Leitsatz (amtlich)
›Die von der Bundesrepublik Deutschland in Verträgen über die Herstellung von Rüstungsgütern vorgesehene Verzinsungspflicht in Höhe von 6,5 % für Rückzahlungen nach Bildung eines Selbstkostenfestpreises benachteiligt den Hersteller nicht unbillig (Abgrenzung zu BGHZ 102, 41).‹
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die an sich unstreitige Klageforderung durch Aufrechnung mit einer streitigen Gegenforderung erloschen ist. Die Gegenforderung betrifft die Verzinsung einer inzwischen ausgeglichenen Überzahlung aus einem früheren Vertrag.
I. 1. Die MBB, aus der die Klägerin hervorgegangen ist, und die Beklagte schlossen am 26. November 1976 einen Vertrag, in dem die Beklagte die MBB mit der Fertigung und Lieferung von Lenkflugkörpern beauftragte. Als Gesamtpreis wies der Vertrag eine Summe von 455.832.231, -- DM aus. Hinsichtlich der Preisgestaltung legten die Vertragspartner dem Gesamtpreis zunächst einen sogenannten Selbstkostenrichtpreis zugrunde. Dieser sollte nach der Fertigung von 80 Stück der Flugkörper in einen Selbstkostenfestpreis umgewandelt werden.
Hierzu war in § 16 Abs. 5 des Vertrages folgende Regelung getroffen:
›Anstelle des § 11 Abs. 5 ABBV vereinbaren die Parteien folgende Zahlungsbedingungen:
a) Bei Selbstkostenricht- und Selbstkostenerstattungspreisen zahlt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den jeweils in Rechnung gestellten Betrag, falls die übrigen Zahlungsbedingungen erfüllt sind, unter dem Vorbehalt der Endabrechnung und der Einigung über den endgültigen Selbstkostenpreis. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber überzahlte Beträge unverzüglich zurückzuerstatten.
b) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, überzahlte Beträge mit 6, 5 % jährlich zu verzinsen. Überzahlte Beträge sind Beträge, die den endgültigen Selbstkostenpreis des Vertrages übersteigen. Der Verzinsungszeitraum beginnt mit dem Tag, an dem der Überweisungsauftrag des Auftraggebers seiner Bank zugeht, mit dem erstmals eine Überzahlung bezogen auf den endgültigen Selbstkostenpreis des Vertrages eingetreten ist; er endet mit dem Tag der Rückzahlung der überzahlten Beträge.‹
2. Diese Bestimmung entspricht einer Musterformulierung, die der Bundesminister der Verteidigung mit Schreiben vom 11. Juli 1968 dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung mitgeteilt hatte. Sie findet sich auch in dem ›Musterbeschaffungsvertrag Inland‹ der Beklagten. Die Bestimmung, daß Überzahlungen mit 6, 5 % zu verzinsen seien, wurde Ende der 60er-Jahre nach Absprache mit dem Interessenverband der Industrie in die Vertragsmuster der Beklagten aufgenommen. Sie löste die zuvor bestehende Regelung ab, nach welcher auf den Selbstkostenpreis ein Abschlag von 90 % unter dem Vorbehalt der Endabrechnung zu zahlen war, bei einem Rückbehalt von 10 % bis zum Eingang des Prüfungsberichtes. Die seitdem Verwendung findenden Musterverträge sehen die vorläufig volle Zahlung (100 %) des vereinbarten Selbstkostenpreises vor. Zum Ausgleich für diese Vollzahlung wurde in Absprache mit dem Interessenverband der Industrie die Zinspauschalierung bei Überzahlung eingeführt. Nach dem 26. November 1976 kam es zu mehreren Änderungen des Vertrages, in denen es u.a. um die Anhebung des Selbstkostenrichtpreises ging. So bezifferte der Vertrag vom 10. Dezember 1984 den Gesamtauftragswert auf 633.245.090, -- DM.
Die MBB hat 63, 3 % des nach ihrer Vorkalkulation vorgegebenen Selbstkostenrichtpreises bereits bei Vertragsbeginn oder in einem früheren Vertragsstadium gemäß § 16 Abs. 2 des Vertrages als Vorauszahlung erhalten. In der Folgezeit hat die Beklagte Abschlagszahlungen geleistet. Nach der Umwandlung des Selbstkostenrichtpreises in einen Selbstkostenfestpreis ergab sich eine Überzahlung in Höhe von 42.560.000, -- DM, die die MBB der Beklagten erstattete.
