Entscheidungsstichwort (Thema)
Taschengeldanspruch eines Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Zum Taschengeldanspruch eines Ehegatten in einer Zuverdienerehe.
Normenkette
BGB §§ 1360, 1360a
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 29.04.1996) |
AG Borken |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. April 1996 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger hatte am 2. Dezember 1976 einen vollstreckbaren Titel über 1.200 DM gegen den Ehemann der Beklagten erwirkt. Einschließlich mittlerweile aufgelaufener Zinsen und Kosten beläuft sich die Forderung auf 3.496,23 DM. Der Ehemann war in der Video-Verleih-Firma seiner Ehefrau, der Beklagten, als Aushilfe beschäftigt. Vollstreckungsversuche des Klägers gegen den Ehemann waren erfolglos, da sein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze lag. Daraufhin ließ der Kläger mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 23. März 1989 den angeblichen Taschengeldanspruch des Ehemannes gegen die Beklagte einschließlich dazugehöriger Auskunftsansprüche pfänden und sich zur Einziehung bzw. Geltendmachung überweisen.
Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Zahlung des Taschengeldes in Anspruch, das die Beklagte nach seiner Meinung ihrem Ehemann in der Zeit von Januar 1991 bis Dezember 1993 geschuldet hat. Auf ein am 7. Juni 1994 erwirktes rechtskräftiges Teilurteil hat die Beklagte Steuerbescheide für 1991 und 1992 sowie eine Bescheinigung ihres Steuerberaters über ihre Bruttoeinkünfte 1993 vorgelegt und hierzu mitgeteilt, daß ihre Firma „V.” ab 1. Januar 1993 von der „V.-GmbH”, deren Geschäftsführerin sie sei, übernommen worden sei. Ein Kaufpreis sei nicht geflossen. Die Beklagte hat im übrigen vorgetragen, daß das Aushilfseinkommen ihres Ehemannes monatlich ca. 700 DM netto betrage, wodurch sein Taschengeldanspruch gedeckt sei.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 3.496,23 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.200 DM seit 21. März 1989 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Zahlungsklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, daß der Kläger zur Geltendmachung des Taschengeldanspruchs ungeachtet der streitigen Frage der Pfändbarkeit berechtigt sei, weil die Pfändung und Überweisung im Prozeß gegen den Drittschuldner als wirksam zu behandeln sei, solange sie – wie hier – nicht vom Vollstreckungsgericht auf Erinnerung aufgehoben sei.
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es ist zutreffend, daß sich der Drittschuldner im Rahmen der Drittschuldnerklage nicht auf Pfändungsverbote oder -beschränkungen berufen kann. Auf die streitige Frage, ob der Taschengeldanspruch überhaupt pfändbar ist, kommt es daher nicht an (OLG Hamm FamRZ 1978, 602; 1985, 407; OLG München FamRZ 1981, 449; OLG Celle FamRZ 1986, 196; Soergel/Lange BGB 12. Aufl., § 1360 a Rdn. 8; Zöller/Stöber ZPO 20. Aufl., § 850 b Rdn. 17).
