Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen; Dreimonatsfrist bei Einsatzwechseltätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG findet auch dann Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer im Zuge einer Einsatzwechseltätigkeit längerfristig vorübergehend an derselben Tätigkeitsstätte eingesetzt wird (gegen R 39 Abs. 1 Satz 5 LStR).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 Sätze 3, 5, § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob ein Arbeitnehmer mit Einsatzwechseltätigkeit über mehr als drei Monate am gleichen Tätigkeitsort Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten abziehen kann.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer des Streitjahres 2000 zusammenveranlagt. Der Kläger ist nichtselbständig auf wechselnden Baustellen tätig. Ab dem 3. Januar 2000 setzte der Kläger seine im Dezember des Vorjahres bereits begonnene Tätigkeit auf einer Baustelle in A bis zum 21. Januar 2000 fort. Sodann arbeitete der Kläger vom 24. bis zum 28. Januar 2000 und ―nach einer Erkrankung in der Zeit vom 31. Januar bis zum 11. Februar 2000― vom 14. bis zum 18. Februar 2000 in B. Anschließend kehrte er ab dem 21. Februar nach A zurück.
In ihrer Einkommensteuer-Erklärung für 2000 machten die Kläger unter anderem Mehraufwendungen für Verpflegung an 110 Tagen zu 46 DM wegen ganztägiger Abwesenheit des Klägers von seiner Familienwohnung geltend. Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, für Einsatzwechseltätigkeiten gelte die Beschränkung des Abzugs von Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate zwar nicht; nach Ablauf von drei Monaten (ab 5. März 2000) komme es aber ausschließlich auf die Abwesenheit von der Nebenwohnung oder Unterkunft am Tätigkeitsort und nicht mehr auf diejenige vom Familienwohnsitz an. Aus diesem Grunde berücksichtigte das FA für die Folgezeit (79 Tage) nur noch eine tägliche Pauschale von 10 DM als Werbungskosten.
Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen könnten auch bei einer Einsatzwechseltätigkeit gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur für drei Monate geltend gemacht werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und aus dem Sinn der Vorschrift. Die Unterbrechungen der Einsatzwechseltätigkeit in A durch die Tätigkeiten in B sowie durch Krankheit und Urlaub seien insoweit ohne Bedeutung. Nach der zur Unterbrechung von Dienstreisen ergangenen und auch hier anwendbaren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werde der Dreimonatszeitraum weder verlängert noch unterbrochen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1154 abgedruckt.
Ihre Revision stützen die Kläger auf Verletzung materiellen Rechts. Weder der Wortlaut noch die Systematik oder Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen erlaubten die Anwendung der Dreimonatsfrist auch auf Einsatzwechseltätigkeiten.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 2 844 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig (Fall der sog. Dienstreise), so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen. Wird der Steuerpflichtige bei seiner individuellen betrieblichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig (Fall der sog. Einsatzwechseltätigkeit), so gilt Satz 2 entsprechend (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG). Nach Satz 5 beschränkt sich bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der pauschale Abzug nach Satz 2 auf die ersten drei Monate (sog. Dreimonatsfrist). Gemäß Satz 6 der Vorschrift gelten die Abzugsbeschränkung nach Satz 1, die (gestaffelten) Pauschbeträge nach Satz 2 sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 5 auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Nach § 9 Abs. 5 EStG sind die aufgeführten Regelungen bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit sinngemäß anzuwenden.
2. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass die Dreimonatsfrist für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht nur in den Fällen der Dienstreise und der doppelten Haushaltsführung, sondern auch im Falle der Einsatzwechseltätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte Anwendung findet. Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung (R 39 Abs. 1 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien ―LStR― in den seit 1999 geltenden Fassungen; ebenso bereits das vom Bundesministerium der Finanzen am 30. November 1995 veröffentlichte "Merkblatt für den Arbeitgeber", BStBl I 1995, 719, Rdnr. 3) und eines Teils des Schrifttums (Seitz, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1996, 48; Goydke, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1995, 738; Hartz/Meeßen/Wolf, Lohnsteuer-ABC, "Einsatzwechseltätigkeit", Rz. 47; ferner Küttner/Thomas, Personalbuch 2004, 11. Aufl., "Einsatzwechseltätigkeit", Rz. 25; Korn/Seifert, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rz. 1034; Hartmann, Die Information über Steuer und Wirtschaft ―Inf― 1996, 36; vgl. auch Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. März 2002 4 K 30010/99, EFG 2002, 1027).
a) Die Anwendbarkeit der Dreimonatsfrist auf Einsatzwechseltätigkeiten folgt aus Wortlaut und Systematik des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG (gleicher Ansicht: von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 433d; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 4 EStG Anm. 1387; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, Abschn. F Rdnr. 478; Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 358; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 9 EStG Rz. 567b; Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz. 284; Kirchhof/ Crezelius, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 4 Rn. 186).
