Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsabwehrklage: Recht des Gläubigers auf Einsichtnahme in die Prozesskostenhilfeunterlagen des Gegners
Leitsatz (amtlich)
Der Auskunftsanspruch des Gläubigers gegen den Schuldner aus § 836 Abs. 3 ZPO begründet kein Einsichtsrecht in die Prozesskostenhilfeunterlagen des - ein Klageverfahren nach § 767 ZPO gegen die Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel betreibenden - Gegners nach § 117 Abs. 2 ZPO.
Normenkette
ZPO § 117 Abs. 2 S. 2, § 836 Abs. 3; FamFG § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 20.05.2010; Aktenzeichen 32 F 240/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des AG Oranienburg vom 20.5.2010 - Az. 32 F 240/09 - aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Mit dem ihm am 25.5.2010 (Bl. 73 GA) zugestellten Beschluss des AG Oranienburg vom 20.5.2010 (Bl. 60 f. GA) ist auf Antrag des Beklagten vom 23.3.2010 (Bl. 41 GA) die - bisher allerdings tatsächlich unterbliebene - Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nebst Belegen zur Einsichtnahme nach § 117 Abs. 2 ZPO unter Hinweis auf einen gegen den Kläger bestehenden Auskunftsanspruch des Beklagten nach § 836 ZPO angeordnet worden.
Dagegen richtet sich die am 28.5.2010 eingegangene Beschwerde des Klägers (Bl. 71 f. GA). Er hält die Einsichtnahme des Beklagten ohne die - hier tatsächlich nicht erteilte - Zustimmung des Klägers für unzulässig und verweist im Übrigen darauf, dass schon die Zwangsvollstreckung aus den - im weitergehenden Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gesondert geltend gemachten Gründen - nicht zulässig sei und schon deshalb ein - schließlich allein gegen den Drittschuldner zu richtender - Auskunftsanspruch nach § 836 ZPO nicht bestehe.
Das AG hat der Beschwerde nach Anhörung des Beklagten, der die angefochtene Entscheidung mit Schriftsatz vom 22.6.2010 (Bl. 78 GA) verteidigt, mit Beschluss vom 28.7.2010 (Bl. 88 GA) nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2a. Die (sofortige) Beschwerde des Klägers gegen die Gewährung des Rechts zur Einsicht in die vom Kläger zum Prozesskostenhilfeverfahren eingereichten Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Zwar ist in § 117 Abs. 2 Satz 4 ZPO geregelt, dass die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei über die Übermittlung der Erklärung nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO an den Gegner "lediglich" zu unterrichten ist. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die der Übermittlung zugrunde liegende Entscheidung des Gerichts gar nicht förmlich im Beschlusswege ergehen müsste und jedenfalls nicht anfechtbar ist. Derartige Überlegungen greifen allerdings für den hier vorliegenden Fall, dass eine förmliche Entscheidung - wenn auch ohne Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG - ergangen ist, keinen Raum. Im Übrigen birgt die Frage, ob die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS im Einzelfall vorliegen, durchaus nicht unerhebliches Streitpotential, wie der vorliegende Fall zeigt. Schließlich gebietet der Umstand, dass die Unterlagen nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit Blick auch auf das mit Verfassungsrang ausgestattete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) grundsätzlich vor unbefugter Einsichtnahme durch Dritte zu schützen sind, die Möglichkeit der Anfechtung. Im Übrigen ergibt sich aus § 127 Abs. 2 ZPO keinerlei Einschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen insoweit; es wird nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Frage des Einsichtsrechts des Prozessgegners uneingeschränkt das Rechtsmittel der (sofortigen) Beschwerde eröffnet.
b) Das Rechtsmittel des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es allerdings zur Einsichtnahme in die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Belege der ausdrücklichen Zustimmung der Partei nicht in jedem Falle, sondern nur grundsätzlich. Der Gesetzgeber hat im Zuge des zum 1.9.2009 in Kraft getretenen FGG-Reformgesetzes nämlich in § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO ausdrücklich eine Ausnahme von der Zustimmungspflicht für den Fall, dass der Gegner (hier der Beklagte) gegen den Antragsteller (hier den Kläger) nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. Diese Vorschrift ist im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren nach § 76 Abs. 1 FamFG entsprechend anzuwenden, da in den §§ 76 - 78 FamFG insoweit nichts Abweichendes bestimmt ist.
Abweichend vom AG erachtet allerdings der Senat die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes im Streitfall für nicht gegeben. Der hier vom Beklagten reklamierte Auskunftsanspruch nach § 836 ZPO - der sich entgegen der Auffassung des Klägers selbstverständlich gegen den Vollstreckungsschuldner selbst richtet...