3.1 BGM-relevante Charakteristika großer Unternehmen
Neben den quantitativen und qualitativen Eigenschaften gibt es noch weitere Eigenschaften der Konzerne, die sich in Bezug auf die Einführung und Durchführung eines BGM von den KMU unterscheiden. Dazu gehören zusätzliche Strukturen, die Personalausstattung, das Ausmaß der bereits umgesetzten gesetzlichen Anforderungen und die Infrastruktur:
- Es existiert eine Struktur, eine Art "Serviceabteilung" für alle Unternehmensbereiche, welche sich als interner Dienstleister um das BGM kümmert. Diese kann ein Teil der Personalabteilung sein.
- Ein Betriebsarzt in Festanstellung oder auch eine betriebsärztliche Abteilung ist in Abhängigkeit der Firmengröße vorhanden.
- Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI) ist vorhanden und in großen Unternehmen/Konzernen und bei entsprechendem Gefährdungspotenzial (z. B. Fertigung, Logistik, Industrie) in großen Unternehmen/Konzernen häufig sogar fest im Betrieb angestellt.
- Grundsätzlich sind Räumlichkeiten für Sitzungen, Workshops, Coachings und Maßnahmen vorhanden. In Einzelfällen können diese z. B. in den Produktions- und Logistikbereichen nicht immer für Workshops und Gesundheitszirkel geeignet sein.
Aus diesen Charakteristika heraus ergeben sich einige Besonderheiten für die Umsetzung eines BGM in großen Unternehmen.
3.2 Fokus auf die Kosten-Nutzen-Perspektive
In vielen Konzernen gibt es bereits Aktivitäten und Maßnahmen zur Verbesserung der Mitarbeitergesundheit. Dabei sind der Ausprägungsgrad und die Qualität der Maßnahmen sehr unterschiedlich. Der Nutzen eines strategischen BGM wird oft nicht erkannt und die Unternehmen hängen auf der Stufe des BGF fest. Da die Strategie der Konzerne i. d. R. auf Gewinnmaximierung und die Optimierung von Kennzahlen ausgerichtet ist, muss bei der Argumentation für die Weiterentwicklung zum vollwertigen BGM, der Schwerpunkt auf die Kosten-Nutzen-Perspektive gelegt werden. Dies trifft insbesondere auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zu.
In der späteren Umsetzungsphase müssen die Zielrichtungen der verschiedenen Maßnahmen bedarfsorientiert sein, um so einen größtmöglichen Nutzen zu erreichen. Dabei kommen grundsätzlich Fehlzeitenmanagement zur Reduktion von krankheitsbedingten Personalausfallkosten, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Maßnahmen zur Arbeitgeberattraktivität ("war of talents") infrage. Um den Kosten-Nutzen-Aspekt auch in dieser Phase bestmöglich zu berücksichtigen, ist darauf zu achten, dass die wertschöpfenden Unternehmensprozesse bei der Durchführung der Maßnahmen nicht negativ beeinträchtigt werden. Einen positiven Einfluss hat die im Vergleich zu den KMU hohe Zahl der Beschäftigten und die dadurch bedingten relativ guten Ausgleichsmöglichkeiten von Fehlzeiten, welche durch die Umsetzung von BGF-Maßnahmen entstehen könnten.
3.3 BGM muss messbar gemacht werden
Welcher Nutzen steht dem (finanziellen) Aufwand gegenüber? Das ist die zentrale Frage, die es bei der Argumentation für ein BGM in Konzernen primär zur Zufriedenheit der Unternehmensführung zu beantworten gilt. Die Kosten können i. d. R. relativ einfach mit monetären Größen dargestellt werden. Beim Nutzen gestaltet sich die Sache etwas schwieriger. Um die Kosten-Nutzen-Perspektive messbar zu machen, ist es unabdingbar, ein geeignetes Kennzahlensystem zu entwickeln, das den Nutzen adäquat erfasst. Dieses System muss dann Schritt für Schritt in den Betriebsalltag integriert werden.
Der Krankenstand ist derzeit die Kennzahl für eine ökonomische Betrachtung der Gesundheit im Betrieb. Zusammen mit den Unfallzahlen gehört er zu den Key Performance Indikatoren (KPI) eines Unternehmens und ist ggf. auch relevant bei Rankings von Ratingagenturen. Zudem ist der Krankenstand relativ leicht zu erheben und lässt sich einfach als monetäre Größe darstellen. Ein niedriger Krankenstand deutet allerdings nicht zwangsweise auf gesunde und produktive Mitarbeiter hin. Es ist unbestritten, dass Präsentismus hohe Kosten in Unternehmen verursacht. Daher ist eine alleinige Bewertung der harten Kennzahlen nicht ausreichend. Weiche Faktoren, wie Engagement, Betriebsklima, Zufriedenheit und Wohlbefinden, nehmen einen wichtigen Stellenwert ein. Die Wissenschaft bietet hier zunehmend evaluierte Methoden und Instrumente an, die in der Praxis eingesetzt und genutzt werden können. Nähere Informationen zu den Möglichkeiten eines Kennzahlensystems sind im Fachartikel "Erfolge im betrieblichen Gesundheitsmanagement messbar machen" zu finden.
3.4 Mitarbeiter erfahren zu geringe Beachtung
Laut Engagement Index 2015 einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup, haben 16 % der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen bereits innerlich gekündigt und 68 % machen Dienst nach Vorschrift. Die fehlende emotionale Bindung beruht u. a. darauf, dass den Mitarbeitern nicht genug Beachtung von ihrer Führungskraft geschenkt wird, so Gallup. Daraus resultieren fehlendes Engagement, Unzufriedenheit und Präsentismus. Als Konsequenz stehen bei Konzernen Maßnahmen im Vordergrund, die ein gesundheitsgerechtes und werteorientiertes Führen fördern.
Ziel des BGM in großen Unternehmen muss es sein, die Mitarbeiter mehr in die Entscheidungen und Prozess...