Entscheidungsstichwort (Thema)
Rabattfreibetrag bei Abgabe von Medikamenten aus einer Krankenhausapotheke
Leitsatz (amtlich)
Der Rabattfreibetrag kommt auch bei der verbilligten Abgabe von Medikamenten an die Belegschaft eines Krankenhauses in Betracht.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die ein Krankenhaus betreibt, ihren Arbeitnehmern aus ihrer Apotheke nichtverschreibungspflichtige Medikamente und sonstige medizinische Artikel mit Rabatt überlassen hat. Der Prüfer sah die Differenz zwischen Abgabepreis und ortsüblichem Preis als geldwerten Vorteil an, der steuerpflichtig sei, weil der Rabattfreibetrag des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht eingreife. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die diesbezüglichen Vorteile den jeweiligen Rabattfreibetrag nicht überstiegen und dass Waren der abgegebenen Art nicht überwiegend an Arbeitnehmer vertrieben wurden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erließ für den Zeitraum 1992 bis Juni 1995 dem Prüfer folgend einen Haftungsbescheid, mit dem er die auf die geldwerten Vorteile entfallende Lohnsteuer nacherhob.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1014 veröffentlichten Gründen statt und hob den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos auf.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 8 Abs. 3 EStG. Das FG habe sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Februar 1997 VI R 17/94 (BFHE 182, 556, BStBl II 1997, 363) berufen. Diese zu Kundenreisen einer Volksbank ergangene Entscheidung sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Der BFH habe die Gewährung des Rabattfreibetrages davon abhängig gemacht, dass die zu beurteilende Leistung vom Arbeitgeber als Eigenleistung am Markt angeboten werde. Demgegenüber seien die in der hauseigenen Apotheke vorgehaltenen Medikamente und Arzneiartikel nicht ―wie bei anderen Apotheken― am Markt vertrieben, sondern für den medizinischen Bedarf des Krankenhauses verwendet worden. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitgeber mit einer vergleichbaren Leistung an den Markt herantrete, sei das Erscheinungsbild der Leistung bedeutsam. Im Streitfall seien die in Rede stehenden Sachbezüge aber nicht zugleich als eigene Leistung des Arbeitgebers am Markt angeboten worden. Wenn das FG darauf abstelle, dass die medizinischen Artikel aus der Krankenhausapotheke zu den Hauptleistungen des Krankenhauses zählten, werde das Erscheinungsbild am Markt vernachlässigt. Die Patienten träten nämlich nicht an die Krankenhausapotheke heran, um Medikamente usw. zu erwerben. Es handle sich um Betriebs- und Hilfsstoffe, die als solche von der Klägerin nicht am Markt abgegeben würden. Selbst wenn die in Rede stehenden Artikel als "Rohstoffe und Zutaten" zu würdigen seien, hätten sie nicht die Bedeutung, die unfertigen Teilen oder Halbfertigprodukten bei einem Produktionsunternehmen zukämen. Denn beim Krankenhausaufnahmevertrag stehe die ärztliche Behandlung und pflegerische Betreuung derart im Vordergrund, dass der Verwendung der hier streitigen medizinischen Artikel auch bei wirtschaftlicher Betrachtung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zukomme.
Dieser Beurteilung stehe auch das BFH-Urteil vom 4. November 1994 VI R 81/93 (BFHE 175, 567, BStBl II 1995, 338) nicht entgegen. Dort sei entschieden worden, dass die Merkmale "Waren und Dienstleistungen" als Synonym für alle Sachbezüge zu verstehen seien, wobei der Begriff des Sachbezugs nur deshalb nicht verwendet worden sei, weil er als Anknüpfungspunkt zu der gewollten Beschränkung auf die eigene unternehmerische Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers sprachlich ungeeignet gewesen sei. Danach komme es zwar nicht auf den "üblichen", jedoch auf den "aktuellen" Geschäftsgegenstand des Arbeitgebers an. Zwar betreffe der Begriff des "allgemeinen Geschäftsverkehrs" zunächst einmal die Rechtsfolgen der Bewertung der Vorteile. Es ergebe sich aber inzidenter, dass die Waren oder Dienstleistungen erst einen eigenständigen Gegenstand der wirtschaftlichen Betätigung des Arbeitgebers bilden müssten, um überhaupt einen Vergleich mit den Endpreisen des allgemeinen Geschäftsverkehrs rechtfertigen zu können. Die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "allgemeiner Geschäftsverkehr" verdeutliche, dass der Rabattfreibetrag nur für Waren und Dienstleistungen in Betracht komme, die vom Unternehmen des Arbeitgebers ohnehin am Markt erbracht würden. Die Hausapotheke habe demgegenüber lediglich die Aufgabe, die Klägerin mit medizinischen Artikeln zu versorgen, während fremde Dritte keine Einkaufsmöglichkeit hätten. Die Klägerin trete nicht zu anderen Apotheken in Konkurrenz. Insofern sei die Apotheke auch kein "Unternehmen des Arbeitgebers". Aufgabe der Klägerin sei, ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen zu erbringen, nicht dagegen, medizinische Artikel an Dritte zu überlassen. Dem stehe auch § 14 Abs. 4 des Gesetzes über das Apothekenwesen nicht entgegen, demzufolge Medikamente nicht nur an Patienten, sondern auch an Arbeitnehmer des Krankenhauses abgegeben werden dürfen. Denn dadurch würden Leistungen der Krankenhausapotheke nicht Gegenstand der eigentlichen unternehmensspezifischen Leistung des Krankenhausbetriebes, mit dem die Klägerin am Marktgeschehen teilnehme.
