Leitsatz (amtlich)
Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme wird in der Regel sofort wirksam und hängt nicht von der formellen Rechtskraft der aufhebenden Entscheidung ab.
Der Schutz des § 836 Abs. 2 ZPO tritt zugunsten des Drittschuldners auch gegenüber einem Pfändungsgläubiger des Schuldners ein (Abweichung von RG JW 1930, 551). Er umfaßt auch den durch den Zeitpunkt der Pfändung bestimmten Rang einer Forderungsüberweisung.
Normenkette
ZPO §§ 776, 836 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. November 1974 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte war als Außenhandelsbank aufgrund eines Akkreditivs zur Zahlung von 44.629,20 DM an die Firma M… M… K…/Hongkong (Firma M…) verpflichtet.
Die Streithelferin der Beklagten – die Firma „m… b…”, Die junge Maschenmode, Inhaberin Janina B…, N… – erwirkte aufgrund eines Arrestbefehls vom gleichen Tage gegen die Firma M… am 18. Februar 1971 beim Amtsgericht Hannover die Pfändung eines Betrages von 39.216,90 DM aus dem bei der Beklagten eröffneten Akkreditiv. Der Pfändungsbeschluß wurde der Beklagten als Drittschuldnerin noch am 18. Februar 1971 zugestellt. Die Zustellung an die Firma M… ließ die Streithelferin zu Händen des Klägers vornehmen, der damals Handelsvertreter der Firma M… in Deutschland war und auch in dem Arrest- und Pfändungsbeschluß vom 18. Februar 1971 als Vertreter dieses Unternehmens aufgeführt wurde. Nach Fälligkeit des Akkreditivs zahlte die Beklagte am 20. Februar 1971 die nicht gepfändete Restforderung an die ausländische Inkassobank der Firma M… aus.
Mit Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 25. August 1971 wurde zugunsten des Klägers, der sich zwischenzeitlich mit der Firma M… überworfen hatte, ein Betrag von 40.000 DM nebst 5% Zinsen hieraus seit dem 5. Mai 1971 aus dem bei der Beklagten bestehenden Akkreditiv gepfändet und dem Kläger zur Einziehung überwiesen. Dieser Beschluß wurde der Beklagten als Drittschuldnerin am 30. August 1971, der Firma M… zu Händen der Nachfolgerin des Klägers als deren Handelsvertreterin in Deutschland am 1. September 1971 zugestellt.
Am 3. September 1971 schrieb die Beklagte dem Kläger:
„Wir bestätigen den Eingang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 25.8.1971 und teilen Ihnen gemäß § 840 ZPO folgendes mit:
Die aus dem Akkreditiv Nr. 6318 bestehenden Ansprüche sind durch Arrestbefehl und Pfändungsbeschluß des Amtsgerichts Hannover vom 18.2.1971 in Höhe von DM 39.216, 90 von der Firma „m…b…”, die junge Maschenmode, N… bereits gepfändet.
Ferner liegt uns ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß derselben Firma vom 15.6.1971 vor, in dem wegen einer Kostenforderung von rund 670,00 DM ebenfalls die bestehende Forderung gepfändet worden ist. Weiter werden Ansprüche der Bank ltd. in Hongkong geltend gemacht. Wir können daher Zahlung an Sie nicht leisten.”
Am 25. Oktober 1971 erließ das Amtsgericht Hannover im Arrestverfahren zwischen der Streithelferin und der Firma M… folgendes Urteil:
- „Der am 18.2.1971 angeordnete Arrest wird ebenso wie der Pfändungsbeschluß vom 18.2.1971 aufgehoben.
- Der Antrag der Arrestklägerin vom 17.2.1971/18.2.1971 auf Erlaß eines Arrestes und Pfändungsbeschlusses wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.”
Nach Berufungseinlegung durch die Streithelferin stellte das Landgericht mit Beschluß vom 27. Oktober 1971 die Vollziehung dieses Urteils gegen Sicherheitsleistung einstweilen ein.
