Leitsatz (amtlich)
Zum Rechtsweg für Klagen des Franchisegebers gegen einen arbeitnehmerähnlichen Franchisenehmer.
Normenkette
GVG § 13; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten werden der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. März 1998 aufgehoben und der Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1996 abgeändert.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Pforzheim verwiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Beschwerdeverfahren zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 5.426,20 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Am 30. Januar 1990 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 1. Februar 1990 auf die Dauer von sechs Jahren einen „Partnerschaftsvertrag über das E. -Franchise-System”, den sie durch Vertrag vom 25. Februar 1993 abänderten. In dem geänderten Vertrag heißt es unter anderem:
„Präambel
…
Der Vertriebspartner (= Beklagter) hat den Wunsch geäußert, mit E. (= Klägerin) auf der Grundlage des ihm bekannten E.-Handbuches und der sonstigen vertraglichen Bedingungen zusammenzuarbeiten.
Die Vertragsparteien sind dabei wie folgt übereingekommen:
…
§ 2 Alleinvertriebs-Vertragsprodukte
E. überträgt hiermit dem Vertriebspartner für die Dauer dieses Vertrages das Alleinverkaufsrecht, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung unter Nutzung des gesamten Know-how von E.,
- Tiefkühlkost (Gemüse, Obst, Fleisch, Geflügel, Fertiggerichte und Spezialitäten) von E.,
- Eiscreme von E.,
- tiefgekühlte Konditorwaren von E.,
- Produkte, die E. von Drittfirmen bezieht, – im folgenden Vertragsprodukte genannt –
auf der Grundlage der jeweils gültigen Preisliste und allgemeinen Zahlungs- und Geschäftsvereinbarungen zu beziehen und direkt an Haushalte im „Vertragsgebiet” zu vertreiben.
…
§ 3 Vertragsgebiet
1. Die Tätigkeit des Vertriebspartners erstreckt sich auf das in der dem Vertriebspartner bei Vertragsabschluß ausgehändigten Karte eingezeichnete Verkaufsgebiet. Weitere Einzelheiten sind aus der dem Vertrag beiliegenden Gebietskarte ersichtlich. Der Vertriebspartner erhält Kunden- und Gebietsschutz.
…
Um ein qualifiziertes Wachstum sicherzustellen, wird E. für die folgenden Jahre einen Gebietsentwicklungsplan erstellen, der mit allen seinen Regelungen Bestandteil dieses Vertrages wird.
Darin sind bestimmte Mindestumsatz- und Kundenaufbaupläne festgelegt. Die Einhaltung des Gebietsentwicklungsplanes wird jährlich von den Parteien überprüft.
Erreicht der Vertriebspartner die Planziele nicht, hat E. das Recht, sich an der Erschließung des Vertragsgebietes zu beteiligen. Dies kann auch in der Form geschehen, daß E. mit eigenen Angestellten im Vertragsgebiet des Vertriebspartners Touren fährt und Kunden wirbt, um eine Erschließung des Vertragsgebietes im Rahmen des gemeinsam erstellten Gebietsentwicklungsplanes zu erreichen.
…
Der Vertriebspartner kann die aufgebauten Kunden und Umsätze von E. erwerben. Die Kosten für diese Gebietserschließung wird der Vertriebspartner E. nach Maßgabe des Gebietsentwicklungsplanes – Anlage 1 – erstatten.
2. …
§ 4 Einkommen des Vertriebspartners
1. E. gewährt dem Vertriebspartner auf den Umsatz in allen Warengruppen einen sogenannten Wiederverkäufer-Rabatt. Die Wiederverkäufer-Rabatte sind auf der Grundlage der jeweils gültigen Preislisten berechnet.
2. bis 4. …
5. Bis zum 15. des Folgemonats erfolgt eine Abrechnung (vgl. Anhang: Zahlungs- und Lieferungsvereinbarung).
§ 5 Systemleistungen von E.
