:
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 1982 sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Soweit ein Arbeitnehmer Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug durchführt, können nach der Spezialregelung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die hierbei entstehenden Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem ein Kraftwagen benutzt wird, nur in Höhe eines Pauschbetrages von 0,36 DM für jeden Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, berücksichtigt werden. Dieser Pauschbetrag gilt zwei Fahrten (eine Hinfahrt zur Arbeitsstätte und eine Rückfahrt zur Wohnung) täglich ab. Legt ein Arbeitnehmer an einem Arbeitstag mit dem Kraftwagen nur die Hinfahrt zur Arbeitsstätte oder nur die Rückfahrt von dort zur Wohnung zurück, so kann er nur den halben Pauschsatz, nämlich 0,18 DM je Entfernungs-km und Arbeitstag, als Werbungskosten abziehen (vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 125, 561, BStBl II 1978, 661, und vom 9. Dezember 1988 VI R 199/84, BFHE 155, 362, BStBl II 1989, 296).
Entgegen der Ansicht des FG können die Aufwendungen für die zusätzlichen 50 Leerfahrten der Klägerin, die dadurch entstanden sind, daß sich der Kläger von ihr zu seiner Arbeitsstätte am Flughafen A hinfahren und jeweils nach Beendigung des Dienstgeschäftes wieder abholen ließ, weder nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG noch nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob diese Leerfahrten entsprechend den Ausführungen des FG ausschließlich beruflich veranlaßt waren, weil der Kläger als Pilot ausgeruht zum Dienst hat erscheinen müssen, oder ob sie ganz oder überwiegend privat veranlaßt waren, weil die Kläger nach dem Vorbringen des FA nur einen Pkw besaßen, den die Ehefrau nicht privat hätte nutzen können, wenn der Pkw während der vier bis fünf Tage dauernden Flüge des Klägers am Flughafen abgestellt worden wäre.
Auf diese Umstände kommt es nicht an, weil nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Fahrtkosten für solche Leerfahrten auch dann nicht als Werbungskosten absetzbar sind, wenn solche Fahrten beruflich veranlaßt sein sollten (so bereits Urteil des Senats vom 30. Mai 1967 VI R 308/66, BFHE 89, 189, BStBl III 1967, 571). An diesen Grundsätzen hat der Senat im Urteil vom 7. April 1989 VI R 176/85 (BFHE 157, 360, BStBl II 1989, 925), auf das im einzelnen Bezug genommen wird, ausdrücklich festgehalten. Wie der Senat dort betonte, können solche Aufwendungen nicht nach der Grundnorm des § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, weil der Gesetzgeber in Satz 2 dieser Vorschrift für Fahrten mit dem eigenen Pkw eine insoweit abschließende Regelung getroffen hat. Er hat in typisierender Weise den Pauschbetrag von 0,36 DM je Entfernungs-km für die Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Hinfahrt zur Arbeitsstätte und seine Rückfahrt zur Wohnung je Arbeitstag der Höhe nach begrenzt. Die Nichtberücksichtigung zusätzlicher Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war nach der Entwicklungsgeschichte vom Verordnungsgeber des § 20 Abs. 2 der Lohnsteuer - Durchführungsverordnung (LStDV) 1955 und sodann vom Gesetzgeber durch Übernahme dieser Regelung in den § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1966 im Interesse einer einheitlichen Typisierung und einfachen Handhabung des Rechts bewußt so gestaltet worden (vgl. v. Bornhaupt in Kirchhof / Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. F 71, unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen im Revisionsverfahren VI 159/58 S, BFHE 71, 21, BStBl III 1960, 255).
Der BFH hat Ausnahmen nur zugelassen, wenn ungewöhnliche Verhältnisse in einem solchen Ausmaß vorliegen, daß angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte eine andere Regelung getroffen, wenn er hieran gedacht hätte. Solche Ausnahmefälle sind nach der Rechtsprechung des Senats bei Arbeitnehmern mit einem Arbeitsverhältnis aber nur gegeben bei getrennter Arbeitszeit mit einer Unterbrechung von mindestens vier Stunden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 71, 21, BStBl III 1960, 255, und vom 17. Dezember 1971 VI R 328/70, BFHE 104, 209, BStBl II 1972, 260) oder wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen die Arbeitsstätte zusätzlich außerhalb seiner normalen Arbeitszeit, z. B. abends oder am freien Wochenende, aufsuchen muß (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1968 VI R 279/67, BFHE 94, 336, BStBl II 1969, 173). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist entscheidungsreif. Da das FA die Aufwendungen für die 50 Leerfahrten der Ehefrau zu Recht nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat, ist die Klage der Kläger als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417262 |
BFH/NV 1991, 92 |