3. Aufgrund dieser Überzahlung errechnete sich nach der Regelung in § 16 Abs. 5 des Vertrages eine Zinsforderung der Beklagten in Höhe von 8.267.211,94 DM. Auf diese Forderung zahlte die MBB lediglich 5.625.584,26 DM. Dies entsprach der nach ihren Angaben aus dem Kapital tatsächlich gezogenen Nutzung in Höhe von 5 %.
II. Die MBB hatte aus einem weiteren Vertrag mit der Beklagten eine Forderung von 4.847.353,17 DM. Gegen diese Forderung rechnete die Beklagte mit der verbliebenen Zinsforderung in Höhe von 2.641.627,68 DM auf.
Mit der Klage macht die Klägerin einen Teilbetrag von 1.000.000,-- DM aus der nach ihrer Ansicht noch offenstehenden Restforderung von 2.641.627,68 DM aus diesem Vertrag geltend.
Während das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, wurde sie vom Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob die Klausel in § 16 Abs. 5 b des Vertrages vom 26. November 1976 entsprechend dem Vortrag der Klägerin eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung ist oder ob die Vertragspartner sie - wie die Beklagte behauptet hat - individuell ausgehandelt und vereinbart haben. Diese Vertragsbestimmung sei auch dann wirksam und damit Grundlage für den von der Beklagten erhobenen Zinsanspruch, wenn sie als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen sei. Die streitige Zinsvereinbarung sei weder gemäß § 9 AGBG unwirksam noch könne ihr gemäß § 242 BGB der Einwand entgegengehalten werden, sie enthalte eine unangemessene Bestimmung und die Geltendmachung von Ansprüchen aus dieser Klausel sei rechtsmißbräuchlich.
Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin durch Verwendung der streitigen Verzinsungsklausel werde nicht schon dadurch indiziert, daß diese Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren sei (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Als Vergleichsmaßstab sei allein von Bedeutung, welche dispositiven Vorschriften konkret durch die Klausel verdrängt werden sollten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kämen als maßgebliche gesetzliche Regelungen, von welchen die Klausel abweiche, nicht die bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 818 ff. BGB in Betracht. Grundlage des Rückzahlungsanspruchs sei abweichend von dem in BGH NJW 1988, 258 (= BGHZ 102, 41) abgehandelten Fall, nicht ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB, sondern der zwischen den Parteien vereinbarte vertragliche Rückzahlungsanspruch. Dieser sei kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, so daß auch die Bestimmung über seine Verzinsung nicht an den bereicherungsrechtlichen Verzinsungsvorschriften gemessen werden könne.
Eine Norm über die Verzinsung vertraglicher Rückzahlungsansprüche sei im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht enthalten. Insoweit finde sich die Regelung eines ähnlichen Sachverhalts allenfalls in § 346 BGB, wonach bei der Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts für die Überlassung der Benutzung einer Sache bei Ausübung des Rücktritts der Wert zu vergüten sei. Von dem Grundgedanken dieser Vorschrift weiche die streitige Klausel jedoch nicht ab. Sie enthalte auch sonst keine die Vertragspartner der Beklagten entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligende Regelung.
Eine nach Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung setze voraus, daß es sich um Nachteile von einigem Gewicht handele. Auch eine erhebliche Benachteiligung sei zulässig, sofern sie nicht unangemessen sei. Es sei eine umfassende Würdigung erforderlich. Man müsse von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrages ausgehen. Es sei zu prüfen, welches Interesse der Verwender an der Aufrechterhaltung der AGB-Klausel habe und welches die Gründe seien, die umgekehrt aus der Sicht des Kunden für den Wegfall der Klausel bestünden. Dabei komme es auch darauf an, ob und wie jede Partei die Verwirklichung des in der Klausel behandelten Vertragsrisikos durch eigene Tätigkeit verhindern könne. Bei dieser Prüfung müsse der gesamte Vertragsinhalt berücksichtigt werden, vor allem müsse also auch der Inhalt anderer AGB-Klauseln in Rechnung gestellt werden. Nur aufgrund einer Beurteilung des gesamten Vertragsgefüges und einer Abwägung der beiderseitigen Rechte und Pflichten könne die Frage, ob eine einzelne Vertragsbestimmung den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteilige, zuverlässig beantwortet werden. Eine AGB-Klausel sei dann unangemessen und unwirksam, wenn der Verwender mit der Formulierung der Klausel nur seine eigenen Interessen im Auge habe und keine hinreichende Rücksicht auf diejenigen des anderen Vertragspartners nehme. Das sei hier aber nicht der Fall.
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind im Ergebnis unbegründet.