1. E. verpflichtet sich zu folgenden Leistungen im Rahmen des E.-Systems:
a) Überlassung des „Know-how” der Firma E. bezogen auf Erfahrungen in der Heimbelieferung, Vertriebsmethoden und Verkaufstechniken;
b) bis p) …
2. Einzelheiten des dem Vertriebspartner vermittelten „Know-how” und des von E. aufgrund langjähriger Erfahrung entwickelten, zur erfolgreichen Zusammenarbeit notwendigen Leistungssystems, auf dessen Grundlage beide Vertragsparteien die Zusammenarbeit beschließen, befinden sich in dem „E.-Handbuch”, das im gegenseitigen Einvernehmen in seiner jeweils neuesten Fassung, soweit es lediglich die Vertragspflichten konkretisiert und technische Ausführungsvorschriften beinhaltet, Bestandteil dieses Vertrages wird. …
§ 6 Verpflichtungen des Vertriebspartners
1. Der Vertriebspartner ist selbständiger Unternehmer. Sämtliche Geschäfte tätigt er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Er hat seinen Geschäftsbetrieb zum Gewerberegister ordnungsgemäß anzumelden und darf seine Tätigkeit erst nach Vorliegen der behördlichen Konzession beginnen. Er hat rechtzeitig vor Beginn seiner Tätigkeit eine Reisegewerbekarte zu beantragen.
Der Vertriebspartner verpflichtet sich, sein Geschäft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns durchzuführen und insbesondere auf die Einhaltung des E.-Vertriebssystems zu achten. Seine geschäftliche Tätigkeit wird er in der ihm zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellten Berufskleidung ausüben.
2. Der Vertriebspartner wird aus diesem Grund
a) die in § 2 genannten Vertragsprodukte ausschließlich von E. oder von mit E. verbundenen Unternehmen … beziehen und unter dem eingetragenen Warenzeichen „E.” – (Anlage 2 A) – oder in der von E. gewünschten Ausstattung – insbesondere bei Produkten, die E. über Drittfirmen bezieht – verkaufen;
b) stets das volle Heimdienst-Waren-Sortiment von E. anbieten;
c) …;
d) die von E. entwickelten Methoden, Systeme und Einrichtungen zur Umsatzsteigerung, Kundengewinnung und Kundenbetreuung ordnungsgemäß nutzen;
e) und f) …;
g) E. die zur Anfertigung eines Betriebsvergleiches erforderlichen Daten und Unterlagen übermitteln bzw. überlassen; hierzu gehören: Tagesberichte mit den entsprechenden Leistungsdaten, Tourenlisten, Tachoscheiben, Abrechnungen etc.;
h) bis k …
§ 7 Kundenmanagement
1. bis 4. …
5. Der Vertriebspartner wird mit allen Kunden regelmäßig (grundsätzlich alle vier Wochen) Kontakt aufnehmen und mit ihnen vereinbarte Liefertermine einhalten.
6. Soweit der Vertriebspartner nach vorheriger Information durch E. die Belieferung eines Kunden nicht innerhalb von 48 Stunden vornehmen kann, oder es aber abgelehnt hat und für die Fälle, daß eine rechtzeitige Benachrichtigung des Vertriebspartners trotz ernsthafter Bemühungen nicht möglich gewesen ist, gestattet er E. unter ausdrücklichem Verzicht auf seinen Gebietsschutz, die Belieferung durch Dritte durchführen zu lassen.
7. Der Vertriebspartner gibt Kunden, die er nicht mehr beliefern kann oder will, an E. zurück. Er gestattet es E., von ihm zurückgegebene Kunden unter Aufhebung des Gebietsschutzes durch Dritte beliefern zu lassen.