Der Rabattfreibetrag sei auch nicht mit der Erwägung zu rechtfertigen, dass es sich bei den an die Arbeitnehmer abgegebenen Waren um Rohstoffe, Zutaten und Halbfertigprodukte i.S. von Abschn. 32 Abs. 1 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1992 bis 1995 handle, die mengenmäßig überwiegend in das Produkt "Pflegeleistung" eingingen. Diese Verwaltungsanweisung beinhalte keine eigenständige steuerliche Begünstigung der in ein Endprodukt eingebundenen Halbfertigprodukte oder anderer Verbrauchsgüter. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitgeber das Endprodukt unentgeltlich oder verbilligt an Arbeitnehmer abgebe. Es lägen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass von der Klägerin das Endprodukt "Pflegeleistung" verbilligt oder unentgeltlich an ihre Arbeitnehmer abgegeben worden sei, was im Übrigen auch nicht zulässig wäre.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen und tritt den Ausführungen des FA im Wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG sind die nach Satz 1 dieser Vorschrift ermittelten Vorteile steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 2 400 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen. Die Steuerbefreiung erfasst Rabatte auf Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, wobei als Wert der Waren oder Dienstleistungen die um 4 v.H. geminderten Endpreise gelten, zu denen die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. Unter "Waren und Dienstleistungen" sind Gegenstände aus der Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers zu verstehen (BFH-Urteil in BFHE 175, 567, BStBl II 1995, 338). Dem Umstand, dass solche Güter vom Arbeitgeber "nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht" werden müssen, ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber mit ihnen selbst am Markt in Erscheinung treten muss (BFH-Urteil in BFHE 182, 556, BStBl II 1997, 363). Diese Grundsätze werden weder von der Klägerin, noch vom FA in Frage gestellt.
2. Entgegen der Auffassung des FA hat die Klägerin Medikamente und medizinische Artikel der hier streitigen Art selbst vertrieben.
a) Aus den Begriffen "hergestellt, vertrieben oder erbracht" ergibt sich lediglich, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Güter, die er an Arbeitnehmer verbilligt oder unentgeltlich abgibt, selbst Marktteilnehmer sein muss. Ein spezielles Erscheinungsbild, wie es dem FA vorschwebt, wird darüber hinaus nicht gefordert. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob das Krankenhaus mit anderen Vertreibern von Medikamenten und medizinischen Artikeln in der Weise konkurriert, dass es die Waren ―in gleicher Weise wie jene― verkauft. Es reicht vielmehr aus, dass es solche Güter überhaupt an Marktteilnehmer ―hier: die Patienten― vertreibt. Demgegenüber spielt keine Rolle, dass die Güter regelmäßig nur neben anderen Leistungen (z.B. ärztliche Betreuung, Unterkunft, Verpflegung usw.) abgegeben werden. Es soll lediglich die Begünstigung eines überbetrieblichen Belegschaftshandels ausgeschlossen werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 142 li.Sp., vorletzter Abs.). Daher kommt es nur darauf an, dass die Leistung der streitigen Art überhaupt zur Produktpalette des Arbeitgebers gehört, nicht aber auf die Modalitäten, wie das Produkt vertrieben wird.
Insbesondere ist unerheblich, ob es bei der Krankenhausapotheke einen Publikumsverkehr gegeben hat. Maßgebend für den Rabattfreibetrag ist lediglich das Marktverhalten des Arbeitgebers und nicht das seiner unselbständigen Organisationseinheiten. Da die Krankenhausapotheke lediglich ein in besonderer Form geführtes Warenlager des Krankenhauses darstellt, kommt es auf ihr Erscheinen am Markt nicht an.
b) Bei den streitigen Medikamenten und medizinischen Artikeln handelt es sich auch um eigenständige Gegenstände der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin. Das Krankenhaus erstellt, vertreibt oder erbringt eine vom Einzelfall abhängige Vielzahl einzelner Dienst- und Materialleistungen, die von der Art und Schwere der Erkrankung, von Komplikationen, der Verweildauer usw. abhängt. Hierzu gehören auch von Fall zu Fall verabreichte Medikamente und verwendete medizinische Artikel. Werden solche Güter an Marktteilnehmer abgegeben, ist nicht mehr entscheidend, ob die hierauf entfallenden Kosten gesondert abgerechnet werden oder ob aus Vereinfachungsgründen eine Pauschalrechnung erfolgt. Insbesondere ist auch nicht von Bedeutung, ob im Krankenhaus der Klägerin Privatpatienten behandelt wurden, mit denen gesondert abgerechnet wird, oder Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, denen die Behandlung von ihrer Kasse durch Leistungserbringer als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird.
c) Entgegen der Auffassung des FA ist ebenfalls nicht entscheidend, welche wirtschaftliche Bedeutung der Abgabe von Medikamenten und medizinischen Artikeln im Vergleich zu den anderen von der Klägerin erbrachten Leistungen zukommt. Maßgebend ist vielmehr, dass der Arbeitgeber überhaupt mit Produkten der streitigen Art am Markt erscheint und dass sein diesbezüglicher Belegschaftshandel nicht den Marktumsatz überwiegt. Für die Steuerbefreiung auf Belegschaftsrabatte ist weder von Bedeutung, ob die Leistungen für das betreffende Unternehmen typisch sind, noch, welchen Rang sie in der Unternehmensbetätigung einnehmen. Da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass Medikamente und medizinische Artikel der an die Arbeitnehmer abgegebenen Art überwiegend für Patienten zum Einsatz kamen, konnte das FG ohne weitere Ermittlungen entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 846925 |
BFH/NV 2002, 1670 |
BStBl II 2002, 881 |
BFHE 2003, 243 |
BFHE 200, 243 |
BB 2002, 2370 |
BB 2002, 2587 |
DB 2002, 2416 |
DStRE 2002, 1417 |
HFR 2003, 55 |