1. Die Revision vertritt vor allem die Auffassung, die beim vorliegenden Vertrag gegebene Rechtslage entspreche in Ansehung der Rückerstattung von Überzahlungen bei Aufträgen nach der VOL (§ 17 Nr. 1 Satz 4 VOL/B i.V.m, der Standardklausel aus dem BWB-Mustervertrag) derjenigen bei Aufträgen nach der VOB (§ 16 VOB/B i.V.m. den ›zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen EVM (B) ZVB‹, Stand Jahr 1985). Danach seien Überzahlungen nach der Schlußrechnung unverzüglich zurückzuerstatten. Als Grundlage dieser Rückerstattungspflicht habe der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 1987 (BGHZ 102, 41) das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung angenommen. Der Hinweis des Berufungsgerichts auf die §§ 346 ff. BGB sei daher verfehlt. Der in Frage stehende Sachverhalt sei in den §§ 812 ff. BGB geregelt. Diese sähen eine Verzinsung rückzuerstattender (Über-)Zahlungen jedoch nicht vor.
Dem kann nicht gefolgt werden. Mangels tatrichterlicher Klärung durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daß es sich bei der streitigen Zinsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die nicht individuell vereinbart worden ist. Als solche unterläge sie dann nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG, wenn es sich um eine Preisabrede im Sinne des § 8 AGBG handeln würde. Nach § 8 AGBG gelten die §§ 9 bis 11 AGBG nur für Bestimmungen in formularmäßigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Der Inhaltskontrolle sind hingegen Abreden entzogen, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder durch andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragspartnern festgelegt werden müssen (Einzelheiten hierzu m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung im Sen.Urt. v. 19. 11. 1991, BGHZ 116, 117 = WM 1992, 533 ff. = ZfBR 1992, 124 f. = NJW 1992, 688 f.). Aus dem Anwendungsbereich der §§ 9 bis 11 AGBG scheiden daher Abreden aus, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflichten unmittelbar regeln (Sen.Urt. v. 19. 11. 1991 aaO. unter Hinweis auf die st. Rspr. u.a. BGHZ 106, 42, 46 = WM 1988, 1780, 1782; BGHZ 93, 358, 360 f.; BGH ZIP 1991, 857, 858). Dazu zählt beim Werkvertrag die vom Besteller nach § 631 Abs. 1 BGB für die Werkleistung zu zahlende Vergütung. Da das Gesetz die angemessene Vergütung nicht bestimmt, sondern die Preisbildung den Vertragspartnern überläßt, fehlt es an einem rechtlichen Kontrollmaßstab. § 632 Abs. 2 BGB scheidet für eine Inhaltskontrolle der Preisabrede aus. Diese Vorschrift enthält lediglich eine sekundäre Regelung für den Fall, daß die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Sie setzt damit das Fehlen einer Vergütungsvereinbarung voraus und greift nicht ein, wenn eine Preisvereinbarung vorliegt.
Der Inhaltskontrolle unterliegen hingegen die Preisnebenabreden, d.h. alle auf Preise bezogenen Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (Sen.Urt. v. 19. 11. 1991 aaO.; BGHZ 106, 42, 46; BGHZ 93, 358, 360, 361 m.w.N.).
Die Einordnung der hier einschlägigen vertraglichen Regelung als Preis- oder Preisnebenabrede ist in Anbetracht ihrer Komplexität nicht eindeutig zu treffen. Allerdings kann die Frage offenbleiben, weil sie letztlich für die Entscheidung unerheblich ist; denn gemäß § 8 AGBG nicht unter §§ 9 - 11 AGBG fallende Bestimmungen können bei einer Monopolstellung des Verwenders, die für die Beklagte für den Rüstungsbereich offenkundig ist, entsprechend § 315 Abs. 3 BGB kontrolliert werden (BGH NJW 1987, 1828). Während § 9 Abs. 1 AGBG als Maßstab eine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders zugrunde legt, erklärt § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eine getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur dann als verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen beiden Prüfungsmaßstäben tritt insoweit nicht zutage; denn in beiden Fällen setzt die Prüfung eine Abwägung aller Gesichtspunkte, die die Angemessenheit der angegriffenen Regelung berühren, voraus. Hingegen verbietet die Handhabung der beiden Vorschriften eine isolierte Betrachtung, die nur einen Ausschnitt des Gesamtgefüges betrifft.
2. Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Senat die nach § 9 Abs. 1 AGBG wie nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gebotene umfassende Prüfung aller einschlägigen Gesichtspunkte und die darauf beruhende Abwägung möglich.