…
…
§ 9 Kostenbeitrag/Lizenzgebühren
1. …
2. Für das laufende Service-Programm von E. wie
- Werbung und Marketing mit Stellung von Katalogen und Kundeninformationen und Bereitstellung von Sonderangebotsinformationen,
- Beratung und Betreuung sowie Standardmaßnahmen im Rahmen des Kundenmanagements,
- Warenwirtschaft mit Einkauf, Sortimentsentwicklung und -pflege und Lagerhaltung
zahlt der Vertriebspartner eine lfd. Lizenzgebühr von 6 % vom Netto-Warenwert der gelieferten Vertragsprodukte zzgl. MWSt.
3. Der Vertriebspartner wird ausschließlich das von E. zur Verfügung gestellte Verkaufsfahrzeug benutzen.
4. bis 10. …
11. E. ist berechtigt, sämtliche unter Ziff. 2–9 entstehenden Gebühren im Rahmen der monatlichen EMP-Abrechnung dem Vertriebspartner zu belasten.
§ 10 Verstöße gegen den Vertrag
1. Kann der Vertriebspartner dem Absatzbedürfnis in seinem Gebiet nicht mehr genüge tun, oder liegt über einen Zeitraum von drei Monaten sein Umsatz um mehr als 25 % unter den im Rahmen des Gebietsentwicklungsplanes erstellten Leistungsdaten und trifft den Vertriebspartner daran ein Verschulden, ist E. nach vorheriger Abmahnung berechtigt, zur Deckung des Kundenbedarfs einen Dritten in dem Vertragsgebiet des Vertriebspartners für die Dauer von drei Monaten einzusetzen.
2. Bei wiederholten berechtigten Beschwerden von Kunden über nicht erfolgte oder verspätete Lieferung übernimmt E., soweit den Vertriebspartner hieran ein Verschulden trifft, die weitere Betreuung.
…
3. und 4. …
…
§ 15 Angestellte
E. wird dem Vertriebspartner bei der Auswahl seiner Angestellten behilflich sein.
…
Der Vertriebspartner wird dafür Sorge tragen, daß seine Angestellten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen von Schulungen auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.
…
…
§ 19 Nebentätigkeiten
Sonstige Verkaufstätigkeiten oder Auslieferungen des Vertriebspartners an E.-Kunden während der Laufzeit des Vertrages bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung von E.
…
…
§ 21 Allgemeine Bestimmungen
1. und 2. …
3. Für alle Streitigkeiten in Erfüllung dieses Vertrages und aus diesem Vertrag vereinbaren beide Parteien als Kaufleute den ordentlichen Rechtsweg beim Landgericht Düsseldorf.”
Die Anlage 2 zum „Partnerschaftsvertrag” (im folgenden: PV) enthält die Vereinbarungen der Parteien über das von der Klägerin dem Beklagten mietweise zur Verfügung gestellte Verkaufsfahrzeug mit Tiefkühlaufbau. Die Anlage 4 zum „Partnerschaftsvertrag” betrifft die „Zahlungs- und Lieferungsvereinbarungen” und lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1 Warenregulierung
1. Der Vertriebspartner erteilt seiner Bank einen Abbuchungsauftrag zur Regulierung anfallender Warenforderungen von E. oder mit E. verbundener Unternehmen.
2. Die Warenlieferungen an den Vertriebspartner werden in Rechnung gestellt und abgebucht. Spätestens bis zum 15. des Folgemonats erfolgt eine Abrechnung. Ein sich eventuell zu Lasten des Vertriebspartners ergebender Saldo wird abgebucht, ein Saldo zugunsten des Vertriebspartners wird per Verrechnungsscheck ausgezahlt.
3. …”
Das in der Präambel und in § 5 Nr. 2 PV erwähnte „E.-Handbuch” enthält neben einer Darstellung des Franchise-Systems der Klägerin (Abschn. 1), weiterführenden Angaben zur Warenkunde (Abschn. 2) und einem Anhang mit gesetzlichen Bestimmungen (Abschn. 8) umfangreiche und detaillierte Ausführungen über das vorzuhaltende Warensortiment und die Beladung des Verkaufsfahrzeugs (Abschn. 3), die Erschließung des Vertragsgebiets einschließlich der Aufstellung von Tages- und Wochentourenplänen auf der Grundlage von 240 „Norm-Einsatztagen” pro Jahr (Abschn. 4), die „Betriebsentwicklung”, die „Planungs-, Umsatz-, Service- und Verhaltensstandards”, die „Zielvereinbarung” und das „E. Informationssystem” (Abschn. 5), den Verkauf, insbesondere die Verkaufsunterlagen, die Kundenpsychologie und das Verkaufsgespräch (Abschn. 6) und die Werbung und Verkaufsförderung (Abschn. 7).