2. Das OLG vertritt die Auffassung, daß ein Taschengeldanspruch des Ehemannes gegen die Beklagte nicht bestanden habe und die Pfändung daher ins Leere gegangen sei. Zwar komme ein Taschengeldanspruch nicht nur für einen erwerbslosen Ehegatten in Betracht, sondern stehe grundsätzlich auch einem verdienenden Ehegatten als eine Art Aufstockungsanspruch zu, wenn seine Eigeneinkünfte niedriger seien als das Taschengeld. Dieses errechne sich aber nach einem prozentualen Anteil (in der Regel 5 % bis 7 %) des anrechenbaren Einkommens des mehrverdienenden Ehegatten. Die Berechnung erfolge nicht derart, daß auch die geringeren Einkünfte des Ehegatten in eine gemeinsame Kasse einzubringen seien, aus der dann das Taschengeld zuzuteilen wäre. Der Taschengeldanspruch werde vielmehr nach der Lebenserfahrung in aller Regel so befriedigt, daß der weniger verdienende Ehegatte den auf der Grundlage des Einkommens des mehrverdienenden Ehegatten errechneten Taschengeldbetrag von seinem Verdienst einbehalte und erst dann eine Aufstockung verlangen könne, wenn damit sein Anspruch noch nicht befriedigt sei. Eine von dieser Lebenserfahrung abweichende Vereinbarung der Ehegatten sei hier nicht ersichtlich. Der Ehemann der Beklagten habe daher nur dann einen Aufstockungsanspruch, wenn sein Einkommen hinter dem ihm zustehenden Taschengeld zurückgeblieben sei. Daran fehle es. Der Kläger habe das monatliche Nettoeinkommen der Beklagten nach deren Angaben für 1991 mit durchschnittlich monatlich 5.122 DM angenommen, woraus sich ein Taschengeld in Höhe von höchstens 7 % = 358 DM errechne, das bereits durch den Eigenverdienst des Ehemannes von monatlich rund 700 DM netto gedeckt sei. Für 1992 und 1993 gelte Entsprechendes. Soweit der Kläger ein tatsächlich höheres Einkommen des Ehemannes der Beklagten als 700 DM monatlich behaupte, stehe dies der Annahme eines Aufstockungsanspruches erst recht entgegen. Auch aus dem vom Kläger behaupteten Veräußerungserlös der Video-Firma der Beklagten lasse sich kein anderes Ergebnis ableiten. Ein pfändbarer Taschengeldanspruch des Ehemannes würde sich bei seinem Eigeneinkommen von 700 DM nur ergeben, wenn das durchschnittliche Monatseinkommen der Beklagten 14.000 DM netto übersteige. Dafür, daß der Beklagten aus der Übernahme ihrer Firma durch die GmbH ein entsprechend hohes Einkommen zugeflossen wäre, habe der Kläger keine Anhaltspunkte vorgetragen. Soweit der Kläger schließlich abweichend von seinem bisherigen Prozeßvortrag in der Berufungsverhandlung die Behauptung aufgestellt habe, bei dem Eigeneinkommen des Ehemannes handele es sich in Wahrheit um Unterhalts- und Taschengeldzahlungen der Beklagten, die sie ihm nach dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 23. März 1989 nicht mehr mit befreiender Wirkung habe leisten können, sei dies nicht schlüssig dargetan. Denn die Einordnung der 700 DM als Arbeitseinkommen sei bisher unstreitig gewesen; der Kläger habe sogar vorgetragen, daß der Ehemann der wirtschaftliche Inhaber des Video-Verleihs gewesen sei und daraus ein höheres Einkommen erzielt habe. Damit lasse sich sein jetziger Vortrag nicht vereinbaren.
3. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Der Senat teilt den Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, daß ein Taschengeldanspruch nicht nur dem erwerbslosen Ehegatten zusteht, sondern auch für den zuverdienenden Ehegatten in Betracht kommen kann (vgl. auch Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 3. Aufl., § 3 Rdn. 43 u. 58). Keine Bedenken bestehen ferner gegen die Annahme, daß er nur dann besteht, wenn das dem weniger verdienenden Ehegatten zustehende Taschengeld höher ist als sein Eigeneinkommen.
a) Das Taschengeld ist Bestandteil des Familienunterhalts nach §§ 1360, 1360 a BGB. Nach diesen Vorschriften sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 Satz 1 BGB). Der angemessene Unterhalt umfaßt alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Haushaltskosten zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder zu befriedigen (§ 1360 a Abs. 1 BGB). Dazu gehören unter anderem Kosten für Wohnung, Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung, kulturelle Bedürfnisse, Kranken- und Altersvorsorge, Urlaub usw., die in der Regel in Form des Naturalunterhalts gewährt werden. Außerdem hat jeder der Ehegatten Anspruch auf einen angemessenen Teil des Gesamteinkommens als Taschengeld, d.h. auf einen Geldbetrag, der ihm die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nach eigenem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des anderen Ehegatten ermöglichen soll (OLG München FamRZ 1981, 449, 450; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl., § 21 I Nr. 15 S. 235; Palandt/Diederichsen BGB, 57 Aufl., § 1360 a Rdn. 4; Haumer FamRZ 1996, 193).
