Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Vorschrift des BGB § 622 Abs 1 S 1 BGB auf die Kündigung des Anstellungsvertrages anwendbar ist, den der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft schließt (Ergänzung BGH, 1984-03-26, II ZR 120/83, BGHZ 91, 217; Ergänzung BGH, 1981-01-29, II ZR 92/80, BGHZ 79, 291).
Orientierungssatz
Bejaht in Ergänzung zu den im Leitsatz zitierten Entscheidungen (dort: entsprechende Anwendung der Vorschrift auf den Geschäftsführer einer GmbH, soweit dieser nicht herrschender Gesellschafter ist).
Tatbestand
Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter einer Reihe von Unternehmen (sog. H.-Unternehmensgruppe), darunter der Beklagten zu 1 (nachfolgend: KG) und ihrer Komplementär-GmbH, der Beklagten zu 2 (nachfolgend: GmbH). Zugleich war er Alleingeschäftsführer der GmbH. Auf Grund des Anstellungsvertrags mit der KG bezog er von dieser zuletzt ein „Geschäftsführergehalt” von 32.500 DM monatlich. In dem Anstellungsvertrag mit der GmbH war vereinbart, daß die Gehalts- und Tantiemezahlungen der KG an den Kläger seine Tätigkeit für die GmbH mit abgelten. Mit Vertrag vom 1. April/11. Mai 1981 hat der Kläger, der mit seiner Unternehmensgruppe in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, u. a. seine Anteile an der KG und der GmbH auf die W. & Co. Beteiligungsgesellschaft übertragen. Mit Schreiben vom 12. August 1981 teilten, wie nunmehr unbestritten ist, beide Beklagte dem Kläger die Abberufung als (Mit-)Geschäftsführer der GmbH gemäß Beschluß der Gesellschafter vom 10. August 1981 und die fristlose Kündigung der Anstellungsverträge mit; weiter heißt es in dem Schreiben, „Vorsorglich sprechen wir diese Kündigung gleichzeitig zum nächstmöglichen Kündigungstermin aus”. Auf Widerspruch des Klägers haben die Beklagten mit Schreiben vom 13. August 1981 erklärt, an der fristlosen Kündigung festzuhalten und als nächstmöglichen gesetzlichen Kündigungstermin den 31. August 1981 bezeichnet.
Der Kläger hat die fristlose Kündigung der Anstellungsverträge wegen Fehlens eines wichtigen Grundes für unwirksam gehalten. Wegen der ordentlichen Kündigung hätten diese allerdings am 31. März 1982 geendet. Da sein Anstellungsverhältnis seit 1935 bestanden habe, betrage die Kündigungsfrist nach § 2 des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (AngKündG) sechs Monate. Der Kläger hat – zuletzt – beantragt,
- festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zu den Beklagten durch die Kündigung vom 10./12. August 1981 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 31. August 1981 hinaus bis zum 31. März 1982 bestanden hat;
- die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Teilbetrag in Höhe von 161.200 DM (Gehalt vom 1. September bis 31. Dezember 1981 zuzüglich Weihnachtsgeld) nebst Zinsen zu zahlen.
Nach Ansicht der Beklagten haben die Anstellungsverträge zumindest auf Grund der ordentlichen Kündigung gemäß § 621 Nr. 3 BGB am 31. August 1981 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger – unbestritten – seine monatlichen Bezüge erhalten. Im übrigen hätten sie sich für die Zeit danach nicht in Annahmeverzug befunden.
Das Landgericht hat dem – ursprünglich weiter gefaßten – Feststellungsantrag teilweise stattgegeben, im übrigen die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß das Anstellungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 nicht durch die fristlose Kündigung vom 10./12. August 1981 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. März 1982 fortbestanden hat; im übrigen hat es „die Berufungen zurückgewiesen und die Klage abgewiesen, dabei die Feststellungsklage, soweit sie Zahlungsansprüche für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1982 betrifft, als unzulässig”. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger den abgewiesenen Teil der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg.
