Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrangiger Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags vom nicht tariflich begünstigten Arbeitslohn
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag ist bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigten außerordentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nur insoweit abzuziehen, als tariflich voll zu besteuernde Einnahmen dieser Einkunftsart dafür nicht mehr zur Verfügung stehen.
Normenkette
EStG §§ 9a, 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1-2
Verfahrensgang
FG Köln (Dok.-Nr. 0141268; EFG 1997, 797) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erhielt im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn von 50 655 DM sowie eine Entschädigung von 5 950 DM als Teilausgleich für Lohneinbußen infolge einer betriebsinternen Umsetzung auf einen geringer entlohnten Arbeitsplatz. Die Entschädigungszusage vom 8. Februar 1994 sah für die ab dem 1. August 1994 zu erwartenden Lohneinbußen in Höhe von monatlich ca. 700 DM eine Entschädigung vor, die errechnet wurde aus der Hälfte der monatlichen Einbuße multipliziert mal 17 Beschäftigungsjahre. Die -mit den laufenden Einnahmen zusammenhängenden- Werbungskosten betrugen 1 777 DM.
Im Einkommensteuerbescheid für 1994 zog der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) programmgesteuert den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2 000 DM anteilig bei den laufenden Einnahmen und bei der Entschädigung ab; auf die tarifbegünstigt zu versteuernde Entschädigung entfielen 210 DM.
Mit dem Einspruch begehrten die Kläger den Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags in voller Höhe beim laufenden Arbeitslohn. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Januar 1984 IV R 236/80 (BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347) seien nur die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Entschädigung stehenden Werbungskosten von dieser abzuziehen; im vorliegenden Fall seien keine solchen Werbungskosten entstanden.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 797 veröffentlicht.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts und tragen vor, die verhältnismäßige Aufteilung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags widerspreche dem Vereinfachungszweck des § 9a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und dem Begünstigungs- und Vereinfachungszweck des § 34 Abs. 1 EStG. Dies zeige auch ein Vergleich mit der steuerlichen Behandlung der außerordentlichen Einkünfte beim Verlustausgleich und Verlustabzug.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr festzusetzen, indem der Arbeitnehmer-Pauschbetrag in voller Höhe vom laufenden Arbeitslohn abgezogen wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG schreibe den Abzug des Pauschbetrags von allen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vor. Andernfalls könnte von außergewöhnlichen Einnahmen i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG überhaupt kein Arbeitnehmer-Pauschbetrag abgezogen werden, was dem Begünstigungs- und Vereinfachungszweck des Gesetzes keinesfalls entspräche.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Zu Unrecht hat das FG den Arbeitnehmer-Pauschbetrag auf den laufenden Arbeitslohn und die Entschädigung aufgeteilt.
1. Das FG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß die Ausgleichszahlung in Höhe von 5 950 DM eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG im Rahmen des Arbeitsverhältnisses des Klägers darstellt, die nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist, da sie im Streitjahr zu einer Zusammenballung von Einnahmen führte.
Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 EStG stellen "eine besondere Art von Einkünften innerhalb einer Einkunftsart" dar (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 1959 IV 223/58, BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72). Sie sind von anderen Einkünften der gleichen Einkunftsart zu trennen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 1959 IV 617/56 U, BFHE 69, 381, BStBl III 1959, 404, und vom 27. Oktober 1977 IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100). Als begünstigte Entschädigung im Sinne der genannten Vorschrift ist die Ausgleichszahlung vermindert um die darauf entfallenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anzusetzen, wobei nur solche Ausgaben zu berücksichtigen sind, die mit der Ausgleichszahlung in unmittelbarem Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347, m.w.N.).