Das Berufungsgericht hat einen Verstoß der umstrittenen Zinsregelung gegen Treu und Glauben aufgrund einer Abwägung aller in Erwägung zu ziehender Umstände zutreffend verneint. Nach seinen Feststellungen handelt es sich um einen untypischen Vertrag, der vielerlei Komponenten enthält. Im Kern handelt es sich aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, um einen Werkvertrag. Für das Werkvertragsrecht ist aber kennzeichnend, daß der Unternehmer vorleistungspflichtig ist und eine Vergütung erst nach Fertigstellung und Abnahme des Werkes erhält (§ 631 Abs. 1, § 640 Abs. 1, § 641 Abs. 1 BGB). An dieser Beurteilung ändert auch der Hinweis der Revision nichts, es handele sich bei dem in Rede stehenden Vertrag um einen Werklieferungsvertrag im Sinne des § 651 Abs. 1 BGB. Selbst wenn man vorliegend einen Vertrag über Herstellung und Lieferung vertretbarer Sachen annimmt, führen auch die dann gemäß § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Werklieferungsvertrag anzuwendenden Vorschriften über den Kauf zu einer Vorleistungspflicht des Unternehmers. Der Unternehmer müßte nämlich gemäß den §§ 320, 322, 433 BGB jedenfalls zunächst die Vertragsgegenstände herstellen und die dazu erforderlichen Kosten finanzieren, bevor er Zug um Zug gegen Übergabe der fertigen Gegenstände einen Anspruch auf die Gegenleistung durchsetzen könnte.
Demgegenüber hatte die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 63 % des von MBB ermittelten Selbstkostenrichtpreises bereits bei Vertragsbeginn oder in einem vor der jeweiligen Leistung von MBB liegenden früheren Vertragsstadium zu bezahlen. Damit erhält die Vorleistung der Beklagten eine Darlehenskomponente, weil sie es mit dieser Vorfinanzierung der Klägerin überhaupt erst ermöglicht, das versprochene Werk herzustellen. Eine solche Vorleistungspflicht des Bestellers oder des Käufers ist sowohl den §§ 631 ff. BGB als auch den §§ 433 ff. BGB fremd. Es handelt sich sonach, wie das Berufungsgericht zu Recht betont, um eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild zugunsten von MBB. Bei dieser zwischen MBB und der Beklagten vereinbarten Zahlungsweise ist eine Überzahlung durch die Beklagte von vornherein einkalkuliert. Von daher ist die angegriffene Regelung nicht unausgewogen zum Nachteil von MBB, daß aufgrund der vertraglich vorgesehenen Nachkalkulation, wenn 80 Stück der Flugkörper gefertigt sind, sich zugunsten der Beklagten ergebende Rückzahlungen verzinst werden müssen. Das Berufungsgericht weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß die Beklagte ihre Vorauszahlungen nicht auf der Grundlage des letztlich von ihr geschuldeten Werklohnes, sondern auf der Grundlage einer Vorkalkulation von MBB geleistet hat. Damit hat es diese in der Hand, die Höhe dieser Vorauszahlungen und ihre mögliche Abweichung vom endgültigen Selbstkostenrichtpreis maßgeblich zu bestimmen.
Der von der Revision genannte Gesichtspunkt, die Beklagte habe die Vorkalkulation von MBB geprüft, ändert an der Beurteilung, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, wenig; denn die Vorkalkulation und damit die Höhe von Überzahlungen sind allein der Sphäre von MBB zuzurechnen. Ebenso würden Deckungslücken in ihre Sphäre fallen, weil es nicht Sache des Bestellers ist, verantwortlich die Kalkulation des Unternehmers zu unterstützen. Keinen Bedenken begegnet auch die fernere Erwägung des Berufungsgerichts, daß MBB vorweg bereits weitgehend den versprochenen Werklohn erhalten hat und sich damit und auch in Höhe der Überzahlungen liquides Kapital für ihren Betrieb verschaffen konnte und gegebenenfalls Kreditaufnahmen auf dem allgemeinen Kapitalmarkt gespart habe. Unter diesem Gesichtspunkt kommt hinzu, daß aufgrund der geleisteten Überzahlungen feststeht, daß Leistung von MBB und Gegenleistung der Klägerin sich nicht entsprochen haben. Letztlich ist mehr an Geld geflossen, als MBB an Werklohn fordern dürfte und die Beklagte an Gegenleistung von MBB erhalten hat. Es kommt sonach nicht darauf an, ob die Klägerin darauf angewiesen sein sollte, Geldmittel auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen, oder sie entsprechend der Lebenserfahrung flüssige und derzeit nicht benötigte liquide Mittel zinsbringend angelegt hat. Die angeordnete Verzinsungspflicht von Überzahlungen schafft einen Ausgleich dafür, daß die Leistung von MBB und Gegenleistung der Beklagten sich nicht entsprochen haben.