1. Gegenstand des Klageantrags a) ist das Begehren des Klägers festzustellen, daß sein Anstellungsverhältnis bei den Beklagten bis 31. März 1982 gedauert hat. Nach Ansicht des Berufungsgerichts umfaßt dieser Anspruch auch den Gehaltsanspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1982. Dem kann nicht zugestimmt werden. Zwar ist der Gehaltsanspruch von dem Bestand des Anstellungsverhältnisses bis zum 31. März 1982 abhängig. Das macht ihn aber noch nicht streitbefangen. Deshalb ist es rechtsfehlerhaft, daß das Berufungsgericht die Feststellungsklage abgewiesen hat, „soweit sie Zahlungsansprüche für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1982” betrifft.
2. Nach Meinung des Berufungsgerichts ist das Anstellungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 12. August 1981 gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG erloschen. Der Kläger habe es versäumt, innerhalb von drei Wochen nach Zugang des Schreibens Klage auf Feststellung zu erheben, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Infolgedessen sei die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1 abzuweisen. Dem kann schon aus folgendem Grunde nicht beigetreten werden:
Wie sich aus § 1 Abs. 1 KSchG ergibt, sind die §§ 4, 7, 13 KSchG nur auf solche Arbeitnehmer anwendbar, deren Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat (vgl. auch Hueck, Kündigungsschutzgesetz 10. Aufl. § 1 Rn. 23ff.). Das war bei dem Kläger nicht der Fall, mag er auch schon seit langem in einem Dienstverhältnis zu der Beklagten zu 1 gestanden haben. Der Kläger war bis 11. Mai 1981 Mehrheitsgesellschafter der beiden Beklagten. Auf Grund dieser Stellung konnte er, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die von ihm gegenüber der Beklagten zu 1 zu erbringenden Dienstleistungen selbst frei bestimmen, so daß er jedenfalls bis zu dem genannten Zeitpunkt kein Arbeitnehmer der Beklagten zu 1 gewesen ist (vgl. hierzu auch die Rechtsgrundsätze in BGHZ 91, 217, 220f.). Davon gehen auch die Revision und die Revisionserwiderung aus. Sollte sich aber mit seinem Ausscheiden als Gesellschafter, wie das Berufungsgericht meint, das Dienstverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt haben, so hat dieses, was das Berufungsgericht übersehen hat, bei Zugang des Kündigungsschreibens vom 12. August 1981 noch keine sechs Monate bestanden.
3. Die Abweisung der Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1 läßt sich auch nicht mit der fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers begründen.
Die Beklagten haben die fristlose Kündigung in dem Schreiben vom 12. August 1981 damit gerechtfertigt, daß der Kläger gegen die von ihm in dem Vertrag vom 1. April/11. Mai 1981 übernommene Verpflichtung verstoßen habe, innerhalb dreier Monate aus der Geschäftsführung der Gesellschaften auszuscheiden. Das Landgericht hat darin keinen wichtigen Kündigungsgrund gesehen, weil „man den Kläger bereits am 10. August 1981 abberufen hat, obwohl seine Amtszeit jedenfalls noch bis 11. August 1981 vereinbarungsgemäß dauern durfte”. Das Berufungsgericht hat sich bei Prüfung des Feststellungsbegehrens gegen die Beklagte zu 2 praktisch den Ausführungen des Landgerichts angeschlossen und außerdem bemerkt, daß diese in der Berufungsinstanz auf diesen Komplex nicht mehr eingegangen sei (das trifft auch für die Beklagte zu 1 zu). Die Revisionserwiderung meint, nach dem Berufungsurteil stehe die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung seitens der Beklagten zu 1 deshalb fest, weil der Kläger nach den Ausführungen des Berufungsgerichts die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG versäumt habe. Insoweit muß sie sich entgegenhalten lassen, daß diese Vorschrift (auch) im Verhältnis der Beklagten zu 1 zum Kläger nicht anwendbar ist (vgl. vorstehend Nr. 2). Ferner vermag sie nicht aufzuzeigen, daß die Annahme der Vorinstanzen, der in dem Schreiben vom 12. August 1981 angegebene Grund für die Kündigung erfülle nicht die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB, rechtsfehlerhaft ist. Demnach fehlt es an einer wirksamen fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags seitens der Beklagten zu 1.