2. Im Streitfall, in dem die Entschädigung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG gehört, hat der Kläger keine Werbungskosten im Zusammenhang mit der Ausgleichszahlung geltend gemacht. Entgegen der Auffassung des FG ist die Ausgleichszahlung auch nicht um den anteiligen Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu mindern. Wie sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG ergibt, ist zwar von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2 000 DM abzuziehen, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Für die Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigten außerordentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gilt dies allerdings nur insoweit, als tariflich voll zu besteuernde Einnahmen dieser Einkunftsart zur Verrechnung mit dem Pauschbetrag nicht (mehr) zur Verfügung stehen.
Die Frage, wie der Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags vorgenommen werden soll, wenn der Steuerpflichtige sowohl laufende wie auch zu außerordentlichen Einkünften führende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Gegen eine Aufteilung spricht insbesondere der Begünstigungszweck des § 34 EStG. Die Tarifermäßigung soll, soweit irgend möglich, dem Steuerpflichtigen zugute kommen. Um diese weitestgehende Wirkung zu erzielen, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH bei den der ermäßigten Besteuerung des § 34 EStG unterliegenden außerordentlichen Einkünften ein Verlustausgleich in der Regel nicht vorzunehmen, solange hierfür tariflich voll zu besteuerndes Einkommen zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 1966 IV 299/65, BFHE 86, 486, BStBl III 1966, 544, vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467, und in BFHE 69, 381, BStBl III 1959, 404). Die Begünstigungswirkung des § 34 EStG wird aber durch eine Aufteilung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags beeinträchtigt; denn infolge eines anteiligen Abzugs werden die tariflich voll zu besteuernden Einkünfte erhöht und die außerordentlichen Einkünfte vermindert. Im Streitfall führte der vom FA vorgenommene anteilige Abzug des Pauschbetrags zu einer Verringerung der nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuernden außerordentlichen Einkünfte um 210 DM.
Der vorrangige Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von den laufenden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit entspricht auch dem mit der Pauschbetragsregelung des § 9a EStG verfolgten Vereinfachungszweck. Das gilt insbesondere auch für den Fall, daß die im Zusammenhang mit den laufenden Einnahmen tatsächlich angefallenen Werbungskosten zwar nicht über dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag, aber über dem entsprechenden Anteil des Pauschbetrags liegen und der Steuerpflichtige den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten geltend macht. Eine solche gesonderte Ermittlung der mit den laufenden Einnahmen zusammenhängenden tatsächlichen Ausgaben würde dem Zweck des § 9a EStG widersprechen, bei Werbungskosten von insgesamt nicht mehr als 2 000 DM auf konkrete Einzelermittlungen zu verzichten.
Der vorrangige Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von den Einnahmen aus laufendem Arbeitslohn wird schließlich der von der Rechtsprechung entwickelten Maßgabe gerecht, daß nur die in unmittelbarem Zusammenhang mit den außerordentlichen Einnahmen stehenden Aufwendungen von diesen abzuziehen sind (BFH-Urteile in BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347, sowie in BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100). Nur soweit ein Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags bei tariflich voll zu besteuernden Einnahmen nach § 19 EStG mangels solcher Einnahmen nicht (mehr) möglich ist, ist dieser von den außerordentlichen Einnahmen abzuziehen. Zwar handelt es sich insoweit nicht um Aufwendungen, die mit den außerordentlichen Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehen; aus § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG ergibt sich aber, daß im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit -in den Grenzen des § 9a Satz 2 EStG- stets zumindest Werbungskosten in Höhe der dort genannten 2 000 DM zum Abzug kommen sollen.
3. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Steuerbescheides des FA vom 10. April 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. August 1995 auf ... DM festgesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 55820 |
BFH/NV 1999, 1149 |
BStBl II 1999, 588 |
BFHE 188, 143 |
BFHE 1999, 143 |
BB 1999, 1049 |
BB 1999, 1049 (Leitsatz) |
BB 1999, 1146 |
DB 1999, 1359 |
DStR 1999, 844 |
DStRE 1999, 464 |
DStRE 1999, 464 (Leitsatz) |
HFR 1999, 712 |
StE 1999, 290 |