Der Familienunterhalt richtet sich nach den die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen und dem jeweiligen Lebenszuschnitt der Ehegatten. Als Bestandteil dieses Familienunterhalts richtet sich der Taschengeldanspruch der Höhe nach ebenfalls nach den im Einzelfall gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung der Ehegatten. Dabei wird in der Rechtsprechung üblicherweise eine Quote von 5 % bis 7 % des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens angenommen (vgl. MünchKomm/Wacke BGB, 3. Aufl., § 1360 a Rdn. 6 Fn. 16 m.w.N.). Ein Taschengeldanspruch scheidet aus, wenn das Familieneinkommen nur zur Deckung des notwendigen Bedarfs der Familienmitglieder ausreicht (OLG Hamm FamRZ 1986, 357; 1989, 617; MünchKomm/Wacke a.a.O. Rdn. 6; Palandt/Diederichsen a.a.O. Rdn. 4; Soergel/Lange a.a.O. Rdn. 8).
b) Der Auffassung des Oberlandesgerichts, daß der Taschengeldanspruch nach der Lebenserfahrung in der Weise befriedigt werde, daß der weniger verdienende Ehegatte das auf der Grundlage des Mehreinkommens des anderen Ehegatten berechnete Taschengeld von seinem Verdienst einbehalte und nur dann einen Anspruch habe, wenn sein Eigenverdienst zur Befriedigung nicht ausreiche, ist im Ergebnis zuzustimmen (so auch KG FamRZ 1979, 428; KG NJW-RR 1992, 707; Palandt/Diederichsen a.a.O. unter Hinweis auf KG; Wendl/Scholz a.a.O. Rdn. 58; Derleder JurBüro 1994 Teil 2 S. 195 f., 197; FamK Rolland 1993, § 1360 a Rdn. 5). Allerdings kommt es dabei nicht darauf an, was die Ehegatten über seine Ausgestaltung und Handhabung vereinbart haben, da es nicht von ihrem jeweiligen Willen im Einzelfall abhängen kann, ob ein Taschengeldanspruch besteht oder nicht. Der Taschengeldanspruch ist ein Baranspruch, der aus dem Gesetz folgt und in seinem Bestehen nicht von einem Organisationsakt oder einer Vereinbarung der Ehegatten abhängig ist (so zutreffend Büttner FamRZ 1994, 1433, 1439). Auch das Bundesverfassungsgericht hat bei der Frage, ob ein Taschengeldanspruch materiell-rechtlich besteht und gegebenenfalls zur Befriedigung von Gläubigern herangezogen werden kann, auf die materielle Rechtslage abgestellt, nicht aber darauf, wie die Ehegatten den Taschengeldanspruch im Einzelfall handhaben (BVerfG FamRZ 1985, 143, 146; 1986, 773; vgl. auch Senatsurteil vom 19. März 1986 – IVb ZR 18/85 – FamRZ 1986, 668, 669). Entscheidend ist vielmehr, daß der Taschengeldanspruch, obwohl er Teil des Familienunterhalts ist, ebenso wie der Anspruch auf Trennungs- oder Nachehelichenunterhalt ein auf Geld gerichteter Zahlungsanspruch gegen den anderen, mehr verdienenden Ehegatten ist. Vergleichbar mit dem Barunterhaltsanspruch eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, der seinen eheangemessenen Unterhaltsbedarf ganz oder zum Teil durch seinen Eigenverdienst decken kann und insoweit keinen Zahlungsanspruch mehr gegen den anderen Ehegatten hat, wird auch der Taschengeldbedarf durch den Eigenverdienst des Gläubigerehegatten ganz oder teilweise gedeckt, so daß insoweit kein weiterer Zahlungsanspruch gegen den Schuldnerehegatten besteht.
c) Danach besteht im vorliegenden Fall für den Ehemann kein Taschengeldanspruch mehr gegen die Beklagte, den der Kläger aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts gegen die Beklagte geltend machen könnte (§§ 1360, 1360 a BGB, 829 Abs. 3, 835 Abs. 1 u. Abs. 3 Satz 1 ZPO). Denn bei dem vom Kläger als Mittelwert für die Jahre 1991 und 1992 angenommenen, von der Beklagten nicht bestrittenen monatlichen Nettoeinkommen von 5.122 DM und dem Eigeneinkommen des Ehemannes von 700 DM beläuft sich das Taschengeld selbst nach der vom Oberlandesgericht hier angenommenen Quote von 7 % auf rund 407 DM monatlich, das der Ehemann durch seinen Eigenverdienst decken kann. Dies wäre erst recht bei einem höheren Eigeneinkommen des Ehemannes der Fall. Auch im übrigen sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1127393 |
NJW 1998, 1553 |
FamRZ 1998, 608 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1998, 472 |
ZNotP 1998, 154 |