4. Hingegen hat der Vertrag auf Grund der vorsorglichen ordentlichen Kündigung der Beklagten zu 1 in dem Schreiben vom 12. August 1981 am 30. September 1981 geendet (§ 622 Abs. 1 Satz 1 BGB).
a) Entgegen der Ansicht des Klägers bestimmt sich die Kündigungsfrist nicht nach § 2 AngKündG. Nach dieser Vorschrift darf ein Arbeitgeber einem Angestellten nur mit einer Frist zwischen drei und sechs Monaten kündigen, wenn er ihn zwischen mindestens fünf und mindestens zwölf Jahren beschäftigt hat. Das war hier nicht der Fall. Wie vorstehend unter Nr. 2 ausgeführt wurde, war der Kläger als Mehrheitsgesellschafter der beiden Beklagten kein Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. Seine Gesellschafterstellung hat aber erst am 11. Mai 1981 geendet. Danach konnten bis zur Kündigung des Anstellungsvertrags mit Schreiben vom 12. August 1981 die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 2 AngKündG nicht entstehen.
b) Nicht zu folgen ist auch der Auffassung der Beklagten zu 1, daß die Kündigungsfrist nach § 621 Nr. 3 BGB zu berechnen sei, wonach bei einem Dienstverhältnis die Kündigung spätestens am fünfzehnten eines Monats für den Schluß des Kalendermonats zulässig ist, wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist. Denn ein solches Verhältnis hat im Zeitpunkt der Kündigung des Anstellungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 nicht vorgelegen. Vielmehr hat zwischen ihnen seit dem Ausscheiden des Klägers als (Mehrheits-)Gesellschafter der beiden Beklagten ein Vertragsverhältnis bestanden, das lediglich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres kündbar gewesen ist (§ 622 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist § 622 Abs. 1 BGB auf den Geschäftsführer einer GmbH anzuwenden, soweit dieser nicht herrschender Gesellschafter ist (BGHZ 91, 217; 79, 291). Nichts anderes kann für den Fall gelten, daß der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH – wie hier – unmittelbar einen Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft schließt. Für ihn trifft ebenfalls der für die Rechtsprechung des Senats ausschlaggebende Gesichtspunkt zu, daß der zur Leistung der Dienste Verpflichtete seine Arbeitskraft typischerweise hauptberuflich der Gesellschaft zur Verfügung stellt und deshalb mehr oder weniger von ihr wirtschaftlich abhängig ist. Der Frage, ob dieses Rechtsverhältnis als freies Dienstverhältnis – wie die Beklagte meint – oder aber als Arbeitsverhältnis zu werten ist, kommt hierbei keine entscheidende Bedeutung zu. Demnach war festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 bis zum 30. September 1981 bestanden hat.
5. Hat aber der Anstellungsvertrag des Klägers bei der Beklagten zu 1 nicht, wie das Berufungsgericht irrtümlich angenommen hat (vgl. vorstehend Nr. 2), mit dem Zugang des Kündigungsschreibens vom 12. August 1981, sondern erst am 30. September 1981 geendet, so kann der Kläger von ihr das bisher nicht gezahlte Gehalt von 32.500 DM für den September 1981 sowie die als Verzugsschaden geltend gemachten Zinsen fordern (§ 284 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB), deren Höhe seitens der Beklagten zu 1 nicht bestritten worden ist. Auch hat sich – entgegen den Ausführungen des Landgerichts – die Beklagte zu 1 in Annahmeverzug (§ 615 BGB) befunden, nachdem die Beklagten in dem Kündigungsschreiben vom 12. August 1981 den Kläger gebeten haben, nicht mehr für sie tätig zu werden, ferner ihm auf seinen Widerspruch gegen die Kündigung mit Schreiben vom 13. August 1981 mitgeteilt haben, daß sie an der Kündigung festhalten, den Kläger von den Verpflichtungen aus dem Anstellungsvertrag freistellen und ihn bitten, die derzeit von ihm genutzten Diensträume bis zum 31. August 1981 zur Verfügung zu stellen (vgl. BAG, Urt. v. 9. August 1984 – 2 AZR 374/83, NJW 1985, 935, 936). Demgemäß war die Beklagte zu 1 zur Zahlung des Gehalts für September 1981 nebst Zinsen zu verurteilen, und zwar als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2, die für die Verbindlichkeit der Beklagten zu 1 als deren persönlich haftende Gesellschafterin gemäß § 161 Abs. 2, § 128 HGB haftet.