Gemäß § 7 Nr. 1 des Ursprungsvertrages mußte der Beklagte der Klägerin „für die Bereitstellung eines geschützten Verkaufsgebietes mit entsprechendem Kundenstamm, eines Markennamens mit hohem Bekanntheitsgrad, Schulung und Ausbildung, Know-how-Übermittlung und Erstausstattung” einmalig 15.000 DM zahlen.
Als der Beklagte im Oktober 1994 erkrankte, vereinbarten die Parteien die Aufhebung des Partnerschaftsvertrages zum 30. November 1994. Mit der Schlußabrechnung vom 29. Dezember 1994 begehrte die Klägerin von dem Beklagten vergeblich Zahlung von 27.130,99 DM. Dieser Betrag ist auch Gegenstand der Klage, die die Klägerin unter Berufung auf § 21 Nr. 3 PV vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben hat.
Der Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt. Er hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben. Er ist der Meinung, nach der Gestaltung des Partnerschaftsvertrages persönlich in einer Weise von der Klägerin als Franchisegeberin abhängig gewesen zu sein, daß er als Franchisenehmer nicht die Stellung eines selbständigen Unternehmers, sondern die eines Arbeitnehmers gehabt habe. Jedenfalls sei er wirtschaftlich von der Klägerin derart abhängig gewesen, daß ohne deren Aufträge seine Existenzgrundlage entfallen wäre. Er sei daher zumindest als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Er habe in den letzten acht Monaten des Vertragsverhältnisses durchschnittlich nur 1.324 DM pro Monat bezogen, so daß sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch aus einer analogen Anwendung des § 5 Abs. 3 ArbGG ergebe.
Die Klägerin hält unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (zuletzt ZIP 1998, 624 = NJW 1998, 2978 mit Anm. Griebeling in EWiR 1998, 341 und Bespr. Bumiller in NJW 1998, 2953) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben. Sie ist der Ansicht, der Beklagte sei allein aufgrund der von ihm erzielten Umsätze, die zwischen 415.500 DM im Jahr 1990 und 461.842 DM im Jahr 1993 gelegen und in dem „Rumpfjahr” 1994 noch 324.158 DM betragen hätten, als selbständiger Vollkaufmann anzusehen.
Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab für zulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zugelassene weitere sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind für diesen Rechtsstreit nicht gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.
Nach der letztgenannten Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Insbesondere ist der Beklagte Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG. Dementsprechend ist die Klägerin Arbeitgeberin, und der bürgerliche Rechtsstreit der Parteien, in dem die Klägerin den Beklagten aus dem beendeten Partnerschaftsvertrag in Anspruch nimmt, ist ein solcher aus dem Arbeitsverhältnis.
§ 5 ArbGG definiert, wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist. Das sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer unter anderem auch sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.
1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in ZIP 1998, 1039 und NJW 1998, 2981 abgedruckt ist, hat zunächst – dem Landgericht folgend – die Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte sei durch die Bestimmungen des Partnerschaftsvertrages nicht wie ein Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen. Allerdings werde die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß ein Franchisenehmer den für ein Franchise-Verhältnis typischen Bedingungen unterliege. Gleichwohl sei dem Umstand, daß die Parteien einen Franchise-Vertrag geschlossen hätten, dem detaillierte Anleitungen, Berichtsverpflichtungen des Franchisenehmers und Kontrollrechte des Franchisegebers immanent seien, bei der gebotenen Gesamtwürdigung im Rahmen der Abgrenzung zwischen selbständigem Unternehmer und Arbeitnehmer bzw. arbeitnehmerähnlicher Person mit zu berücksichtigen. Vorliegend seien zwar gewisse Einschränkungen des Beklagten festzustellen, gleichwohl sei der Beklagte im Rahmen des Vertriebssystems der Klägerin bei der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seiner Arbeitszeit im wesentlichen frei gewesen.
Entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in dem einen anderen Franchisenehmer der Klägerin betreffenden Fall (Beschluß vom 16. Juli 1997 – 5 AZB 29/96 = AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979 = ZIP 1997, 1714, zum Abdruck in BAGE bestimmt, mit Anmerkungen von Buschmann in AuR 1997, 500, Eckert in DStR 1997, 1939, Flohr in WiB 1997, 1198, Kreuder in AP Nr. 37 § 5 ArbGG 1979, Reichold in EWiR 1997, 871 und Besprechungen von Bumiller aaO und Horn/Henssler in ZIP 1998, 589) sei der Beklagte auch keine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, weil ihm zum einen die Möglichkeit eingeräumt gewesen sei, Angestellte zu beschäftigen sowie Nebentätigkeiten auszuüben, und zum anderen die von ihm erzielten Umsätze eine Einschätzung als wirtschaftlich unselbständig oder sozial schutzbedürftig nicht rechtfertigten. Schließlich sei der Beklagte auch nicht als – fiktiver – Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 3 ArbGG anzusehen, weil diese Vorschrift nur für Handelsvertreter gelte.
2. Ob das Oberlandesgericht die Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten zu Recht verneint hat, bedarf keiner Entscheidung. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts ist der Beklagte jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Eine nähere Klärung ist für die Zuständigkeitsfrage wegen der insoweit zulässigen Wahlfeststellung nicht erforderlich (BAG, Beschluß vom 14. Januar 1997 – 5 AZB 22/96 = AP Nr. 41 zu § 2 ArbGG 1979 = NJW 1997, 1724 unter II).
a) Nach der an § 12 a Abs. 1 TVG angelehnten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt (so bereits BGHZ 68, 127, 130 und Senatsbeschluß vom 21. Oktober 1998 – VIII ZR 54/97, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 3 a), unterscheiden sich die arbeitnehmerähnlichen Personen von den Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, wobei vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im gleichen Maß persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ferner muß der wirtschaftlich Abhängige auch seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BAGE 66, 113, 116; 80, 256, 264; BAG, Beschlüsse vom 25. Juli 1996 – 5 AZB 5/96 = AP Nr. 28 zu § 5 ArbGG 1979 = ZIP 1996, 1714 unter II 5 b, vom 11. April 1997 – 5 AZB 33/96 = AP Nr. 30 zu § 5 ArbGG 1979 = NJW 1997, 2404 unter II 1 und vom 8. September 1997 – 5 AZB 3/97 = ZIP 1997, 2208 = NJW 1998, 701 unter II 1, jew.m.w.Nachw.).
b) Diese Voraussetzungen sind hier entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts (vgl. auch OLG Schleswig NJW-RR 1987, 220, 223) – wie in dem vom Bundesarbeitsgericht für einen anderen Franchisenehmer der Klägerin entschiedenen Fall (Beschluß vom 16. Juli 1997 aaO) – nach der rechtlichen Ausgestaltung des Partnerschaftsvertrages der Parteien und den von ihnen vorgetragenen wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten erfüllt. Insoweit kann der Senat den Partnerschaftsvertrag der Parteien unabhängig davon, ob § 561 ZPO gemäß der Ansicht der Klägerin im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG entsprechende Anwendung findet (vgl. zur Anwendbarkeit des § 549 ZPO: BGHZ 133, 240, 244 f), schon deswegen selbst auslegen, weil der formularmäßige Vertrag von der bundesweit tätigen Klägerin über die Grenzen eines Oberlandesgerichts hinaus verwandt wird.
aa) Für die wirtschaftliche Abhängigkeit des Beklagten spricht der Umstand, daß er nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag neben dem Verdienst aus der Tätigkeit für die Klägerin über keine anderweitigen Einkünfte verfügte. Die Einkünfte aus der Tätigkeit für die Klägerin stellten mithin seine alleinige Existenzgrundlage dar (vgl. insoweit auch BAG, Beschlüsse vom 14. Januar 1997 aaO unter II 2 und vom 11. April 1997 aaO unter II 2).