Am 22. Dezember 1971 erstritt die Streithelferin der Beklagten in dem zwischenzeitlich zum Arrestprozeß anhängig gewordenen Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Hannover gegen die Firma M… ein Teilurteil auf Zahlung von 37.198,61 DM nebst erheblicher Zinsen. Als ein daraufhin erneut zugunsten der Streithelferin ergangener Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 21. Januar 1972 der Beklagten am 24. Januar 1972 zugestellt worden war, zahlte die Beklagte den bei ihr liegenden Restbetrag, aus dem Akkreditiv in Höhe von 39 216,90 DM an die, Streithelferin aus.
Im Arrestverfahren verzichtete die Streithelferin am 11. April 1972 auf die Rechte aus dem Arrestbefehl vom 18. Februar 1971, worauf beide Parteien die Hauptsache für erledigt erklärten. Mit Beschluß vom 9. Mai 1972 legte das Landgericht die Kosten des Arrestverfahrens der Streithelferin auf, weil die Vollziehungsfrist für den Arrest nicht gewahrt sei; denn die Zustellung an den Kläger für die Firma M… sei mangels Zustellungsvollmacht desselben unwirksam gewesen.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen seiner Pfändung vom 30. August 1971 auf Zahlung von 38.544,39 DM nebst Zinsen in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.1. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation des Klägers auch für den Fall bejaht, daß eine wirksame Zustellung des zu seinen Gunsten ergangenen Vollstreckungstitels an die Firma M… ebensowenig stattgefunden habe wie im Arrestverfahren der Streithelferin, weil der aufgrund dieses Titels ergangene Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 2-5. August 1971 deshalb nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar wäre.
2. Diese ihr günstige Rechtsmeinung greift die Revision nicht an. Soweit sie die Beklagte im Revisionsverfahren in Zweifel zieht, sind ihre Bedenken nicht begründet. Die fehlende Zustellung des Vollstreckungstitels macht einen aufgrund desselben ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Solange der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß in einem solchen Falle nicht aufgehoben ist, muß er im Prozeß des Gläubigers gegen den Drittschuldner als rechtswirksam angesehen werden (BGH Urteil vom 16. Februar 1976 – II ZR 171/74 = WM 1976, 355 = NJW 1976, 851; vgl. dazu auch BGHZ 30, 173, 175).
3.a) Unzutreffend, ist auch die Meinung der Beklagten, die Arrestpfändung der Streithelferin vom 18. Februar 1971 sei nicht aufgehoben worden, weshalb sich die vom Berufungsgericht erörterte Frage der Anwendbarkeit von § 836 Abs. 2 ZPO nicht stelle.
Im Arrestverfahren ist für die Pfändung einer Forderung das Arrestgericht ausschließlich zuständiges Vollstreckungsgericht (Baumbach/Lauterbach ZPO 32. Aufl. 2 A zu § 930). Es kann von ihm getroffene Vollziehungsmaßnahmen (§§ 928 ff. ZPO) selbst wieder aufheben mit der Folge, daß sie in Wegfall kommen (§§ 928, 776, 775 ZPO). Eine aufgehobene Vollstreckungsmaßnahme ist in der Regel [Ausnahme: § 765a Abs. 4 ZPO] endgültig beseitigt, wenn mit der Aufhebung nicht eine Anordnung nach § 572 Abs. 2 ZPO verbunden war (Stein/Jonas, ZPO 19. Aufl. Anm. III, 5 § 766). Sie lebt bei Wegfall des Aufhebungsbeschlusses nicht wieder auf, sondern kann nur neu vollzogen werden, weshalb gemäß § 804 Abs. 3 ZPO zwischenzeitlich ein Rangverlust eintreten kann. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme hängt nämlich nicht von der formellen Rechtskraft der aufhebenden Entscheidung ab (Saarbrücken OLGZ 1971, 425, 426; Thomas/Putzo, ZPO 8. Aufl. Anm. 1c § 776).