Vor diesem Hintergrund liegt auch die von der Revision gerügte Verletzung des § 286 ZPO nicht vor. Die von der Klägerin angeführten betriebswirtschaftlichen Rechnungsposten sind für die Beurteilung, ob die Zinsklausel angemessen ist, unerheblich; denn sie kann auch mit dieser Argumentation nicht in Abrede stellen und nicht den Umstand aus der Welt schaffen, daß MBB von der Beklagten höhere Entgelte erhalten hat, als ihr letztlich zustanden.
Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob es nach dem gesamten Vertragsgefüge zu Unterzahlungen kommen könne und die angegriffene Zinsklausel deshalb unangemessen sei, weil Nachzahlungen der Beklagten nicht verzinst würden, stellt sich nicht. Nachdem MBB nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen keinen Anspruch auf Vorauszahlungen der Beklagten hatte, kann es begrifflich nicht zu Unterzahlungen und damit zu einer ›Nachschußpflicht‹ der Beklagten kommen. Von daher stellt sich die Frage der Verzinsung einer solchen Unterzahlung nicht.
Es handelt sich auch nicht um eine Vertragsänderung, wenn MBB nach durchgeführter Nachkalkulation der Beklagten einen Teil ihrer Vorauszahlungen erstatten mußte. Ausschlaggebend ist, daß die Vorauszahlungen und damit auch die später festgestellten Überzahlungen der Beklagten und die Rückzahlungen von MBB aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen vorgenommen werden. Die Vergütung ist sowohl nach ihrer endgültigen Höhe als auch nach Art und Weise ihrer Entrichtung bezüglich Fälligkeit in dem Vertrag eigenen selbständigen Regelungen unterworfen. Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist ebenfalls ein vertraglich geregelter Anspruch. Alle Zahlungen der Beklagten und die Rückzahlungen von MBB werden aufgrund vereinbarter vertraglicher Verpflichtungen vorgenommen und werden deshalb nicht ohne Rechtsgrund erbracht. Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht, daß die bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff., 818 BGB nicht einschlägig sind. Wegen der andersgearteten - hier vertraglichen - Rechtsgrundlage unterscheidet sich der Streitfall auch von dem BGHZ 102, 41 zugrundeliegenden.
Schließlich hat das Berufungsgericht auch zu Recht das legitime Interesse der Beklagten bei Verträgen dieser Art daran hervorgehoben, daß die Herstellung der teueren, von ihr in Auftrag gegebenen Geräte gesichert und nicht etwa durch finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmers gefährdet wird. Dies rechtfertigt aus ihrer Sicht die hohen Vorausleistungen, die letztlich von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Andererseits hat die Beklagte kein Interesse daran, dem jeweiligen Unternehmer durch Überzahlungen hohe unverzinsliche Kredite zu gewähren. Von daher ist auch der Zinssatz für die Überzahlungen mit 6, 5 % nicht zu beanstanden. Er schaffte vor dem gezeichneten Hintergrund einen angemessenen Ausgleich zwischen der vorleistenden Beklagten und der hiervon profitierenden MBB.
3. Die vorstehenden Erwägungen gelten auch für die Einbeziehung der gesetzlichen Mehrwertsteuer in die Zinsregelung. Die Revision rügt hierzu zunächst, das Berufungsgericht habe den diesbezüglichen Vortrag übergangen und keinen richterlichen Hinweis gegeben. Die Frage mag dahinstehen, weil der Senat auch insoweit aufgrund der getroffenen Feststellungen abschließend entscheiden kann. Nachdem es vorliegend darum geht, ob die angegriffene Zinsregelung insgesamt angemessen ist, kommt einzelnen Elementen derselben keine selbständige Bedeutung bei der Beurteilung zu. Es ist aber nicht ersichtlich, daß die in sich ausgewogene und alle einschlägigen Gesichtspunkte, die für beide Vertragspartner streiten, umfassende Regelung durch den Zinsanteil von 6, 5 % auf die im Rückzahlungsbetrag enthaltene gesetzliche Mehrwertsteuer deren Angemessenheit oder Billigkeit in Frage stellen könnte.
III. Der Ausspruch über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993159 |
DB 1993, 631 |
NJW 1993, 1128 |
BGHR AGBG § 9 Abs. 1 Werkvertrag 1 |
BGHR BGB § 315 Abs. 3 Verzinsungspflicht 1 |
WM 1993, 384 |
MDR 1993, 316 |
ZBB 1993, 114 |