Der Beklagte, der danach für den Erwerb seines Lebensunterhalts allein auf seine Arbeitskraft angewiesen war, setzte diese – darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit – voll und ganz für die Klägerin ein. Davon abgesehen schloß § 19 PV, wonach sonstige Verkaufstätigkeiten oder Auslieferungen des Beklagten an Kunden der Klägerin während der Laufzeit des Vertrages der ausdrücklichen Genehmigung der Klägerin bedurften, zwar eine weitere Erwerbstätigkeit des Beklagten nicht völlig aus. Eine solche war ihm jedoch nach der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts praktisch weder während noch außerhalb seiner Tätigkeit für die Klägerin in nennenswertem Umfang möglich.
Während der Touren für die Klägerin ließ, abgesehen von den sonstigen Umständen, schon das speziell für den Transport von Tiefkühlkost ausgelegte Verkaufsfahrzeug, das der Beklagte gemäß § 9 Nr. 3 PV ausschließlich zu benutzen hatte, nach dem äußeren Erscheinungsbild den Verkauf anderer Waren als Tiefkühlkostprodukte kaum zu. Die Tiefkühlkostprodukte mußte der Beklagte indessen gemäß § 6 Nr. 2 Buchst. a PV ausschließlich von der Klägerin oder von mit dieser verbundenen Unternehmen beziehen.
Die Verkaufstätigkeit des Beklagten für die Klägerin war schon dem Vertrag nach darauf angelegt, seine Arbeitszeit vollständig in Anspruch zu nehmen. Das Handbuch, das entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht nur unverbindliche Empfehlungen enthält, sondern gemäß der Präambel und § 5 Nr. 2 PV weitgehend – bindender – Vertragsbestandteil ist (vgl. auch § 6 Nr. 2 Buchst. d PV), sah pro Jahr nach Abzug von 52 Sonn- und 11 Feiertagen, je 18 Urlaubs- und Ausfalltagen wegen Krankheit, Schulung oder Fahrzeuginspektion sowie 26 (von 52) Samstagen insgesamt 240 Einsatztage vor (Abschn. 4 S. 17, Abschn. 5 S. 6). Darauf basierten zudem die Umsatzvorgaben, die nicht nur im Handbuch als „Umsatzstandards” beispielhaft angeführt sind (Abschn. 5 S. 19 ff), sondern darüber hinaus gemäß § 3 Nr. 1 PV im Rahmen des von der Klägerin aufgestellten „Gebietsentwicklungsplanes” – wiederum bindender – Vertragsbestandteil wurden und deren Nichteinhaltung die Klägerin berechtigte, im Vertragsgebiet des Beklagten unter Ausschaltung des in der gleichen Vertragsbestimmung gewährten Gebietsschutzes mit eigenen Angestellten Touren zu fahren und Kunden zu werben, die der Beklagte nur gegen Kostenerstattung von der Klägerin „erwerben” konnte. Ferner war es der Klägerin auch nach §§ 7 Nr. 6 und 7, 10 Nr. 1 und 2 PV unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, Kunden im Vertragsgebiet des Beklagten, die er nicht beliefern konnte oder wollte, selbst zu beliefern. Wollte der Beklagte diese schwerwiegenden Nachteile vermeiden, war er somit auch mittelbar gezwungen, seine gesamte Arbeitszeit auf den Verkauf der Produkte der Klägerin zu verwenden und auf eine anderweitige Erwerbstätigkeit zu verzichten. Die Sachzwänge, denen der Beklagte aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtungen unterworfen war, hatten zur Folge, daß die Klägerin die Verfügungsgewalt über seine gesamte Arbeitszeit innehatte und er daher, einem Arbeitnehmer ähnlich, außerstande war, seine Arbeitskraft auch nur teilweise für andere Zwecke zu verwenden (vgl. Hromadka, NZA 1997, 569, 577).