Von der Dreimonatsfrist nach Satz 5 der Vorschrift werden sämtliche längerfristigen vorübergehenden Tätigkeiten an derselben Tätigkeitsstätte erfasst. Solche Tätigkeiten können sowohl in Gestalt einer Dienstreise (Satz 2) als auch im Zuge einer Einsatzwechseltätigkeit (Satz 3) ohne weiteres vorkommen, wenn sie auch ―wegen des nur vorübergehenden Charakters der Dienstreise wie auch wegen des ständigen Wechsels der Tätigkeitsstätten bei Einsatzwechseltätigkeit― nach allgemeinem Verständnis nicht den Regelfall bilden. Satz 5 enthält insoweit gegenüber Satz 2 wie auch gegenüber Satz 3 engere tatbestandliche Voraussetzungen. Eines Verweises auf die Rechtsfolge des Satzes 5 bedarf es daher weder in Satz 2 (wo er ebenfalls nicht enthalten ist) noch in Satz 3.
Zwar hat der Gesetzgeber in die Regelung der Einsatzwechseltätigkeit (Satz 3 der Vorschrift) einen ausdrücklichen Verweis auf Satz 2, nicht aber zugleich auch auf die Dreimonatsfrist nach Satz 5 aufgenommen. Im Gegensatz zu einem ―wie dargelegt, überflüssigen― Verweis auf Satz 5 ist der Verweis auf Satz 2 aber erforderlich, um die durch Satz 2 nur für Dienstreisen festgelegten Pauschbeträge überhaupt erst in den Fällen der Einsatzwechseltätigkeit anwenden zu können. Denn in diesen Fällen verfügt der Steuerpflichtige ―entgegen den tatbestandlichen Voraussetzungen des Satzes 2― gerade nicht über einen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit.
Auch daraus, dass sich nach Satz 5 "der pauschale Abzug nach Satz 2" auf die ersten drei Monate beschränkt, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Es handelt sich nicht um eine tatbestandliche Einengung des Anwendungsbereichs der Dreimonatsfrist nur auf Dienstreisen. Nach Wortlaut und Satzstellung bezieht sich der Hinweis auf Satz 2 nicht auf die Art der längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit, für die die Dreimonatsfrist gelten soll; er betrifft vielmehr die in Satz 2 der Höhe nach geregelten Pauschbeträge als solche, die aber gleichermaßen für die Dienstreise wie auch für die Einsatzwechseltätigkeit und die doppelte Haushaltsführung gelten.
b) Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG gestützt (ebenso: Thüringer FG, Urteil vom 28. Februar 2001 III 643/00, EFG 2001, 884; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. Februar 2003 2 K 337/00, DStR/Entscheidungsdienst 2003, 1195; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 19 Rz. 60 "Reisekosten ab 1996").
Die Norm wurde durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) umfassend neu gestaltet. Dabei verfolgte der Gesetzgeber erklärtermaßen das Ziel, allen Arbeitnehmern mit Auswärtstätigkeiten die gleichen Pauschalen zuzumessen und dadurch zur steuerlichen Gleichbehandlung beizutragen (BTDrucks 13/1558, 143). Zuvor bestehende Abgrenzungsprobleme zwischen Dienstreise einerseits und Einsatzwechseltätigkeit und Fahrtätigkeit andererseits sollten beseitigt und allgemein die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen nach Ablauf eines Dreimonatszeitraums ausgeschlossen werden (BTDrucks 13/901, 129). In den veröffentlichten Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Heraushebung der Einsatzwechseltätigkeit gegenüber anderen Formen der Auswärtstätigkeit durch Nichtanwendung der Dreimonatsfrist auch nur in Erwägung gezogen hätte.
3. Gleichwohl konnte der Kläger entgegen der Ansicht des FG mit der (Wieder-)Aufnahme seiner Tätigkeit auf der Baustelle in A ab dem 21. Februar 2000 Verpflegungsmehraufwendungen für drei Monate geltend machen. Denn dieser Tätigkeit war eine nicht unerhebliche Unterbrechung von über vier Wochen an einem anderen Einsatzort (B) vorausgegangen. Dabei konnte die dort eingetretene krankheitsbedingte Unterbrechung (31. Januar bis 11. Februar 2000) nicht der Tätigkeit am (früheren und späteren) Einsatzort in A zugerechnet werden; diese Erkrankung stand zeitlich nur in Verbindung mit der Einsatzwechseltätigkeit des Klägers in B.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, an wie vielen Tagen innerhalb des Dreimonatszeitraums ab 21. Februar 2000 der Kläger die im Gesetz geforderten Abwesenheitszeiten erfüllt hatte. Dies wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein. Bei der Ermittlung der Werbungskosten des Klägers wird das FG auch zu beachten haben, dass das FA dem Kläger für die Zeit nach dem 5. März 2000 bereits für 79 Tage einen Verpflegungsmehraufwand von 10 DM täglich zugebilligt hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 1237987 |
BFH/NV 2004, 1590 |
BStBl II 2005, 357 |
BFHE 2005, 196 |
BFHE 207, 196 |
BB 2004, 2286 |
DB 2004, 2295 |
DStR 2004, 1781 |
DStRE 2004, 1255 |
DStZ 2004, 737 |
HFR 2004, 1183 |