6. Nach dem – insoweit nicht angefochtenen – Berufungsurteil steht rechtskräftig fest, daß das Anstellungsverhältnis des Klägers zu der Beklagten zu 2 bis 31. März 1982 bestanden hat. Damit stellt sich im Hinblick auf den Klageantrag b) die Frage, ob die Gehaltsforderung des Klägers gegen die Beklagte zu 2 für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1981 berechtigt ist. Insoweit besteht kein Gehaltsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1 – sein Anstellungsverhältnis bei ihr hat am 30. September 1981 geendet (vgl. vorstehend Nr. 4) –, so daß ihn die Beklagte zu 2 für die Zeit ab 1. Oktober 1981 nicht auf die Regelung des Anstellungsvertrags verweisen kann, wonach die Gehalts- und Tantiemezahlungen der Beklagten zu 1 seine Tätigkeit für die Beklagte zu 2 mit abgelten. Trotzdem, so meint das Berufungsgericht, seien Gehaltsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2 ausgeschlossen. Zwar eröffne Nr. 3 Abs. 2 des Anstellungsvertrags zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 („Der Verdienst für die Tätigkeit in der GmbH ist durch den Verdienst und die Tantieme aus und durch die GmbH & Co. KG abgegolten. Sollte aus rechtlichen oder steuerlichen Gründen eine Gehaltszahlung durch die GmbH erforderlich werden oder zweckmäßig sein, wird diese von den Bezügen der GmbH & Co. KG abgezogen.”) unter Umständen die Möglichkeit einer Zahlungspflicht der Beklagten zu 2. Jedoch erscheine es im Hinblick auf den Umfang der von dem Kläger nach dem Anstellungsvertrag für die Beklagte zu 2 zu erbringenden Tätigkeit und mit Rücksicht darauf, daß es sich bei der Beklagten zu 1 um das Hauptunternehmen seiner früheren Unternehmensgruppe gehandelt habe, zumindest nicht fernliegend, daß Nr. 3 Abs. 2 des Anstellungsvertrags mehr „taktische” Bedeutung zukomme. Auch habe der Kläger nach Zugang der Kündigung ohnehin keine Tätigkeit für die Beklagte zu 2 mehr ausgeübt. Indes läßt sich damit die Abweisung des Gehaltsanspruchs gegen die Beklagte zu 2 für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1981 nicht begründen. Zum einen hat das Berufungsgericht verkannt, daß sich die Beklagte zu 2 in Annahmeverzug befunden hat. Hierzu kann auf die vorstehenden Ausführungen unter Nr. 5 verwiesen werden. Zum anderen hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob nicht jedenfalls Nr. 5 des Anstellungsvertrages – zumindest in Verbindung mit § 315 BGB – den Gehaltsanspruch des Klägers ganz oder teilweise stützt, wonach bei Beendigung seines Anstellungsverhältnisses bei der Beklagten zu 1 ein der Verantwortung und Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten zu 2 angepaßtes Gehalt durch Gesellschafterbeschluß festgelegt wird. Damit das Berufungsgericht diese Prüfung – gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien – nachholen kann, war die Sache in diesem Punkt zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 647936 |
BB 1987, 848 |
NJW 1987, 2073 |
ZIP 1987, 707 |