Leitsatz (amtlich)
1. Der IV. Senat schließt sich dem Urteil des I. Senats des BFH I R 141/66 vom 26. März 1969 (BFH 95, 497, BStBl II 1969, 485) an, daß der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB im Zeitpunkt der Beendigung des Vertretervertrages entsteht.
2. Der Anspruch des Handelsvertreters aus der Wettbewerbsabrede gemäß § 90a HGB entsteht gleichfalls mit der Beendigung des Vertretervertrags. Für die Verpflichtung zur Unterlassung des Wettbewerbs ist in gleicher Höhe ein passiver Posten der Rechnungsabgrenzung zu bilden, der entsprechend der Dauer des Wettbewerbsverbots aufzulösen ist.
2. Der Anspruch aus der Wettbewerbsabrede gemäß § 90a HGB ist keine Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG und daher nicht tarifbegünstigt.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1, § 34; HGB §§ 89b, 90a
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Handelsvertreter (Steuerpflichtiger), dessen Vertragsverhältnis zu der von ihm vertretenen Firma mit Ablauf des Jahres 1960 endete, in der Bilanz zum 31. Dezember 1960 seinen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB und den Betrag aktivieren muß, der von ihm als Abfindung und Entschädigung für die ihm obliegende Verpflichtung beansprucht wird, eine Wettbewerbsverbotsabrede bis zum 31. Dezember 1962 einzuhalten.
Das FA rechnete dem Gewinn u. a. die Entschädigungsbeträge hinzu.
Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg.
Auf die Berufung setzte das FG den Gewinn um den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB und den Anspruch auf die Entschädigung für das Wettbewerbsverbot, gekürzt um die darauf entfallende Gewerbesteuerrückstellung herab.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung der Einkommensteuer 1960.
Der Ausgleichsanspruch des Steuerpflichtigen und der Anspruch auf Entschädigung für das Wettbewerbsverbot entstanden mit Beendigung des Vertretervertrags - Ablauf des 31. Dezember 1960 - und waren in der Bilanz auf diesen Zeitpunkt auszuweisen.
1. Hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs des Steuerpflichtigen schließt sich der Senat dem Urteil des I. Senats I R 141/66 vom 26. März 1969 (BFH 95, 497, BStBl II 1969, 485) an. Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses ist der Tatbestand verwirklicht, den der Ausgleichsanspruch voraussetzt. Zugleich tritt mit der Tatbestandsverwirklichung die Rechtsfolge ein. Der Umstand, daß der Handelsvertreter den angemessenen Ausgleich erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verlangen kann, steht dem nicht entgegen. Insoweit bestimmt § 89b HGB lediglich den Zeitpunkt, zu dem der bereits entstandene Anspruch geltend gemacht werden kann (vgl. I R 141/66). Der Ausgleichsanspruch war daher in der Bilanz zum 31. Dezember 1960 auszuweisen.
2. Für den Entschädigungsanspruch aus der Wettbewerbsabrede, der eine bilanzierungspflichtige Forderung ist, gelten die gleichen Erwägungen wie für den Ausgleichsanspruch. Treffen der Unternehmer und der Handelsvertreter vor Ablauf des Vertragsverhältnisses eine Wettbewerbsabrede, so ist sie gemäß § 90a HGB inhaltlich beschränkt. Die Abrede umfaßt höchstens den Zeitraum von zwei Jahren von der Beendigung des Vertragsverhältnisses an (§ 90a Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Unternehmer ist verpflichtet, dem Handelsvertreter für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine angemessene Entschädigung zu zahlen (§ 90a Abs. 1 Satz 3 HGB). Dies gilt unabhängig davon, ob die Wettbewerbsabrede mit oder ohne Entschädigungszusage vereinbart wurde (vgl. Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 18. Aufl., 1968, Anm. 5 zu § 90a HGB). Tatbestandsvoraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs nach § 90a HGB sind danach das Bestehen eines Vertretervertrages, die Vereinbarung einer Wettbewerbsabrede unter Einhaltung der dafür vorgeschriebenen Form und die Beendigung des Vertretervertrages.
Die Einhaltung der Wettbewerbsabrede ist hingegen kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen des Entschädigungsanspruchs. Dies zeigt sich z. B. darin, daß Leistungsstörungen (sei es, daß der Unternehmer seinen Betrieb einstellt, in Konkurs fällt, sei es, daß der Handelsvertreter dem Wettbewerbsverbot zuwiderhandelt) nicht etwa das Entstehen der gegenseitigen Ansprüche hindern, sondern nur die schon bestehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten beeinflussen und unter Umständen zur Folge haben, daß die Ansprüche entfallen.