b) Das Amtsgericht Hannover hatte in seinem Urteil vom 25. Oktober 1971 im Arrestprozeß zwischen der Streithelferin und der Firma M… nicht nur den Arrestbefehl, sondern auch die in Vollzug desselben vorgenommene Forderungspfändung aufgehoben. Durch diese verkündete Entscheidung war die Wirkung der Pfändung beseitigt (Wieczorek, ZPO 1. Aufl. Anm. C I b 1 § 775), auch wenn die Beklagte als Drittschuldnerin entsprechend ihrem Vortrag und den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Kenntnis hiervon hatte. Die spätere, aufgrund des Obsiegens in der Hauptsache zusammen mit einer erneuten Pfändung verfügte Überweisung der Forderung an die Streithelferin konnte deshalb nicht mehr in den Rang der Arrestpfändung eintreten (vgl. RGZ 121, 349, 351).
II. 1.a) Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht der Beklagten als Drittschuldnerin für die Zahlung an die Streithelferin aufgrund des Überweisungsbeschlusses vom 21. Januar 1972 den Schutz des § 836 Abs. 2 ZPO zugebilligt hat. Sie meint, diese Vorschrift finde nur Anwendung im Verhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsschuldner, nicht aber zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsgläubiger.
b) Der Revision ist zuzugeben, daß sich der Wortlaut des § 836 Abs. 2 ZPO nur auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsschuldner bezieht (so auch RG JW 1930, 551; Stein/Jonas, a.a.O. II zu § 836; Wieczorek, a.a.O. B II a zu § 836; offen gelassen dagegen RGZ 128, 81, 83). Andererseits wird von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, daß § 836 Abs. 2 ZPO auch im Verhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsgläubiger des Schuldners gilt (OLG Stuttgart NJW 1961, 34; Baumbach,/Lauterbach, a.a.O. 2 B zu § 836; Zöller, ZPO 11. Aufl. Anm. 2 zu § 836; Schuler NJW 1961, 719, 720). Die letztere Meinung verdient den Vorzug. § 836 Abs. 2 ZPO soll den Drittschuldner schützen, der im Vertrauen auf die Wirksamkeit eines Überweisungsbeschlusses handelt (Baumbach/Lauterbach, a.a.O.). Da ein Pfändungsgläubiger mit der Pfändung und Überweisung einer Forderung dem Drittschuldner gegenüber an die Stelle seines ursprünglichen Gläubigers, des Pfändungsschuldners, tritt, rechtfertigt sich die Annahme, daß auch jedem Pfändungsgläubiger gegenüber die vom Gesetz für den Drittschuldner gewollte Schutzwirkung eintritt. Gegenüber einem Dritten, der durch Abtretung seitens des ursprünglichen Gläubigers ein, besseres Recht als ein Pfändungsgläubiger aufgrund einer späteren Pfändung und Überweisung der Forderung erworben hat, wird der Drittschuldner durch die §§ 408 Abs. 2, 407 BGB geschützt; denn Leistungen des Drittschuldners an einen Überweisungsbegünstigten muß der Abtretungsempfänger dann gegen sich gelten lassen, wenn der Drittschuldner zur Zeit seiner Leistung die bessere Berechtigung des Abtretungsempfängers nicht kannte (RG WarnRspr 1910 Nr. 427; Weber/BGB-RGRK Rdn. 19 zu § 408; Palandt, BGB 35. Aufl. Anm. 2 zu § 408). Auch diese Regelung vervollständigt den Schutz des auf den Überweisungsbeschluß vertrauenden Drittschuldners.