Einen Ausweg bot insoweit entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts auch nicht die sich aus § 15 PV ergebende Berechtigung des Beklagten, einen Angestellten zu beschäftigen, der die Verkaufstätigkeit für ihn übernahm. Diese Möglichkeit kam realistischerweise nur in den Fällen in Betracht, in denen sich der Franchisenehmer vor Aufnahme der Tätigkeit für die Klägerin bereits die betriebliche Existenzgrundlage geschaffen hatte (vgl. Senatsbeschluß vom 21. Oktober 1998, aaO, unter II 2 b bb und 3 c). In diesem Zusammenhang räumt denn auch die Klägerin selbst ein, daß der Franchisenehmer in aller Regel nur seine Ehefrau als Beschäftigte hat. Deren Tätigkeit dürfte sich auf eine Unterstützung bei häuslichen Büroarbeiten beschränken.
Der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Beklagten steht nicht entgegen, daß er – anders als etwa ein selbständiger Handelsvertreter, der nach § 84 HGB im Namen und für Rechnung des von ihm repräsentierten Unternehmens tätig wird – gemäß §§ 2, 6 Nr. 1 PV sämtliche Geschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abschloß. Ungeachtet dieser formalen Rechtsposition verblieb ihm gegenüber der Klägerin keine nennenswerte Selbständigkeit.
Er war nicht nur an die bereits erwähnten Einsatzzeiten und Umsatzvorgaben gebunden. Darüber hinaus war seine Verkaufstätigkeit durch die verbindlichen Vorgaben des Handbuchs, deren Einhaltung die Klägerin aufgrund der umfangreichen Berichts- und Vorlagepflichten des Beklagten aus § 6 Nr. 2 Buchst. g PV genau überprüfen konnte, von der Gebietserschließung (Abschn. 4 S. 39 ff) über die Tourenplanung (Abschn. 4 S. 20 ff) bis hin zur Beladung des Fahrzeugs (Abschn. 3 S. 9 f) und zur Gestaltung des Verkaufsgesprächs (Abschn. 6 S. 12 ff) im einzelnen reglementiert. Insbesondere auch das Abrechnungssystem der Klägerin (Anl. 4 zum PV) ließ dem Beklagten keine wirtschaftliche Selbständigkeit. Danach wurden die Endverbraucher-Preise der Waren, die der Beklagte von der Klägerin gemäß §§ 2, 6 Nr. 2 Buchst. a und b PV zum Weiterverkauf erworben hatte, aufgrund einer der Klägerin erteilten Abbuchungsermächtigung von seinem Konto abgebucht. Die ihm gemäß § 4 PV von der Klägerin eingeräumten Rabatte wurden ihm erst aufgrund einer Abrechnung, die bis zum 15. des Folgemonats erfolgte, per Verrechnungsscheck ausgezahlt, soweit nach Abzug aller Kosten insbesondere für das „Service-Programm” der Klägerin (§ 9 Nr. 2 PV), Schulung (§ 1 PV), Gebietserschließung (§ 3 PV) und Fahrzeugmiete (Anl. 3 zum PV) ein Überschuß zu seinen Gunsten verblieb.
bb) Der Beklagte war auch gleich einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig.