Die Ansprüche aus der Wettbewerbsabrede entstehen somit zugleich mit dem Ablauf des Vertretervertrages. Denn zu diesem Zeitpunkt beginnen für den Vertreter und den Unternehmer die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsabrede, nämlich der Anspruch des Unternehmers auf Einhaltung des Wettbewerbsverbotes und der des Vertreters auf Entschädigung für das Unterlassen des Wettbewerbs (vgl. Urteil des BGH VII ZR 102/66 vom 5. Dezember 1968, BGHZ 51, 184; Brüggemann, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 3. Aufl., 1967, § 90a Anm. 9). Nicht entscheidend ist, ob nach den Vereinbarungen der Entschädigungsanspruch sogleich oder später fällig wird oder entsprechend dem Zeitablauf in Teilbeträgen zu entrichten ist. Auch bürgerlich-rechtlich ist zwischen dem Entstehen eines Anspruchs und seiner Fälligkeit zu unterscheiden. Der Steuerpflichtige hatte hiernach seinen aus der Wettbewerbsabrede herrührenden Entschädigungsanspruch in der Bilanz per 31. Dezember 1960 zu aktivieren.
3. Stellt die Einnahme in einem Wirtschaftsjahr (Zahlung oder ein aktivierungspflichtiger Anspruch) Ertrag eines bestimmten anderen Wirtschaftsjahres oder mehrerer anderer Wirtschaftsjahre dar, so muß dies durch eine Rechnungsabgrenzung berücksichtigt werden (vgl. die Urteile des BFH I 198/61 U vom 4. September 1962, BFH 76, 14, BStBl III 1963, 7, und I 84/63 U vom 26. Mai 1965, BFH 82, 645, BStBl III 1965, 480; I 208/63 vom 31. Mai 1967, BFH 89, 191, BStBl III 1967, 607). Der Anspruch auf die Entschädigung aus der Wettbewerbsabrede gilt die Verpflichtung zum Unterlassen des Wettbewerbs für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag, nämlich die beiden Folgejahre ab. Damit gehört dieser Anspruch im Streitfall zum Ertrag der Jahre 1961 und 1962. Auf den 31. Dezember 1960 war daher ein Passivposten "Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb" in gleicher Höhe wie der Anspruch auf die Entschädigung aus der Wettbewerbsabrede zu bilden; er ist in den Jahren 1961 und 1962 je zur Hälfte (also mit je 3 600 DM) aufzulösen (vgl. BFH-Urteil I 208/63).
Der Ansatz des passiven Rechnungsabgrenzungspostens steht nicht in Widerspruch zu dem BFH-Urteil I 111/64 vom 3. Mai 1967 (BFH 88, 498, BStBl III 1967, 464). Dort wurde verneint, daß für den aktivierten Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ein passiver Abgrenzungsposten gebildet werden dürfe. Denn die vertraglichen Verpflichtungen des Handelsvertreters hören mit dem Ende des Vertragsverhältnisses auf, der Handelsvertreter erhält den Ausgleichsanspruch nicht für künftige Leistungen. Im Gegensatz dazu ist das Unterlassen des Wettbewerbs eine Leistung, die laufend während der Geltung der Wettbewerbsvereinbarung zu bewirken ist. Hier erfüllt die Rechnungsabgrenzung die Aufgabe, Leistung und Gegenleistung aus einem gegenseitigen Vertrag, die zeitlich auseinander fallen, rechtlich und wirtschaftlich aber zusammengehören, bilanzrechtlich demselben Jahr zuzuordnen. Der Ansatz des passiven Rechnungsabgrenzungspostens steht auch nicht im Widerspruch zu dem BFH-Urteil I 84/63 U. Die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens wurde dort für unzulässig erachtet, weil ein zeitlich unbefristetes Wettbewerbsverbot abgegolten wurde und die Entschädigung daher nicht Ertrag bestimmter späterer Wirtschaftsjahre darstellte (vgl. auch BFH-Urteil I 198/61 U).
4. ...
5. Die Steuervergünstigung nach § 34 EStG kommt für den Ausgleichsanspruch nicht in Betracht, da die Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB erst mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1961 an in den Kreis der begünstigten Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG aufgenommen wurden (vgl. BFH-Urteil I 235/63 vom 19. Juli 1966, BFH 86, 680, BStBl III 1966, 624).
6. Auch für die Entschädigung aufgrund des Wettbewerbsverbots kommt die Tarifvergünstigung gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 EStG nicht in Betracht. Der Begriff der Entschädigung setzt voraus, daß der Anspruch, für den die Entschädigung gewährt wird, unmittelbar durch den Verlust von Einnahmen bedingt ist (vgl. BFH-Urteile IV 260/52 U vom 11. Dezember 1952, BFH 57, 144, BStBl III 1953, 57; VI 216/61 U vom 14. Juni 1963, BFH 77, 169, BStBl III 1963, 380; VI 262/65 vom 21. April 1966, BFH 86, 137, BStBl III 1966, 396). Die Entschädigung aufgrund der Wettbewerbsabrede beruht jedoch auf den Vereinbarungen des Unternehmers mit dem Steuerpflichtigen über die Zeit nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses und ist die äquivalente Gegenleistung für das Unterlassen des Wettbewerbs. Als solche ist sie keine Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG und damit auch nicht nach § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt.
Fundstellen
Haufe-Index 68929 |
BStBl II 1970, 315 |
BFHE 1970, 25 |