Der Umstand, daß der Drittschuldner bei mehrfachen Pfändungen einer Geldforderung berechtigt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen (§ 853 ZPO), zwingt entgegen der Auffassung der Revision nicht dazu, die entsprechende Anwendbarkeit von § 836 Abs. 2 ZPO auf das Verhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsgläubiger zu verneinen; denn auch diese Möglichkeit kann nicht dazu führen, dem Drittschuldner gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger als Inhaber eines vom Vollstreckungsschuldner abgeleiteten Rechts einen Vertrauensschutz zu versagen, den der Vollstreckungsschuldner gegen sich gelten lassen müßte (Anmerkung von Oertmann JW 1930, 551). Der Pfändungsgläubiger, dem die Forderung überwiesen ist, kann seinerseits den Drittschuldner im Falle der mehrfachen Pfändung einer Geldforderung sogar zur Hinterlegung zwingen (§ 853 ZPO) und so für sich die Schutzwirkung dieser Bestimmung herbeiführen. Das hat der Kläger hier nicht getan.
2.a) Die Revision vertritt weiter die Auffassung, § 836 Abs. 2 ZPO knüpfe nur an die Zustellung des Überweisungsbeschlusses an, so daß ein Vertrauensschutz hier ausscheide, weil ihn das Berufungsgericht auf die Arrestpfändung und damit auf die Rangwahrung bezogen habe.
b) Auch insoweit kann der Revision nicht gefolgt werden. Zwar tritt der Schutz des § 836 Abs. 2 ZPO – ebenso wie derjenige des § 408 Abs. 2 BGB, – für, den Drittschuldner erst mit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an ihn ein (Baumbach/Lauterbach, a.a.O.). Die Wirkung des § 836 Abs. 2 ZPO muß sich aber- auch auf den durch den Zeitpunkt der Pfändung bestimmten Rang der Forderungsüberweisung erstrecken, wie er sich dem Drittschuldner nach seiner Kenntnis darstellt; denn andernfalls hätte dieser in denjenigen Fällen, in denen die Pfändung (§ 829 ZPO) der Überweisung an den Gläubiger (§ 835; ZPO) vorausging und in denen er im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Überweisung etwas leistet, keinen hinreichenden Schutz. Im Falle einer Arrestpfändung wandelt sich durch die Erwirkung eines Titels im Hauptsacheverfahren das Arrestpfandrecht in ein voll gültiges Vollstreckungspfandrecht um (vgl. RGZ 121, 349, 351). Ein hierauf ergehender Überweisungsbeschluß hat grundsätzlich den Rang der vorausgehenden Arrestpfändung. Es ist nicht Aufgabe des Drittschuldners, zu prüfen, ob eine spätere Pfändungsmaßnahme nicht durch irgendwelche Umstände zwischenzeitlich einen besseren Hang erlangt hat. Ist eine solche Möglichkeit gegeben, dann mag der weitere Pfändungsgläubiger vom Drittschuldner die Hinterlegung nach § 853 ZPO fordern.
3.a) Schließlich wendet sich die Revision erfolglos auch dagegen, daß das Berufungsgericht dem Kläger die Beweislast dafür zugemessen hat, daß die Aufhebung der Arrestpfändung vom 18. Februar 1971 und damit der Hangverlust des Überweisungsbeschlusses vom 21. Januar 1972 zur Kenntnis der Beklagten gelangt war.
b) Die Kenntnis des Drittschuldners von der Unwirksamkeit eines Überweisungsbeschlusses ist eine anspruchsbegründende Tatsache; denn erst die Aufhebung der Überweisung und die Kenntnis hiervon vermögen Ansprüche gegen den Drittschuldner zu rechtfertigen. Solche Tatsachen hat der Kläger darzulegen und zu beweisen (BGHZ 53, 245, 250 und 369, 379). Auch der Drittschuldner ist regelmäßig an dem Verfahren, das zur Aufhebung eines ihm zugestellten Überweisungsbeschlusses führt, nicht beteiligt. Er steht ebenso außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner wie ein anderer Pfändungsgläubiger. Die Rechtsposition des Drittschuldners ist demnach nicht etwa besser, als diejenige eines nachrangigen Pfändungsgläubigers, wie die Revision meint. Eine andere Beweislastverteilung läßt sich daher hieraus nicht rechtfertigen.
III. Da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, hat der Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 609682 |
BGHZ, 394 |
NJW 1976, 1453 |
JR 1976, 421 |