Seine Stellung entsprach der eines angestellten Verkaufsfahrers der Klägerin. Angesichts dessen, daß eine Beschäftigung von eigenen Angestellten praktisch ausgeschlossen war, mußte der Beklagte die Verkaufstätigkeit für die Klägerin letztlich persönlich erbringen. Sie war ihm dem zeitlichen Umfang und der inhaltlichen Gestaltung nach im einzelnen vorgeschrieben und ließ eine anderweitige Tätigkeit in nennenswertem Umfang nicht zu. Der Beklagte war vollständig in die Organisation der Klägerin eingebunden. Er verfügte über keine eigene betriebliche Organisation mit Ausnahme des Fahrzeugs, das er indessen von der Klägerin mieten mußte. Aufgrund des vertraglich vorgesehenen Abrechnungsverfahrens bezog er praktisch einmal im Monat ein – wenn auch der Höhe nach wechselndes – Gehalt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die vorstehenden Ausführungen (unter aa) Bezug genommen.
Die von dem Beklagten erzielten hohen Umsätze, die nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Klägerin zwischen 415.500 DM im Jahr 1990 und 461.842 DM im Jahr 1993 lagen und in dem „Rumpfjahr” 1994 immerhin noch 324.158 DM betrugen, sprechen entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht gegen eine soziale Schutzbedürftigkeit des Beklagten. Die Beschwerdebegründung weist zu Recht darauf hin, daß insoweit nicht die Umsätze maßgeblich sind, sondern die nach Abzug aller Kosten verbleibenden Gewinne. Diese betrugen nach der Behauptung des Beklagten im Jahr 1990 26.371 DM, im Jahr 1991 17.805 DM, im Jahr 1992 37.076 DM und in den ersten acht Monaten des Jahres 1994 (8 × 1.324 DM =) 10.592 DM vor Steuern und privaten Versicherungen. Selbst wenn man nicht diese von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittenen Zahlen zugrunde legt, sondern von dem Gewinn des Beklagten in seinem umsatzmäßig besten Jahr 1993 ausgeht, der nach den eigenen Angaben der Klägerin (vgl. die per Scheck zur Auszahlung gelangten Beträge von 67.618,72 DM abzüglich 15.939 DM =) 51.679,72 DM, mithin 4.306,64 DM pro Monat vor Steuern und privaten Versicherungen betrug, ergibt sich unter Berücksichtigung einer angemessenen Alters- und Krankheitsvorsorge ein Einkommen im unteren Bereich, das zu dem erforderlichen Zeitaufwand und dem gebotenen persönlichen Einsatz des Beklagten in keinem vernünftigen Verhältnis steht. Daß die Umsätze und Gewinne noch in gewissem Umfang steigerungsfähig waren, ist nicht vorgetragen. Selbst dann würde sich im Ergebnis jedoch nichts ändern. Der Beklagte hatte in jedem Fall nach Abzug von Steuern, privaten Versicherungen sowie Alters- und Krankheitsvorsorge gegenüber einem angestellten Verkaufsfahrer trotz größerem Zeitaufwand und höherem persönlichen Einsatz kaum bessere Verdienstmöglichkeiten, mußte jedoch das volle wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit tragen. Danach eröffnete ihm die Tätigkeit für die Klägerin keine unternehmerischen Erwerbschancen, die ihn von einem Arbeitnehmer unterscheiden könnten.
3. Nach alledem kommt es auf die von dem Beklagten aufgeworfene und vom Oberlandesgericht verneinte Frage, ob die für Handelsvertreter geltende Regelung des § 5 Abs. 3 ArbGG analog auf den Beklagten als Franchisenehmer anzuwenden ist, nicht mehr an. Da der Beklagte arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist, war der Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht zu verweisen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 11 |
BB 1999, 11 |
DB 1999, 152 |
DStR 1998, 2020 |
NJW 1999, 218 |
BGHR |
EWiR 1999, 147 |
JR 1999, 418 |
NZA 1999, 53 |
Nachschlagewerk BGH |
RdA 1999, 268 |
WM 1999, 146 |
ZAP 1999, 395 |
ZIP 1998, 2104 |
AuA 1999, 377 |
JA 1999, 357 |
MDR 1999, 244 |
VersR 1999, 907 |